II.) Geld als philosophischer Gegenstand

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Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Das Geld im Weltumgang der Menschen
Untersuchungen zu Marx, Simmel und Sohn-Rethel
von Fabian Kettner
Inhaltsübersicht:
Vorwort
I.) Was die Philosophie über das Geld zu sagen hat
I.1.) Geld greift an. Kulturdiagnose. Simmel
I.2.) Geld wird begrifflich eingeholt. Kritik. Marx
I.2.1.) Frühe Manuskripte
I.2.2.) Kritik der kleinbürgerlichen Geldkritik
I.2.3.) Ökonomisches Spätwerk (Wert und Ware – Logik vs. Historie – Der kritische Darstellungsgang – Geld – Kapital und Ausbeutung)
I.3.) Kulturdiagnose vs. Kritik
II.) Geld als philosophischer Gegenstand
II.1.) Geld nötigt zur Philosophie
II.1.1.) Nationalökonomie
II.1.2.) Simmel (Werttheorie – Geldtheorie)
II.1.3.) Marx
II.2.) Geld macht Philosophie
II.2.1.) Geld und Geist. Sohn-Rethel (Ausgangspunkt – Abstraktionen – Transformationsproblem)
II.2.2.) Identifikation (Philosophie – Religion)
III.) Schluss
Literaturverzeichnis
Vorwort
Thema dieser Arbeit sind sowohl verschiedene theoretische Konzepte, mit denen
versucht wird, Geld theoretisch zu fassen, als auch solche, mit denen beschrieben
wird, welche Rolle das Geld im Leben der Menschen spielt. Es geht darum, wie
Geld das Leben der Menschen prägt und verwandelt, wie es ihre Wahrnehmung bestimmt, sowohl von sich selbst, wie von ihrer Umwelt, wie von ihren Mitmenschen,
welche Beziehungen es zwischen ihnen konstituiert usw. Mit der Philosophie des Geldes von Georg Simmel liegt nach wie vor die große Zusammenfassung einer solchen
Beschreibung vor. Was an ähnlichen Diagnosen vor und nach ihr kam, erweist sich
bei näherem Hinsehen als ein Teil oder als eine Variante von ihr. Sie findet nach wie
vor immer wieder Anklang.1 Mit Karl Marx’ Kritik der politischen Ökonomie möchte
ich allerdings darauf hinweisen, dass Simmel eine gesellschaftstheoretische Grundlegung fehlt, dass Simmel sowohl in seiner Kulturdiagnose als auch in seiner Wertund Geldtheorie das Phänomen Geld verfehlt. Simmel bleibt an Oberflächenerscheinungen hängen, so weit er auch in der Lage war, sich von der Nationalökonomie seiner Zeit zu emanzipieren. Er beklagt die negativen Tendenzen der Geldwirt1
Aktuelle Veröffentlichungen fassen das von ihr bearbeitet Feld neu zusammen (vgl. GEßNER & KRAMME 2002)
oder versuchen neue Anschlüsse an sie (vgl. STEINHILBER 2004).
1
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
schaft, begreift das Geld aber nicht und deswegen geht seine Kritik fehl. Damit ist
diese Arbeit – obwohl sie nicht aus dieser Motivation heraus verfasst wurde – auch
ein Beitrag zu gegenwärtigen Diskursen: die Kritik der Geldwirtschaft, Kapitalismuskritik gar ist wieder en mode, Marx ist wieder Stichwortgeber, in Zeiten der Globalisierung wird seiner Kritik wieder eine gewisse Berechtigung zugesprochen.
Alfred Sohn-Rethel, der dritte Hauptbezugspunkt dieser Arbeit, ist bei weitem nicht
so populär wie Simmel oder Marx, aber auch er ist ein ‚Dauerbrenner’, und m.E.
sollte man seine Wirkung nicht unterschätzen.2 Seine Bemühungen, das moderne
Denken aus dem Geld abzuleiten, begründete einen ganz eigenen Diskurs über den
Zusammenhang von Geld und Denken, dessen Schwächen ich aufzeigen möchte,
über die die begeisterte Sohn-Rethel-Rezeption gerne hinweggeht. Sohn-Rethel
selbst (und auch einige seiner Nachfolger) bewegte sich in einem marxistischen Diskurs, so dass auf dem Hintergrund der vorher in der Auseinandersetzung mit Simmel entfalteten Marxschen Kritik der politischen Ökonomie hier Korrekturen angebracht werden können. Eine Korrektur, die mir dringend notwendig erscheint, zumal angesichts eines an Sohn-Rethel, Marx, Simmel, Theodor W. Adorno, Walter
Benjamin u.a. sich anschließenden Diskurses, der fortwuchert und sich weitgehend
verselbständigt hat und dessen kritischer Gestus als bloße Pose durchsichtig wird.
Thema dieser Arbeit ist des weiteren das Verhältnis von Philosophie und Geld: Wie
sieht die Philosophie das Geld? Sieht sie es anders als etwa die Nationalökonomie
oder die Soziologie? Kann sie es anders sehen? Welche Vorteile und welche Gefahren erwachsen hieraus? Diese Ausrichtung des Blicks soll dazu verhelfen, dass die
Philosophie – verstanden als freies, aufgeklärtes, selbständiges, kritisches Denken –
von einer Philosophie des Geldes nicht verschluckt wird und dass eine Kritik des
Geldes (aber eben nicht nur des Geldes) möglich bleibt.
I.) Was die Philosophie über das Geld zu sagen hat
I.1.) Geld greift an. Kulturdiagnose. Simmel
Geld bereitet Unbehagen. V.a. dort, wo das Geldwesen sich noch installiert, wie
bspw. in der griechischen Antike. Platon machte in der Politeia deutlich,3 dass von
Geld Gefahr ausgehe, wenn auch nicht von Geld an sich, sondern dann, wenn es jedem zugänglich sei. Er stellte die Übel anhand seiner Diskussion der verschiedenen
Regierungstypen dar. Geld sei komplementär zur Timokratie und Oligarchie, die er
gleichermaßen disqualifiziert. Vom Geld gehe die Gefahr der Habgier aus, unter der
man die Tugenden vernachlässige. Deshalb brauche es die richtige, strenge Gemeinschaftsform, deshalb sollte den „Wächtern“ des von ihm propagierten Staates der
Besitz und das Benutzen von Geld verboten sein.
Nach Platon betrachtet Aristoteles in der Nikomachischen Ethik und in der Politik den
eigentümlichen Charakter des Geldes.4 Es vollbringe das eigentlich Unmögliche: es
mache alles quantitativ vergleichbar, messe alles. Weil es hierüber Bedingung für
den Austausch und für die Herstellung und Aufrechterhaltung von Gemeinschaft
sei, akzeptiert er es weithin. Es sei im Grunde ein praktisches Tauschmittel, eine
2
In den letzten Jahren steckte ein Sammelband (HEIMZ & HÖRISCH 2006) das Feld wieder ab und Eske Bockelmann (2004) ging Sohn-Rethels Weg eigenständig neu.
3
Vgl. PLATON: Sämtliche Dialoge V , 547ff., 391, 580f., 550f., 416f.
4
Vgl. ARISTOTELES: Philosophische Schriften 3, 1133a, 1164a und Philosophische Schriften 4, 1257a, 1253b,
1257b ff., 1302b f., 1308b f., 1328b f.
2
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
notwendige Erfindung für den Fernhande. Er integriert es in die Systematik der
„Hauskunde“, in der es Teil der Erwerbskunde ist. Aber auch bei Aristoteles haftet
dem Geld ein Ruch an. Die Erwerbskunst gliedert sich in drei Arten, mit jeweils absteigender Würde: die des Haushaltsvorstandes, die des Händlers und die des Wucherers. Schon der Gelderwerb sei unnatürlich wegen seiner Schrankenlosigkeit. Ein
Mittel werde zu einem Zweck, schließlich zu einem Selbstzweck. Sei der Handel
von einer an die Natur gekoppelten Reproduktion schon weitgehend unabhängig,
so ziehe der Wucherer Geld aus Geld, nicht aus dem Handel, wofür das Geld ursprünglich erfunden worden sei. Am Geldwesen und an seinem Umkreis haftet der
Verdacht der Ungerechtigkeit und Nichtrechtmäßigkeit, der Übervorteilung und
des Betrugs. Von ihm gehe Unruhe aus, sowohl sozialer Art: Habsucht und Bereicherung einzelner Personen oder Stände sorgten für Aufruhr im Volk, wie individueller Art: da Händler rastlos, ohne Muße lebten, könnten sie nicht tugendhaft leben und daher nicht vornehm sein.
Dieses schon früh formulierte Unbehagen blieb. Beklagt wird stets, „daß alle individuellen, sozialen und kulturellen Belange durch die verwertende Rationalität des
Geldes direkt oder indirekt mitbestimmt werden“ (WAGNER 1984, 13).5 Die Figur
der Klage beschreibt stets ein Amorphes, das sich ausbreite über den Raum, der ihm
ursprünglich und eigentlich zustehe und von dem aus es alles andere durchdringe,
aufweiche und sich anverwandle. Diese Ausdehnung kann innerhalb einer Gesellschaft stattfinden, ihre soziale Ordnung umgestalten; sie kann auch den Raum eines
national eingehegten Marktes verlassen und andere Nationen ergreifen; sie kann
schließlich nicht nur die Beziehungen der Menschen erfassen, sondern auch diese
selber nicht unberührt lassen. Geld zersetze traditionelle Sozialgefüge, wälze gesellschaftliche Verhältnisse um, weiche Sitten und Tugenden auf, indem es alles den
ihm eigenen Imperativen unterwerfe.
Eine der bekanntesten und umfangreichsten Studien, die sich mit diesem Phänomen
beschäftigt, ist Georg Simmels Philosophie des Geldes. Dieses Buch ist ein Klassiker
der Soziologie, wenngleich wenig beachtet. In mehreren der Kompendien zur Geschichte der Soziologie kommt Simmel nur am Rande vor,6 Erörterungen der Philosophie des Geldes sind mager.7 Die Sekundärliteratur ist nicht sehr umfangreich. So
weiß auch der Soziologe Dirk Kaesler, dass nicht nur „die Soziologie Georg Simmels
auch heute noch zu den am wenigsten entdeckten und in ihrer Bedeutung unterschätzten Werken der klassischen Literatur“, sondern dass insbesondere die Philosophie des Geldes „zu den vernachlässigsten, gleichwohl zentralen Abhandlungen seines Werkes“ gehört (1976, 267); aber auch er lässt sich nicht weiter auf sie ein. Die
Philosophie des Geldes enthält außerdem umfangreiche geld- und werttheoretische
Reflexionen; ihnen wenden wir uns später zu. Diese werden fast gar nicht erwähnt.
Bekannter und offenkundig beliebter sind Simmels Beobachtungen der „Vergeldlichung von Welt“ (RAMMSTEDT 1993, 34), i.e. seine Diagnose, dass und inwiefern
5
Sozialwissenschaftlich ausformuliert bspw. in Jürgen Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns: der
„Lebenswelt“ stehe eines der „Systeme“, die Ökonomie, gegenüber (vgl. HABERMAS 1995 Band 2, 173-293), deren Steuerungsmedium Geld (vgl. ebd., 384-419) auf die Lebenswelt übergreife. Habermas reformuliert so Max
Webers und Marx’ Diagnose des Phänomens der Verdinglichung als „Kolonialisierung der Lebenswelt“ (vgl.
ebd., 447-522). Zur Kritik hiervon vgl. BREUER 1985 b, TÜRCKE 1989, JOHANNES 1989, SCHILLER 1993.
6
Bspw. in der vierbändigen Geschichte der Soziologie von Friedrich Jonas (1969) in Band IV ganze zwei Mal.
