Analyse von TV-‐Werbespots: Über die Funkºon der Musik im

Werbung
Analyse von TV-­‐Werbespots: Über die Funk:on der Musik im audiovisuellen Gesamtkontext. Werbung in Programmen öffentlich-­‐ rechtlicher Fernsehanstalten André Jankowski, Hendrik Hänel, Maximilian Bleß, Annika Tenter 1. Hintergrund Ob im Fernsehen, Radio, Internet oder in Zeitungen und Magazinen: Überall bewerben Unternehmen ihre Produkte, um sie an den Mann zu bringen. Werbung ist vielfäl0g und hat in jedem Verbreitungs-­‐medium eine ganz eigene ÄstheMk1. Ist die Rede von Fernsehwerbung, so dürQe es selbstverständlich sein, dass diese fast immer mit Musik einhergeht – nicht zuletzt, da sich die Fernsehwerbung in ihrer Form (akusMsch und visuell) deutlich von der Radio-­‐ (nur akusMsch) und Anzeigenwerbung (nur visuell) abhebt2. Der Frage, wie Musik im kommerziellen Kontext auf den Rezipienten wirkt, haben sich bis heute sehr viele WissenschaQler unterschiedlicher Disziplinen angenommen – auch wenn ihre Ergebnisse sich in vielen Punkten wesentlich unterscheiden. Nach dem WirtschaQswissenschaQler Jürgen Tauchnitz hat Musik ein beeinflussendes PotenMal auf die physiologischen und psychologischen Reize des Menschen3. Dagegen schreibt der Medien-­‐ und KommunikaMonswissenschaQler Holger Schramm der Musik, die nur im Hintergrund und somit sekundär wahrgenommen wird, kaum eine bis gar keine Wirkung zu4. Der KulturwissenschaQler Götz Östlind5 stellt fest, dass die Wirkungsforschung generell ein Problem darstellt, da unterschiedliche Menschen verschiedene Erfahrungs-­‐, Einstellungs-­‐ und Verhaltensmuster besitzen und der Gegenstand der Werbung nie objekMv sondern „bestenfalls intersubjekMv“6 wahrgenommen wird. 4. Ergebnisse 4.1 Ergebnisse der Auszählung: Öffentlich-Rechtliche Werbung
ARD
Bei der Auszählung wurden die Werbespots in erste Produktkategorien unterteilt, um diese wiederum übersichtlich in größeren Hauptkategorien zusammen zu fassen. Jede Kategorie gliedert sich in die Gesamtheit der ermiqelten Clips und Clips mit Musik bzw. ohne Musik. Anhand der Auszählung wurden folgende Werbespots für die Analyse ermiqelt: • Glücksspirale (ARD) • Laxoberal-­‐Abführtropfen (ZDF) Die Zielsetzung entspricht der Erwartung, eine Aussage über das „Gesamtgebilde“ des Werbespots treffen zu können und damit einhergehend die verschiedenen Gestaltungsebenen des Werbespots zu entschlüsseln. Hierbei soll ein Ansatz verfolgt werden, welcher nicht die Wirkungsweisen der Musik in der Fernsehwerbung in das Zentrum der Untersuchung stellt. Vielmehr soll untersucht werden, welche FunkMonen die Musik im Einzelnen erfüllt und wie sie im Gesamtwerk verwendet wird. Außerdem sollen auf den Musikeinsatz bezogene Kriterien in der Machart der untersuchten Clips herausgearbeitet werden. Dazu zählt beispielsweise die Länge des Clips im Verhältnis zur Länge der Musik im Clip oder die Einsatzformen als Jingle, Hintergrundmusik etc. Abschließend soll die Frage nach der Wirkung der Anatomie des Clips im Rahmen der KommunikaMon7 beantwortet werden. Unterstützend werden dabei die Konsummuster8, die Instrumentenklischees9 und die AIDA-­‐
