A Die Menge C der komplexen Zahlen

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A
Die Menge C der komplexen Zahlen
(Vgl. auch Abschnitt C)
A.1
Definition
Wir erweitern R um eine Zahl i ∈
/ R (genannt imaginäre Einheit) mit der Eigenschaft
i 2 ≡ i · i = −1.
(653)
Unter einer komplexen Zahl z ∈ C versteht man einen Ausdruck der Form
z = x + iy = x+ yi = yi + x = iy + x
(x, y ∈ R).
(654)
Die reellen Zahlen x und y heißen Real- bzw. Imaginärteil von z,
z = x + iy :
Re [z] = x,
Im [z] = y.
(655)
Addition und Multiplikation in C werden erklärt durch
z1 + z2 ≡ (x1 + i y1 ) + (x2 + i y2) := (x1 + x2 ) + i (y1 + y2 ),
z1 · z2 ≡ (x1 + i y1) · (x2 + i y2) := x1 x2 + i y1 x2 + i x1 y2 + i 2 y1 y2
≡ (x1 x2 − y1 y2 ) + i (x1 y2 + y1 x2 ).
(656)
(657)
Die komplexen Zahlen ohne Imaginärteil, x+0 i ∈ C, lassen sich also mit den rellen
Zahlen x ∈ R identifizieren, denn es gilt
(x1 + 0 i ) + (x2 + 0 i ) = (x1 + x2 ) + 0 i ,
(x1 + 0 i ) · (x2 + 0 i ) = (x1 x2 ) + 0 i .
(658)
Damit gilt R ⊂ C. Insbesondere ist C eine Körpererweiterung von R.
Zur Division zweier komplexer Zahlen erweitert man den Bruch mit dem konjugiert
Komplexen z ∗ := x − i y des Nenners z = x + i y,
2+5i
(2 + 5 i ) · (3 − 4 i )
(6 + 20) + (15 − 8) i
26
7
=
=
=
+
i.
2
2
3+4i
(3 + 4 i ) · (3 − 4 i )
3 +4
25 25
Probe: Multiplikation des Resultats mit 3 + 4 i ergibt wieder 2 + 5 i .
109
(659)
A.2
Geometrische Deutung der Rechenoperationen
Man kann die komplexen Zahlen z = x + i y mit den Punkten der xy-Ebene identifizieren,
die dann Gaußsche Zahlenebene genannt wird. Die reelle Zahlengerade R entspricht
dabei der x-Achse.
A.2.1
Deutung der Addition
Ordnet man den komplexen Zahlen Ortsvektoren zu, die vom Ursprung der Zahlenebene,
also der Zahl z = 0 ausgehen, so ist die Addition (656) zweier Zahlen nichts anderes als
die Vektoraddition ihrer Ortsvektoren. Um auch für die Multiplikation (657) eine geometrische Deutung zu finden, führen wir eine neue Darstellung komplexer Zahlen ein:
A.2.2
Polardarstellung komplexer Zahlen
Das Produkt der Zahl z = x+ i y mit der zu ihr komplex-konjugierten Zahl z ∗ := x− i y,
zz ∗ ≡ (x + i y)(x − i y) = x2 + y 2,
ist immer reell und nicht-negativ. Die positive Wurzel daraus,
p
√
zz ∗ = x2 + y 2 =: |z|,
(660)
(661)
ist die Länge des Ortsvektors der Zahl z in der Zahlenebene, also ihr geometrischer Abstand von der Zahl 0. Dieser Abstand heißt der Betrag |z| von z. Der Winkel φ,
den dieser Ortsvektor (im mathematisch positiven Gegenuhrzeigersinn) mit der positiven
x-Achse einschließt, heißt das Argument arg(z) von z. Es gilt also
|z| = r, arg(z) = φ
⇒
z = r cos φ + i r sin φ ≡ r cos φ + i sin φ . (662)
| {z }
| {z }
=x
=y
Diese Polardarstellung ist die Alternative zur kartesischen Darstellung z = x + i y
einer komplexen Zahl.
A.2.3
Deutung der Multiplikation
In der Polardarstellung ergibt sich für das Produkt zweier komplexer Zahlen
z1 · z2 ≡ r1 cos φ1 + i sin φ1 · r2 cos φ2 + i sin φ2
h
i
= r1 r2 cos φ1 cos φ2 − sin φ1 sin φ2 + i cos φ1 sin φ2 + sin φ1 cos φ2 (663)
.
110
Nach den Additionstheoremen für Sinus und Cosinus gilt also
h
i
z1 z2 = r1 r2 cos(φ1 + φ2 ) + i sin(φ1 + φ2 ) .
(664)
Satz: Bei der Multiplikation (657) zweier komplexer Zahlen z1 und z2 multiplizieren
sich die Beträge der Faktoren, während sich deren Argumente addieren,
|z1 z2 | = r1 r2 ≡ |z1 ||z2 |,
arg(z1 z2 ) = arg(z1 ) + arg(z2 ).
(665)
Bsp.: Man zeichne
die Zahlen z1 = 4 + i und z2 = 1 + i in die Zahlenebene.
√
Mit |z1 ||z2 | = 17 · 2 ≈ 6 und φ1 + φ2 ≈ 15◦ + 45◦ = 60◦ kann man aus dieser Zeichnung
ablesen, daß z1 z2 ≈ 3 + 5 i . Dies ist sogar das exakte Ergebnis!