7
Vgl. Helmut Schoecks Die Soziologie und die Gesellschaften (1964), wo zwar die Seiten 232-238 Simmel gewidmet sind, sich aber nur auf Seite 236f. ein Zitat aus Simmels nachgelassenen Fragmenten zum Geld findet,
oder die von Wolf Lepenies herausgegebene vierbändige Geschichte der Soziologie (1981), in der auf den Seiten
37f. und 43 die Philosophie des Geldes nur namentlich erwähnt wird, ohne Angaben zum Inhalt. Von Friedrich
Jonas wird sie als „kaum originell zu nennen“ (1969, 69) abqualifiziert.
3
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
und worüber Geld in der Moderne das Leben, das Denken und das Verhalten der
Menschen bestimmt, was „das Geld und die Geldwirtschaft aus dem Denken, Fühlen und Wollen der Individuen, aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen, aus
den socialen, Rechts- und Wirtschaftsinstitutionen gemacht“ (SCHMOLLER 1901, 16)
hat. Als „Zeitphilosophie“ (DAHME 1993, 57), als Deutungsmuster der Moderne
wird sie gerne herangezogen.
Laut Simmel sei es eine „Tendenz der ganzen Gesellschaft“ (GA 6, 463), dass das
Geld das Leben der Menschen bestimme. Simmel zeigt dies zum einen an der Herausbildung des Individuums, zum anderen an zahlreichen Beobachtungen und Beschreibungen, wie das Denken, Fühlen, Wahrnehmen, Verhalten, wie der Charakter
und die Einstellungen der Individuen nach dem Charakter des Geldes gebildet
werden. Die Herausbildung des Individuums geht dem historisch wie logisch voran
und arbeitet ihm vor. Jene weise „die innigste innere Beziehung zu dem Aufkommen der Geldwirtschaft“ (ebd., 245) auf. Empirisch einzelne Menschen gab es natürlich immer schon, aber früher waren sie noch nicht Individuen. „Im Mittelalter findet
sich der Mensch in bindender Zugehörigkeit zu einer Gemeinde oder zu einem
Landbesitz, zum Feudalverband oder zur Corporation; seine Persönlichkeit war
eingeschmolzen in sachliche oder sociale Interessenkreise“ (GA 5, 178). Weder
nahmen sich die Menschen als Individuen wahr, noch hatten sie die Möglichkeit,
sich als solche zu betätigen. Durch die Geldwirtschaft setzte eine „Objektivierung
und Entpersonalisierung des wirtschaftlichen Kosmos“ (GA 6, 404) ein. Die alte
Ordnung, die „den ganzen Menschen“ in sich einschloss (ebd., 464), wurde vom
Geld, genauer: von den durch es gegebenen neuen Möglichkeiten sozialer Beziehungen, aufgelöst. Radikal wurden die „Imponderabilien gemütvollerer Beziehungen“ (ebd., 381) beseitigt, das „gemütlichere[.] Verhältnis der Naturalleistung (ebd.,
457) durch Geldabgaben ersetzt, die Verknüpfung von Person und Besitz, v.a. über
Landbesitz, aufgelöst (ebd., 366). Geld bewirke aber nicht nur soziale Atomisierung,
es fasse die Vereinzelten über ein „ausschließliches Geldinteresse“ (ebd., 465) wieder zusammen, vereinige die Zusammenhanglosigkeit, die es vorher selber stiftete
(ebd., 468).
Es trenne nicht nur Person von Person, sondern auch Person und Sache. Es trete
zwischen sie (vgl. GA 5, 178). Dass eine Person sich von einer spezifischen Form von
Besitz emanzipieren und qua Geld grundsätzlich über jede Form Besitz verfügen
kann, ermögliche überhaupt erst Subjektivismus und Individualismus. Die Vermittlungsleistung sachlicher Abhängigkeiten sei „für das unterschiedsempfindliche Bewußtsein der Hintergrund, von dem sich die aus ihnen herausdifferenzierte Persönlichkeit und ihre Freiheit erst deutlich abhebt“ (GA 6, 404). Eine Person könne bspw.
bezüglich ihres Lebensunterhaltes gänzlich auf ihre individuelle Begabung setzen –
sofern sie diese in geldwertes Äquivalent umsetzen kann (ebd., 664). So setze sich
der Differenzierungsprozess des Geldes im Inneren der Person „als eine Atomisierung der Einzelpersönlichkeit“, „als eine innerhalb ihrer vor sich gehende Individualisierung“ (ebd., 463) fort. Eine Person finde „verschiedene[.] Interessen und Betätigungssphären“, ihre Fähigkeiten würden weitergebildet. Das Ich präge sich im
Besitz aus, an seinen Dingen könne sich der Wille betätigen. Der Besitz bilde so „eine Erweiterung des Ich“ (ebd., 431f.), in ihm könne sich das Ich „ausleb[en],
auspräg[en], ausbreit[en]“ (ebd., 433). Hierin liege auch die Freiheit des Individuums, denn diese bestehe darin, „zu schalten, wie wir wollen“, und dies kann das
Individuum mit seinem Besitz (ebd., 435). Freiheit bedeute „nur den Gesetzen des
eigenen Wesens zu gehorchen“ (ebd., 451). Durch das Geld verfüge das Individuum
4
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
über „ein sehr gestiegenes Quantum von Wirkungsmöglichkeiten“ und somit über
die Möglichkeit der Selbstbestimmung (ebd., 244).
Die Emanzipation des Individuums mittels Geld sei ambivalent. Geld erzeuge „auf
der einen Seite eine früher unbekannte Unpersönlichkeit alles ökonomischen Thuns,
andererseits eine ebenso gesteigerte Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Person“ (GA 5, 179). Die Lösung aus der alten Abhängigkeit sei nicht eine von sozialer
Abhängigkeit überhaupt, sie werde auch nicht weniger. „Die allgemeine Tendenz
aber geht zweifellos dahin, das Subjekt zwar von den Leistungen immer mehrerer
Menschen abhängig, von den dahinterstehenden Persönlichkeiten als solchen aber
immer unabhängiger zu machen“ (GA 6, 394). Die Abhängigkeit sei nicht mehr an
bestimmte Personen qua ihrer Eigenschaft als diese bestimmte Person gebunden.
Unabhängigkeit bedeute nicht „Nicht-Abhängigkeit“ (ebd., 397). Die Abhängigkeit
werde durch die größere Komplexität der sozialen Beziehungen in der Geldwirtschaft gesteigert, die Versachlichung schlage auch auf die Individuen zurück, indem
sie Geltung nur noch als Träger einer sozialen Rolle haben. Im geldwirtschaftlichen
Verkehr der Individuen sei Individualität verschwunden. Der Verlust von „Persönlichkeitswerten“ (GA 6, 553) greife um sich so weit wie das Geld vordringen kann,
nach dem Muster seiner Charakteristika. Geld, das „absolut Unfixierte“ (ebd., 596)
„gibt jeder Direktive [...] gleichmäßig nach“ (ebd., 436f.), und so nachgiebig, unbestimmt würden die Menschen. Durch die Auflösung eines zunftmäßig vorgezeichneten Berufsweges könnten die Individuen ihren Ort, ihre Identität nicht mehr aus
ihrem Beruf ableiten. Nicht festgelegte Berufe zeitigten nicht festgelegte Existenzen
(ebd., 596f.). Der Wirkungskreis gehe noch weiter. Die Verflüssigung und Dynamisierung sozialer Statik führe zu „Entwurzelung“ (ebd., 554). Ohne „zuverlässige[s]
Objekt persönlicher Betätigung“ fehle ein „Zentrum der Interessen, ein Richtung
gebender Lebensinhalt“ (ebd., 549), werde „Sinn“ „ausgehöhlt und vergleichgültigt“ (ebd., 555). Es komme zu einer „Inhaltlosigkeit des Lebens und Lockerung seiner Substanz“ (GA 5, 185). Sobald der Mensch „statt des Bodens nur seinen Werth
in Geld besaß“, habe ein „richtunggebender Lebensinhalt“ gefehlt. Dies sei „ein tiefer Grund für den problematischen Charakter, für die Unruhe und Unbefriedigtheit
unserer Zeit“ (ebd., 186).
Rechenhaftigkeit sei der Charakter der Moderne. „Ihr Erkenntnisideal ist, die Welt
als ein großes Rechenexempel zu begreifen, die Vorgänge und qualitativen Bestimmtheiten der Dinge in einem System von Zahlen aufzufangen“ (ebd., 612).
„Dieser „zeitpsychologische Zug“, „dieses messende, wägende, rechnerisch exakte
Wesen der Neuzeit“, stehe in „Gegensatz zu dem mehr impulsiven, auf das Ganze
gehenden, gefühlsmäßigen Wesen früherer Epochen.“ Gegenwärtig werde „das Leben vieler Menschen [..] von solchem Bestimmen, Abwägen, Rechnen, Reduzieren
qualitativer Werte auf quantitative ausgefüllt“ (ebd., 613f.). Weil sich das Interesse
auf „die quantitativen Verhältnisse“ richte, „hat man es für das Ideal des Erkennens
erklärt, alle qualitativen Bestimmtheiten der Wirklichkeit in rein quantitative aufzulösen“ (ebd., 168f., Beispiele auf 367f.). Dadurch verlören die Dinge ihren Eigenwert.
Weil „immer mehr Dinge für Geld zu haben sind“, gelten sie „schließlich nur noch
so weit [..], wie sie Geld kosten.“ Sie würden nicht wegen anderer Qualitäten oder
um ihrer selbst willen geschätzt. „Der typisch moderne Mensch schätzt die Dinge,
weil sie sehr viel kosten, und er schätzt sie, weil sie sehr wenig kosten“ (ebd., 369f.).
Die Dinge würden einander und für die Menschen gleich. Indem zum einen „die
Dinge ihr Aequivalent an einem völlig farblosen, jenseits aller spezifischen Bestimmtheit stehenden Tauschmittel finden [...], werden sie gewissermaßen abgeschliffen und geglättet“ (GA 5, 194f.). Zum anderen seien sie für jeden, vorausge-
5
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
setzt er hat genug Geldes, verfügbar. Dadurch würden die Dinge „in höherem Sinne
entwerthet. Das Geld ist ‚gemein’, weil es das Äquivalent für All und Jedes ist.“ Das
qualitativ Unterschiedliche und Besondere werde nicht nur auf einem allgemein
gleichen, für alle verfügbaren Niveau gleichgemacht, sondern auf dieses herabgezogen: „was Vielem gleich ist, ist dem Niedrigsten unter diesem gleich“ (GA 5,
186f.). Was qualitätslos ist, habe keinen Charakter.
„Charakterlosigkeit“ sei auch die durch die Geldwirtschaft bewirkte Eigenschaft des
modernen Individuums. „So ist es der von allen spezifischen Inhalten gelöste und in
reiner Quantität bestehende Charakter des Geldes, der ihm und den nur nach ihm
gravitierenden Menschen die Färbung der Charakterlosigkeit einträgt“ (GA 6, 273).
Geld präge bestimmte Charaktereigenschaften. Es „verleitet durch seinen ganz objectiven und indifferenten Charakter [...] leicht zu einer gewissen Laxheit und Unbedenklichkeit des Handelns“ (GA 5, 193). Moralische Bedenken schwinden,
„Hemmungsvorstellungen [...] sind Sentimentalitäten, die mit der wachsenden Indifferenz des Geldes [...] ihre Bedeutung ganz einbüßen“ (GA 6, 609).
Geld bestimme das Verhältnis des Menschen zu den Dingen und seinen Umgang
mit ihnen. Es helfe, „den Inhalten des Lebens ihre Form und Ordnung“ zu bestimmen (ebd., 696). Es sei die abstrakteste Form des Genusses von Dingen, ein reines
Können gegenüber den Dingen ohne Realisierbarkeit. Durch Geld könne man alles
haben, aber nicht das Ding selber. Aus der beherrschenden Stellung des Geldes im
modernen Leben leitet Simmel verschiedene Verhaltensweisen der Menschen ab.
