Die Bedeutung von Röm 9-11 im christlich

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Die Bedeutung von Römer 9-11 im christlich-jüdischen Gespräch
von Wolfgang Kraus, Saarbrücken
1. Vorklärungen und Wegmarken1
1.1. Begrifflichkeit
Wenn ich im Folgenden von der Bedeutung von Röm 9-11 „im christlich-jüdischen Dialog“
oder „im christlich-jüdischen Gespräch“ rede, muss der doppelte Gebrauch dieser
Begrifflichkeit im deutschen Kontext beachtet werden:
Zum einen ist damit der konkrete Dialog gemeint, der zwischen Christen und Juden zu
bestimmten Themen erfolgt. Hier könnte man, was Röm 9-11 angeht, auf den früheren
Landesrabbiner
von
Niedersachsen
Henry
G.
Brandt
verweisen,
der
in
einem
Diskussionsbeitrag das Bild des Paulus von der Wurzel und den unterschiedlichen Zweigen in
Röm 11 dahingehend modifizieren wollte, dass er vorschlug, besser von zwei Bäumen zu
reden, die aus einer Wurzel kämen, als von einem Baum mit unterschiedlichen Zweigen.
Zum andern dient die Begrifflichkeit „christlich-jüdischer Dialog“ aber auch als Bezeichnung
für ein (mehr oder weniger) institutionalisiertes Gespräch innerhalb der Kirche/Kirchen.
Christlich-jüdischer Dialog meint hier eine „Such-Bewegung“ innerhalb der Kirche, die sich
mit dem Verhältnis der Kirche zum Judentum beschäftigt. Es geht also hierbei um eine
Selbstreflexion innerhalb der Kirche, die fragt: wer sind wir im Verhältnis zum Judentum?
Und hier gibt es bei allen Unterschieden zwischen den christlichen Konfessionen zunehmend
einen Konsensus zumindest innerhalb der großen Kirchen in Deutschland: dass nämlich das
Gespräch zwischen Christen und Juden essentiell ist.2
Von Bedeutung ist dabei, dass diejenigen, die sich dieser Such-Bewegung verbunden fühlen,
großen Wert darauf legen, „Dialog“ im Unterschied zu einem früheren Verständnis von
„Mission“ zu verstehen. Dem jüdischen Partner - sei er nun körperlich präsent oder nicht soll dabei „auf Augenhöhe“ begegnet werden und er soll in seinem Selbstverständnis zu Wort
kommen. Dialog heißt dezidiert: keine Judenmission. Bei diesem Unternehmen „christlichjüdischer Dialog“ waren von Anfang an jüdische Gesprächspartner in den christlichen
Gremien mit dabei. Aber es ging primär um Fragen christlichen Selbstverständnisses
angesichts des Judentums.
1
Es handelt sich beim folgenden Text um den beim Symposion gehaltenen Vortrag, der um einige Fußnoten mit
Zitatnachweisen erweitert wurde. Auf eine vollständige Bibliographie wurde bewusst verzichtet. Es ging mir
darum (s. vor allem Abschnitte 4.5.6), eine These in die Diskussion einzubringen.
2
Vgl. hierzu grundsätzlich: R. Rendtorff/H.H. Henrix, Hg., Die Kirchen und das Judentum. Dokumente von
1945-1985, Paderborn München 1988, sowie H.H. Henrix/W. Kraus, Hg., Die Kirchen und das Judentum.
Dokumente von 1986-2000, Gütersloh Paderborn 2001.
1
Auf dieser zweiten Bedeutung, dem (institutionalisierten) Gespräch innerhalb der Kirche wird
bei dem, was ich sagen möchte, der Akzent liegen.
1.2. Das Thema von Röm 9-11
In der Diskussion um Röm 9-11 waren neben Einzelproblemen vor allem drei Sachverhalte
umstritten: (1) Die Zusammengehörigkeit von Röm 1-8 mit 9-11, (2) der (stringente) Aufbau
bzw. die inhaltliche Kohärenz und (3) das eigentliche Thema der drei Kapitel.3 Ich gehe
davon aus - ohne das jetzt im Detail nachweisen zu können - dass (ad 1) die thematische und
sachlich-inhaltliche Zusammengehörigkeit von Kap. 1-8 und 9-11 und darüber hinaus (vgl.
insbes. 15,7-13!) gegeben ist4 und dass (ad 2) Röm 9-11 einen kohärenten, zielgerichteten
Argumentationsgang darstellen, wobei es mir besonders auf die Korrespondenz von 9,1-5 und
11,28-32 und den zusammenfassenden Schlusshymnus (11,33-36) ankommt.5
Was (3) das Thema angeht, so bin ich der Meinung, dass es um „Israel“ als Gottesvolk geht.6
„Gottes Gerechtigkeit“ ist in Christus cwri.j no,mou erschienen (Röm 3,21). Sie wird jedoch
durch
Gesetz
und
Propheten
bezeugt
und
war
als
zidkat-JHWH
(„Gottes
Gemeinschaftstreue“) in der gesamten Geschichte Israels am Werk. Damit stellt sich die
Frage nach der Identität des Gottes Israels mit dem Vater Jesu Christi.7 Es geht in Röm 9-11
nicht primär um das Verhältnis von „Kirche und Israel“, sondern um „Israel“ selbst, und zwar
um den Widerspruch zwischen der Heilszusage, die nach dem Zeugnis der Schrift Israel gilt,
und dem gegenwärtigen Stand der Mehrheit Israels außerhalb des Heils in Christus. 8 Es geht
also nicht nur um die Zuverlässigkeit des Gotteswortes (Röm 9,6). Diese Frage ist eine
Teilfrage und könnte durch den Hinweis auf Gottes „mit Auswahl verfahrenden Ratschluss“9
oder mit dem Verweis auf den geretteten Rest beantwortet sein. Es geht auch nicht um
3
Dies kann hier nicht im einzelnen entfaltet werden, s. dazu: W. Kraus, Das Volk Gottes. Zur Grundlegung der
Ekklesiologie bei Paulus, WUNT 85, 1996 (Neuaufl. 2004), 269-333 („Juden und Heiden unter der Verheißung
Gottes nach dem Römerbrief“), bes. 290ff, hier auch ausführliche Literaturhinweise; vgl. daneben W. Kraus,
Paulinische Perspektiven zum Thema „bleibende Erwählung Israels“, in: ders., Hg., Christen und Juden Perspektiven einer Annäherung, Gütersloh 1997, 143-170.
4
Begründung: (1) Röm 9-11 ist Ausführung eines Teiles des in 1,16f angegebenen Themas. (2) Die von Röm
3,1-5 her offenen Fragen erhalten erst hier ihre Antwort. (3) Röm 9-11 bildet die Grundlage für Röm 15,7-13.2533. (4) Die universale Erlösung durch das Evangelium wird einerseits durch die gegenwärtige Leidensexistenz
der Glaubenden, andererseits durch die Ablehnung des Evangeliums seitens der Mehrheit der Juden in Frage
gestellt. D.h. Kap. 5,12-8,39 und 9-11 sind zwei Durchführungen zu ein und demselben Sachverhalt: der
Infragestellung der Gottesgerechtigkeit durch die gegenwärtige sog. „Wirklichkeit“.
