Kommission für islamisches Schlachten (KIS)

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Kommission für islamisches Schlachten (KIS)
Gemeinsame Kommission des Islamrats für die Bundesrepublik
Deutschland (IR) und des
Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD)
c/o ZMD – Indestr 93 52232 Eschweiler
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD) hat in einer gemeinsamen
Kommission (Kommission für islamisches Schlachten, genannt KIS) mit dem Islamrat
für die Bundesrepublik Deutschland (IR) Kriterien geschaffen, nach denen die
Schlachtung warmblütiger Tiere nach schonendster Art durchgeführt werden soll
(sog. KIS- Standards, siehe Anhang).
Die KIS geht davon aus, dass die sachkundige und nach KIS-Standards ausgeführte
islamische Schlachtung, unter Berücksichtigung veterinär-medizinischer Aspekte, die
humanste ist. Die KIS setzt sich dabei ausdrücklich für die Einhaltung der deutschen
Tierschutzbestimmungen im Einklang mit dem Grundgesetz ein.
Die Ausführungen und Arbeiten der KIS betreffen den Eigenbedarf für die in
Deutschland befindliche muslimische Gemeinschaft, die aus religiösen Gründen auf
den Verzehr von Fleisch islamisch geschächteter Tiere angewiesen ist.
I. Islamische Kriterien für den Schlachtvorgang
1. Die Schlachtung eines Tieres muss räumlich von den übrigen Tieren getrennt
vorgenommen werden, damit das Tier nicht zusehen muss, wie ein anderes
geschlachtet wird.
2. Die Fesselung des Tieres muss derart erfolgen, dass das Tier keinen Qualen
ausgesetzt wird,
3. es muss vorher getränkt, gefüttert und beruhigt werden.
4. Die Schlachtposition des Tiers und des Schächters sollte in Richtung Mekka
weisen
5. Das Schlachtmesser muss sehr scharf sein und darf keine Scharten aufweisen.
6. Vor der Schlachtung muss der sachkundige muslimische Schlachter das
vorgeschriebene Gebet sprechen.
7. Der Schnitt muss sofort die Halsblutgefäße, Speise -und Luftröhre durchtrennen,
damit der Tod schnellstens eintritt.
8. Eine weitestgehende Ausblutung des Tieres ist zu gewährleisten.
Durch die Durchtrennung der Halsschlagader erfolgt eine sofortige Anämie des Hirns
mit gleichzeitiger Betäubung und sekundenschnellem Tod durch Stillegung des
Atemzentrums. Eine vorherige Betäubung bringt nur eine unnötige zusätzliche Qual
für das Tier mit sich. Das Bundesverfassungsgericht stellt in diesem Zusammenhang
fest, dass "der Islam selbst eine möglichst schonende Tötung von Tieren verlangt
II. Technische Kriterien
1. Die Schlachterlaubnis darf nur muslimischen Schlachtbetriebe, in denen ein
muslimisch-sachkundiger Schächter die Schlachtung vornimmt, erteilt werden.
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2. Ausnahmen im Hinblick eines solchen Schlachtbetriebes können beispielweise
aufgrund des Opferfestes gegeben sein, wenn dadurch Bedarfsengpässe
aufgehoben werden können.
3. Hierbei können Betriebe jeder Art ihren Schlachtbetrieb für einen bestimmten
festzulegenden Zeitraum für die muslimische Schlachtung bereitstellen. Dabei
gelten dann die gleichen Kriterien wie bei einem muslimischen Schlachtbetrieb. Es
muss jedoch zusätzlich gewährleistet sein, dass sowohl die Tiere als auch das
geschächtete Fleisch nicht in Berührung mit Fleisch aus nichtislamischer
Schlachtung kommen dürfen. Die Räumlichkeiten und Gerätschaften müssen
zuvor hygienisch gereinigt werden und dürfen zwischenzeitlich nicht für andere
Vorgänge, außer der muslimischen Schächtung, benutzt werden.
4. Die in II.1 festgelegte Trennung muss gewährleisten, dass kein Kontakt (Blickund Hörkontakt) zwischen dem zur Schlachtung vorbereitetem Tier und der
übrigen Herde entsteht. Ggf. sind hierbei noch ausstehende bauliche Maßnahmen
für die Betriebe zu berücksichtigen.