Geiz und Verschwendung seien zwei Seiten einer Medaille; bei beiden finde der
Genuss keinen Abschluss an einem bestimmten Objekt (vgl. ebd., 313ff.). Auch der
Sammler und der Hamsterer gestalteten ihr Verhältnis zu den Dingen nach dem
Muster des Geldes: sie genössen das reine Haben der Dinge, aber nicht die Dinge
selbst (vgl. ebd., 310). Schließlich werde der bloße Kauf zum Genuss: genossen werde die über das Geld hergestellte Verbindung zwischen Ding und Person, nicht aber
das Ding selbst (vgl. ebd., 439f.). Zynismus resultiere aus der vom Geld vorgenommenen Nivellierung der Wertunterschiede (vgl. ebd., 333f.), Blasiertheit aus der völligen Gleichgültigkeit (vgl. ebd., 334f.).
Geld bringe den Menschen kein Glück, auch wenn sie ihr Leben nach ihm ausrichten. Weil es zu einem „Endzwecke“ geworden sei, weil „die Mehrzahl der modernen Menschen den größeren Theil ihres Lebens hindurch den Gewinn von Geld als
nächstes Strebeziel vor Augen haben muß, entsteht die Vorstellung, daß alles Glück
und alle definitive Befriedigung des Lebens mit dem Besitze einer gewissen Summe
Geldes solidarisch verbunden wäre“ (GA 5, 188). Geld könne aber nicht Endzweck
sein, sondern nur Mittel. Ein Endzweck, auf den das Leben ausgerichtet sein kann,
sei verloren gegangen, indem mit dem Geld ein Mittel als Endzweck sich gesetzt
habe und als Endzweck verwechselt worden sei. Geld gebe die Möglichkeit zu
Glück, denn „es giebt die Möglichkeit, gleichsam mit einem Schlage zu gewinnen,
was überhaupt begehrenswerth erscheint.“ Es nähere ans Glück an und steigere dadurch die Sehnsucht nach ihm ins Enorme, könne die Sehnsucht aber nicht erfüllen
(vgl. GA 5, 190). Es bewirke „ein Gefühl von Spannung, Erwartung, ungelöstem
Drängen – als sollte die Hauptsache erst kommen, das Definitive, der eigentliche
Sinn und Zentralpunkt des Lebens und der Dinge“ (GA 6, 669f.). Je mehr der
Mensch sich aber ans Geld hängt, desto mehr sei er „gleichsam aus sich selbst entfernt, zwischen ihn und sein Eigentlichstes, Wesentlichstes, hat sich eine Unübersteiglichkeit von Mittelbarkeiten, technischen Errungenschaften, Fähigkeiten, Genießbarkeiten geschoben“ (ebd., 674). Das Geld erhöhe diese Unsicherheit noch, in-
6
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
dem es das „Tempo des Lebens“ (ebd., 696) steigere und allgemein alles beweglich
mache und beschleunige (vgl. ebd., 709ff.).
I.2.) Geld wird begrifflich eingeholt. Kritik. Marx
Eine ähnliche Diagnose einer geldbestimmten Gesellschaft findet sich auch in einigen Manuskripten der Frühschriften von Karl Marx. Bevor wir auf sie eingehen, seien einige Bemerkungen über den methodologischen Status von Marx’ theoretischen
Schriften vorangestellt, über die einige Missverständnisse vorherrschen.
Entgegen der Meinung sozialistischer wie nicht-sozialistischer Lehrbücher war
Marx nicht der ‚Begründer des Marxismus’, d.h. eines theoretischen Corpus, der
Aussagen über den angeblich notwendigen Verlauf der Geschichte im allgemeinen,
der Abfolge von Gesellschaftsformen im besonderen machte und dem Kapitalismus
ein eigenes, alternatives Wirtschaftssystem namens „Kommunismus“ entgegenstellte.8 Er hat, in eigenen Worten, „niemals ein ‚sozialistisches System’ aufgestellt“
(MEW 19, 357). Der Untertitel des Kapital lautet „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ (m.Hv.). Dieser Untertitel und seine systematische Bedeutung werden gerne
übersehen. „Politische Ökonomie“, das meint den Corpus von nationalökonomischen Theorien, die bis zu Marx’ Zeiten veröffentlicht wurden. Marx ging es also
um eine Kritik hiervon.9
Politische Ökonomie ist der Versuch, die (sich konstituierende) bürgerliche Gesellschaft zu verstehen und in ein allgemeines, umfassendes System zu bringen. Politiker, wirtschaftliche und politische Berater, Philosophen, später Soziologen, verständigten sich über ihren Aufgabenbereich. Es ist ihr Versuch, Gesellschaft zu fassen,
d.h. sowohl zu verstehen wie auch zu handhaben, d.h. in ihrem Sinne zu beeinflussen
und zu gestalten. Diese „Gesamtheit“ der „materiellen Lebensverhältnisse“, die Hegel, so Marx, „nach dem Vorgang der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts unter dem Namen ‚bürgerliche Gesellschaft’ zusammenfaßt“, wollte auch
Marx verstehen. Die „Anatomie“ dieser bürgerlichen Gesellschaft sei in der politischen Ökonomie zu suchen (MEW 13, 8); deswegen beschäftigt er sich mit ihr.
Seit der Entstehung kapitalistischer Gesellschaften, also seit der „Entbettung“ des
Marktes, seit dem Übergang von der vorbürgerlichen Ökonomie der europäischen
Antike und des Mittelalters zur bürgerlichen Ökonomie10 versucht die politische
Ökonomie zu verstehen, wie Wert entsteht, was Wert ist, wo er herkommt, wie mehr
Wert entsteht, welche Rolle Geld spielt, was Kapital ist. Die Geschichte der politischen Ökonomie wird in Phasen eingeteilt:
• Francois Quesnay (1694-1774) gilt als Vater der Physiokraten.11 Er erstellte das
„tableau économique“, ein Schaubild sich wechselseitig beeinflussender ökonomischer Faktoren.
8
Vgl. ebenso bei bspw. WYGODSKI 1967 und ROSENTAL 1973, wie bei GIDDENS 1995, 662f., 749f., JOAS 2001,
29f., KORTE/SCHÄFERS 1995, 137ff., KORTE 1995, 43ff.
9
Am mangelnden Verständnis des Marxschen Werkes und dem Repetieren der selben Stereotypen krankt der
Großteil der Literatur. Darstellungen des Marxschen Werkes, die darüber hinausgehen und v.a. sich eingehend
mit der Kritik der politischen Ökonomie beschäftigt haben, sind selten. Das Niveau einer Gesamtdarstellung des
Werkes setzt ARNDT 1985, zu einer Gesamtdarstellung der Kritik der politischen Ökonomie vgl. BRENTEL 1989,
HEINRICH 1999 a und KUHNE 1995, zu einigen Aspekten RAKOWITZ 2000, BEHRENS 1993 b und die Arbeiten von
Hans-Georg Backhaus; zu Revolutionstheorie und Geschichtsphilosophie vgl. HEINRICH 1997, KÖNIG 1981, Drittes Kapitel, SIEFERLE 1979.
10
Vgl. POLANYI 1997, Zweiter Teil und STAPELFELDT 1998, 73-129.
11
Vgl. STAPELFELDT 2001, 451-540.
7
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
•
Zur Klassik zählten in England William Petty (1623-87), Adam Smith (1723-90)
und David Ricardo (1772-1823), in Frankreich Pierre Le Pésant de Boisguillebert
(1646-1714) Jean-Baptiste Say (1767-1823) und Jean-Charles-Léonard Simonde de
Sismondi (1773-1842).12
Auch Marx wird im allgemeinen der Klassik zugerechnet. Marx selber unterscheidet
in klassische politische Ökonomie, „die in England mit William Petty, in Frankreich
mit Boisguillebert beginnt, in England mit Ricardo, in Frankreich mit Sismondi abschließt“ (MEW 13, 37), und Vulgärökonomie. Unter ersterer versteht er „alle Ökonomie seit W. Petty, die den inneren Zusammenhang der bürgerlichen Produktionsverhältnisse erforscht im Gegensatz zur Vulgärökonomie, die sich nur innerhalb
des scheinbaren Zusammenhangs herumtreibt“ (MEW 23, 95, Fn 32). Im Gegensatz
zur Physiokratie, die Wert und Wertschöpfung i.w. aus dem Boden erklärte, konstituierten diese sich laut der Klassik aus Arbeit. Beide versuchten, eine objektive
Werttheorie zu formulieren und sich Rechenschaft darüber zu geben, wie ihre wissenschaftlichen Objekte sich überhaupt konstituieren. „Die Vulgärökonomie“ dagegen „tut in der Tat nichts, als die Vorstellungen der in den bürgerlichen Produktionsverhältnissen befangenen Agenten dieser Produktion doktrinär zu verdolmetschen, zu systematisieren und zu apologetisieren“ (MEW 25, 825).
• Zur „Vulgärökonomie“ zählt Marx sowohl diverse Sozialisten, englische wie
Robert Owen (1771-1858) und französische wie Pierre-Joseph Proudhon (180965) oder Alfred Darimon (1819-1902) und verschiedene bürgerliche Theoretiker,
die die Ideen der Klassiker über den Zusammenhang von Arbeit und Wert modifizierten, wie Benjamin Franklin (1706-90), James und John Stuart Mill (17731836 resp. 1806-73), Nassau William Senior (1790-1864) oder Johann Karl Rodbertus (1805-75), wie aber auch Samuel Bailey (1791-1870), den „einige Ökonomen des 20. Jahrhunderts als eine bemerkenswerte Vorwegnahme moderner
Auffassungen gelobt“ haben (DOBB 1977, 113), weil er als erster eine subjektive
Werttheorie formulierte.
Eine regelrechte subjektive Wertlehre wurde erst später von der „Grenznutzenschule“, d.h. von Carl Menger (1840-1921), Marie Esprit Léon de Walras (1834-1910)
und William Stanley Jevons (1835-82) begründet.13 Hier setzt man sich bewusst von
einer objektiven Werttheorie ab. Die Preise der Waren werden laut ihr aus den subjektiven Schätzungen und Vergleichen der Marktteilnehmer gebildet. Subjektive
Wertlehre ist i.w. Preislehre, d.h. sie setzt Wert als Preis bereits voraus und bemüht
sich nur noch um Erklärungen für dessen Bewegungs- und Wandlungsformen.
Die Entwicklung der politischen Ökonomie folgte der anderer Wissenschaften:
Ausdifferenzierung eigener Wissens- und Objektgebiete, Orientierung am naturwissenschaftlichen Ideal und Mathematisierung, Distanzierung von Geisteswissenschaften und von Rudimenten vor-wissenschaftlicher Metaphysik in den eigenen
historischen Wurzeln. Die objektive Werttheorie wurde bereits von Bailey der Metaphysik geziehen. Die Grenznutzenschule erklärt sie für unmöglich und die Versuche zu ihrer Begründung für wissenschaftlich unseriös.
Diese verschiedenen theoretischen Schulen studierte Marx. Seine Auseinandersetzung mit ihnen macht einen Großteil seines Werkes aus. Die Kritik fasste er in Form
einer eigenen Darstellung zusammen. „Die Arbeit, um die es sich zunächst handelt,
ist Kritik der ökonomischen Kategorien oder, if you like, das System der bürgerlichen
12
Zu Petty vgl. HOFMANN 1971, 30-37, STAPELFELDT 2001, 256-280, zu Smith vgl. HOFMANN 1971, 39-54,
BRENTEL 1989, 31-71, DOBB 1977, 47-75, zu Ricardo vgl. HOFMANN 1971, 54-80, BRENTEL 1989, 71-102, DOBB
1977, 76-109, REICHELT 1975, zu Boisguillebert vgl. STAPELFELDT 2001, 454-487.