5
Gliederung bei Kraus, Volk Gottes, 294f.
6
Wenn ich im Folgenden von „Israel“ spreche, dann soll das im theologischen und nicht im politischen Sinn
verstanden werden. Ich nehme damit den biblischen Sprachgebrauch auf.
7
N. Walter, Zur Interpretation von Römer 9-11, ZThK 81, 1984, 172-195.
8
Walter, Interpretation, 189.
9
O. Hofius, Das Evangelium und Israel. Erwägungen zu Römer 9-11, ZThK 83, 1986, 297-324: 303 (im
Anschluss an H. Lietzmann).
2
missionsstrategische Zugeständnisse, zu denen sich Paulus genötigt sieht,10 sondern um eine
eminent theologische Frage:11 Was ist mit dem bisherigen Gottesvolk Israel angesichts der
Offenbarung der Gottesgerechtigkeit in Christus? „Hat denn Gott sein Volk verstoßen?“ Diese
in 11,1 explizit gestellte Frage schwingt unausgesprochen seit 9,1 mit.
1.3. Wegmarken
Um zu ermessen, was wir bis heute erreicht haben im „christlich-jüdischen Dialog“, wo wir
inzwischen stehen und welche Bedeutung Röm 9-11 dabei hat, sollten wir uns einen kurzen
Moment vor Augen halten, woher wir kommen, wir: das ist die Kirche und ihre Theologie.
Meine Beispiele sind dem deutschen Kontext entnommen, aber sie stehen paradigmatisch
auch für die Entwicklung in anderen Kirchen.
[Petit Anfang] Erlauben Sie, dass ich, bevor ich auf Röm 9-11 eingehe, eine Analogie
bemühe: In einer Diskussion über Sinn und Unsinn der mit dem Jahr 1968 verbundenen
Umwälzungen sagte ein Diskussionsteilnehmer: Um zu verstehen, in welcher Situation man
sich in den 1960er Jahren in Deutschland befand, sollte man sich z.B. vergegenwärtigen, dass
es noch im Jahr 1965 für eine Frau, die ein Bankkonto eröffnen wollte, notwendig war, die
Einverständniserklärung ihres Mannes vorzulegen. Die Zeiten haben sich geändert. So ähnlich
kommt es mir vor, wenn ich die Diskussionen nachlese, die in den 60er Jahren zum Thema
Christen und Juden geführt wurden. Die Zeiten haben sich auch hier geändert. Aber es ist
wichtig, sie in Erinnerung zu behalten. [Petit Ende]
1.3.1. 1948
Im Jahr 1948 verabschiedete der Bruderrat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) also eine Nachfolgeorganisation der Bekennenden Kirche - das sog. „Darmstädter Wort zur
Judenfrage“.12 Er spricht darin zwar zunächst von der Schuld, die Christen gegenüber Juden
auf sich geladen haben. Dann aber heißt es hinsichtlich der Stellung Israels als Volk Gottes:
Israel habe seinen Messias gekreuzigt und damit seine Erwählung und Bestimmung
verworfen. Deshalb sei die Erwählung auf die Kirche übergegangen. Israel stehe unter dem
Gericht und sei damit eine stete Warnung an die christliche Gemeinde, dass Gott nicht mit
sich spotten lasse.
10
J. Becker, Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 1989, 495f; ähnlich E. Brandenburger, Paulinische
Schriftauslegung in der Kontroverse um das Verheißungswort Gottes (Röm 9), ZThK 82, 1985, 1-47, hier: 8.
11
J.D.G. Dunn, The Partings of the Ways Between Christianity and Judaism, London u.a. 1991, 148; P. v.d.
Osten-Sacken, Römer 9-11 als Schibbolet christlicher Theologie, in: ders., Evangelium und Tora. Aufsätze zu
Paulus, TB 77, 1987, 294-314, hier: 299; M. Wolter, Evangelium und Tradition. Juden und Heiden zwischen
solus Christus und sola scriptura (Gal 1,11–24; Röm 11,25–36), in: H.H. Schmid u.a., Hg., Sola Scriptura,
Gütersloh 1991, 180–191, hier: 188.
12
Text in Rendtorff/Henrix, Hg., Die Kirchen und das Judentum, 540-544.
3
Das sind altbekannte Argumentationsfiguren. Hier begegnen alle überkommenen Punkte
traditioneller Israel-Verwerfungs-Theologie. Und es kommt hinzu: die Schoah wird (1948!)
als eine „Warnung“ an die Christen verstanden - das ist entweder theologische Naivität oder
Zynismus.
1.3.2. 1950
Eine Neuorientierung im Verhältnis zum Judentum auf der Ebene der EKD setzte ein mit der
Erklärung der Synode der Evang. Kirche in Deutschland von Berlin-Weißensee, 1950. Recht
verstanden bedeutet sie eine kopernikanische Wende. Neben Sachverhalten, die uns heute
alltäglich geworden sind (z.B. der Betonung von Jesu Jude-Sein, der Absage an den
Antijudaismus usw.) findet sich hier die Aussage: „Gottes Verheißung über dem von ihm
erwählten Volk Israel [ist] auch nach der Kreuzigung Jesu Christi in Kraft geblieben“.13
Diese Position hat sich inzwischen in nahezu allen kirchlichen Erklärungen durchgesetzt. Die
göttliche Verheißung für Israel als Gottesvolk besteht noch immer. Der Bund ist nicht
aufgekündigt.
[Petit Anfang] Noch im Jahr 1964 war das hoch umstritten. Damals hielt Günther Harder,
Neutestamentler in Berlin, einen Vortrag, der mit dem Hinweis darauf endete, es gebe in der
Kirche - insbesondere in theologisch konservativen, lutherisch-konfessionellen Kreisen - noch
immer Gegenstimmen, die der Verwirklichung der Erklärung von Berlin Weißensee
entgegenstünden, in der das Volk Israel weiterhin als das erwählte Volk betrachtet werde. 14
Diese Aussage wurde per Zufall im Landeskirchenamt in München bekannt und erregte dort
Aufsehen. Einer der Oberkirchenräte holte sich bei Prof. Wilhelm Stählin Rat. Dieser schrieb
ihm, dass eine solche Aussage nur zu verstehen sei „im Zusammenhang mit jener
Fehlentwicklung einer wortstarken Gruppe unserer evangelischen Kirche, die den Unterschied
zwischen ecclesia und Synagoge verwischt, weil sie im Grunde weder an die incarnation noch
an die Auferstehung glaubt. ... Es scheint mir also notwendig, daß von autoritativer Seite ein
klares Wort zu dieser Aftertheologie von der Kontinuität des Volkes Gottes gesagt wird. Ich
erinnere mich nicht genau, was auf der Weißenseer Synode 1950 (an der ich teilgenommen
habe) gesagt worden ist. Jedenfalls hat die Synode keinesfalls erklärt, daß das Volk Israel
weiterhin als das erwählte Volk betrachtet werden soll. Ich kann mir nicht denken, daß die
13
Text in Rendtorff/Henrix, Hg., Die Kirchen und das Judentum. 548f. Wesentlichen Anteil an der Formulierung
hat der Berliner lutherische Systematiker Heinrich Vogel.
14
E.-L. Schmidt, Die Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern und die Juden 1920-1992, in: W. Kraus, Hg., Auf
dem Weg zu einem Neuanfang, München 1999, 25-46, hier: 38f.
