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Zeitschrift für
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Mitteilungen
b
1225
Antibiotikaprophylaxe in der gastrointestinalen
Endoskopie – Empfehlungen der Österreichischen
Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie
Antibiotic Prophylaxis in Gastrointestinal Endoscopy – Recommendations of the
Austrian Society of Gastroenterology and Hepatology
F. Wewalka1, C. Kapral2, E. Brownstone3, M. Homoncik4, F. Renner5
Affiliations
Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet.
Schlüsselwörter
Zusammenfassung
Abstract
!
!
Die Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie
(ÖGGH) zur Antibiotikaprophylaxe in der Endoskopie aus dem Jahr 2002 wurden aktualisiert. Sie
orientieren sich weitgehend an den zuletzt publizierten Leitlinien der Amerikanischen Gesellschaft für Gastrointestinale Endoskopie (ASGE)
und der Amerikanischen Kardiologischen Gesellschaft (AHA). Eine Antibiotikaprophylaxe zur Vermeidung einer bakteriellen Endokarditis ist bei
endoskopischen Untersuchungen oder Interventionen nicht mehr notwendig. Auch wird eine
prophylaktische Gabe eines Antibiotikums vor
einer ERCP ohne Obstruktion und einer ERCP
mit vermutlich beseitigbarer Obstruktion nicht
mehr empfohlen. Bei ERCP mit Obstruktion und
voraussichtlich nur inkompletter Drainage soll
dagegen ein Antibiotikum zur Prophylaxe einer
Cholangitis über mehrere Tage verabreicht werden. Zur Vermeidung lokaler Infektionen ist bei
endoskopischer Punktion, Kontrastierung oder
Drainage zystischer Läsionen sowie bei Anlage
einer PEG eine prophylaktische Antibiotikagabe
sinnvoll. Bei Patienten mit Leberzirrhose und GIBlutung soll so früh wie möglich eine antibiotische Prophylaxe begonnen und über mehrere
Tage verabreicht werden.
The recommendations of the Austrian Society of
Gastroenterology and Hepatology (ÖGGH) for
antibiotic prophylaxis in gastrointestinal endoscopy of the year 2002 have been updated in
accord with the recently published guidelines
of the American Society of Gastrointestinal Endoscopy (ASGE) and the American Heart Association (AHA). Antibiotic prophylaxis for any endoscopic intervention to prevent infectious
endocarditis is no longer necessary. Moreover,
the prophylactic use of antibiotics for ERCP
without biliary obstruction and ERCP with obstruction and a likelihood of complete drainage
is no longer recommended. For ERCP with obstruction and anticipated incomplete drainage,
a full course of antibiotics should be administered to prevent cholangitis. For the prevention
of local infections antibiotics are useful prior to
endoscopic puncturing, contrasting or drainage
of cystic lesions as well as just before application of a PEG tube. In cirrhotic patients with GI
bleeding antibiotic prophylaxis should be started as early as possible and be administered for
several days.
Einleitung
Eingriffen richteten sich vor allem nach der Rate
der durch die Endoskopie verursachten Bakteriämie. Daraus wurde auf ein erhöhtes Risiko für
eine bakterielle Endokarditis nach bestimmten
endoskopischen Eingriffen geschlossen, ohne
dass dafür sichere Beweise vorlagen. Nachdem
nun die Amerikanische Kardiologische Gesellschaft (AHA) im Jahr 2007 ihre Leitlinien bezüglich Prophylaxe einer infektiösen Endokarditis
grundlegend revidierte [3], sah sich auch die
Amerikanische Gesellschaft für Gastrointestinale
▶ Antibiotikaprophylaxe
●
▶ Endoskopie
●
▶ Empfehlungen
●
Key words
▶ antibiotic prophylaxis
●
▶ endoscopy
●
▶ recommendations
●
received
accepted
4.2.2010
19.4.2010
Bibliography
DOI http://dx.doi.org/10.1055/
s-0029-1245420
Z Gastroenterol 2010; 48:
1225 – 1229 © Georg Thieme
Verlag KG Stuttgart ∙ New York ∙
ISSN 0044-2771
Correspondence
Dr. Friedrich Wewalka
Interne Abteilung 4, Krankenhaus der Elisabethinen Linz
Fadingerstraße 1
4010 Linz
friedrich.wewalka@
elisabethinen.or.at
!