13
Vgl. HOFMANN 1971, 129-208, DOBB 1977, 185-230.
8
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Ökonomie kritisch dargestellt. Es ist zugleich Darstellung des Systems und durch
die Darstellung Kritik desselben.“14 Marx’ Kritik der politischen Ökonomie ist gleichzeitig auch Kritik der Wirklichkeit, die die Nationalökonomie auf den Begriff zu bringen versucht und die sich durch sie mitteilt. Aber er nimmt nicht einen „Standpunkt“ außerhalb ein, von dem aus er das System durchschauen und aushebeln
kann, wie die Orthodoxie meint.15 Explizite Aussagen über seine „dialektische Methode“16, über sein Verfahren der Kritik, finden sich bei Marx, von einigen Seiten in
der Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie (MEW 42, 34-42) abgesehen, nicht.
Sie, implizit in seinen Arbeiten vorhanden, wäre nicht aus diesen nachzuerzählen,
sondern an ihnen nachzuvollziehen.17
Marx kritisiert die Kategorien der politischen Ökonomie, die begrifflichen Formen,
die sie das Kapitalverhältnis annehmen lässt und in denen verschwiegene wie unbewusste Voraussetzungen und ideologische Annahmen stecken.18 Marx’ Verfahren
ist das bestimmter Negation, immanenter Kritik, die von den Voraussetzungen des
kritisierten Gegenstandes ausgeht und dessen Konsequenzen wie innere Widersprüche und Inkonsistenzen aufzeigt, sowie die Gründe dafür. „Wir sind ausgegangen von den Voraussetzungen der Nationalökonomie. Wir haben ihre Sprache und
ihre Gesetze akzeptiert“ (MEW EB 1, 510). Von hier aus zeigt Marx zum einen, wie
die von ihr selbst postulierten Gesetze – gegen die Intentionen ihrer Autoren – gesellschaftliches Elend nach sich ziehen; zum anderen ihre unreflektierten theoretischen Setzungen. Weil sie Gesellschaft nur als bürgerliche Gesellschaft kenne, produziere sie zur Erklärung gleich eine Anthropologie mit. Der Mensch unterm Kapitalverhältnis sei ihr das Gattungswesen schlechthin.19 Indem sie „die entfremdete
Form des geselligen Verkehrs als die wesentliche und ursprüngliche und der menschlichen Bestimmung entsprechende fixiert“ (ebd., 451), sei sie geschichtslos. Zwar
greife sie auf frühere Zustände zum Zwecke der Veranschaulichung und zur Begründung zurück, aber dabei versetze sie sich „in einen nur erdichteten Urzustand.“
Der Nationalökonom schiebe die zu klärende Frage „in eine graue, nebelhafte Ferne. Er unterstelle in der Form der Tatsache, des Ereignisses, was er deduzieren soll“
(ebd., 511). Damit werde das Kapitalverhältnis verewigt und naturalisiert. Was vorher war,
die Institutionen des Feudalismus, sind [nach Ansicht der bürgerlichen Nationalökonomie] künstliche Institutionen, die der Bourgeoisie natürliche. [...] Somit sind
diese Verhältnisse selbst von dem Einfluß der Zeit unabhängige Naturgesetze. Es
sind ewige Gesetze, welche stets die Gesellschaft zu regieren haben. Somit hat es
eine Geschichte gegeben, aber es gibt keine mehr (MEW 4, 139).
Die Nationalökonomen klaubten die Empirie auf, aber durchdrängen nicht deren
Konstitution und Vermittlung. Sie „erklären uns, wie man unter den obigen Verhältnissen produziert; was sie uns aber nicht erklären, ist, wie diese Verhältnisse
selbst produziert werden, d.h. die historische Bewegung, die sie ins Leben ruft“
(ebd., 126). Sie kennen immer „bloß die Endresultate, ohne den Prozeß, der sie ver-
14
Brief Marx an Ferdinand Lassalle, 22.02.1858, MEW 29, 550. Das Verhältnis von Theorie, Kritik und Wirklichkeit und deren Konstitution ist hier nicht Thema; Ansätze dazu bei BACKHAUS 2000.
15
Vgl. bspw. typisch bei W.F. HAUG 1973 a, vgl. dazu HEINRICH 1999 a, 371-392.
16
Brief Marx an Ludwig Kugelmann, 27.06.1870, MEW 32, 686.
17
Dieser Problemstand wurde bereits 1968 konstatiert, vgl. A. SCHMIDT 1974 und dazu das Korreferat von Oskar
Negt, in EUCHNER/SCHMIDT 1974, 43-57.
18
Hierzu vgl. v.a. BRENTEL 1989, Kapitel VI und VII, sowie BACKHAUS 1997 j, KUHNE 1998, BENSCH 1996.
19
Egoismus (vgl. MEW EB 1, 558) und der Hang zu Tausch und Handel (vgl. MEW EB 1, 451) werden zur anthropologischen Eigenart. Sie kenne Arbeit nur als „Erwerbstätigkeit“ (MEW EB 1, 477), den Menschen nur als
modernen Lohnarbeiter (vgl. MEW EB 1, 523), den Arbeiter nur als „Arbeitstier“ (MEW EB 1, 478).
9
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
mittelt“ (MEW 42, 128). In diesen Formen bewegten sich „die wissenschaftlichen
Repräsentanten der bürgerlichen Produktion“ (MEW 4, 141) bewusstlos.
I.2.1.) frühe Manuskripte
Wir gehen chronologisch durch die Schriften aus Marx’ Werk, die für diese Arbeit
von Belang sind. Dies hat zum einen den Vorteil, die unübersichtliche Textgrundlage besser präsentieren und entzerren zu können. Zum anderen werden nicht verschiedene Entwicklungsstufen des Marxschen Werks durcheinander geworfen.20
Nach eigener Auskunft sei Marx 1842/43 als Redakteur der Rheinischen Zeitung „zuerst in die Verlegenheit [gekommen], über sogenannte materielle Interessen mitsprechen zu müssen“ (MEW 13, 7). Er beschäftigte sich zunächst mit Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts. Anfang 1844 begann Marx seine systematischen Studien der politischen Ökonomie, angeregt durch die Schrift Friedrich Engels’, Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie.21 Von April bis Juni 1844 entstanden die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus dem Jahre 1844 22, die erst 1932 veröffentlicht
wurden. Diese „erste Frucht der ökonomischen Studien“ (TUCHSCHEERER 1968, 154)
ist noch keine geschlossene Darstellung, sie diente der Selbstverständigung. Marx
behandelt den Klassenkonflikt, die Produktion von Mehrwert, die historische Entwicklung der Eigentumsverhältnisse und die mit ihnen verbundenen ökonomischen
Kategorien. Er bemüht sich um eine Beschreibung der Bewegungsgesetze des Kapitalverhältnisses und ihrer Faktoren, wie die Konkurrenz, das Verhältnis von Ange20
Die Debatte um die Einteilung des Marxschen Werks ist ein fester Bestandteil des marxistischen Diskurses.
Der frühere Hausphilosoph der französischen Kommunistischen Partei, Louis Althusser (vgl. BREUER 1985 c),
periodisiert das Marxsche Werk in ein ‚philosophisches’ und i.e. für ihn ‚ideologisches’ Frühwerk und ein ‚wissenschaftliches’, anti-spekulatives und empirisch abgesichertes Spätwerk. Den Schnitt setzt er mit der Deutschen
Ideologie an (vgl. 1968, 43-51 und 1973, 1-64, ähnlich HEINRICH 1999 a, 86-157). Ein weiterer Theoretiker der
französischen KP, Roger Garaudy, spricht von der Entwicklung „von einem noch ‚philosophischen’, noch ‚spekulativen’ Kommunismus zu einer wissenschaftlich historischen Theorie“ (1969, 53). Unter umgekehrten Vorzeichen lehnt auch Helmut König das Frühwerk ab. Bis in die 1850er Jahre dauere der „vorkritische Marx“, bis
er, durch die Erfahrungen der gescheiterten Revolutionen enttäuscht und desillusioniert, sich intensiveren ökonomischen Studien wieder zuwandte, die „Philosophie der Arbeit“ sowie eine deterministische Revolutionstheorie ließ und zum „kritischen Marx“ wurde (vgl. 1981, 117-165). Hans-Jürgen Krahl, ein Schüler Adornos und einer der wenigen Theoretiker der 1968er Revolte, sieht dies ähnlich, dehnt diese Phase aber bis 1871 aus (vgl.
1971 b, 390f.). Eine ebensolche Periodisierung, aber eine genau entgegengesetzte Bewertung, d.h. ein affirmativer Bezug auf den ‚humanistischen Marx’ und eine Ablehnung des ‚ökonomistischen Marx’ findet sich v.a. bei
der von theologischer Seite aus erfolgten Beschäftigung mit Marx in den 1950er-60er Jahren (vgl. die Literaturübersicht bei HABERMAS 1972, 280 und 397ff.). Hier wird das bei Marx vorhandene oder nicht vorhandene anthropologische und ontologische Fundament der Frühschriften affirmiert, welches von den o.g. Autoren – zurecht
– scharf kritisiert wird. Die Debatte ist variantenreich. Laut Hans-Georg Backhaus, auch ein Adorno-Schüler, stehe bspw. in den Manuskripten im Grunde dasselbe wie im Kapital, nur in anderer Terminologie; mit „Geld“ sei
schon „Kapital“ gemeint, die Theorie der Entfremdung sei schon eine Theorie der Verdinglichung (1997 i). Auch
sein Weggenosse Helmut Reichelt sieht keinen systematischen Bruch im Marxschen Werk, nur sei das Spätwerk
lediglich eine Teilausführung des im Frühwerk umrissenen Programms, die „bürgerliche Gesellschaft in ihren
verschiedenen Stufen als Grundlage der ganzen Geschichte aufzufassen und sie sowohl in ihrer Aktion als Staat
darzustellen, wie die sämtlichen verschiedenen theoretischen Erzeugnisse und Formen des Bewußtseins [...] aus
ihr zu erklären“ (MEW 3, 37f.) (vgl. REICHELT 1973, 73f). Stefan Breuer (1977) periodisiert nicht das Marxsche
Werk, sondern zerteilt es, inhaltlich wie König, systematisch in einen „exoterischen“ und einen „esoterischen
Marx“. Beide fänden sich sowohl im Früh- wie im Spätwerk. Der exoterische sei der, der dem Marxismus und
dem Marxismus-Leninismus vorgearbeitet habe, also der bekanntere, der dementsprechend vom bürgerlichen Lager und von Ex-Marxisten immer wieder vorgeführt und bekämpft wird. Der esoterische sei der unbekannte der
Werttheorie und Wertkritik als einer Theorie der „negativen Vergesellschaftung“, der Wertvergesellschaftung,
der Synthesis einer konstitutiv gespaltenen Gesellschaft durch den Wert, die sich im Zuge ihrer historischen Ausbildung und Fortentwicklung die Gesellschaft subsumiere und nach seinen Bedürfnissen umgestalte. Der esoterische Marx finde in Adorno seinen besten Nachfolger.
21
Geschrieben Ende 1843 bis Januar 1844, in MEW 1, 499-524; vgl. TUCHSCHEERER 1968, 109.
22
Vgl. ebd., 154.
10
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
bot & Nachfrage, von Armut & Reichtum und die Entstehung von Krisen. Außerdem gibt es ein eigenes Kapitel zum Geld. In diesen Zusammenhang gehören auch
Marx’ Exzerpte aus James Mills Elements of political economy (1821).23 Beide Manuskripte werden hier zusammen behandelt.