4
Synode einer solchen offenkundigen Irrlehre zustimmt.“15 Die Zeiten haben sich geändert, das
ist inzwischen anders. [Petit Ende]
1.3.3. 1975
Im Jahr 1975 verabschiedete die EKD ihre erste Studie zum Thema Christen und Juden.
Deren Absicht war es u.a., einen Konsens innerhalb des evangelischen Lagers zu
ermöglichen. Sie beschreibt die gemeinsamen Wurzeln, spricht über das Auseinandergehen
der Wege und fragt nach Möglichkeiten der aktuellen Gestaltung des Verhältnisses von
Christen und Juden. Erarbeitet wurde sie von der „Studienkommission Kirche und Judentum“.
Diese Studie bedeutete nach der Erklärung von Berlin-Weißensee einen erneuten wichtigen
Schritt. Ihr Motto ist aus Röm 11,18 gewonnen: „Du sollst wissen: Nicht du trägst die Wurzel,
sondern die Wurzel trägt dich.“16 Unter Bezug auf Röm 11,2 heißt es, Paulus bestätige den
Juden, dass sie weiterhin Volk Gottes seien.17
Bedeutsam an der Arbeit der EKD-Studienkommission war, dass von Anfang an jüdische
Mitglieder an den Beratungen beteiligt waren, also nicht Christen allein über ihr Verhältnis
zum Judentum nachdachten, sondern dies von vornherein in einer gemeinsamen Anstrengung
vonstatten ging.
1.3.4. 1980
Der Synodalbeschluss der Evang. Kirche im Rheinland von 1980 war dann der erste Versuch,
über die Beschreibung des status quo hinauszukommen. Er hatte das gleiche Motto, wie die
EKD-Studie I von 1975: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich, Röm
11,18.“ Es handelt sich hierbei um den ersten Beschluss einer Kirchensynode mit
Gesetzeskraft, nicht nur um die Studie einer Kommission wie bei der EKD-Studie von 1975.
1.3.5. 1991
Alle protestantischen Landeskirchen in Deutschland sind zwischen 1980 und 1998 der Evang.
Kirche im Rheinland gefolgt und haben Erklärungen zum christlich-jüdischen Verhältnis
abgegeben.18 Konsens besteht dabei unter allen Landeskirchen darin, dass die „bleibende
Erwählung Israels als Gottesvolk“ nicht infrage gestellt wird. Dies ist auch die Position, die
15
Schmidt, a.a.O., 39.
Text in Rendtorff/Henrix, Hg. Die Kirchen und das Judentum, 558-578. Dieses Motto begegnet im Kontext der
Frage nach dem Verhältnis von Christen und Juden bereits 1934 in einem Text des bayerischen Pfarrers K.-H.
Becker in einer Eingabe an den Landeskirchenrat, in der Becker sein Missfallen über die Untätigkeit der Kirche
für die Juden zum Ausdruck bringt. S. dazu A. Töllner, Eine Frage der Rasse?, Konfession und Gesellschaft 36,
Stuttgart 2007, 84-93, hier: 93.
17
EKD-Studie Christen und Juden, Ziff. I.3 (Text in Rendtorff/Henrix, Hg., Die Kirchen und das Judentum,
561).
16
5
eine zweite Studie der EKD von 1991 vertritt. Unter dem Titel „Auf dem Weg zu einer
Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ wurde ein weiterer Meilenstein im
Gespräch geschaffen. Hier nun spielt Röm 9-11 eine tragende inhaltliche Rolle. Die Studie
beschäftigt sich vor allem mit der Frage nach dem Selbstverständnis der Kirche und des
Judentums als Volk Gottes. Dabei findet sich eine neutestamentliche Ekklesiologie in nuce
und es wird ausführlich begründet, warum Röm 9-11 Richtschnur des Nachdenkens sein soll.
Ich breche hier mit den Wegmarken ab. Sie mussten notwendigerweise fragmentarisch sein.
So viel lässt sich jedoch feststellen: Röm 9-11 stellt in kirchlichen Erklärungen der letzten
Jahrzehnte einen Zentraltext dar, der für eine Erneuerung des Verhältnisses von Christen und
Juden herangezogen wurde. Der Text wurde verwendet, um das eigene christliche
Selbstverständnis und das Verständnis des Judentums zu bestimmen. Natürlich war es nicht
einfach Röm 9-11, sondern Röm 9-11 in einer bestimmten Interpretation, was den christlichjüdischen Dialog voranbrachte.
2. Röm 9-11 im Kontext des übrigen Neuen Testaments
Im Neuen Testament existieren unausgeglichen nebeneinander verschiedene Vorstellungen
bezüglich des Verhältnisses der Kirche zum ersterwählten Gottesvolkes Israel, die sich nicht
ohne weiteres auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Vielmehr zeigt sich in ihnen
eine unabgeschlossene Problemstellung, die in neutestamentlicher Zeit selbst nicht einheitlich
gelöst wurde oder gelöst werden konnte, sondern offen bleiben musste19. Zwar spielte die
Frage, wer wirklich Gottes Volk sei, in der frühen Kirche ausgesprochen oder
unausgesprochen eine wichtige Rolle, die Antwort fiel aber durchaus unterschiedlich aus.20
Dies hängt u.a. damit zusammen, dass die meisten neutestamentlichen Schriften in einer Zeit
entstanden
sind,
in
der
das
Verhältnis
der
christlichen
Gemeinden
zu
den
Synagogengemeinden teilweise sehr angespannt war. Nach dem jüdischen Krieg gegen Rom
(66-70 n.Chr.) war das Judentum vor die Aufgabe gestellt, seine Identität neu zu definieren und zwar ohne das bisherige Zentrum, den Tempel in Jerusalem. Gleichzeitig war das sich
verselbständigende Christentum vor die Aufgabe gestellt, sich innerhalb des römischen
Reiches und im Gegenüber zum Judentum zu definieren. Dies war die Zeit, in der um das
alttestamentliche Erbe gekämpft wurde. Manche Schärfe in den neutestamentlichen Aussagen
18
Vgl. dazu W. Kraus, Der Rheinische Synodalbeschluss und seine Auswirkungen innerhalb der Gliedkirchen
der EKD, in: K. Kriener und J.M. Schmidt, Hg., „... um seines Namens willen“ Christen und Juden vor dem
Einen Gott Israels, Neukirchen 2005, 12-25.
19
Vgl. EKD-Studie Christen und Juden II, 1991, Ziff. 3.4.4 (Text in Henrix/Kraus, Hg., Die Kirchen und das
Judentum, 627-668, hier: 661).
20
Vgl. Kraus, Paulinische Perspektiven (s. oben Fn. 3), 144ff.
6
ergibt sich daraus, dass der aktuelle Kampf ums Erbe in die Formulierungen eingeflossen ist
(vgl. z.B. Mt 23).
