Programmheft als PDF - Staatskapelle Dresden

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17. Oktober 2016
Semperoper
1. AUFFÜHRUNGSABEND
M O N TAG 17.10 .16 2 0 U H R
I SEMPEROPER DRESDEN
1. AUFFÜHRUNGSABEND
Lorenzo Viotti
Dirigent
Matthias Wollong
Violine
Ludwig van Beethoven
(17 7 0 -18 2 7 )
Violinkonzert D-Dur op. 61
1. Allegro, ma non troppo
2. Larghetto – attacca subito
il Rondo
3. Rondo. Allegro
PAU S E
Ernest Chausson
(18 5 5 -18 9 9)
Symphonie B-Dur op. 20
1. Lent – Vivo
2. Très lent
3. Animé
ZUM PROGRAMM
1806 bittet Franz Clement, Konzertmeister am Theater an der Wien, Ludwig van
Beethoven um ein Konzert für Violine und Orchester. Das Werk soll in der von
Clement organisierten »Großen Musikalischen Akademie« am 23. Dezember im
Theater an der Wien erstmals aufgeführt werden. Beethoven, dem Plan zustimmend, erarbeitet es in ungewöhnlich kurzer Zeit. Noch während der Niederschrift
ist er komponierend tätig. Im ersten Satz fügt er je nach Zählung fünf oder sechs
Themenkomplexe scheinbar zwanglos aneinander. Dem Satz ist wiederholt eine
verschwenderische »Fülle reicher Gedanken« nachgesagt worden. Man nimmt
Anstoß an der Vielheit der Motive und vermisst kunstvolle Verschränkungen und
Formgebilde, die Beethovens phantasievolle Behandlung des Sonatensatzes sonst
auszeichnen. Die gewohnte Strukturierung von Zeit wirkt hier wie aus den Angeln
gehoben. Vielleicht mag das an dem Umstand liegen, dass in der Kürze der zur Verfügung stehenden Ausarbeitungszeit keine elaborierte Vertiefung möglich ist. Möglicherweise liegt es aber auch an Beethovens Anspruch, künstlerisch zu experimentieren und nach neuen Ansätzen zu suchen. Im zweiten Satz setzen Flöte, Oboen,
Trompeten und Pauken gänzlich aus und spielen die Streicher großteils con sordino
(mit Dämpfer). Es ist ein zaghaftes, fast stockendes Beginnen, dem eine zart aufblühende Kantilene in den Violinen folgt mit einem anschließenden Ruhepunkt, bevor
der Fluss, unterbrochen durch eine weitere Pause, weiterströmt. Gestaltet ist das
Larghetto als Variationensatz, wobei das Thema in seiner ursprünglichen Form stets
hörbar bleibt, ausgeführt in unterschiedlicher instrumentaler Formation und mit
Verzierungen in der Solovioline, zumindest in den ersten beiden Variationen. Unbeirrt zieht die Anmut ihre Kreise, als ob keine Macht der Welt ihr etwas anhaben
könnte. Zu einer Stauung kommt es lediglich im Übergang zum dritten Satz. Wenn
Beethoven später das Werk für den Druck bearbeitet und dabei vor allem den Part
der Solovioline ändert, lässt er den Mittelsatz bezeichnenderweise unberührt. Anders im Finale, dessen Solostimme weitgehende Revidierungen erfährt. Der Satz ist
als Jagdrondo konzipiert. Die Solovioline trägt das Thema zu Beginn zweimal vor,
zunächst im tiefen Register, dann zwei Oktaven höher, bevor es schließlich vom Orchestertutti gespielt wird. Man merkt die von Beethoven angestrebte Richtung: alles
schwingt sich auf. Indes könnte man auch von einem intendierten Aufschaukeln
sprechen, das sich sichtlich unbekümmert gibt. Betrachtet man das Rondothema
jedoch genau, so sind ihm von Anbeginn an gegensätzliche Fliehkräfte eingeschrieben. Gerade in seinem Vordersatz ist der ständige Wechsel der Richtungen nach
unten und oben bemerkenswert. Das erstrebte Aufsteigen wird gehindert durch ein
Beharren bindender Kräfte. Der Unbeschwertheit des Rondos verleihen sie ein leicht
trotziges »Verweile doch!«, das den Wirren und schnelllebigen Entwicklungen der
napoleonischen Epoche widerständig entgegenzutreten scheint.