Geld wird zunächst über die Benennung seiner gesellschaftlichen Rolle bestimmt: es
sei der „allgemeine Kuppler der Menschen und Völker“ (MEW EB 1, 565), der
„Vermittler des Austausches“ (ebd., 445). Indem es „der offizielle sinnfällige Ausdruck der Geldseele, die in allen Gliedern der Produktionen und Bewegungen der
bürgerlichen Gesellschaft steckt“ (ebd., 447) sei, stelle es etwas Gemeinsames der
verschiedenen Dinge dar. Es vermittele nicht nur den Austausch, es sei selbst die
Vermittlung, ein Ding gewordener Vorgang, eine Ding gewordene Eigenschaft.
„Die vermittelnde Tätigkeit oder Bewegung, der menschliche, gesellschaftliche Akt“
werde „die Eigenschaft eines materiellen Dings außer den Menschen.“ Geld vermittele nicht nur Dinge mit Dingen, sondern generiere auch gesellschaftliche Macht. Dieser Mittler werde „zum wirklichen Gott [...], denn der Mittler ist wirkliche Macht über
das, womit er mich vermittelt“ (ebd., 446). Die „Allmacht seines Wesens“ bestehe
nicht nur in seiner Eigenschaft, alles kaufen zu können, sondern in der „Universalität seiner Eigenschaft“ (ebd., 563). Shakespeares Timon von Athen zitierend bezeichnet
er Geld als „sichtbare Gottheit” (ebd., 564f.).
Dem Geldwesen sei „Verkehrung“ eigentümlich. Indem Geld den Menschen Möglichkeiten eröffne, die sie von sich aus nicht haben, betreibe es „die Verwandlung aller menschlichen und natürlichen Eigenschaften in ihr Gegenteil, die allgemeine
Verwechslung und Verkehrung der Dinge; es verbrüdert Unmöglichkeiten“ (ebd.,
565). Marx beschreibt das Verhältnis, in das die Menschen vom Kapital gesetzt werden: sie würden Geld gleichgemacht, an Geld gemessen, auf Geld reduziert. „Du
mußt alles, was dein ist, feil, d.h. nützlich machen“ (ebd., 550), und dies meint nicht
nur Hab & Gut, sondern ebenso die Fähigkeiten und Eigenschaften eines Individuums. Im Frühwerk ist der Begriff der „Entfremdung“ zentral. Damit ist (1) Verselbständigung gemeint. Eine Beziehung, eine Tätigkeit zwischen Menschen, die
Vermittlung, habe sich verselbständigt, entfremdet, sei aus der intersubjektiven Beziehung herausgewachsen und zu einem Gegenstand geworden. Diese Verselbständigung gehe weiter, indem ein Mittel Macht bekomme gegenüber denen, die es hervorbrachten und benutzen, „d.h. unser eignes Produkt hat sich auf die Hinterfüße
gegen uns gestellt, es schien unser Eigentum, in Wahrheit aber sind wir sein Eigentum“ (ebd., 461). Das Geld aber sei nur ein Moment einer gesamtgesellschaftlichen
Verselbständigung. „Die ganze Herrschaft der totgeschlagnen Materie über die
Menschen“ bestehe ebenso in den gesellschaftlichen Gesetzen der Konkurrenz etc.,
die ihre Herrschaft „sowohl über die Arbeiterklasse als über die Eigentümer selbst“
(ebd., 507) zeigten. (2) meint Entfremdung das, was meistens darunter verstanden
wird: die des Arbeiters im Produktionsprozess, wenn der Mensch seiner „unmittelbaren Erwerbsarbeit“ (ebd., 454) nachgeht: (a) Entfremdung des Arbeiters von seinem Produkt, weil es nicht mehr ihm gehöre; (b) Entfremdung von seiner Tätigkeit,
weil sie ihm als Zwang gegenüber trete; (c) Entfremdung vom Gattungsleben, weil
es Mittel zum Zweck des individuellen Lebens werde; (d) Entfremdung vom Menschen, indem der entfremdete Mensch jeden Menschen wie sich selbst betrachte und
behandele (vgl. ebd., 512-518).
Es ist unwahrscheinlich, dass Marx seiner Kritik an der Verkehrung und Entfremdung tatsächlich ein positiv anthropologisches oder ontologisches Bild vom Men23
Geschrieben im ersten Halbjahr 1844, in MEW EB 1, 443-464.
11
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
schen an sich und wie er sein sollte, zugrunde legt, wie es Althusser et al. unterstellen. Es kann zum einen aber, mit Marx und ohne unkritisch zu sein, festgehalten
werden, dass das Geldwesen eine Umformung und Verkehrung früherer gesellschaftlicher Verhältnisse mit sich brachte. Zum anderen bezeichnet „Gattungswesen“, „Wesen des Menschen“ u.ä. bei Marx keine anthropologische Konstante. Das
„wirkliche[.], bewußte[.] und wahre[.] Dasein“ der „Gattungstätigkeit“ und des
„Gattungsgeist[es]“ ist bei Marx die „gesellschaftliche Tätigkeit“ und die ist variabel, historisch und gesellschaftlich spezifisch. Wenn Menschen als Menschen leben,
d.h. in Gesellschaft und sich somit aufeinander beziehen, dann gibt es zwar immer
Gattungstätigkeit, aber unausgemacht bleibt, was für eine. Unterm Kapital ist das,
was die Betätigung der Gattung ausmacht, „=“ „der Austausch“ (ebd., 450f.). Kritik
von „Entfremdung“ ist bei Marx immer in eine Kritik an einem gesamtgesellschaftlichen Verhältnis eingebunden. Wie dieses Verhältnis genau aussieht, wie der Zusammenhang von Geld, Tausch, entfremdeter Arbeit etc., das bleibt in den Manuskripten noch unbestimmt. Einige Charakteristika dieser Gesellschaftsform lassen
sich aber schon zusammenstellen: es werde nicht wegen Bedarf, sondern wegen
Umsetzung des Werts produziert (ebd., 454), ihr „einzige[s] Motiv [...] ist der Gesichtspunkt [des] Profits“ (ebd., 487). Weil Produktion hier „keine gesellschaftliche
Produktion“, sei sie „keine Produktion des Menschen für den Menschen als Menschen“ (ebd., 459). Die gesellschaftliche Organisation zeichne sich also durch
„Gleichgültigkeit gegen die Menschen“ (ebd., 497) aus.
I.2.2.) Kritik der kleinbürgerlichen Geldkritik
Je weiter man sich in das Spätwerk begibt, desto dringlicher wird der notwendige
Zusammenhang von Geld, bürgerlicher Gesellschaft und Entfremdung gefasst. Vom
bloßen Postulat eines solchen Zusammenhangs, von einer Beschreibung sozialer wie
individueller Verelendung gelangt man mehr und mehr zu einer Analyse ihrer Ursachen. Folgen wir chronologisch weiter diesem Weg.
Ende August bis November 1844 verfassten Marx und Engels Die heilige Familie oder
Kritik der kritischen Kritik. Gegen Bruno Bauer und Konsorten (MEW 2, 3-224), und Anfang September 1845 bis Mai 1846 Die deutsche Ideologie. Kritik der neuesten deutschen
Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen
Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten (MEW 3, 9-530)24, beides polemische, erledigende Auseinandersetzungen mit dem Linkshegelianismus, ehemaligen Lehrern, Mitstreitern und Wegbegleitern. In Kapitel „III. Sankt Max“ der Deutschen Ideologie, zu Max Stirner (101-429), finden sich verstreute Bemerkungen zum Geld, die
die Richtung von Marx’ späterer Geld-Kritik präzisieren.
Zwar bestimme Stirner Geld richtig als „das allgemein gangbare und kursierende
Tauschmittel“, das „alles Eigentum im Fluß erhält“ (ebd., 380), bleibe ihm aber ahnungslos gegenüber. Zum einen sei sein Gegenprogramm zum Geld, seinen „‚Unglauben’ an die ‚Wahrheit des Geldes’ zu Protokoll zu geben“ (ebd., 184) und sich
von ihm abzuwenden (vgl. ebd., 362f.), naiv. Stirner erwecke die Vorstellung, „als
sei die Stellung der Individuen gegenüber der Geldmacht eine rein vom persönlichen Wollen oder Laufen abhängige Sache“ (ebd., 381). Damit verkenne er die
„sachliche Macht des Geldes“, die „Verselbständigung des allgemeinen Tauschmittels, sowohl der Gesellschaft wie den Einzelnen gegenüber.“ Diese sei ein Aspekt
der „Verselbständigung der Produktions- und Verkehrsverhältnisse überhaupt“, die
24
Vgl. TUCHSCHEERER 1968, 218ff. und 231f.
12
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
in der Krise hervortrete. Zum anderen bleibe Stirner „in der bürgerlichen Anschauungsweise befangen“, indem er vom Geld zwar lassen, aber dann nur ein anderes
Tauschmittel einführen möchte, welches nicht die verheerenden Folgen des Geldes
mit sich bringen solle. Damit aber „kommen auch die ökonomischen Bestimmungen
herein, die Sancho [i.e. Stirner] nicht kennt, die aber gerade das Geld konstituieren.“
Marx spricht von einem „Zusammenhange der Geldverhältnisse mit der allgemeinen Produktion und dem Verkehr“ (ebd., 380); Geld sei ein „notwendiges Produkt
gewisser Produktons- und Verkehrsverhältnisse“ und bleibe bestehen, „solange diese Verhältnisse existieren“ (ebd., 184), aber worin genau dieser notwendige Zusammenhang besteht, das führt er nicht aus.
Mehr dazu findet sich in Marx’ Kritik an einem anderen Vertreter des Anarchismus,
Pierre-Joseph Proudhon. Gilt Stirner mit seiner Schrift Der Einzige und sein Eigentum
(1844) als Begründer des sog. „Individualanarchismus“25, so Proudhon als ein „Vorkämpfer“26 und „Vater des Anarchismus“27 überhaupt. Marx’ und Engels’ Kritik an
den späteren Vätern des Anarchismus28 wird von Anarchisten seit Jahrzehnten als
Beispiel für den ‚Autoritarismus’ und ‚Liquidierungswillen’ Marx’ und Engels’ angeführt.29 Der Inhalt, die Bedeutung und Berechtigung ihrer Kritik, v.a. aber die
Richtung dieser: zu zeigen, dass als ‚freiheitlich’, ‚anarchistisch’, ‚libertär’ und ‚antikapitalistisch’ präsentierte Theorien unfreie Konsequenzen zeitigen, bleibt dabei
unbeleuchtet und wird abgewehrt.
Die Vertreter dieser Kritik werden als „kleinbürgerlich“ bezeichnet. Dies ist sowohl
eine klassentheoretische wie eine ideologische Bestimmung. Klassentheoretisch
wird das Kleinbürgertum zwischen Bourgoisie und Proletariat verortet.30 Durch einen kleinen Kapitalbesitz habe es Anteil an der Bourgeoisie, durch die „Unsicherheit seiner Existenz“ Anteil am Proletariat. Weil bei ihm „der Bankerott [...] eine Institution geworden“ sei (MEW 16, 67), sei es ständig vom Absturz in eine tiefere gesellschaftliche Stellung bedroht (vgl. MEW 4, 484). Aus der Zerrissenheit seiner
klassenmäßigen Stellung erkläre sich seine Ideologie (vgl. MEW 16, 67f.). Es sei „reaktionär und utopistisch zugleich“ (MEW 4, 485), es agitiere gegen die Bourgeoisie
und ihre gesellschaftliche Ordnung, propagiere gegen diese jedoch eine verklärte
Vergangenheit ständischer Ordnung. Sein Kampf gegen die Bourgeoisie diene nur
der Bewahrung seiner Existenz als Mittelstand (vgl. ebd., 472 und 484). Entsprechend inkohärent und inkonsequent sei seine Gesellschaftskritik. Wo es sich für den
Kommunismus erwärmt, da gelte ihm dieser „nicht als ‚Zerstörung’, sondern als
‚Erfüllung’ der bestehenden schlechten Verhältnisse und der Illusionen, die sich die
Bourgeois darüber machen“ (ebd., 7), was „ganz konsequent mit der Selbstschändung
des Menschen endigt“ (ebd., 12).