Aber es wäre zu wenig, wollte man nur zeitgeschichtliche Gründe nennen. Es sind auch
genuin theologische bzw. christologische Gründe, wie im Johannesevangelium (Joh 8,39-47;
9,22),21 oder ekklesiologische, wie in der Offenbarung des Johannes,22 die zu polemischen
Aussagen gegenüber „Israel“ oder seine Repräsentanten führen. Oder es handelt sich um eine
inzwischen eingetretene „Israelvergessenheit“, wie etwa im 1. Petrusbrief.23 Von einer
bleibenden Erwählung Israels als Gottesvolk oder einer auch nach Kreuz und Auferstehung in
Kraft gebliebenen Verheißung für Israel kann ich in den genannten Schriften zumindest
explizit nichts entdecken. Ob Matthäus das jüdische Volk noch als Volk der Verheißung
ansieht, ist unter den gegenwärtigen Mt-Auslegern zumindest umstritten.24
3. Röm 9-11 im Kontext weiterer paulinischer Aussagen
Das soeben genannte Problem neutestamentlicher Divergenz im Blick auf „Israel“ verschärft
sich, wenn wir Aussagen des Paulus außerhalb des Römerbriefes in den Blick nehmen.
3.1. 1Thess 1,14-16
Ausgehend von seiner eigenen Verfolgungserfahrung nennt Paulus hier fünf Bestimmungen,
die die Juden (oi ioudaioi) kennzeichnen (1. Sie haben den Herrn Jesus und die Propheten
getötet. 2. Sie haben uns verfolgt. 3. Sie gefallen Gott nicht. 4. Sie sind allen Menschen feind.
5. Sie hindern uns, den Heiden das Evangelium zu predigen). Abgesehen von der mangelnden
Differenzierung (es heißt pauschal: ‚die Juden’) und der 4. Bestimmung (‚sie sind allen
Menschen feind’), die eine Aufnahme paganer Judenpolemik darstellt, liegt die eigentliche
(problematische) Spitze der Ausführungen in 1Thess 2,14ff m.E. in dem Schlusssatz:
„Fortgesetzt machen sie ihr Sündenmaß voll. Das Zorngericht ist jedoch schon endgültig über
sie gekommen.“ Das bedeutet, dass hier die Vorstellung vom eschatologischen Maß (vgl. z.B.
2Makk 6,14f) und ihre traditionelle Anwendung auf Israel und die Heiden umgedreht worden
ist.25 Paulus stellt damit die die Ekklesia verfolgenden Juden mit Heiden auf ein und dieselbe
21
S. dazu noch immer W. Trilling, Gegner Jesu – Widersacher der Gemeinde – Repräsentanten der ‚Welt’. Das
Johannesevangelium und die Juden, in: ders., Studien zur Jesusüberlieferung, SBAB.NT 1, 1988, 209-231.
22
Vgl. hierzu P. Hirschberg, Das eschatologische Israel. Untersuchungen zum Gottesvolkverständnis der
Johannesoffenbarung, WMANT 84, 1999.
23
So N. Brox, „Sara zum Beispiel ...“, in: Kontinuität und Einheit, FS F. Mußner, hg. von P.-G. Müller/W.
Stenger, Freiburg u.a. 1981, 484-493, hier: 493; vgl. dazu J. Roloff, Die Kirche im Neuen Testament, GNT 10,
Göttingen 1993, 275.
24
S. dazu Roloff, Kirche, 148-154.
25
Details und Literaturhinweise bei Kraus, Volk Gottes (s. oben Fn. 3), 148-155.
7
Stufe und kündigt ihnen das Endgericht an. Für eine bleibende Erwählung Israels ist hier kein
Platz mehr. Ich würde aus 1Thess 2,14-16 zwar keine Substitution des Gottesvolkes Israel
durch die Ekklesia ableiten, aber für eine heilvolle Zukunft ganz Israels bleibt in diesem Text
kein Platz.
3.2. Gal 3,6-18; 4,21-31
Abgesehen von Gal 6,16 und der Frage, wie die Begrifflichkeit Israel tou theou zu verstehen
ist (ob nun auf die Kirche oder auf Israel bezogen),26 sind es zwei Passagen im Gal und deren
näheres Umfeld, die sich mit den Ausführungen im Röm m.E. nicht vereinbaren lassen.27
3.2.1. Nach Gal 3,6-9 werden die Glaubenden aus allen Völkern als Söhne Abrahams des
Segens teilhaftig. Dagegen steht der, der sich auf das Gesetz beruft, unter dem Fluch (Gal
3,10-14). Christus als dem einen Nachkommen Abrahams (Singular!) wurde das Erbe
verheißen (Gal 3,15-18). Damit werden allein die an ihn Glaubenden des Erbes teilhaftig. Sie
sind in der Tat „Söhne Gottes“, „Nachkommenschaft Abrahams“ und „Erben gemäß der
Verheißung“ (Gal 3,26-29), aber der Träger der Verheißung ist nach Gal 3 ausschließlich
Christus, und „Söhne Gottes“ oder Erben der Verheißung“ können deshalb nur diejenigen
sein, die im Glauben an Christus Anteil haben. Diese Sicht wird bestätigt durch die Aussagen
in Gal 4,1-7, wonach die wirkliche „Sohnschaft“ in der Zeit vor Christus suspendiert war.
3.2.2. In Gal 4,21-31 will Paulus durch einen Schriftbeweis erhärten, dass den Glaubenden auch denjenigen aus den Völkern - die volle Abrahamssohnschaft gebührt. Die zwei diaqh/kai,
die Paulus zu einander in Beziehung setzt, sind wohl der Abrahams- und der Sinaibund. 28 Die
Abraham- diaqh,kh ist dabei der Sinai- diaqh,kh zeitlich voraus und sachlich überlegen. Nach
der Logik der Allegorese gehören Hagar / Sinai / jetziges Jerusalem / Sklaverei auf eine Seite,
wohingegen unsere Mutter / Abrahambund / oberes Jerusalem / Freiheit auf der anderen Seite
stehen. Gal 4,21ff setzt also das „jetzige Jerusalem“ mit „Söhnen der Sklavin“ gleich und
impliziert damit den Ausschluss vom Erbe. Der „Sohnschaft nach dem Fleisch“ steht die
„Sohnschaft durch die Verheißung“ gegenüber. Von einer bleibenden Erwählung Israels
bleibt in Gal 4,21-31 m.E. nichts übrig. C.K. Barrett hat dies bündig so zusammengefasst:
„Thus the physical decendents of Sarah become the spiritual descendants of Hagar, and the
26
Vgl. hierzu Kraus, Volk Gottes (s. oben Fn. 3), 247-252.
Für Details und Literatur vgl. Kraus, Volk Gottes (s. oben Fn. 3), 207-210.234-246.
28
Die in der Diskussion zu findende Entgegensetzung von „altem“ und „neuem“ Bund hat in Gal 4,21-31 m.E.
keinen Anhalt, vgl. im Detail Kraus, Volk Gottes (s. oben Fn. 3), 239-242.
27
8
physical descendents of Hagar (generalized into the Gentiles) become the spiritual
descendents of Sarah, who inherit the divine promise.“29
3.3. Die „Relativität“ der Aussagen im 1Thesslonicher- und Galaterbrief
Selbstverständlich muss zum rechten Verständnis der Ausführungen im 1Thess und Gal die
Situation in Anschlag gebracht, in die hinein die Briefe gerichtet sind. Aber es wäre m.E. eine
unzulässige Relativierung, wollte man die soeben besprochenen Aussagen lediglich als
situationsbedingte Überspitzung interpretieren oder sie nur auf die judenchristlichen Gegner
des Paulus beziehen. Mit dem Röm lassen sich diese Positionen jedenfalls nicht vereinen.