Besetzung: Solovioline; Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner,
2 Trompeten, Pauken und Streicher // Dauer: ca. 45 Minuten
Bereits in den ersten Akkorden nach der Eingangsfigur wird deutlich, woher die
Symphonie B-Dur op. 20 von Ernest Chausson ihre harmonischen Wurzeln bezieht. Es sind die mediantenreich-schweren Klänge aus der Dramenwelt Richard
Wagners, die den französischen Komponisten offenkundig so faszinieren, dass er
sie noch einige Jahre nach dem Tod des Bayreuther Meisters als Stilmittel in seine
Symphonie aufnimmt. Chausson geht es wie dem Lyriker Charles Baudelaire, der
als einer der ersten dem Wagner-Kult in Frankreich erliegt: »Wenn man dieser
glühenden und vergewaltigenden Musik lauscht, scheint es manchmal so, als ob
man – zerfetzt von Hirngespinsten – schwindelerregende Opium-Vorstellungen auf
den Grund der Finsternis gemalt fände. Von diesem Augenblick an war ich von dem
Wunsch besessen, mich mehr und mehr in diese einzigartigen Werke einzuhören.«
Das schreibt Baudelaire in seinem Aufsatz »Étude sur Richard Wagner et Tannhäuser« von 1861. Chaussons Wagner-Begeisterung blüht Ende der 1870er Jahre auf.
1879 schreibt er sich nach der Begegnung mit Wagners Musikdramen am Pariser
Conservatoire ein und nimmt Unterricht bei Jules Massenet und César Franck.
1880 reist er erneut nach München, um Wagners »Tristan und Isolde« zu hören –
ein Werk, das eine besondere Leidenschaft in ihm weckt. Die B-Dur-Symphonie
entsteht im Zuge einer Erneuerung der Gattung in Frankreich Mitte der 1880er
Jahre: 1886 vollendet Camille Saint-Saëns seine sogenannte Orgelsymphonie. Um
die gleiche Zeit schreibt Édouard Lalo seine Symphonie g-Moll, zudem komponiert
Vincent d’Indy die »Symphonie cévenole«. 1888 beendet César Franck seine dreisätzige d-Moll-Symphonie, von der sich Chausson beeindruckt zeigt. Nach einer
vergleichsweisen langen Entstehungszeit beendet Chausson die Symphonie im
Dezember 1890 und organisiert am 17. Februar des darauffolgenden Jahres eine
Privataufführung. Am 18. April findet schließlich im Pariser Salle Erard die Uraufführung durch das Orchester der Société Nationale de Musique unter der Leitung
des Komponisten statt. Auch Chaussons Werk besteht aus drei Sätzen. Ähnlich
wie in Francks d-Moll-Symphonie stellt er dem bewegten Teil im ersten Satz einen
langsamen, getragenen Beginn voran, der am Schluss im Finalsatz thematisch wieder aufgegriffen wird. Im Vivo-Abschnitt des Kopfsatzes kommen pentatonische
Anklänge zum Vorschein, die vor allem Claude Debussy als exotisch-koloristisches
Mittel in seinen Werken einsetzt – Debussy ist ein guter Freund der Familie
Chausson. Die chromatisch gefärbte Leittontechnik im Anfang des zweiten Satzes
erinnert an das Vorspiel zum Dritten Aufzug von Wagners »Tristan«. Dieser Satz
trägt Züge einer persönlichen Bekenntnismusik. Zahlreiche Skizzen und Entwürfe
bezeugen nicht nur die schwierige Arbeit Chaussons an ihm, sondern auch die
Hindernisse, eine solche Musik in symphonische Form zu gießen. Der dritte Satz
arbeitet mit triumphal sich aufschwingenden hymnischen Klängen, pentatonischen
Abschnitten und einem charakteristischen Motiv, das wenig später im vierten Satz
in Antonín Dvořáks neunter Symphonie prominenten Eingang findet.