25
Zeit seines Lebens wurde Stirner nicht als Anarchist rezipiert. Seine Zeit, v.a. seine bis in die Gegenwart
reichende Popularität als Begründer eines „breiten, echten Individualismus“ (NETTLAU 1972 Band I, 173) begann
erst in den 1890er Jahren. Seine Wirkungsgeschichte in allen Details, beeindruckend in HELMS 1966, 295-490.
26
NETTLAU 1972 Band I, 150.
27
WITTKOP 1989, 47, zu Proudhon 34-49, NETTLAU 1972 Band I, 143-168 und CATTEPOEL 1973, 19-25.
28
Zu Stirner und seiner Bedeutung für den sowie zu seiner Stellung im Anarchismus vgl. die Klassiker zur
Geschichte des Anarchismus WITTKOP 1989, 23-33 und NETTLAU 1972 Band I, 169-179, sowie in aller Kürze
CATTEPOEL 1973, 26-46. Zu Stirner auch HELMS 1966, 20-61, zu seiner Ideologie ebd., 62-236, zu ihrer
Bedeutung ebd. passim sowie immer noch HEß 1845 passim. - Später kommt zu Marx’ und Engels’ Kritik v.a.
Michail Bakunin hinzu, vgl. MEW 7, 417-420, MEW 18, 3-51, 305ff., 327-471 und 476-493.
29
„Nur ein Mann, in welchem die Autorität eine ihrer buntesten und giftigsten Blüten produzierte, fühlte inmitten
dieses philosophisch-politisch-ökonomischen Zuges zur Freiheit hin den herostratischen Trieb, die Freiheit mit all
seinen reichen geistigen Mitteln zu bekämpfen, Karl Marx, der vom Ehrgeiz besessen war, Proudhon zu
vernichten, wie er Stirner zu vernichten unternahm“ (NETTLAU 1972 Band I, 155).
30
Vgl. MEW 4, 484, MEW 16, 67.
13
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Die Auseinandersetzung mit Proudhon ist über einen Zeitraum von über zehn Jahren verstreut:
• Ende 1846 erhielt Marx Proudhons Schrift Système des contradictions économiques,
ou philosophie de la misère (1846).31 In einem Brief vom 28.12.1846 an den russischen liberalen Kritiker und Publizisten Pawel Wassiljewitsch Annenkow (MEW
27, 451-463) umriss Marx eine erste Kritik an Proudhons Ideen.
• Im März 1847 stellte Marx seine ausführliche Proudhon-Kritik, Das Elend der
Philosophie. Antwort auf Proudhons „Philosophie des Elends“ (MEW 4, 63-182),
fertig.
• Im
Juli 1851 wurde Proudhons Idée générale de la revolution au XIXe siècle
veröffentlicht. Dieses Werk ist ein Gegenstand der Korrespondenz Marx’ und
Engels’ im Sommer 1851.32
• Im Sommer 1850, nach seiner Flucht nach London, nahm Marx seine ökonomischen Studien wieder auf.33 Im August 1857 begann Marx die Ausarbeitung der
Grundrisse.34 Hier wird die Kritik an einer Kapitalismus-Kritik à la Proudhon
fortgesetzt, Gegenstand ist hier ebenso die Schrift des Weggenossen, Übersetzers
und Herausgebers Proudhons, Alfred Darimons De la Réforme des Banques (1856).
Proudhon, nach eigenem Verständnis Kritiker der politischen Ökonomie, fällt wie
die bürgerlich-affirmativen Nationalökonomen unter das Urteil unkritischen theoretischen Verfahrens.35 Auch die von Proudhon vorgestellte Kritik am Kapitalverhältnis, in die sich diese theoretischen Fehler hineinverlängern, bietet nichts Neues. Seine Kritik des Geldes vom Standpunkt der Arbeit aus war zehn bis zwanzig Jahre
früher in England en mode gewesen.36 Das Verfahren ist ebenso einfach wie beliebt:
Schuld an Ungerechtigkeit und Ausbeutung sei das Geld. Ausgehend von Ricardos
objektiver Arbeitswerttheorie, wonach der Wert einer Ware sich nach der Menge
der in ihr eingegangenen Arbeitszeit berechne, sollen in Proudhons gerechter Gesellschaft Produkte „im genauen Verhältnis der Arbeitszeit, die sie gekostet haben“
(MEW 4, 91), getauscht werden, ohne Verfälschung dieses angeblich ursprünglichen
Verhältnisses im Zuge des geldvermittelten Tauschs. Proudhon geht es also um „die
egalitäre Anwendung der Ricardoschen Theorie“ (ebd., 98). Weil „das ganze Übel“,
so Darimon, daher komme, „daß man hartnäckig darauf besteht, die Vorherrschaft
der Edelmetalle in Zirkulation und Austausch aufrechtzuerhalten“ (nach MEW 42,
49), die ihnen durch einen Willkürakt eines feudalen politischen Souveräns zugeschanzt worden sei (vgl. MEW 4, 108), bestehe die Lösung des Problems darin, „daß
Gold und Silber Waren würden wie die andren [...]; daß die Produkte sich wahrhaft
gegen Produkte austauschten“ (nach MEW 42, 61). Indem die privilegierte Stellung
der Edelmetalle als Tauschmittel fällt, soll wahrer freier Tausch ermöglicht werden,
31
Vgl. TUCHSCHEERER 1968, 249.
Vgl. SCHRADER 1980, 91f. Der Briefwechsel reicht i.W. vom 31.07. bis zum 20.08.1858 (in MEW 27).
33
Vgl. TUCHSCHEERER 1968, 318f. Für die Zeit von 1850 bis 1857/58 vgl. SCHRADER 1980 passim.
34
Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. (Rohentwurf) 1857-1858. Anhang 1850-1859 erschien
erstmalig 1939 und 1941 im Verlag für fremdsprachige Literatur (Moskau) in zwei Teilen. In der Literatur zu
Marx wird meistens nach der mit selbem Titel bei Dietz (Ost-Berlin) verlegten Ausgabe von 1954 oder der
seitenkonkordanten o.J. in der Europäischen Verlagsanstalt (Frankfurt/M) und Europa-Verlag (Wien) zitiert. Seit
1983 sind die Grundrisse, d.h. der Rohentwurf 1857-1858 ohne den Anhang und ohne den Urtext in MEW 42
ediert. Der Urtext ist inzwischen in MEGA II/2, 17-94 ediert.
35
Bei der Erklärung von Tauschwert setze Proudhon Arbeitsteilung und Tausch bereits voraus, ohne diese selber
zu bestimmen (vgl. MEW 4, 67f.). Er verwickele sich in den Ricardoschen Zirkel, Lohn durch die Arbeitszeit zu
bestimmen, die für die Erzeugung der Unterhaltsmittel des Arbeiters nötig sind (vgl. MEW 4, 82). Wie Ricardo
verwechsele er den Warenwert, bestimmt durch die in ihr eingegange Arbeitsmenge, mit dem Wert der Arbeit,
d.h. dem Lohn (vgl. MEW 4, 86). Zu Proudhon vgl. BRENTEL 1989, Kapitel V und RAKOWITZ 2000, 53-88.
36
Vgl. MEW 4, 98, MEW 13, 40f. und 66 .
32
14
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
in welchem das Ideal wahrer Gleichheit verwirklicht werden könne. Anstelle des
bisherigen freien ungezügelten Geldwesens solle eine „Tauschbank“ treten, bei der
die Produzenten „Arbeitszettel“ für ihre Produkte ausgestellt bekommen, die sie
gegen Produkte von anderen eintauschen können, die sie benötigen.
Diese Art der Geldtheorie und –kritik beinhalte nach Marx einige Fehler. Nicht nur
werde die Rolle des in der Vergangenheit unverantwortlich handelnden Souveräns,
der Edelmetalle als absoluten Wertstandard festlegte, überschätzt,37 auch der angestrebte Gütertausch durch Arbeitszeitrechnung nach dem Vorbild objektiver Werttheorie weise einige Schwierigkeiten auf. Die Arbeitszeit objektiv und in alle anderen Waren konvertibel zu bestimmen, sei, so Marx, „nebenbei gesagt nicht so leicht“
(ebd., 87). Das, was rechnerisch schon nicht zu verifizieren sei, sei darüberhinaus
auch nicht zu fixieren. Ein bereits fertiges Produkt werde durch die Entwicklung
der Produktivkräfte, die unter dem Zwang der Konkurrenz darauf zielen, in weniger Zeit mehr herzustellen, beständig entwertet (vgl. MEW 4, 94f.). Ein bereits vorher ausgestellter Arbeitszettel würde dadurch beständig aufgewertet in dem Maße,
wie die Waren proportional entwertet werden (vgl. MEW 42, 71 und 74). Eine Fixierung der für die Herstellung eines Produktes notwendigen Arbeitszeit, „ein Tausch
gleicher Arbeitsstunden [wäre] nur unter der Bedingung möglich, daß man von
vornherein über die Stundenzahl übereinkommt, welche für die materielle Produktion notwendig ist“ (MEW 4, 104). Um die Konvertibilität nicht nur der gleichzeitig
hergestellten Produkte, sondern auch späterer zu garantieren, „müßte die Produktivität der Arbeitsstunde stationär gehalten werden“ (MEW 42, 70). Dies bedeutete
Planwirtschaft und das Ende des freien Tauschs, den Proudhon beibehalten, resp.
befreien will.
Laut Proudhon gebe es keine Differenz zwischen Geld und anderen Waren. Was
Geld ist, wie es entsteht, wird nicht erklärt, sondern es selbst ebensowie seine
aufgehobene Funktion im Stundenzettel wird immer schon vorausgesetzt. „Die
erste Frage, welche er sich hätte stellen sollen, wäre die, zu erfahren, warum man im
Tauschverkehr, wie er sich heute herausgebildet hat, den Tauschwert sozusagen
individualisieren mußte durch Schaffung eines besonderen Austauschmittels“
(MEW 4, 106f.). Warum Geld? Wenn die Arbeitszeit ohnehin „das immanente Maß
der Werte ist, warum neben ihr ein anderes äußerliches Maß?“ (MEW 13, 67). Wieso
geht man den Umweg übers Geld? Wenn die Produkte sich „nach den Quanten
vergegenständlichter Arbeit, die in ihnen enthalten sind“ austauschen, dann wäre
das Produkt „an sich Tauschwert, wozu der Austausch nur Form hinzufügt, [...]
formelle Form“ (MEW 42, 251), die im Grunde überflüssig ist. Damit wäre Geld aber
– entgegen Proudhons eigener Anschauung – neutral.38
„Die Arbeitszeit als solche zum Geld machen“ sei „Unsinn“ (ebd., 137). Sie „kann
nicht unmittelbar selbst das Geld sein [...], weil sie faktisch stets nur in besondren
Produkten existiert“ (ebd., 100f.), denn sie „selbst existiert als solche nur subjektiv,
nur in der Form der Tätigkeit“ (ebd., 103). Damit ist sie nicht so allgemein, wie sie
sein müsste, um universal konvertibel zu sein. In der bürgerlichen Gesellschaft
werde privat, isoliert-arbeitsteilig produziert. Die Produkte würden ex post aufeinander bezogen. Sie seien noch nicht gesellschaftlich, sie würden es erst. Eine Arbeitsstundenrechnung unterstelle Arbeitszeit aber „als unmittelbar gesellschaftliche“,
37
Marx weist anhand historischer Marktbewegungen nach, „daß es die Souveräne sind, die zu allen Zeiten sich
den wirtschaftlichen Verhältnissen fügen mußten, daß aber niemals sie es gewesen sind, welche ihnen das Gesetz
diktiert haben“ (MEW 4, 109), „daß der Verkehr souveräner ist als der Souverän“ (ebd., 111).