Und unabhängig von der Frage, ob man aufgrund dessen in der paulinischen Theologie mit
einer „Entwicklung“ oder mit „Wandlungen“ rechnen muss oder nicht,30 sollten wir Paulus
zutrauen, an einer entscheidenden Stelle - nämlich dem Verständnis Israels als Volk Gottes eine Selbstkorrektur vollzogen zu haben. Wie diese Selbstkorrektur begründet wird, ob durch
Einsicht in die faktische Erfolglosigkeit der Judenmission oder durch missionsstrategische
Erwägungen,31 oder durch erneutes Schriftstudium,32 ist eine andere Frage. Hier bin ich der
Überzeugung, dass die Ausformulierung seiner Rechtfertigungslehre, in der die Kategorie der
dikaiosu,nh qeou/ so zentrale Bedeutung bekam, die oben genannte eminent theologische Frage
unausweichlich machte, nämlich: Was ist mit dem bisherigen Gottesvolk Israel angesichts der
Offenbarung der Gottesgerechtigkeit in Christus? Gott und seine Gerechtigkeit, d.h. seine
Gemeinschaftstreue, seine Bundestreue, seine Schöpfermacht - wir sollten hier nicht alternativ
denken - standen für Paulus auf dem Spiel, nicht weniger.
4. Röm 9-11 als Leittext einer theologischen Schrifthermeneutik
Wenn es aber so steht, dass die Stellung Israels als Gottesvolk angesichts der Offenbarung der
Gottesgerechtigkeit in Christus die entscheidende Frage darstellt, dann gebührt dem
Römerbrief und insbesondere Kap. 9-11 (plus 15,7-13.25-33!) zumindest innerhalb der
paulinischen Briefe ein ganz besonderes Gewicht.
29
Charles K. Barrett, The Allegory of Abraham, Sarah, and Hagar in the Argument of Galatians, in: J. Friedrich
u.a., Hg., Rechtfertigung, FS E. Käsemann, Göttingen/Tübingen 1976, 1-16, hier: 16.
30
Auf diese sehr umstrittene Frage kann hier nicht eingegangen werden, s. etwa J.C. Beker, Paul’s Theology:
Consistent or Inconsistent?, NTS 34, 1988, 364-377 sowie U. Schnelle, Theologie des Neuen Testaments, UTB
2917, Göttingen 2007, 236-242.270-280.320-323.326-331.
31
So Becker, Paulus, 495f.
32
So H. Hübner, Gottes Ich und Israel. Zum Schriftgebrauch des Paulus in Römer 9-11, FRLANT 136,
Göttingen 1984, 121-123. Zur Frage, welche Bedeutung die Argumentation mit der Schrift für Paulus hat, s.
insbes. F. Wilk, Die Bedeutung des Jesajabuches für Paulus, FRLANT 179, 1998, und J. Ross Wagner, Heralds
of the Good News: Paul and Isaiah ‚in Concert’ in the Löetter to the Romans, NT.S 101, Leiden 2002.
9
Doch dieses Gewicht geht noch darüber hinaus. Warum sollten wir Paulus und seine
Äußerungen im Röm zur Leitlinie unseres Nachdenkens machen und nicht Mt oder Joh oder
die Apk? Die Begründung, dass wir nach der Schoah gar nicht anders können, mag
hermeneutisch von Bedeutung sein, würde mir aber nicht ausreichen. Sie kann vor allem kein
Maßstab sein für die Interpretation der Aussagen des Paulus in seiner Zeit. Ich sehe jedoch
mindestens drei Gründe, warum der Röm über den Kontext der Paulusbriefe hinaus, d.h.
innerhalb des Neuen Testaments und der Bibel insgesamt fundamentale Bedeutung besitzt
und deshalb in dieser Frage eine Standortnahme bei Paulus theologisch unerlässlich ist:33
1) Röm 9-11 ist zwar nicht der einzige Text des Neuen Testaments, der für das Verhältnis
Kirche-Judentum relevant ist, aber es handelt sich um den einzigen Text im Neuen Testament,
in dem „Israel“ eigens zum Thema gemacht wird.
2) Röm 9-11 ist dabei gemäß der gängigen zeitlichen Einordnung der Paulusbriefe die finale
Äußerung des Paulus zu diesem Thema.34
3) Röm 9-11 ist integraler Bestandteil des Argumentationsgangs im Römerbrief. Diesen Brief
kann man mit E. Lohse sachgemäß als „summa evangelii“ bezeichnen. 35 Dies ist keine
protestantische und schon gar nicht: lutherische Speziallehre, sondern eine Aussage, die
theologisch-sachkritisch im Rahmen des Neuen Testaments und im Rahmen der gesamten
Bibel bewährt werden muss. Auf diesen letzten Punkt möchte ich näher eingehen.
4.1. Christologische und theologische Schrifthermeneutik
Nach Paulus gehören die durch Christus berufenen Heiden aufgrund der Taufe
gleichberechtigt
zum
endzeitlichen
Gottesvolk
hinzu:
Sie
sind
Söhne
Gottes,
Nachkommenschaft Abrahams und damit Erben der Verheißung (Gal 3,26-29). Diese
Aussagen werden im Röm bestätigt: Röm 8,14-17. Das schließt nach Paulus aber nicht aus,
dass Israel das von Gott erwählte Volk bleibt: Röm 9,1-5; 11,1f.28f. Paulus ist mithin der
einzige Autor im Neuen Testament, der dem Gottesvolkthema in seiner doppelten Gestalt, als
Frage nach „Kirche“ und nach „Israel“ explizit Rechnung getragen hat.
Das entscheidende theologische Problem, wie es im Römerbrief explizit benannt wird,
bestand für Paulus in der Frage: Wie kann die Vorstellung einer bleibenden Zusage Gottes an
Israel neben der Botschaft einer Erlösung aller Menschen allein durch Christus angesichts
Israels weitgehender Ablehnung Jesu als Messias Bestand haben? Heißt das: Die
33
Vgl. hierzu EKD-Studie Christen und Juden II, 1991, Ziff. 3.4.4 (Text in Henrix/Kraus, Hg., Die Kirchen und
das Judentum, 627-668, hier: 661).
34
In meiner Arbeit „Das Volk Gottes“ ging ich noch davon aus, dass der Phil zeitlich hinter den Röm
einzuordnen ist (ca. 58-60 in der römischen Gefangenschaft des Paulus). Dies würde ich inzwischen nicht mehr
vertreten, sondern ihn angesichts der neueren Diskussion in die ephesinische Zeit (ca. 52-55) einordnen.
35
E. Lohse, Summa Evangelii - zu Veranlassung und Thematik des Römerbriefes, NAGW 3, 1993, 91-119.
10
Erwählungslehre steht gegen die Christologie? Und, so könnte man weiterfragen, überwiegt
schließlich im Röm die Theo-logie gegenüber der Christo-logie? Hat Paulus seine im Gal
praktizierte christologische Schrifthermeneutik, aufgrund derer sich die Zugehörigkeit zu dem
in Abraham erwählten Gottesvolk nur über Christus bestimmen lässt, in Röm 11,28f durch
eine theologische begrenzt?