Besetzung: 2 Flöten, Piccolo, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten,
Bassklarinette, 3 Fagotte, 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken,
2 Harfen und Streicher // Dauer: ca. 35 Minuten
Lorenzo Viotti Dirigent
Mit nur 25 Jahren war Lorenzo Viotti Gewinner des Nestlé and Salzburg Festival
Young Conductors Award 2015, des 11. Internationalen Dirigentenwettbewerbs
des Orchestra de Cadaqués sowie Erster Preisträger des Dirigierwettbewerbs
der mitteldeutschen Musikhochschulen beim MDR Sinfonieorchester. In Lau­
sanne geboren, wuchs er in einer italienisch-französischen Musikerfamilie auf
und studierte Klavier, Gesang und Schlagzeug in Lyon. Er spezialisierte sich als
Schlagzeuger und nahm Dirigierklassen bei Georg Mark in Wien, wo er parallel
als Schlagzeuger in verschiedenen wichtigen Orchestern spielte, so auch mit
den Wiener Philharmonikern. Sein Erfolg beim Cadaqués-Wettbewerb führte zu
Engagements mit bedeutenden internationalen Orchestern: u. a. dem Orchestre
National de France in Paris, dem Rotterdams Philharmonisch Orkest, den Bamberger Symphonikern, dem Gewandhausorchester Leipzig sowie dem Münchner
Rundfunkorchester. Auf sein erfolgreiches Dirigat von »La Belle Hélène« im
Théâtre du Châtelet in Paris im Mai 2015 folgte wenig später Rossinis »La cambiale di matrimonio« im Teatro La Fenice in Venedig. Er assistiert Mariss Jansons,
Bernard Haitink sowie Georges Prêtre.
Matthias Wollong Violine
Nach einer Ausbildung in der Meisterklasse von
Werner Scholz ging Matthias Wollong von 1987
bis 1989 in die Schweiz, um bei dem legendären
Geiger und Pädagogen Tibor Varga zu studieren. Seit 1999 ist er Erster Konzertmeister der
Sächsischen Staatskapelle, nachdem er von 1991
bis 1999 die gleiche Position beim RundfunkSinfonieorchester Berlin innehatte. Während der
Sommermonate musiziert er als Erster Konzertmeister im Orchester der Bayreuther Festspiele.
2008 gewann er für die Aufnahme von Erich
Wolfgang Korngolds Suite op. 23 einen ECHO Klassik. Er hält eine Professur
an der Hochschule für Musik »Franz Liszt« in Weimar. Matthias Wollong spielt
auf einer Violine von Andrea Guarneri aus dem Jahre 1676.
VORSCHAU
3. Symphoniekonzert
S O N N TAG 3 0 .10 .16 11 U H R
M O N TAG 31.10 .16 2 0 U H R
D I E N S TAG 1.11.16 2 0 U H R
S E M P ER O P E R D R E S D E N
Omer Meir Wellber Dirigent
Camilla Nylund Sopran
Michael König Tenor
Thomas E. Bauer Bariton
Franz-Josef Selig Bass
MDR Rundfunkchor
Richard Strauss
Serenade Es-Dur op. 7
für 13 Blasinstrumente
Joseph Haydn
Symphonie f-Moll Hob. I:49
»La Passione«
Sofia Gubaidulina
»Über Liebe und Hass«
Oratorium für Soli, Chor und Orchester
Deutsche Erstaufführung
Auftragswerk der Sächsischen
Staatskapelle Dresden,
der Stiftung Frauenkirche Dresden,
des Rotterdams Philharmonisch Orkest
und des Gergiev Festival Rotterdam
Kostenlose Konzerteinführungen
jeweils 45 Minuten vor Beginn im
Opernkeller der Semperoper
Kammermusik der Sächsischen
Staatskapelle Dresden
Gegründet 1854 als TonkünstlerVerein zu Dresden
Verantwortlich:
Friedwart Christian Dittmann,
Ulrike Scobel und Christoph Bechstein
IMPRESSUM
Sächsische Staatskapelle Dresden
Chefdirigent Christian Thielemann
Spielzeit 2016 | 2017
H E R AU S G E B E R
Sächsische Staatstheater –
Semperoper Dresden
© Oktober 2016
R E DA K T I O N
André Podschun
TEXT
Der Einführungstext von André Podschun ist
ein Originalbeitrag für dieses Programmheft.
B I L D N AC H W E I S E
Lorenzo Viotti: Stephan Doleschal
Matthias Wollong: Matthias Creutziger
G E S TA LT U N G U N D S AT Z
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DRUCK
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W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E
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