Die von der Österreichischen Gesellschaft für
Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) im
Jahr 2002 veröffentlichten Empfehlungen zur Antibiotikaprophylaxe in der Endoskopie [1] orientierten sich an den Richtlinien der Europäischen
Gesellschaft für Gastrointestinale Endoskopie
(ESGE) aus dem Jahr 1998 [2]. Die damaligen
Empfehlungen zur Vermeidung systemischer
und lokaler Infektionen nach endoskopischen
Wewalka F et al. Antibiotikaprophylaxe in der… Z Gastroenterol 2010; 48: 1225 – 1229
Sonderdruck für private Zwecke des Autors
Authors
1226
Mitteilungen
b
Endoskopie (ASGE) im Jahr 2008 dazu veranlasst, ihre Richtlinien zu adaptieren [4, 5]. In der Zwischenzeit sind auch mehrere nationale Gesellschaften in Europa diesem Beispiel gefolgt
[6, 7]. Die ÖGGH möchte nun mit der Neufassung ihrer Empfehlungen keine eigenen neuen Leitlinien erstellen, sondern diese
amerikanischen Richtlinien unter Berücksichtigung der inzwischen publizierten Empfehlungen anderer Gesellschaften in Europa weitgehend übernehmen und den österreichischen Gegebenheiten anpassen.
Hintergrund der Antibiotikaprophylaxe
Sonderdruck für private Zwecke des Autors
!
Endoskopische Eingriffe können durch Setzen eines mukosalen
Traumas zu bakterieller Translokation von mikrobieller Flora
ins Blut führen. Diese Tatsache birgt das potenzielle Risiko
der Keimbesiedelung geschädigter Herzklappen oder von Klappenprothesen mit der Gefahr der Entwicklung einer bakteriellen Endokarditis. Ebenso sind andere Prothesen wie synthetische Gefäßprothesen, vaskuläre Stents, Herzschrittmacher,
Defibrillatoren, andere nicht valvuläre vaskuläre Implantate
oder ein Gelenksersatz Orte möglicher Keimbesiedelung bei
Bakteriämie. Darüber hinaus besteht bei manchen endoskopischen Interventionen die Gefahr einer lokalen Infektion bei direkter Kontamination von sterilen Geweben oder Hohlräumen
durch Punktion oder Kontrastierung.
Ziel einer Antibiotikaprophylaxe ist die Vermeidung von infektiösen Komplikationen an Herzklappen und anderen Prothesen
sowie die Prävention lokaler Infektionen im Zusammenhang
mit endoskopischen Eingriffen. Dagegen ist das Risiko unerwünschter Ereignisse durch die Antibiotikagabe wie allergische
Reaktionen, toxische Begleiterscheinungen, die Entwicklung einer antibiotikaassoziierten Kolitis und die Ausbildung resistenter Keime abzuwägen.
Bakteriämierate
!
Bei Manipulationen an keimbesiedelten Schleimhäuten treten
in unterschiedlicher Frequenz Bakterien in die Blutbahn über
▶ Tab. 1). Zumeist sind diese Bakteriämien mit weniger als
(●
30 min Dauer transient und von niedriger Keimzahl. Die natürliche Flora des Mund-Rachen-Raumes, des Gastrointestinaltrakts und des Urogenitaltrakts beinhaltet allerdings jenes
Spektrum an Keimen, die als Erreger einer bakteriellen Endokarditis gelten. Das weitaus größte Risiko für die Einschwem-
Tab. 1
Bakteriämieraten.