38
Waltraud Schelkle (1995) zeigt, dass die Annahme einer Neutralität des Geldes die Orthodoxie der
Nationalökonomie mit der Häretik, auch in ihren geldkritischen Varianten, eint.
15
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
„als gemeinschaftliche Arbeitszeit oder als Arbeitszeit direkt assoziierter Individuen“ (MEW 13, 67) – was diese im Kapitalismus nicht sind.
Marx führt den notwendigen Zusammenhang von Geld und bürgerlicher Gesellschaft in der Proudhon-Kritik nicht systematisch aus, aber er gibt wichtige Bestimmungen, die wir später einholen werden. „Das Geld ist nicht eine Sache, sondern
ein gesellschaftliches Verhältnis“ und als solches „nur ein einzelnes Glied in der
ganzen Verkettung der ökonomischen Verhältnisse und als solches auf innigste mit
ihr verbunden“ (MEW 4, 107). Es geht also um die Frage: „Macht das bürgerliche
Austauschsystem selbst nicht ein spezifisches Austauschinstrument nötig? Schafft
es nicht notwendig ein besondres Äquivalent für alle Werte?“ (MEW 42, 62). Der
„Austausch, wie er der bürgerlichen Produktionsweise entspricht“ (ebd., 69) sei ein
spezifischer, „weil die gegenwärtige Organisation der Produktion eines allgemeinen
Tauschmittels bedarf“ (MEW 4, 112), „welche selbst wieder dem Klassengegensatz
entspricht“ (ebd., 105). Die Auseinandersetzung mit Proudhon et al. soll die fatalen
Konsequenzen einer Gesellschaftskritik aufzeigen, die keine ist. Die Fragen, die an
sie zu stellen sind, fasst Marx so zusammen: „Können durch Änderung im Zirkulationsinstrument – in der Organisation der Zirkulation – die bestehenden Produktionsverhältnisse und die ihnen entsprechenden Distributionsverhältnisse revolutioniert werden?“ Hat Proudhon also den richtigen Ansatzpunkt gefunden? „Kann eine solche Transformation der Zirkulation vorgenommen werden, ohne die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse anzutasten?“ (MEW 42, 58). Weiß Proudhon,
was er anzurühren hat oder geht er nicht weit genug? Marx warnt vor ‚diesem falschen Bruder des Kommunismus’39, dem „Kleinbürger“ (MEW 4, 144), dem Biedermann, der verändern möchte, indem er „den individuellen Austausch reinigt“
(ebd., 105). Mit ihm könne man „eine Gesellschaft verherrlichen, ohne sie zu verstehen“ (ebd., 93). Diese Kritik verkenne das, was zu kritisieren sie vorgibt und deshalb nicht abschaffen könne, sondern stattdessen ganz im Gegenteil deren Konstituentien in der angeblich befreiten Gesellschaft reproduzieren würde. „Schafft das
Geld ab, und schafft es nicht ab!“ (MEW 42, 63). Es würde „zugleich abgeschafft
und konserviert“ (ebd., 73). Wenn in der Form des „Arbeitsgeldes“ „dem Geld seine
metallene Form entzogen“, aber „die Basis des Tauschwerts beibehalten“ werde,
dann sei dies „bloß ein Angriff auf Konsequenzen, deren Ursachen bestehn bleiben“
(ebd., 166). Im Stundenzettel als Austauschinstrument kehrte das Geld wieder, mit
all den selben Konsequenzen wie bei seinem abgeschafften metallenen Vorgänger.
Er „repräsentierte im Gegensatz zu allen Waren eine ideale Arbeitszeit“, nicht deren
reale und setzte dieses ideale Maß im Vergleich der diversen Waren gegeneinander
durch, d.h. mit Abwertung usf. (ebd., 74). Eine Gesellschaft der „Tauschbank“ wäre
repressiv. Diese Bank wäre, indem sie die Arbeitsstunden aller Produkte aufeinander bezieht, „nicht nur der allgemeine Käufer und Verkäufer: sondern auch der allgemeine Produzent.“ Sie müsste, um Konvertibilität zu gewährleisten, die zu verausgabende Arbeitszeit bestimmen, um den Tauschwert einer Ware zu fixieren und
die Verteilung der aufzuwendenden Arbeit auf die einzelnen Produktionszweige
bestimmen. Damit wäre sie „despotische Regierung der Produktion und Verwalterin der Distribution“ (ebd., 89).40
39
So Marx in einem Brief an Joseph Wedemeyer, 01.02.1859, in MEW 29, 573
Auch Engels erkannte, dass „also Herr Proudhon jetzt auch dahin[kommt], daß der wahre Sinn des Eigentumsrechts in der verkleideten Konfiskation alles Eigentums durch einen mehr oder weniger verkleideten Staat besteht, und daß der wahre Sinn der Abschaffung des Staates die verstärkte Staatszentralisation ist“ (Engels an
Marx, 10.08.1851, MEW 27, 306). Da bleibt vom proklamierten Anti-Etatismus des Anarchismus nicht viel üb40
16
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Proudhon sei nicht nur der Propagandist einer nolens volens repressiven neuen Gesellschaft, sondern auch der Apologet der bestehenden. Was er als noch zu verwirklichen fordert: „die Bestimmung des Wertes durch die Arbeitszeit, d.h. die Formel,
welche Herr Proudhon uns als diejenige hinstellt, welche die Zukunft regenerieren
soll, ist nur der wissenschaftliche Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse der gegenwärtigen Gesellschaft“ (MEW 4, 98). Was Proudhon fordert, werde längst praktiziert, wenn auch Arbeitszeit sich nicht unmittelbar in Geld übersetze, weil „nicht
die in den Produkten inkorporierte Arbeitszeit, sondern die gegenwärtige nötige
Arbeitszeit [..] das Wertbestimmende“ sei (MEW 42, 70). Proudhons „Illusion, als
wenn das Metallgeld den Tausch verfälschte“ (ebd., 166), nähre sich aus dem
Schein, den die gesellschaftlichen Verhältnisse selber werfen. In der Zirkulationssphäre werde Mehrwert nur umgesetzt und sichtbar, er entstehe aber nicht dort.
I.2.3.) Ökonomisches Spätwerk
Hierauf kommen wir später zurück. Wenden wir uns zunächst dem ökonomischen
Hauptwerk zu. Hier entwickelt Marx systematisch die Stellung des Geldes im
Gesamtgefüge der bürgerlichen Gesellschaft. Die Kritik der politischen Ökonomie
liegt in verschiedenen Fassungen vor. Um Verwirrung ob der Textgrundlage zu
vermeiden, liste ich sie hier auf:
(1) Zur Kritik der politischen Ökonomie. Urtext (ediert als Anhang in den
Grundrissen (Rohentwurf), 871-947 und in MEGA II/2, 17-94).
(2) Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf) (ediert als
Sonderband, in MEW 42 und in MEGA II/1.1 und 1.2).
(3) Zur Kritik der politischen Ökonomie, von Marx auch „Teil I“, „Erstes Heft“,
„Heft I“ genannt (ediert in MEW 13, 3-160 und in MEGA II/2, 95-245). Eine
Fortsetzung hiervon ist das von August 1861 bis Juli 1863 verfasste
Manuskript Zur Kritik der politischen Ökonomie, auch Manuskript 1861-1863
genannt.41
(4) Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Die 1. Auflage des ersten Bandes
erschien 1867 (ediert in MEGA II/5). Hier findet sich auch der Anhang zu
Kapitel I.1. Die Werthform (626-650), den Marx auf Anraten Engels’ anfertigte
und worin er für den „‚nichtdialektischen’ Leser“ die Entwicklung der
Wertformen nochmal „so einfach als möglich und so schulmeisterlich als
möglich“ darstellt.42
(5) Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Die 2. bis 4. Auflage unterscheidet
sich von der ersten. Sie, sowie dessen Bände 2 und 3 aus den Jahren von
1872/73-1894 (ediert in MEW 23-25 und in MEGA II/7-10) wurden von
Engels herausgegeben.
Nur die Texte (3) und (4) wurden von Marx selbst autorisiert veröffentlicht; die
ersten beiden sind Manuskript geblieben.
rig. Durch die Maßnahmen, die der Anarchismus in der Distribution ergreifen will, verkehrt sich sein AntiEtatismus ins Gegenteil.
41
Ediert in MEW 43-44, sowie MEGA II/3.2-3.6. MEGA II/3.1 bietet den Text in Originalsprache. Die MEGAEdition ist inkl. der sog. Theorien über den Mehrwert, die Marx von Januar 1862-Juli 1863 verfasste. Diese sind
als MEW 26.1-26.3 besser bekannt und bilden für sich in den MEGA die Bände II/3.2-3.4.
42
Marx an Engels, 22.06.1867, MEW 31, 306, bezogen auf den Brief Engels’ an Marx, 16.06.1867, ebd., 303f.
17
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Wert und Ware
Gehen wir zunächst vom Kapital in der Fassung von MEW 23 aus. Der erste und
zweite Abschnitt des ersten Buches befassen sich mit Geld, zunächst mit „Ware und
Geld“ dann mit der „Verwandlung von Geld in Kapital“. Der Beginn des Kapital sei
hier zusammengefasst, um mit den Grundkategorien vertraut zu machen. Das erste
Kapitel des ersten Abschnittes des ersten Buchs heißt „Die Ware“ und dieses
gliedert sich wiederum in vier Unterkapitel. Marx analysiert hier die Ware. Er
beginnt seine Untersuchung mit ihr, weil – wie er als Rhapsodie Adam Smiths sagt
– der Reichtum der bürgerlichen Gesellschaften als eine „ungeheure
Warensammlung“ erscheint.
Eine Ware könne unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden: zum einen unter
dem ihrer Qualität, zum anderen unter dem ihrer Quantität; zum einen unter dem
ihres Gebrauchswertes, des „stofflichen Inhalt[s] des Reichtums“, ihrer
„Nützlichkeit“, zum anderen unter dem ihres Tauschwertes. Der Gebrauchswert sei
der „stoffliche[.] Träger“ des Tauschwerts. Der Tauschwert „erscheint zunächst als
das quantitative Verhältnis“, in welchem Gebrauchswerte sich austauschen. Der
Tauschwert drücke „ein Gleiches“ der Waren aus und sei die „Ausdrucksweise, die
‚Erscheinungsform’ eines von ihm unterschiedenen Gehalts“. Eine Warengleichung
wie y Menge Seide tauscht sich gegen z Menge Gold aus drücke das Vorhandensein
eines Gemeinsamen aus, das im Tauschwert beziffert werde. Der Tauschwert sei
dieses Gemeinsame aber nicht selber.
Marx sucht nach diesem Gemeinsamen. Qualitative Eigenschaften seien
ausgeschlossen, da im Austausch nur die quantitative Korrelation zähle. Ihre
Gemeinsamkeit sei die, Produkt von Arbeit zu sein. Aber von was für einer Arbeit?