5. Die Tierschutzkriterien bei dem Transport der Tiere sind strengstens einzuhalten.
Bei der Zerlegung und Lagerung ist neben den lebensmittelrechtlichen
Bestimmungen und Standards darauf zu achten, dass das Fleisch niemals in
Berührung mit Fleisch aus nichtislamischer Schlachtung gerät. Dies gilt auch,
wenn es bereits verpackt ist.
6. Das Personal, das unmittelbar bei der Schlachtung arbeitet, hat neben den
lebensmittelrechtlichen auch die islamischen Hygienevorschriften einzuhalten.
Dies gilt insbesondere für die benutzten Gerätschaften und Werkzeuge, die
beispielsweise nicht gleichzeitig für nichtislamische Schlachtungen benutzt werden
dürfen.
7. Für die Schlachtung von Rindern wird der Klaupflegestand empfohlen. Für die
Benutzung der Schlachttrommeln (bei größeren Mengen) ist darauf zu achten,
dass es nur zu einer 90-Grad-Drehung kommen sollte und so das Tier bei dem
Schlachtvorgang nicht auf den Kopf gelegt wird.
8. Die Tiere dürfen nur mit Tierfutter gefüttert worden sein, das nachweisbar rein
pflanzlichen Ursprungs ist. Dies bedeutet, dass kein Tiermehl und/oder Kraftfutter
aus mitunter chemisch verarbeiten Kadavern dem Tierfutter beigemischt werden
darf. Dies gilt insbesondere auch für Milchersatzstoffe für Jungtiere.
III. Wie steht der Islam allgemein zum Schächten?
Der Islamische Arbeitskreis der Muslime, in dem alle (d.h. auch DITIB, VIKZ und
Islamrat und Islamische Weltliga) großen islamischen Gruppierungen zum
gemeinsamen Handeln zusammengearbeitet haben, hat 1989 nach eingehender
Prüfung zur islamischen Schlachtung festgestellt, dass es die feste Glaubensüberzeugung der Muslime in Deutschland ist, dass ihnen das betäubungslose islamische
Schlachten vom Islam zwingend vorgeschrieben ist.
Zu dem gilt die Feststellung, dass insbesondere weniger praktizierende Muslime
hierzulande ausdrücklich auf den Genuss islamisch geschächteter Tiere nicht
verzichten wollen. Dies liegt sicherlich darin begründet, dass mehrheitlich türkischstämmige Muslime die vormals angebotene Ausnahmesituation aufgrund ihrer
Tradition nie in Anspruch genommen haben.
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IV. Hat die El-Azhar Schächten mit Betäubung erlaubt und wie beurteilen
wir die Elektrokurzzeitbetäubung in diesem Zusammenhang?
Die Stellungnahmen z.B. von Al-Azhar, in der von einem Ausnahmezustand der
Muslime in Deutschland damals ausgegangen wurde – in Folge wurde argumentiert,
dass aufgrund des Tatbestandes der Ausnahmesituation eine Schächtung mit
Betäubung eingeschränkt möglich sein sollte, damit die Muslime überhaupt in den
Genuss von Fleisch kommen können - entspricht nicht der gegenwartsbezogenen
Situation der Muslime in Deutschland. Zudem sind ausländische Fetwas
(Rechtgutachten) für die Muslime hier in Deutschland nicht bindend. Im übrigen gilt
die Glaubensüberzeugung des Großteils der Muslime auf dieser Welt, dass ihnen das
betäubungslose Schlachten (Schächten) zwingend vorgeschrieben ist.
Das Bundesverfassungsgericht spricht den Muslimen auf Grund ihrer islamischen
Glaubensüberzeugung unmissverständlich das Recht zu, von der Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Tierschutzgesetz Gebrauch zu machen und auf Grund dieses
Glaubens betäubungslos schächten zu dürfen, wie dies auch seit langem der
jüdischen Religionsgemeinschaft zusteht. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest,
dass sich "der Staat einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten hat."
Das Bundesverfassungsgericht stellt weiterhin fest, dass der "Islam unterschiedliche
Auffassungen zum Schächtgebot hat", und macht die Erlaubnis nicht von der
Meinung "führender islamischer Gelehrter" abhängig. Einzig und allein zählt die
Glaubensüberzeugung der Antrag stellenden "Gruppe".