Eingriff
Kauen [3]
Bakeriämierate
7 – 51 %
Zähneputzen [3]
20 – 68 %
Zahnextraktion [3]
10 – 100 %
Gastroskopie [8]
4,4 % (0 – 8 %)
Coloskopie ± Biopsie oder [8] Polypektomie
4,4 % (0 – 25 %)
EUS ± Feinnadelpunktion [9]
4 – 5,8 %
ERCP ohne Obstruktion [8]
6,4 %
ERCP mit verbleibender Obstruktion [8]
Varizenligatur [8]
18 %
8,8 % (1 – 25 %)
Varizensklerosierung [8]
14,6 % (0 – 52 %)
Dilatation einer Ösophagus-Stenose [5]
12 – 22 %
mung von Bakterien in die Blutbahn tragen chirurgische Eingriffe am Parodontium mit Bakteriämieraten von 36 – 88 %
und die Zahnextraktion mit 10 – 100 %. Aber auch alltägliche
Verrichtungen wie Kauen (7 – 51 %) und Zähneputzen (20 –
68 %) führen in einem sehr hohen Ausmaß zu Bakteriämien
[3]. Dagegen liegen die Bakteriämieraten der diagnostischen
Gastroskopie und der Koloskopie im Mittel bei nur 4,4 % und
steigen offenbar auch durch eine Biopsie oder eine Polypektomie nicht an [8]. Ähnlich niedrig sind die Raten für den endoskopischen Ultraschall [9], auch wenn eine Punktion einer soliden oder zystischen Läsion durchgeführt wird (4 – 5,8 %) und
der ERCP bei Patienten ohne Galleabflussbehinderung (6,4 %)
[8]. Endoskopische Eingriffe mit einer vergleichsweise hohen
Inzidenz an Bakteriämie sind die Laser-Therapie im oberen
GI-Trakt (31 – 34%) [1] und die Dilatation einer Stenose im
Ösophagus (12 – 22%), vor allem die mehrfache Bougierung
einer malignen Stenose [5]. Auch die Sklerotherapie von Ösophagusvarizen ist mit einer relativ hohen Rate an Bakteriämien assoziiert. Der Mittelwert beträgt 14,6 %, wobei allerdings Werte zwischen 0 und 52% publiziert sind. Für die
Varizenligatur, die weitestgehend die Sklerotherapie abgelöst
hat, liegen die mittleren Raten bei 8,8 % (1 – 25 %). Die an sich
niedrigen Bakteriämieraten der ERCP steigen auf 18 % an, wenn
im Rahmen der Untersuchung eine vorliegende Galleabflussbehinderung nicht behoben werden kann [8].
Prophylaxe einer bakteriellen Endokarditis
!
Die geltenden Leitlinien der ÖGGH empfahlen bisher eine Antibiotikaprophylaxe vor endoskopischen Eingriffen mit hohem
Bakteriämierisiko bei Patienten mit einem hohen Risiko für
die Entwicklung einer infektiösen Endokarditis. Die Amerikanische Gesellschaft für Kardiologie (AHA) schwächte nun 2007
diese Risikoeinstufung deutlich ab, sodass sich auch die Amerikanische Gesellschaft für Gastrointestinale Endoskopie (ASGE)
dazu veranlasst sah, ihre Leitlinien 2008 neu zu formulieren.
Mehrere Überlegungen waren für diese Änderungen der Empfehlungen ausschlaggebend:
1. Fallberichte zum Auftreten bakterieller Endokarditiden im Zusammenhang mit endoskopischen Eingriffen sind anekdotisch.
2. Es liegen keine schlüssigen Beweise vor, die eine Verbindung
zwischen Endoskopie und infektiöser Endokarditis belegen.
3. Es liegen keine Beweise vor, dass eine Antibiotikaprophylaxe
das Auftreten einer bakteriellen Endokarditis nach Eingriffen
am Gastrointestinaltrakt verhindern kann.
4. Eine bakterielle Endokarditis wird viel wahrscheinlicher
durch Bakteriämien, die bei üblichen täglichen Aktivitäten
wie Zähneputzen auftreten, verursacht.
5. Selbst wenn eine Antibiotikaprophylaxe zu 100 % effektiv wäre, könnte nur eine extrem niedrige Zahl an Endokarditiden
verhindert werden.
Schon in den bisher geltenden Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass nur wenige Berichte existieren, die auf eine durch
einen endoskopischen Eingriff verursachte Endokarditis hinweisen. Somit stellt sie ein sehr seltenes Ereignis dar. Tatsächlich
wurden in den USA bei geschätzten 30 Millionen Endoskopien
pro Jahr nur 15 Fälle mit bakterieller Endokarditis beobachtet,
die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Endoskopie standen.