Formel10 zu Rate gezogen. 3. Methode Im Vordergrund der Forschungsarbeit stand die Analyse von den für die Zielgruppen und Produktnischen entsprechenden Werbeclips mit dem Schwerpunkt auf dem musikalischen Einsatz und dessen Wechselwirkung im Geflecht der anderen Gestaltungsebenen. Methodisch wurde die Musik anhand der AIDA-­‐Formel analysiert. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den Punkten Aufmerksamkeit (AqracMon) und Interesse (Interest). Um die zu analysierenden Spots der einzelnen Sender zu erhalten, wurde folgendes Vorgehen gewählt: Das Programm der vier Sender ARD, ZDF, RTL und Pro7 wurde zur selben Zeit aufgezeichnet (17 bis 20 Uhr, 27.05.2011). Daraurin wurden die Werbespots (keine Werbetrenner o.ä.) gezählt und in Produktkategorien eingeordnet. Nun sollte bei jedem Sender die prozentual am stärksten vertretene Kategorie ausgewählt und der innerhalb dieser Kategorien am häufigsten gespielte Spot definiert werden. So ergeben sich vier Spots, die das Material der Analyse bilden. Neben der Strukturuntersuchung nach dem AIDA-­‐ Prinzip wurde die Anatomie des Werbespots nach folgenden Punkten herausgearbeitet: 1.  Bild 2.  Musik 3.  Sprache !"#$%&'#$()%*$"+,-.+
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Autoren: André Jankowski & Hendrik Hänel
Autoren: Andé Jankowski und Hendrik Hänel
4.2 Die Werbespots in der Analyse Der Spot versucht die Begriffe „Glück“ und „drehen“ audiovisuell aufzubereiten. Dies geschieht u. a. dadurch, dass auf der visuellen Ebene die ersten drei Faktoren (AqenMon, Interest, Desire), der AIDA-­‐Fomel angesprochen werden. Letztlich soll durch die ersten drei Ebenen der AIDA-­‐ Formel auch die vierte Ebene, die der Teilnahme (AcMon) ausgelöst werden. 2. Ziele öffetnlich-rechtliche Werbung
ZDF
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• AqenMon: Logo der Glückspirale zum Anfang des Spots, Musik setzt ein • Interest: Das Einblenden von Sachverhalten mit wohltäMgem Hintergrund bspw. „610 Millionen Euro für den Sport“ • Desire: Darstellung von Glück (freudige Menschen) und Harmonie (u. a. LandschaQsaufnahmen) Der Spot richtet sich zügig und direkt an den Rezipienten um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Schnell werden die Vorteile des Produkts erläutert und entsprechend visuell dargestellt. • AqenMon: Ältere Frau spricht in einer Großaufnahme direkt in die Kamera und erläutert ihre Verdauungsprobleme. Die Bildfarbe hat einen gräulichen SMch. • Interest: Verstopfung wird als beschwerendes Gewicht abgebildet. Die simple Dosierbarkeit des Produkts wird beschrieben und dargestellt. • Desire: Leuchtend grüne Elemente der Produktverpackung im Kontrast zur gräulich-­‐beschwerten Umwelt. Das, mit Verstopfung beschriQete, Gewicht löst sich via AnimaMon auf. Die ProtagonisMn fällt erleichtert zurück in die Couch. • AcMon: Das Produkt (Karton + Dosierfläschchen) wird abschließend in einer weiten Kameraeinstellung eingeblendet. Zusätzlich tauchen die SchriQzüge „Schonend abführen.“ und „Ganz nach meinem Bedarf.“ auf. Die Musik ist eines der Kernelemente im Spot. Sie ist Einleitung, Höhepunkt und Schluss in einem und Hauptgestaltungsmerkmal neben der Bild-­‐ und Textebene. Die Musik erklingt während der gesamten Zeit des Clips und trägt damit besonders zur Wahrnehmung des Produkts bei. Die Musik versucht den Rezipienten zum Handeln, also zum Mitspielen bei der Glücksspiralen-­‐Loqerie zu bewegen. Die Musik liegt sehr weit im Hintergrund. Hieraus ergibt sich die Annahme, dass der Musik keine „ernstzunehmende musikalische“ Aufgabe zukommt. Es ist also wahrscheinlich, dass