Nach M. Wolter vollzieht Paulus in Röm 11,28f insofern einen „Paradigmenwechsel“, als er
„seiner christologischen Schrifthermeneutik eine im eigentlichen Sinn des Wortes theologische Hermeneutik in einem spannungsvollen Nebeneinander an die Seite [stellt]“ und
damit „eine Autonomie des Schriftzeugnisses von der Erwählung Israels“ behauptet, „die auch
durch das auf Heilsferne lautende Urteil des Evangeliums bzw. einer christologischen
Schrifthermeneutik nicht suspendiert ist.“36 Ich halte dieses Urteil für nicht zutreffend. M.E.
bringt es Paulus fertig, Theo-logie und Christo-logie, theologische und christologische
Schrifthermeneutik zu verbinden.
Die Besonderheit des paulinischen Ansatzes liegt darin, dass gerade die Gerechtigkeit Gottes,
die durch das Christusgeschehen offenbar geworden ist (Röm 3,21), einerseits die Frage nach
der bleibenden Gültigkeit der Zusagen Gottes an Israel aufkommen lässt (Röm 9,1ff; 11,1)
und andererseits beantworten hilft (Röm 11,2ff). Gottes Gerechtigkeit im Sinn seiner
Bundestreue gilt Israel nach wie vor. Gott in seiner Bundestreue wird Israel mittels des
„Retters vom Zion“ zum endgültigen Heil führen (Röm 11,26f). Damit wird gerade die
Rechtfertigungslehre, die häufig im Sinn der Unvereinbarkeit mit der bleibenden Erwählung
Israels interpretiert wurde, zur Möglichkeit, das „solus Christus“ und zugleich die Gültigkeit
der göttlichen Zusagen an Israel festzuhalten.
4.2. Die Rechtfertigungslehre als sachgemäßer Ausdruck des Evangeliums
Das wichtige theologisch-sachkritische und hermeneutische Problem hinsichtlich der
Rechtfertigungslehre, wie sie im Römerbrief entfaltet wird, besteht darin, nachzuweisen, dass
der paulinische Ansatz, wie er dort begegnet, ein sachgemäßer Ausdruck des Evangeliums
von Jesus Christus ist und daher die Richtschnur unseres Denkens sein muss. Es geht also um
nichts weniger als innerbiblische theologische Sachkritik!
Denn mit dem Nachweis, dass Paulus in Röm 11,25-27 von der Rettung „ganz Israels“
spricht, ist erst die Hälfte gewonnen. Bei der Aussage pa/j Israh.l swqh,setai könnte es sich ja
auch nur um einen letzten, vielleicht psychologisch begründeten, aber gleichwohl
untauglichen Versuch handeln, innerhalb eines an divergierenden Linien reichen Kontextes
36
Wolter, Evangelium und Tradition (s. oben Fn. 11), 191 (kursiv im Original).
11
(Röm 9-11) schließlich doch noch mit der Frage der Ablehnung Jesu durch die Mehrheit
Israels zurechtzukommen.37
Insofern könnte man fragen, ob es sich bei Röm 9-11 vielleicht nur um die Diskussion eines
biographisch bedingten Problems des Paulus handelt. Oder geht es doch um die Spitze dessen,
was aufgrund der Rechtfertigungslehre des Apostels gesagt werden muss? Dann wären wir
mit diesen Ausführungen im Zentrum seiner Theologie.
Um es auf den Punkt zu bringen: Erst wenn sich im Kontext der paulinischen
Rechtfertigungstheologie die theologisch-sachliche Notwendigkeit der Aussagen in Röm
11,25-27 (und auch 11,28-32; 15,7-13) erweisen lässt, erst dann ist deren Marginalisierung
auf psychologischem oder biographischem oder sonst einem Weg wirklich Entscheidendes zu
entgegnen.
Der Streit muss also letztlich darum geführt werden, ob die Antwort, die Paulus in Röm 9-11,
speziell in Röm 11,25-27 gibt, im Kontext des Römerbriefes, im Kontext paulinischer,
neutestamentlicher und schließlich gesamtbiblischer Aussagen als sachgemäßer Ausdruck des
Evangeliums von Jesus Christus und damit als sachgemäßer Ausdruck der Barmherzigkeit
und Gerechtigkeit des Gottes Israels anzusehen ist - mit allen Konsequenzen für Kirche und
Theologie. Dies zu erkennen bedeutet eine theologische Entscheidung zu fordern, die m.E.
nur lauten kann: Für unser Verhältnis zum Judentum gibt Paulus die Richtung des Denkens
sachgemäß vor: Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er sich zuvor erwählt hat (Röm 11,2).
Diese Aussage hat ihren Ursprung im Zentrum der paulinischen Rechtfertigungslehre, sie ist
genuiner Ausdruck des Evangeliums von Jesus Christus und entspricht dem, was wir mit
dikaiosu,nh qeou/ bezeichnen.
5. Röm 9-11 als Richtschnur bei offenen Fragestellungen
5.1. Erwählung als promissio
Nach Röm 15,7-13 sind die Verheißungen Gottes an die Väter durch Christus nicht erfüllt,
sondern bestätigt worden (eivj to. bebaiw/sai ta,j evpaggeli,aj tw/n pate,rwn). Christus ist
gekommen, um ein dia,konoj peritomh/j, ein Diener der „Beschneidung“ (hier metonymisch
für: die Juden), zu werden, damit er die Verheißungen an die Väter befestige. Das heißt,
Paulus versteht Israel als Volk Gottes von der Väterverheißung und nicht vom Sinaibund her,
und er versteht dieses Volk-Gottes-Sein, also seine „Erwählung“ im Sinn von „Verheißung“,
prommissio. Diese Erwählung ist nicht ablesbar an Äußerlichkeiten, sie gilt von Gott her, weil
37
So H. Räisänen, Römer 9-11. Analyse eines geistigen Ringens, ANRW II.25.4, 1987, 2891-2939, hier: 2932.
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Gottes promissio „Wirklichkeit“ setzt. Das aber heißt: von der göttlichen promissio her bleibt
Israel Gottes Volk auch gegen den Augenschein.38
Umgekehrt gilt: Die Kirche ist durch Christus erwählt, zum Volk Gottes zu gehören. Aber
auch dies gilt im Modus der promissio, von Gott her. Das Judentum ist damit aber nicht nur
historische Wurzel des Christentums, sondern bleibender Partner vor Gott. Damit stellt das
Judentum als lebendige Religion eine bleibende Anfrage an das christliche Selbstverständnis
dar.
5.2. „Israel“ als integraler Bestandteil christlicher Eklesiologie
Die EKD-Studie von 1991 verlangt, dass die Kirche ihr Selbstverständnis so formulieren
muss, dass damit das Selbstverständnis Israels als Volk Gottes nicht herabgesetzt wird.39 Das
ist richtig, jedoch nur ein Teil der vor uns liegenden Aufgabe. Die erste Stufe war es, die
jüdischen Wurzeln des Christentums zu erkennen und anzuerkennen. Eine zweite Stufe
besteht darin, das eigene Selbstverständnis so zu formulieren, dass das jüdische Volk als Volk
der Erwählung dabei nicht herabgesetzt wird. Es stellt jedoch - und das ist die dritte, noch vor
uns liegende Stufe - christliche Identität elementar in Frage, wenn erkannt und anerkannt
wird, dass zur sachgemäßen Formulierung des Selbstverständnisses der Kirche „Israel“ einen
integralen Bestandteil darstellen muss.