Zwar belegen prospektive Studien die Reduktion der Inzidenz
von Bakteriämien durch prophylaktische Antibiotikagabe, diese
Wewalka F et al. Antibiotikaprophylaxe in der… Z Gastroenterol 2010; 48: 1225 – 1229
b
Tatsache beweist aber nicht zwangsläufig, dass dadurch eine Endokarditis verhindert werden kann. Somit wird eine Antibiotikagabe zur Prophylaxe einer bakteriellen Endokarditis vor einem wie immer gearteten endoskopischen Eingriff nicht mehr
empfohlen.
Eine andere Situation liegt vor, wenn bei einem Patienten eine
endoskopische Intervention notwendig ist, bei dem schon eine
Infektion im Gastrointestinaltrakt besteht, an der vermutlich
Enterokokken beteiligt sind wie z. B. eine Cholangitis, und dieser Patient ein hohes Endokarditisrisiko hat. Da v. a. Enterokokken als Erreger einer Endokarditis in Betracht zu ziehen sind,
soll bei einem solchen Patienten die antibiotische Therapie
eine gegen Enterokokken gerichtete Substanz beinhalten.
Folgende kardialen Vorschädigungen sind mit einem hohen Risiko für bakterielle Endokarditis behaftet:
1. Klappenersatz oder Klappenrepair mit Fremdmaterial
2. durchgemachte infektiöse Endokarditis
3. kongenitale Herzerkrankungen:
a) nicht behobener zyanotischer Defekt inklusive Shunt und
Conduit
b) komplett behobener Defekt mit implantiertem Fremdmaterial innerhalb der ersten 6 Monate nach dem Eingriff
c) inkomplett behobene kongenitale Herzerkrankung mit Residualdefekt im Bereich von implantiertem Fremdmaterial
4. Klappenschaden bei transplantiertem Herzen
ter Drainage von einer mehrtägigen Antibiotikagabe zur Vermeidung einer Cholangitis profitierten. Die Sinnhaftigkeit einer
mehrtägigen Verabreichung von Antibiotika gilt vermutlich
auch für die endoskopische Drainage von Pankreasnekrosen
oder -pseudozysten, obwohl hier keine randomisierte Studien
vorliegen. Empfehlung: Bei ERCP ohne Hinweis auf Obstruktion ist keine Antibiotikaprophylaxe notwendig. Bei ERCP mit
Obstruktion, die vermutlich durch Intervention behebbar ist,
kann ebenfalls auf eine Antibiotikaprophylaxe verzichtet werden. Eine prophylaktische Antibiotikagabe sollte dann erwogen
werden, wenn bei vorliegender biliärer Obstruktion durch die
Intervention möglicherweise keine vollständige Drainage erzielt werden kann wie etwa bei Patienten mit PSC oder einem
Hilustumor. Eine rein diagnostische ERCP ohne Möglichkeit einer therapeutischen Intervention sollte in solchen Fällen nicht
erfolgen. Bei erfolgreicher kompletter Drainage kann auf eine
fortgesetzte Gabe des Antibiotikums verzichtet werden, außer
in der Situation einer biliären Striktur nach Lebertransplantation. Im Falle der inkompletten Drainage soll das Antibiotikum
über mehrere Tage fortgesetzt werden. Bei Kontrastierung von
Pankreaszysten und Zystendrainage sollte ebenfalls über mehrere Tage ein Antibiotikum verabreicht werden. Das verabreichte Antibiotikum sollte in seinem Spektrum sowohl die
gram-negativen Enterobakterien als auch Enterokokken beinhalten (z. B. Chinolon oder Ureidopenicillin)
Prävention anderer Infektionen
Endoskopischer Ultraschall (EUS) mit Feinnadelpunktion
(FNP)
!
In weitaus höherem Maß als die Auslösung eine Endokarditis
bergen manche endoskopische Eingriffe das Risiko einer lokalen Infektion durch Einbringen von Keimen in Wunden oder in
ein unzureichend drainiertes flüssigkeitsgefülltes Hohlraumsystem. Bei solchen Infektionen besteht dann auch die Gefahr
einer Bakterieneinschwemmung in die Blutbahn mit septischen Komplikationen. Unter solchen Voraussetzungen ist die
prophylaktische Gabe eines Antibiotikums sinnvoll und zu
empfehlen.