Die Elektrokurzzeitbetäubung stellt für uns ebenfalls eine Betäubung dar. Im
Zusammenhang des Schlachten eines Tieres nach Zulassungspflicht § 14 Absatz 2,
Nr. 3, TierSchlV wird auch von Vorbehandlung gesprochen. Der Begriff
„Vorbehandlung“ in diesem Zusammenhang ist ein Euphemismus. Zudem möchten
wir auf die Schwierigkeit der Fixierung solcher Geräte am Tier hinweisen. Oft kommt
es vor, dass das Tier dann im halbwachen Zustand Verletzungen erleidet, da es eben
nicht wie angenommen ruht und weitere Elektroschocks so nötig sind.
V. Schächten im internationalen Vergleich
In den vielen europäischen Ländern wird Muslimen und Juden gewährt, nach ihren
herkömmlichen Weise zu schächten (z.B. Frankreich, Spanien, Holland, Belgien und
Dänemark). Nur in Deutschland war und ist das noch ein Problem, dies in die Praxis
umzusetzen.
VI. Gibt es einen Regelungsbedarf im Hinblick auf eine Änderung des
Tierschutzgesetztes?
Die Muslime in Deutschland ringen um eine Ausnahmegenehmigung zum
betäubungslosen Schlachten (Schächten) gemäß Tierschutzgesetz und drängen
damit auch auf Gleichbehandlung mit den Juden, denen eine solche
Ausnahmegenehmigung zugebilligt worden ist. Nach islamischem Verständnis ist das
Tier ein Mitgeschöpf - deswegen haben die Muslime sich bereits vor dem
Beschluss des Parlaments dafür eingesetzt, auch im deutschen Gesetz das Tier nicht
als eine Sache sondern endlich als Mitgeschöpf anzuerkennen. Zudem muss ein Tier
artgerecht gehalten werden. Eine industrielle Tier-Massenproduktion lehnen die
Muslime genauso ab wie inhumane Transporte lebender Tiere.
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Bei der Urteilsfindung wurde bereits eine Rechtsgüterabwägung vom Tierschutz auf
der einen Seite und Religionsfreiheit auf der anderen Seite vollzogen. Durch das
Schächturteil wurde gleichzeitig dem Tierschutz ein wesentlich höherer Stellenwert
als früher zuerkannt und der Tierschutz im Islam erstmalig gewürdigt.
Nach unserer Meinung hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung den
Tierschutz bereits hinreichend berücksichtigt – sicherlich auch deswegen, weil schon
zum Zeitpunkt der Entscheidung im Januar 2002 die Frage, ob der Tierschutz bereits
indirekt in der Verfassung verankert ist, in der Fachliteratur sehr umstritten war.
Diese Ziele des ethischen Tierschutzes (Vermeidung unnötiger Qualen usw.) sind
jetzt in Art. 20a des Grundgesetzes als Verfassungsziele (und nicht als Recht der
Tiere!) aufgenommen worden. Es hat sich aber qualitativ an der Rechtslage nichts
geändert: Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung den
Gesichtspunkt des „ethisch begründeten Tierschutzes“ schon wie ein Verfassungsziel
mitbehandelt. Es hat in einer anderen Passage des Urteils außerdem noch einmal
betont, dass der Tierschutz einen hohen Gemeinwohlbelang besitzt.
Trotz dieser ausdrücklichen Anerkennung des Tierschutzes ist das Gericht in seiner
Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass die Grundrechte des muslimischen
Metzgers und seiner Kunden den Vorrang haben.
In der Diskussion hat sich nach unserer Meinung auch mancherorts ein Denkfehler
eingeschlichen: Oft wird dargelegt bei der Religions- und Berufsfreiheit und beim
Tierschutz handele es sich um „Verfassungsgüter“. Diese Bezeichnung ist aber
irreführend: Die Religionsfreiheit und die Berufsfreiheit sind Menschenrechte,
während der Tierschutz ein (objektives) Verfassungsziel ist, ebenso wie der
Umweltschutz. Verfassungsziele sind zwar bei der Auslegung von Gesetzen und bei
einer Abwägung mit den Menschenrechten zu berücksichtigen, sie haben aber auf
keinen Fall den automatischen Vorrang, und sie sind den Menschenrechten auch
nicht gleichgestellt.