Wenn die Kirche anerkennt, dass Gott das jüdische Volk bleibend zu sich in Beziehung
gesetzt hat, und bereit ist, ihr Selbstverständnis so zu formulieren, dass Israels Identität dabei
nicht herabgesetzt wird, dann muss sie darüber hinaus realisieren, nicht allein als „Gottes
Volk“ dazustehen. Ebendeshalb muss die Dimension „Israels“ als Gottes Volk in die
Beschreibung christlicher Identität aufgenommen werden. Die Kirche ist kein „Einzelkind“,
sondern sie hat „einen älteren Bruder / eine ältere Schwester“. Die jüdischen Wurzeln können
zur rein historischen Reminiszenz verkommen. Die Formulierung christlicher Identität darf
nicht auf Kosten es jüdischen Volkes geschehen. Aber die aktuelle Partnerschaft mit Israel als
ersterwähltem Volk lässt christliche Selbstdefinitionen unter Absehung von Israel als
unzureichend und unvollständig erscheinen.
Der hier zu beschreitende Weg verläuft auf einem schmalen Grat, ihn zu gehen ist nicht
einfach. Einerseits bedeutete es einen Absturz, wollte die Kirche dem Gottesvolk Israel
vorschreiben wie es sich zu verstehen habe. Andererseits kann die Kirche nicht unter
Absehung von Israel ihr Selbstverständnis formulieren. Es bedeutete einen Absturz auf der
38
Paulus hat mit diesem Verständnis den „Volk Gottes“-Begriff neu definiert: von der Väterverheißung her,
nicht mehr vom Sinai-Bund her; s. hierzu Kraus, Volk Gottes (s. oben Fn. 3), 325.
39
EKD-Studie Christen und Juden II, 1991, Ziff. 3.4.4 (Text in Henrix/Kraus, Hg., Die Kirchen und das
Judentum, 661f).
13
anderen Seite, wollte die Kirche ihre Identität anders als von der neutestamentlichen
Grundlegung her beschreiben. Vom Neuen Testament her muss die Dimension Israels als des
ersterwählten Volkes Gottes Aufnahme finden. Doch die Modelle, die uns im Neuen
Testament hierfür geboten werden, sind nicht einheitlich. Das lukanische Modell versteht die
Kirche als „erneuertes und vollendetes Israel“ (vgl. insbes. Lk 2,30-32; Apg 15,14-18). 40 Nach
der Offenbarung des Johannes ist die Kirche das „eschatologische Israel“, welches das
bisherige Gottesvolk überbietet.41 Nach dem Matthäusevangeliums ist die Kirche als
universales Gottesvolk zu verstehen, das seine Ursprünge in Israel hat; diese werden jedoch
nach der Auferstehung Jesu programmatisch überschritten (Mt 28,16-20 nach 21,43 und
22,10).42 Sowohl bei Lukas als auch in der Offenbarung und bei Matthäus fallen die nicht an
Jesus glaubenden Juden aus dem Gottesvolk heraus. Diese um weitere Modelle zu
erweiternden neutestamentlichen Entwürfe stimmen mit Paulus, insbesondere mit Röm 9-11
und Röm 15,7-13 nicht überein. Wenn, wie oben ausgeführt, der Einsatzpunkt christlichen
Nachdenkens über Kirche und über Israel aus sachlich theologischen Gründen beim Apostel
und seiner Rechtfertigungsbotschaft zu erfolgen hat, dann führt das notwendigerweise zu
theologischer Sachkritik an anderen neutestamentlichen Konzeptionen. Nach Röm 9-11 steht
„Israel“ nach wie vor unter der Verheißung, und nach Röm 15,7-13 (insbes. V.10) soll die
Kirche „mit seinem Volk“ zusammen in das endzeitliche Gotteslob einstimmen.
Christliche Ekklesiologie gibt es - sachgemäß - nur unter Einbeziehung des ersterwählten
Volkes Gottes. Das muss auch in der systematischen Theologie erst noch eingelöst werden.
5.3. Judenmission
Ich will diesen Punkt nicht weiter ausführen, aber dennoch nicht unerwähnt lassen, denn wie
sich immer wieder zeigt, scheint das Thema zwar auf der Ebene der EKD geklärt, aber der
Schein trügt, sobald wir die Ebene offizieller Erklärungen verlassen. Doch auch hier kann uns
Röm 9-11 Richtschnur sein.
Wenn es zutrifft, dass Israel als Gottesvolk bleibend erwählt ist, dann ist die traditionelle
Judenmission eine zwar gutgemeinte, aber doch theologisch fragwürdige Angelegenheit
gewesen, denn sie ging davon aus, dass das gegenwärtige „Israel“ eben nicht „Volk Gottes“
im eigentlichen Sinn des Wortes sei.
Wenn es darüber hinaus zutrifft, dass „Israel“ durch den „Retter vom Zion“ eschatologisch
gerettet wird, dann sind aktive Versuche, Juden zum Religionswechsel aufzufordern,
40
Roloff, Kirche, 190-221, bes. 192ff.202ff.
Hirschberg, Israel, bes. 291-308.
42
Dazu Roloff, Kirche, 148-154, bes. 152f.
41
14
abzulehnen. Das heißt nicht, dass Christen im Gespräch mit Juden nicht „Rechenschaft geben
sollten von der Hoffnung, die in ihnen ist“ (1Petr 3,15) – aber eben nicht mit dem Ziel, den
Gesprächspartner zum Religionswechsel aufzufordern. Das heißt wiederum auch nicht, dass
Konversionen grundsätzlich abzulehnen seien. So wie es Konversionen von Christen zum
Judentum gibt, so muss dies umgekehrt auch möglich sein und es darf der Kirche nicht
verübelt werden, wenn sie solche Menschen tauft. Es wird wohl die Ausnahme bleiben. Sich
solcher Mitglieder aus „Israel“ zu schämen, steht der Kirche jedoch auch nicht gut an.43
6. Die Grenze von Röm 9-11
Wir können die Überlegungen zur Bedeutung von Röm 9-11 im christlich-jüdischen Dialog
nicht abschließen, ohne über die Grenze von Röm 9-11 zu sprechen. Ich schließe mit drei
Fragekomplexen, die sich für mich aus diesem Text ergeben:
6.1. Die Nicht-Erfüllung der paulinischen Hoffnung
Paulus war von der Hoffnung erfüllt, dass in Kürze die Verkündigung des Evangeliums in der
ganzen Oikumene abgeschlossen sein würde und dass dann das Ende kommen, die
Vollendung der Gottesherrschaft hereinbrechen, und in dessen Zuge auch die Rettung ganz
Israels stattfinden werde. Nach 1Thess 4,13-16; 1Kor 15,51-52 hat Paulus auch in Röm 13,11
an der Naherwartung festgehalten. Dies hat sich so nicht ereignet. Die paulinische Hoffnung
hat sich nicht erfüllt. Machen wir es uns nicht zu einfach, wenn wir diese Nicht-Erfüllung
übergehen, anstatt sie als eklatante Fehleinschätzung ernst zu nehmen? Und wenn wir sie
ernst nehmen, was bedeutet das für unser Geschichtsverständnis?