ERCP
Cholangitis und Sepsis sind bekannte schwere Komplikationen
der ERCP und treten in 0,5 – 3 % der Fälle auf. Die routinemäßige Gabe eines Antibiotikums vor der Untersuchung konnte die
Inzidenz der Cholangitis nicht signifikant verringern. Insbesondere scheint die einmalige prophylaktische Gabe bei Risikopatienten mit Gallengangsstenosen zu wenig wirksam zu sein,
um eine Infektion zu verhindern [10]. Dagegen liegen Daten
vor, die belegen, dass gerade bei inkompletter Gangdrainage
eine Senkung der Cholangitisrate durch eine mehrtägige Antibiotikagabe erreicht werden kann [11]. Zu dem gleichen
Schluss kommt auch eine große retrospektive Analyse von
fast 11 500 Patienten eines US-Zentrums über einen Zeitraum
von 11 Jahren [12]. Die Untersucher änderten im Laufe der
Zeit die Praxis der Antibiotikaprophylaxe insofern, als anfänglich bei allen Patienten mit Zeichen einer Obstruktion, mit Immunsuppression und bei allen therapeutischen ERCPs ein Antibiotikum prophylaktisch verabreicht wurde (95 % der ERCPs)
und zuletzt dies nur mehr bei zu erwartender inkompletter
Drainage durchgeführt wurde (26 % der ERCPs). Trotzdem blieb
die Rate an Infektionen konstant, sie sank sogar leicht von
0,28 % auf 0,23 %. Auffällig war jedoch, dass Patienten mit einer
biliären Striktur nach Lebertransplantation auch nach komplet-
Klinisch relevante Infektionen oder septische Komplikationen
nach diagnostischem endoskopischen Ultraschall oder EUSFeinnadelpunktion sind selten. Nach Punktion solider Läsionen
wird von Infektionen lediglich in Einzelfällen berichtet. Eine
Antibiotikaprohylaxe im Rahmen einer diagnostischen Endosonografie oder einer Feinnadelpunktion solider Läsionen vom
oberen GI-Trakt aus ist daher nicht notwendig. Hingegen ist
die Gefahr der Infektion nach EUS-FNP einer zystischen Läsion
zumindest im Modellversuch beträchtlich [13], und auch in
klinischen Studien konnten Infektionsraten bis 14 % nachgewiesen werden [14]. Bei Gabe von Antibiotika über 3 Tage
konnte eine Infektion fast immer verhindert werden [15]. Allerdings existieren auch zu diesem Thema keine randomisierten Studien. Die meisten Experten empfehlen jedoch eine periinterventionelle Antibiotikagabe über 3 – 5 Tage [16]. Für die
Punktion solider Läsionen vom unteren GI-Trakt aus liegen
nur unzureichend Daten vor. Eine prospektive Studie an 100
Patienten ergab niedrige Bakteriämieraten, aber in keinem
Fall ein Anzeichen einer Infektion [17]. Empfehlung: Vor einer
diagnostischen Endosonografie oder einer EUS-FNP einer soliden Läsion in der Umgebung des oberen GI-Traktes ist eine
prophylaktische Antibiotikagabe nicht erforderlich. Bei FNP einer zystischen Läsion ist jedoch die Gabe eines Antibiotikums
empfehlenswert, die danach noch für 3 – 5 Tage fortgesetzt
werden sollte. Bei Punktion einer soliden Läsion entlang des
unteren GI-Traktes kann die Entscheidung über die Notwendigkeit der Verabreichung eines Antibiotikums individuell von
Fall zu Fall getroffen werden, allerdings sollte es dann auch
über 3 Tage verabreicht werden. Als Antibiotikum der ersten
Wahl wird ein Chinolon angesehen.
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)
Patienten, die einer PEG-Sonde bedürfen, sind zumeist alt,
mangelernährt und immungeschwächt und leiden an einer zu-
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Sonderdruck für private Zwecke des Autors
Mitteilungen
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Mitteilungen
Tab. 2
b
Antibiotikaprophylaxe bei endoskopischen Eingriffen, modifiziert nach den Empfehlungen der ASGE [5].