VII. Situation vor Ort, Behörden und Politik
Um das Schächten tobt ein Kulturkampf. Er wird mit großer Bitterkeit und
Unversöhnlichkeit geführt. Alle Kontrahenten haben gemeinsam, dass sie mit einem
religiösen Anspruch oder aber mit einem quasi-religiösen Anspruch auftreten. Den
Standpunkt der Tierschützer nenne ich dann quasi-religiös, wenn sie mit Kategorien
der Moral operieren, wenn der ethische Tierschutz zur absoluten Pflicht jedes
Individuums erhoben wird, wenn den Juden und Muslimen auf der Treppe der
Menschqualität mit dem moralischen Zeigefinger nur noch die unterste Stufe
zugewiesen wird, weil diese durch das Schächten in den Augen solcher Tierschützer
niederste tierquälerische Gesinnung dokumentierten. Wer andere in dieser Weise
herabsetzt, erhöht sich automatisch selbst zum Inhaber und Hüter einer allein
gültigen Moralität und zum Verwalter der Attribute „gut“ und „böse“. Die
Verselbständigung und Intensität dieses Geschehens erklärt sich auch daraus, dass
„tierfreundliche Menschen“ geltend machen, ihr Mitgefühl und ihr Selbstverständnis
seien „durch die stetige Missachtung und Misshandlung der Tiere in schwerem Maße
beeinträchtigt“. Sie fühlen sich durch z.B. das betäubungslose Schächten indirekt in
so etwas wie ihren eigenen Rechten verletzt, machen also letztlich eigenes seelisches
Leiden geltend.
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Vielfach stehen hinter der Tierschutz-Argumentation Ängste vor einer Ausbreitung
islamischer Tendenzen. Diese sind angesichts der Aktivitäten einzelner islamistischer
Gruppen und Personen sicherlich ernst zu nehmen. Es hilft aber nicht weiter, die
Mehrzahl der in Deutschland lebenden Muslime mit diesen Fundamentalisten in einen
Topf zu werfen.
Die Bestrebungen bibeltreuer politischer Organisationen (vorwiegend aus dem Süden
der Bundesrepublik Deutschland), die sich zum Thema Schächten zu Wort melden,
dem islamischen Fundamentalismus einen christlichen Gottesstaat entgegenzusetzen,
sollen hier nicht unerwähnt bleiben, wenngleich sie vielleicht eher in die KuriositätenEcke gehören.
Schwerwiegend ist allerdings, dass sich auf der Seite oder jedenfalls unter der Flagge
des Tierschutzes leider auch antisemitische und antimuslimische Stimmen
versammeln. Das heißt: Es artikulieren sich auch solche Organisationen oder
Personen, die es nicht bei einer sachlichen Kritik des Schächtens belassen, sondern
die durch Inhalt und Diktion ihrer Äußerungen klar dokumentieren, dass es ihnen –
manchmal hart an der strafrechtlichen Grenze zur Beleidigung und zur
Volksverhetzung – um entsprechende unlautere Motive geht. Auch vor diesem
Hintergrund erklärt sich, wie hasserfüllt manche Diskussionsbeiträge sind.
Die Bereitschaft des Zentralrats und des Islamrats, mit den Ministerien und Ämtern
hinsichtlich eines besseren Tierschutzes zusammenzuarbeiten, wurde oft nicht
aufgegriffen.
Untergeordnete Behörden haben durch Hinhaltetaktik das höchstrichterliche Urteil
aus Karlsruhe faktisch außer Kraft gesetzt. Dies wurde bereits zweimal zum Zeitpunkt
des Opferfestes der Muslime allzu deutlich (statistische Daten vorhanden).
Manche Stellen versuchten das Urteil durch Erlasse und Anordnungen zu unterlaufen,
andere wiederum wiesen ihre Veterinärämter direkt und schriftlich an, Muslimen
grundsätzlich die Ausnahmegenehmigung zu verweigern. Diese bisherige und zum
Großteil in unserem Land praktizierte Vorgehensweise halten wir für rechtswidrig.
Diese Umgangsweise ist höchst destruktiv und integrationsfeindlich, sie drängt die
Muslime in das gesellschaftliche Abseits.
Aiman A. Mazyek
Innsbruck 24.11.04
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