A.3
A.3.1
Die komplexe Exponentialfunktion
Rein-imaginäre Zahlen
Für eine reelle Zahl φ definieren wir mit der Exponentialreihe aus Kapitel 1
e
iφ
:=
∞
X
( i φ)n
n=0
n!
.
(666)
Zwar ist zunächst völlig unklar, was unter der Exponentialfunktion einer komplexen Zahl
i φ zu verstehen ist, doch auf der rechten Seite ist jeder Term der Reihe wohldefiniert,
wenn wir i 0 := 1 festlegen und beachten, daß aus i 2 = −1 folgt: i 3 = − i , i 4 = 1, etc.,
∞
X
( i φ)n
n=0
n!
=
i0
φ0
φ1
φ2
φ3
φ4
φ5
+ i 1 + i 2 + i 3 + i 4 + i 5 + ...
0!
1!
2!
3!
4!
5!
φ3 φ4
φ5
φ2
−i
+
+i
− − + +...
= 1 + iφ−
2!
3!
4!
5!
φ2 φ4
φ3 φ5
= 1−
+
− +... + i φ −
+
− +...
2!
4!
3!
5!
= cos φ + i sin φ,
(667)
mit den bekannten Reihen für cos φ und sin φ. Es gilt also die bemerkenswerte Beziehung
e i φ = cos φ + i sin φ.
Die Zahlen e i φ mit 0 ≤ φ < 2π bilden den Einheitskreis in der Zahlenebene,
q
iφ
|e | = cos2 φ + sin2 φ = 1.
111
(668)
(669)
Man kann dieses Ergebnis graphisch illustrieren, indem man, etwa für φ = 1 oder φ = π2 ,
die Zahlen 1, i φ, − 21 φ2 , − 16 φ3 i , etc. vektoriell in der Zahlenebene aufsummiert.
Wir verstehen jetzt auch die enge gegenseitige Verwandtschaft der Taylorreihen (53)–
(55) für ex , cos x und sin x.
Jetzt können wir die Polardarstellung schreiben in der Form
z = x + i y ≡ r(cos φ + i sin φ) = re i φ .
(670)
Bsp. 5: Man beachte die wichtigen Polardarstellungen
π
i = ei 2 ,
−1 = e i π ,
3
− i = e i 2 π,
Weitere Beispiele sind
√
√
π
7
1 + i = 2 ei 4 ,
1 − i = 2 e i 4 π,
A.3.2
1 = e2π i = e0 .
(671)
e i = cos 1 + i sin 1 ≈ 0, 54 + 0.84 i . (672)
Beliebige komplexe Zahlen
In Verallgemeinerung obiger Reihenentwicklung kann man für beliebiges u = λ + i φ ∈ C
(mit λ, φ ∈ R) definieren
eu ≡ eλ+ i φ := eλ e i φ ≡ eλ (cos φ + i sin φ).
(673)
z = eu ist also die komplexe Zahl mit Real- und Imaginärteil
Re [z] = eλ cos φ,
Im [z] = eλ sin φ,
(674)
bzw. mit Betrag und Argument
|z| = eλ ,
A.4
A.4.1
arg(z) = φ.
(675)
Wurzeln komplexer Zahlen
Definition
Jede Lösung w ∈ C der Gleichung w n = z heißt eine n-te Wurzel der komplexen Zahl z.
Aus der geometrischen Deutung der Multiplikation ergibt sich der
112
Satz: Jede komplexe Zahl z = |z|e i φ mit |z| =
6 0 hat genau n paarweise verschiedene n-te
Wurzeln. Unter ihnen heißt die Zahl
p
w1 =n |z| e i φ/n
(676)
der Hauptwert der n-ten Wurzeln. Die übrigen n-ten Wurzeln bilden zusammen mit dem
Hauptwert in der Zahlenebene ein reguläres n-Eck mit Mittelpunkt im Ursprung.
A.4.2
Fundamentalsatz der Algebra
Eine Verallgemeinerung des letzten Satzes ist der
Satz (FS der Algebra): Die allgemeine komplexe algebraische Gleichung
z n + an−1 z n−1 + ... + a1 z + a0 = 0
(677)
hat genau n Lösungen z1 , ..., zn , die allerdings nicht paarweise verschieden sein müssen.
Genauer gesagt: Jedes komplexe Polynom n-ten Grades zerfällt über C in genau n Linearfaktoren,
n
z + an−1 z
n−1
+ ... + a1 z + a0 = (z − z1 ) · · · (z − zn ) =
n
Y
(z − zk ).
(678)
k=1
Bsp. 1: Das Polynom z 2 + 1 läßt sich nicht als Produkt
z 2 + 1 = (z − z1 )(z − z2 )
(679)
mit reellen Konstanten z1 unf z2 darstellen. Sehr wohl gilt aber
z 2 + 1 = (z − i )(z + i )
(680)
mit den komplexen Konstanten z1 = i unf z2 = − i
Bsp. 2: Kompliziertere Beispiele sind
z 3 − 2z 2 + 9z − 18 = (z 2 + 9)(z − 2)
= (z − 3 i )(z + 3 i )(z − 2),
2
z − 4z + 13 = z − (2 − 3 i ) z − (2 + 3 i ) .
113
(681)
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