der Musik nur die Aufgabe zuteil wird, die SMmmung zu tragen und durch EmoMonalisierung subMl auf den Zuschauer zu wirken. •  SMmmanteil = 87,09% (27 Sek./ 30 Sek.) •  gesprochene Worte = 43 •  weibliche SMmme bzw. Sängerin •  Zuschauer wird direkt adressiert •  Sprache ist hier Gesang und somit integraler Bestandteil der Musik •  SMmme ist innerhalb der Musik unterstützendes Miqel für die Bilder •  Gesang klingt energisch, fröhlich, posiMv und appellhaQ •  Gesang ist nicht informaMv sondern Vermiqler posiMver EmoMonen •  SMmmanteil = 100% (20 Sek./20 Sek.) •  gesprochene Worte = 52 •  zwei Sprecherinnen (ältere FrauensMmme, jüngere FrauensMmme) •  Zuschauer wird direkt adressiert •  SMmme steht stark im Vordergrund (Lautstärke, Anteil) •  SMmme als vorrangiger InformaMonsvermiqler •  Veränderungen in Klang, Betonung und SMmmung (betroffen  erleichtert) der SMmme zeichnet sich auch in Musik ab Bild Musik Sprache 5. Diskussion der Ergebnisse Mit den vorliegenden Ergebnissen sollte dargestellt werden, dass Werbung als ein Gesamtpaket unterschiedlicher Gestaltungsebenen zu verstehen ist. Jede der Teilanalysen hat beweisen können, dass unterschiedlich starke Wechselbeziehungen zwischen diesen Ebenen exisMeren. Ein möglicher Rezipient ist daher allen audiovisuellen Einflüssen ausgesetzt. Die Musik isoliert von Bild und Ton auf ihre Wirkung zu untersuchen ist daher ein problemaMsches IndukMonsverfahren. Diese Annahme anhand der Analyseergebnisse zu skizzieren war Ziel der vorliegenden Arbeit. Musik wirkt in dem Gesamtpaket Fernsehwerbung nicht isoliert sondern in einem Gestaltungskanon mulMpler, variierender Wechselbeziehungen, welche die Musik rückwirkend beeinflussen und daher bei der wissenschaQlichen Betrachtung des Gegenstandes mitgedacht werden sollten. Literatur 1, 2, 7 Janich, Nina (2010): Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Tübingen: Narr. 3 Tauchnitz, Jürgen (2005): Musik in Werbung und Konsum. In: Oerter, Rolf; Stoffer, Thomas H.; Birbaumer, Niels (Hg.): Spezielle Musikpsychologie. Göyngen: Hogrefe Verl. für Psychologie (Enzyklopädie der PsychologiePraxisgebieteMusikpsychologie, / in Verbindung mit der Deutschen GesellschaQ für Psychologie hrsg. von Niels Birbaumer … ; Themenbereich D; Ser. 7; Bd. 2), S. 699–720. 4 Schramm, Holger (2009): Wirkungen von Musik. In: Schneider, Beate; Weinacht, Stefan (Hg.): MusikwirtschaQ und Medien. Märkte -­‐ Unternehmen Strategien. Nachdruck der 1. Auflage. Baden-­‐Baden: Nomos (Praxisforum Medienmanagement, 7). 5, 6, 10 Östlind, Götz (2003): Musik in der Werbung. Die Musik in der Fernsehwerbung als Teil der Corporate IdenMty eines Unternehmens unter besonderer BerücksichMgung der Häufigkeitsverteilung der unterschiedlichen Werbeformen. Magisterarbeit. Betreut von Prof. Dr. Peter Ahnsehl. Lüneburg. Universität Lüneburg, Angewandte KulturwissenschaQ. 8 Lind, Nikolaus (2008): Einsatz von Pop-­‐Musik in der MarkeMng-­‐KommunikaMon. Vor dem Hintergrund neuer Trends in der Musikkultur. Saarbrücken: VDM Verlag. 9 Wüsthoff, Klaus (1978): Die Rolle der Musik in der Film-­‐, Funk-­‐ und Fernsehwerbung. Berlin: Merseburger (EdiMon Merseburger, 1192). Entstanden im Rahmen des Seminars „Musik als Marke:ngstrategie: Verwendung und Funk:on von Musik in der Werbung“, SoSe 2011 Dozen:n: Stephanie Forge 
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