Patient
geplanter Eingriff
Ziel der Prophylaxe
Antibiotika-Prophylaxe
empfohlenes
Sonderdruck für private Zwecke des Autors
Antibiotikum
alle kardialen Erkrankungen
alle endoskopische Eingriffe
Endokarditis-Prophylaxe
nicht empfohlen
keine Hinweis auf biliäre Obstruktion
ERCP
Prophylaxe einer
Cholangitis
nicht empfohlen
biliäre Obstruktion ohne Cholangitis
ERCP mit voraussichtlichkompletter Drainage
Prophylaxe einer
Cholangitis
nicht empfohlen
biliäre Obstruktion ohne Cholangitis
ERCP mit voraussichtlich
inkompletter Drainage
Prophylaxe einer
Cholangitis
empfohlen; Fortsetzung nach Eingriff
Chinolon, UreidoPenicillin
sterile Pankreaspseudozyste mit
Anschluss an den Pankreasgang
ERCP
Prophylaxe einer
Infektion der Zyste
empfohlen;
mehrere Tage
Chinolon
sterile
Pankreaspseudozyste
transmurale Drainage
Prophylaxe einer
Infektion der Zyste
empfohlen;
mehrere Tage
Chinolon
solide Läsion entlang des oberen
GI-Traktes
EUS-FNP
Prophylaxe einer lokalen
Infektion
nicht empfohlen
solide Läsion entlang des unteren
GI-Traktes
EUS-FNP
Prophylaxe einer lokalen
Infektion
individuelle Entscheidung
zystische Läsion entlang des oberen
GI-Traktes
EUS-FNP
Prophylaxe einer
Infektion der Zyste
empfohlen;
3 – 5 Tage
Chinolon
alle Patienten
PEG
Prophylaxe einer
Infektion des Stomas
empfohlen
Cephalosporin,
Amino-Penicillin
Zirrhose mit akuter GI-Blutung
gilt für alle Patienten
Prophylaxe einer infektiösen Komplikation
empfohlen; mehrere
Tage
Cephalosporin der
3. Generation
synthetische Gefäßprothese
alle endoskopische Eingriffe
Prophylaxe einer
Prothesen-Infektion
nicht empfohlen
Gelenksprothese
alle endoskopische Eingriffe
Prophylaxe einer
septischen Arthritis
nicht empfohlen
grunde liegenden schweren Erkrankung. Diese Faktoren begünstigen das Auftreten einer infektiösen Komplikation. Eine
systematische Durchsicht von 10 randomisierten kontrollierten
Studien mit 1100 Patienten ergab eine statistisch signifikante
Reduktion lokaler Infektionen im Bereich des Stomas durch
eine prophylaktische Antibiotikagabe [18]. Das Antibiotikum
sollte als Einmaldosis i. v. etwa 30 min vor dem Eingriff verabreicht werden. Es sollte vom Wirkspektrum die Haut- und Rachenflora abdecken, erste Wahl sind daher Aminopenicilline
oder Cephalosporine. Bei endemischem Vorkommen von
MRSA wäre vor Anlage einer PEG-Sonde die Entnahme von
Abstrichen aus Wunden und dem HNO-Bereich sinnvoll. Bei
positivem Ergebnis sollte eine Dekontamination durchgeführt
werden. Empfehlung: Etwa 30 min vor der PEG-Sondenlegung
sollte eine Einmaldosis eines Aminopenicillins oder eines Cephalosporins intravenös verabreicht werden.
Leberzirrhose mit gastrointestinaler Blutung
Eine Metaanalyse von 8 Studien verdeutlicht einen signifikant
günstigen Einfluss einer Antibiotikaprophylaxe auf die Inzidenz bakterieller Infektionen und auf die Mortalität bei Patienten mit Leberzirrhose und akuter GI-Blutung [19]. Daher sollte
möglichst früh, am besten schon bei Aufnahme des Patienten
ein Antibiotikum verabreicht werden. Im angloamerikanischen
Raum wurde dafür am häufigsten orales Norfloxacin eingesetzt. Eine rezente Studie konnte allerdings die Überlegenheit
von intravenösem Ceftriaxon gegenüber Norfloxacin in dieser
Situation belegen [20]. Somit wird nun auch von der ASGE
die intravenöse Verabreichung eines Cephalosporins der 3. Generation bei allen Patienten mit Zirrhose und GI-Blutung zum
ehest möglichen Zeitpunkt empfohlen, unabhängig von einer
endoskopischen Intervention. Empfehlung: Bei Patienten mit
Leberzirrhose und gastrointestinaler Blutung sollte so früh
wie möglich mit einer intravenösen antibiotischen Prophylaxe
begonnen werden, unabhängig vom Zeitpunkt einer eventuellen Endoskopie. Empfohlen wird dafür ein Cephalosporin der
3. Generation (z. B. Ceftriaxon), dieses soll über mehrere Tage
fortgesetzt werden.
