Bundesverfassungsgericht - Es wird ernst im NPD - mm

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Export date: Thu Apr 6 13:16:42 2017 / +0000 GMT
Bundesverfassungsgericht - Es wird ernst im NPDVerfahren
Die rechtsextreme NPD sehen heute viele als Partei im Niedergang. Dass das Verfassungsgericht trotzdem ein
Verbot ausspricht, scheint inzwischen selbst mancher Antragsteller zu bezweifeln. Geschichte schreiben wird
das Urteil vom 17. Januar aber in jedem Fall.
Wird die NPD nun verboten - oder wird sie es nicht? Die Antwort bringt der 17. Januar. Seit Jahren, vielleicht
seit Jahrzehnten, ist keine Urteilsverkündung am Bundesverfassungsgericht mehr mit so viel Spannung und
Spekulation erwartet worden.
Das Absurde ist nur: Der Termin holt eine Partei zurück ins Rampenlicht, die in der politischen Landschaft
derzeit keine sichtbare Größe ist.
2013, als die Länder über den Bundesrat den Verbotsantrag (Az. 2 BvB 1/13) auf den Weg bringen, ist die Welt
noch eine andere. Das Entsetzen darüber, dass der «Nationalsozialistische Untergrund» (NSU) in Deutschland
über Jahre unbehelligt Menschen ermorden konnte, ist frisch. Das politische Gesicht des Rechtsextremismus ist
die NPD. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mischt die in den 2000er Jahren erstarkte Partei mit
mehreren Abgeordneten in der Landespolitik mit.
Noch gibt es keine Pegida-Bewegung, keine Flüchtlingskrise. Niemand ahnt, dass eine Partei namens AfD zum
Auftakt des Jahres 2017 in bundesweiten Umfragen klar über die Zehn-Prozent-Marke kommen wird. Heute
sieht es so aus, als ob die NPD in diesen Umwälzungen ganz von selbst unter die Räder gekommen ist. Im
September ist sie in Schwerin aus dem letzten Landtag geflogen. Die AfD holte 20,8 Prozent.
Was also, so fragen sich viele, soll jetzt noch ein Parteiverbot? Und wäre es vor dem Grundgesetz überhaupt zu
rechtfertigen?
Nicht ohne Grund nennt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zum Auftakt der drei Verhandlungstage im März
2016 das Verbotsverfahren ein «ebenso scharfes wie zweischneidiges Schwert, das mit Bedacht geführt werden
muss». Scharf, denn: Eine verbotene Partei muss sich auflösen, ihre Mandate abgeben, kann ihr Vermögen
verlieren. Zweischneidig, denn: Müsste die Demokratie nicht stark genug sein, sich anders zu wehren? Die
Verhandlung hat aufgedeckt, wo die Probleme liegen.
Ja, da sind die Momente, in denen die NPD mit ihrem Anwalt Peter Richter die Maske fallen lässt und ihr
hässliches Gesicht zeigt. Dann ist das Gerede von «Abstammungsdeutschen», «Ermessenseinbürgerung» und
dem Islam als einer «fremdkörperhaften Aggressionsreligion» für viele nur schwer zu ertragen. Der Dresdner
Extremismusforscher Steffen Kailitz, ein Verbotsbefürworter, trägt dem Zweiten Senat vor, wie die NPD bei
ihrer geplanten «Ausländerrückführung» acht bis elf Millionen «nicht germanischstämmige» Menschen aus
Deutschland vertreiben will.
Aber haben die Rechtsextremen die Kraft, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen? Für die Richter scheint
das die zentrale Frage. Denn das Grundgesetz erlaubt allein das Verbot von Parteien, die «darauf ausgehen, die
freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen». Festgemacht wird das seit
den 1950er Jahren an einer «aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung». Das Straßburger
Menschenrechtsgericht verlangt sogar Hinweise darauf, dass ein unmittelbar bevorstehender Angriff auf die
Demokratie droht.
Die NPD hat gut 5000 Mitglieder und kämpft gegen den Ruin. Entsprechend kritisch hinterfragten die Richter
den Verbotsantrag: Warum ausgerechnet jetzt, wo die Verfassungsschutzberichte das Bild einer kaum
handlungsfähigen Partei im Niedergang zeichnen? Hält die NPD bundesweit nicht nur 0,15 Prozent aller
Kommunalmandate? Und vor allem: Wenn die Partei so gefährlich ist - warum gelingt es ihr dann nicht, aus der
Flüchtlingskrise sichtbar Profit zu schlagen?
Ein Verbot müssten mindestens sechs Richter mittragen - eine Maßgabe, die umso schwerer wiegt, als Herbert
Landau in der Zwischenzeit ausgeschieden ist. Der Senat entscheidet deshalb zu siebt statt zu acht. Nur ein
einziger Richter dürfte anderer Meinung sein.
Es kommt also nicht allzu überraschend, dass sich kurz vor der Urteilsverkündung Berichte mehren, die auf ein
mögliches Scheitern des Verfahrens einstimmen. Die «Bild»-Zeitung zitiert aus einer internen Einschätzung der
Bundesregierung, wonach diese die NPD nicht für ausreichend gefährlich hält. Und auch die Initiatoren aus den
Ländern scheinen nicht mehr recht an ihre Sache zu glauben. Zumindest gibt die «Berliner Zeitung» einen nicht
näher bezeichneten Insider mit den Worten wieder: «Wir sind nicht wahnsinnig optimistisch.»
Politisch wäre das einigermaßen blamabel. Denn schon der erste NPD-Verbotsantrag führte nicht zum Erfolg 2003 platzte das Verfahren, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit V-Leuten des
Verfassungsschutzes durchsetzt war. Aus diesen Fehlern immerhin hat man gelernt: Dieses Mal sahen die
Richter die Voraussetzungen erfüllt, um die Sache bis zu einem Urteil zu prüfen.
Schon deshalb dürfte am Ende weit mehr stehen als ein «Persilschein» für die NPD, wie Kritiker eines neuen
Anlaufs immer gewarnt haben. Zuletzt hat Karlsruhe 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)
verboten, mit 308 Druckseiten das bis heute längste Urteil. Der Senat dürfte die Herausforderung annehmen, in
ähnlichem Umfang neue Maßstäbe dafür zu entwickeln, wie die Demokratie heute mit Parteien umgehen will,
die ihre Freiräume über die Maßen strapazieren.
Post date: 2017-01-16 07:47:06
Post date GMT: 2017-01-16 06:47:06
Post modified date: 2017-01-17 07:23:58
Post modified date GMT: 2017-01-17 06:23:58
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