6.2. Die Schoah und daraus resultierende hermeneutische Konsequenzen
Anstelle der Erfüllung paulinischer Naherwartung kamen bislang fast 2000 Jahre
Kirchengeschichte. Ich unterstelle, dass wir alle davon ausgehen, es werde noch eine zeitlang
so weitergehen. In diesen fast 2000 Jahren kam es anders, als Röm 11,18-22 hätte erwarten
lassen. Die eingepfropften Zweige haben sich nicht nur gegen die natürlichen gerühmt,
sondern haben es zugelassen, dass die natürlichen entehrt, entrechtet, verfolgt und schließlich
massenhaft vernichtet wurden. Was bedeutet das für die Kirche? Was bedeutet Röm 9-11 in
diesem Kontext?
43
Vgl. zu den historischen Problemen die Arbeit von A. Töllner, Frage der Rasse (s. oben Fn. 16).
15
Mit dem, was ich jetzt sage, überschreite ich die Grenzen historischer Interpretation der Bibel.
Aber zum Thema „Die Bedeutung von Röm 9-11 im christlich-jüdischen Dialog“ gehört dies
aus hermeneutischen Gründen für mich unabdingbar hinzu: Ich möchte anlässlich eines
Symposiums in Göttingen an einen für mich entscheidenden theologischen Lehrer erinnern:
Hans Joachim Iwand. Er lehrte in Göttingen von 1945 bis 1952. Er hat hier die Göttinger
Predigtmeditationen begründet. Hans Joachim Iwand bewegte in der Nachkriegszeit die
Frage, ob denn die (evangelische) Kirche eine wirkliche Erneuerung anstrebe oder - nach dem
‚Intermezzo des 1000jährigen Reiches’ - nur Restauration betreibe.44 Hat die Kirche - das war
seine Frage - in ihrer Verkündigungsarbeit das lebendige Wort Gottes überhaupt noch bei sich
oder schlägt sich nicht in der Lähmung, wie Iwand sie diagnostizierte, die Restauration, die
man ohne vollzogene Umkehr meinte haben zu können, nieder? „Es ist mit dem Bleiben
Seines Wortes, mit dem Bei-uns-Bleiben des Wortes Gottes doch eine Sache eigener Art, es
wird nur bei denen bleiben, die auch in ihm bleiben, weil sie ohne es nicht leben können. ...
Der Untergang des Wortes Gottes kann ja nur da Ereignis werden, wo es zuvor aufgegangen
ist, an der Stätte und in der Gemeinschaft, in der es einmal Licht und Salz und Kraft gewesen
ist. Die Kirche, und zwar gerade die Kirche in ihrem äußeren Bestande, in ihren Traditionen
und Ordnungen, wird der Ort sein, wo das Wort Gottes untergehen kann.“45 „Es könnte sein,
daß Gott schweigt und unser Reden und Beten ins Leere geht, es könnte sein, daß ihm unser
Auslegen und Reden nicht gefällt, weil er Sein Wort, das Wort dessen Subjekt er ist, nicht
wiederfindet in dem, was wir sagen, weil unter unseren Händen Sein Wort aufgehört hat, Sein
Wort zu sein. Das ist die tiefste Not und die eigentliche Sorge, die uns bewegt.“46
Man hat in der Kirche - ob römisch oder protestantisch - seine Hoffnung auf Mt 16,18 gesetzt
(„... die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwinden“) und dieses wichtige Verheißungswort
gern auf sich bezogen. Könnte es sein, dass man dabei vergessen hat, auch Texte wie Röm
11,22 („... wenn aber nicht, dann wirst auch du herausgehauen“) auf sich zu beziehen?
6.3. Theologie aus der Umkehr
Hans Joachim Iwand hat gefordert, Theologie „aus der Umkehr heraus“ zu betreiben:
„Realismus heute bedeutet für mich Umkehr und Denken aus der Umkehr heraus. Es
bedeutet, daß wir bereit sein müssen, auch das zu überprüfen, was uns durch manche
44
Vgl. H.-J. Iwand, Quousque tandem - ein Wort wider den Bruderzwist im evangelischen Lager, in: ders.,
Vorträge und Aufsätze, Nachgelassene Werke II, hg. von D. Schellong und K.G. Steck, München 1966, 243271; ders., Umkehr und Wiedergeburt, in: aaO., 362-370, wie auch seine Vorworte zu den Jahrgängen der
Göttinger Predigtmeditationen in: ders., Predigtmeditationen I, Göttingen 31966.
45
Iwand, Predigtmeditationen I, 120f (Kursivierung W.K.).
46
Iwand, Predigtmeditationen I, 196.
16
liebgewordene Tradition geheiligt erscheint.“47 Klaus Haacker hat im Anschluss an Konrad
Jutzler den Holocaust als „Datum der Theologiegeschichte“ bezeichnet, d.h. als etwas, das
uns „aufgegeben“ ist und uns zur Sichtung der theologischen Tradition auffordert.48 Ich habe
christlich-jüdischen Dialog so erlebt, dass er eine Anleitung war, Theologie aus der Umkehr
zu betreiben. Die vergangenen Jahrzehnte sind ein Beleg dafür, dass ein Prozess eingesetzt
hat, der auf „eine geduldige, aber umfassende Sichtung der gesamten theologischen Tradition
der Kirche“ gerichtet ist.49 Davon legen eine große Zahl von offiziellen und offiziösen
Erklärungen Zeugnis ab. Wer hinter die Kulissen schaut, wird über die gefundenen
Kompromisse, die sich in Erklärungstexten niederschlagen, nicht immer nur erfreut sein, aber
trotz aller noch zu konstatierenden Unzulänglichkeiten lässt sich meiner Einschätzung nach
eine Bereitschaft feststellen, die geduldige, umfassende Sichtung der theologischen Tradition
der Kirche in Angriff zu nehmen. Röm 9-11 hat hieran einen entscheidenden Anteil. Aber,
und mit dieser Frage schließe ich, haben die am christlich-jüdischen Dialog beteiligten
Theologen es geschafft, die ganze Zunft von der Notwendigkeit einer „Theologie aus der
Umkehr“ zu überzeugen und ist es gelungen, die gewonnenen Erkenntnisse auf die Ebene der
Gemeinde herunter zu transformieren?
47
Das Zitat entstammt einem umfangreichen Brief Iwands an den Prager Theologen Josef L. Hromádka vom
8.6.1959 (Hromádka war von 1939-1947 Professor am Princeton Theological Seminary), zit. nach H.-J. Iwand,
Briefe, Vorträge, Predigtmeditationen. Eine Auswahl, hg. von P.P. Sänger, Berlin 1979, 122-133, hier: 132; vgl.
dazu auch F.-W. Marquardt, Von Elend und Heimsuchung der Theologie. Prolegomena zur Dogmatik, München
1988, 78-80.124-126.
48
K. Haacker, Der Holocaust als Datum der Theologiegeschichte, in: E. Brocke / J. Seim, Hg., Gottes Augapfel,
Neukirchen 1986, 137-145; K. Jutzler; Holocaust als theologisches Datum, ThBeitr 13, 1982, 49-59.
49
Haacker, Holocaust, 145.
17
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