Synthetische Gefäßprothese und andere nicht valvuläre
kardiovaskuläre Implantate
Neben synthetischen Gefäßprothesen fallen in diese Gruppe
auch Herzschrittmacher, implantierte Defibrillatoren, vaskuläre
Stents und Cavafilter. Für diese Implantate liegen keine Berichte einer Infektion in Zusammenhang mit einer gastrointestinalen Endoskopie vor. Infektionen entstehen vielmehr bei der
Implantation selbst, im Rahmen eines Wundinfekts oder infolge einer anderen aktiven Infektion. Die AHA empfiehlt daher
für diese Patienten keine prophylaktische Antibiotikagabe vor
einer endoskopischen Untersuchung oder Intervention. Empfehlung: Vor einer diagnostischen oder therapeutischen Endoskopie ist bei Patienten mit einer synthetischen Gefäßprothese
oder einem anderen nicht valvulären kardiovaskulären Implantat eine Antibiotikaprophylaxe nicht notwendig.
Orthopädische Prothese
Eine Infektion einer Gelenksprothese in Zusammenhang mit
einer endoskopischen Untersuchung ist extrem selten. Es existieren darüber lediglich 2 Fallbeschreibungen, in denen von
einer pyogenen Arthritis berichtet wird. Eine Antibiotikaprophylaxe wird daher bei Patienten mit einer Gelenksprothese
nicht empfohlen. Empfehlung: Bei Patienten mit einer orthopädischen Prothese ist vor endoskopischen Untersuchungen
oder Eingriffen eine prophylaktische Antibiotikagabe nicht notwendig.
Wewalka F et al. Antibiotikaprophylaxe in der… Z Gastroenterol 2010; 48: 1225 – 1229
b
Schlussbemerkung
!
Die geänderten Antibiotikaempfehlungen zur Infektionspro▶ Tab. 2) werden großen Einfluss auf unsere tägliphylaxe (●
che Endoskopiepraxis haben. Eine Antibiotikagabe vor einer
endoskopischen Untersuchung oder Intervention ist hinsichtlich Vermeidung einer bakteriellen Endokarditis von nun an
nicht mehr notwendig. Diese Neuerung schafft gerade im
ambulanten Bereich wesentliche Vereinfachungen. Auch Unsicherheiten bez. des Verhaltens bei bestehenden vaskulären
Implantaten und Gelenksprothesen sind klar beantwortet.
Vor einer therapeutischen ERCP ohne Obstruktion bzw. mit
voraussichtlich behebbarer Obstruktion wird eine prophylaktische Antibiotikagabe nun nicht mehr empfohlen, eine Vorgangsweise, die in Österreich schon bisher nur in geringem
Ausmaß üblich war [21]. Unverändert gelten jedoch die Empfehlungen der Antibiotikaprophylaxe bei ERCP mit und voraussichtlich inkomplett beseitigbarer Obstruktion und bei
Kontrastierung, Punktion und Drainage zystischer Läsionen.
Hier wurde die empfohlene Dauer der Antibiotikaverabreichung sogar deutlich verlängert. Explizit hingewiesen sei
schließlich noch auf die Sinnhaftigkeit der frühen Antibiotikagabe bei Patienten mit Leberzirrhose und GI-Blutung, da diese Maßnahme nicht nur die Infektionsrate, sondern auch die
Mortalität positiv beeinflusst.
Affiliations
1
Interne Abteilung 4, Krankenhaus der Elisabethinen Linz
2
Interne Abteilung, Konventhospital der Barmherzigen Brüder Linz
3
4. Medizinische Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien
4
Klinische Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie; Universitätsklinik für
Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien
5
Abteilung für Innere Medizin, Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern
Ried
Literatur
1 Renner F, Mittermayer H, Häfner M et al. Antibiotikaprophylaxe in der
gastrointestinalen Endoskopie. Empfehlungen der Österreichischen
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