Der Gebrauchswert einer Ware werde gebildet durch eine bestimmte, konkrete
Tätigkeit: je nachdem, was man arbeitet, wird ein anderer Gegenstand mit
unterschiedlichen, spezifischen Eigenschaften draus. Da der Tauschwert etwas allen
Waren Gemeinsames ausdrücke, müsse auch die Arbeit eine sein, die allen Waren
gemeinsam ist. In allen Waren stecke Arbeit, Arbeit überhaupt. Diese Arbeit nennt
Marx „gleiche menschliche Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit.“43 Der
Zwieschlächtigkeit der Ware in Gebrauchswert und Tauschwert korrespondiere ein
„Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit.“ Alle zur Produktion von
Waren verrichtete Arbeit sei gleichzeitig Verausgabung abstrakter Arbeit und
konkret nützlicher Arbeit.
Das Gemeinsame aller Arbeiten umschreibt Marx in dem Bild von „bloße[n] Gallerte[n] unterschiedsloser menschlicher Arbeit.“ Ein Gallert ist eine farblose, halbflüssige Masse, die in beliebige Form gebracht werden kann. Produkte als Waren, d.h.
als Werte seien „Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz.“ Im „Wertkristall“ Ware seien die „Gallerte“ gleichsam geronnen, fest geworden. Damit sei die Substanz des Wertes, die „Wertsubstanz“, bestimmt. Die
Wertgröße bemesse sich nach dem Quantum wertbildender Substanz, verausgabt in
Zeit. Aber nicht jeder Arbeit, sondern „gesellschaftlich notwendige[r] Arbeitszeit“:
die Arbeitszeit, die benötigt werde, „um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesell43
Marx bezeichnet sie auch als „‚Arbeit überhaupt’“, „Arbeit sans phrase“ (MEW 42, 39), „gleichförmige,
unterschiedslose, einfache Arbeit“, „Tauschwert setzende Arbeit“, „abstrakt allgemeine Arbeit“, „einfache,
sozusagen qualitätslose Arbeit“, „gesellschaftliche Arbeit“, „unterschiedslose, gleichförmige, einfache Arbeit
[...], die qualitativ dieselbe ist und sich daher nur quantitativ unterscheidet“, „allgemein menschliche Arbeit“,
„Durchschnittsarbeit“ (MEW 13, 17f.).
18
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
schaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen.“ Gesellschaftlich notwendige Arbeit sei unter dem Druck der Konkurrenz
durch den Wechsel der Produktivkräfte Schwankungen unterworfen: je weiter die
Produktivkräfte sich entwickeln, desto weniger Arbeit werde benötigt, um ein Produkt zu fertigen.
Soweit die ersten beiden Unterkapitel. Im dritten Unterkapitel beschreibt Marx vier
verschiedene Wertformen. Hier untersucht er die „Form, die den Wert eben zum
Tausch-Wert stempelt“ (MEW 23, 55, Fn 1); die Form, die der Wert in der Form des
Tauschwerts annimmt. Die Wertformen werden zu Beginn jedes Abschnitts in mathematischer Gleichungsform dargestellt. Auszutauschende Waren stehen sich gegenüber und drücken ihren Wert ineinander aus. Zunächst stehen sich zwei Waren
gegenüber („einfache, einzelne oder zufällige Wertform“ (63ff.)), dann beliebig viele
(„totale oder entfaltete Wertform“ (77ff.)), dann drücken alle Waren ihren Wert in
einer Ware gemeinsam aus („allgemeine Wertform“ (79ff.)), bis schließlich Gold als
Geld an Stelle dieser einen Ware tritt („Geldform“ (84ff.)). Marx beschreibt in jedem
Abschnitt, dass eine Form notwendig auf die vorhergehende und aus der vorhergehenden folge. Es gehe ihm darum „zu leisten, was von der bürgerlichen Ökonomie
nicht einmal versucht ward, nämlich die Genesis der Geldform nachzuweisen.“ Indem er die Art und Weise, wie der Wert ausgedrückt werde, von der einfachsten
Gestalt bis zur „blendenden Geldform“ verfolge, wolle er das „Geldrätsel“ verschwinden lassen (MEW 23, 62).
Logik vs. Historie
Um zu verdeutlichen, was Marx im Kapital unternimmt, um die Eigenart seines Verfahrens, seiner Darstellungsweise kenntlich zu machen, sollte man seinen Unterschied zu seinen unmittelbaren Interpreten herausstellen. Ich stelle die Wertformanalyse zunächst nur bis hier und nur so oberflächlich dar und fahre später fort.
Denn an dieser Stelle muss auf eine Fehlinterpretation eingegangen werden, die von
Engels’ Kommentaren44 inauguriert und im Marxismus kanonisiert und erst Ende
der 1960er Jahre von der sog. ‚Neuen Marx-Lektüre’ langsam aufgelöst wurde.45
Diese Interpretation ist oftmals auch die, die ein unbefangener Leser des Kapital
quasi naturwüchsig entwickelt.
Hiernach erläutere Marx (1) was das „Wertgesetz“ sei: die Regel, nach der der Wert
von zu tauschenden Produkten bestimmt werde. Das Verfahren, auf die in ein Produkt investierte Arbeitszeit zu reflektieren, sei seit altersher von den Menschen angewandt worden; sie hätten früher stets proportional nach Arbeitsstunden getauscht. So habe „das Marxsche Wertgesetz [..] allgemein, soweit überhaupt ökonomische Gesetze gelten, für die ganze Periode der einfachen Warenproduktion“
gegolten, d.h. „während einer Periode von fünf bis sieben Jahrtausenden“ (MEW 25,
909). (2) Die Darstellung der vier Wertformen sei eine Nacherzählung einer historischen Entwicklung: Marx beschreibe, ausgehend vom einfachsten Tauschverhältnis
von einer Ware gegen eine andere Ware, vom „ersten und einfachsten Verhältnis,
das uns historisch, faktisch vorliegt“ (MEW 13, 475), wie im Laufe der Zeit die
Tauschverhältnisse komplexer und damit komplizierter geworden seien. Dadurch
sei Geld als praktisches Mittel zur Vereinfachung der Abwicklung des Tauschhandels nötig geworden und von den Menschen eingeführt worden. Die „Widersprü44
Das sind Karl Marx, „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ (August 1859, MEW 13, 468-477) und Ergänzung
und Nachtrag zum III. Buche des „Kapital“ (1894/95, MEW 25, 895-921).
45
Vgl. BACKHAUS 1997 a, ELBE 2000.
19
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
che“ der einzelnen Wertformen, die laut Marx dazu nötigten, zur nächsten Form
fortzuschreiten, seien
die aus der Natur des unmittelbaren Austauschverhältnisses, des einfachen
Tauschhandels, hervorgehenden Schwierigkeiten, die Unmöglichkeiten widerspiegeln, auf die diese erste rohe Form des Austausch notwendig hinausläuft. Die Lösung dieser Unmöglichkeiten findet sich darin, daß die Eigenschaft, den
Tauschwert aller andern Waren zu repräsentieren, auf eine spezielle Ware übertragen wird – das Geld (ebd., 476).
Aber das Geld sei nicht nur praktisch. War „dem Bauer des Mittelalters [...] die für
die Herstellung der von ihm eingetauschten Gegenstände erforderliche Arbeitszeit
ziemlich genau bekannt“, weil „überhaupt kein andrer [Maßstab als Arbeit] möglich“ (MEW 25, 907) gewesen sei, habe der „Übergang zum Metallgeld“ zur Folge
gehabt, „daß nun die Wertbestimmung durch die Arbeitszeit nicht länger auf der
Oberfläche des Warenaustausches sichtbar erschien“ (ebd., 909). Durch das Geld also sei den Menschen die früher gewohnheitsmäßige Reflexion auf die in ihren Produkten steckende Arbeitszeit abhanden gekommen und das Wertgesetz verschütt
gegangen.
Den systematischen Stellenwert und die theoretische Bedeutung dieser Interpretation darf man nicht übersehen. Engels entwickelte sie in seiner Rezension explizit in
Auseinandersetzung mit und in Absetzung von der Hegelschen Philosophie. An
Marx’ Verfahren im Kapital will er den Unterschied von idealistischer und materialistischer Dialektik herausstellen und die Grundlagen des historischen Materialismus
erläutern. Im Nachwort möchte er Marx’ Verfahren gegen den Verdacht einer ‚logischen Entwicklung’ des Wertgesetzes gegen die Nationalökonomen Conrad
Schmidt und Werner Sombart verteidigen (vgl. MEW 25, 904f.). Laut Engels hätte
„die Kritik der Ökonomie [...] auf zweierlei Weise angelegt werden [können]: historisch oder logisch.“ Marx habe sich für die ‚logische’ entschieden, weil diese den
„Vorzug größerer Klarheit“ biete. Sie sei aber im Grunde die ‚historische Methode’,
nämlich „nichts anderes als die historische, nur entkleidet der historischen Form
und störender Zufälligkeiten“ (MEW 13, 474f., ebenso MEW 25, 905).
Diese Fehlinterpretation wurde im Marxismus als „logisch-historische Methode“46
kodifiziert und erbittert verteidigt. Die Verteidigung dieser marxistischen Lesart ist
ideologisch stark aufgeladen, scheinen in ihr doch die Grundlagen von historischem
und dialektischem Materialismus angewandt: Ausgehen vom Konkreten, Faktischen (die einzelne Ware, Tausch zwischen Individuen), Beschreiben historischer
Abläufe und Veränderungen.47
Zum einen bringt dies ein Missverständnis von Marx’ methodischem Verfahren mit
sich. Unter der Entwicklung des Geldes, unter der Auflösung des „Geldrätsels“, d.h.
unter dessen Ableitung und Bestimmung, wird die Nacherzählung von dessen historischer Entstehung verstanden. Zum zweiten wird „abstrakte Arbeit“ konkretistisch naturalistisch missverstanden, d.h. mit entfremdeter Arbeit, d.h. mit ‚unpersönlicher’, maschinisierter, industrieller Arbeit in mechanisierten und vereinfachten
46
So beim ehemaligen offiziellen Verkünder des staatlich kodifizierten DiaMat, M.M. Rosental (1973, 459-484),
aber auch im Westen, bei W.F. HAUG 1974, HOLZKAMP 1974. Ernest Mandel unternahm mit reichhaltigem historischem und ethnologischem Material den Versuch einer empirischen Nacherzählung (vgl. 1976, 51-78). Auch
Schüler des „westlichen Marxismus“, wie Alfred Schmidt, waren vor einer Paraphrasierung Engels’ nicht gefeit
(vgl. 1977, 42-47). Typisch für diese zwischen Orthodoxie und ‚philosophischem Anspruch’ lavierende Debatte
auch ILJENKOW 1970, ZELENÝ 1972, Teil I und ZELENÝ 1975, 41-62. – Zu ‚Logischem’ und ‚Historischem’ vgl.
zusammenfassend BRENTEL 1989, 355-365, zur Übersicht der Debatte BACKHAUS 1997 b, 1997 c, 1997 d, 1997 e.
47
Ab Ende der 1960er Jahre kam es zu theoretischen Auseinandersetzungen zwischen Marxisten und Vertretern
der sog. „Neuen Marx-Lektüre“. Erstere warfen zweiteren „Hegelianismus“ vor, weil sie eine „logische“ Interpretation einer „historischen“ resp. „logisch-historischen“ vorzogen (vgl. W.F. HAUG 1984, 60-84).
20
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Abläufen unter dem Zwang zur Lohnarbeit gleichgesetzt. Die von Marx genannte
Gleichförmigkeit und Messbarkeit von Arbeit schien im taylorisierten Fabriksystem
verwirklicht.48
Wieso Marx und Engels so sehr aneinander vorbeigeredet haben, ist in der Tat
merkwürdig.49 Marx begünstigt eine solche Lesart selber:
•
Die konkretistische Rede von „produktive[r] Verausgabung von menschlichem
Muskel, Nerv, Gehirn usw.“ (MEW 13, 18) legt eine substantialistischnaturalistische objektive Arbeitswerttheorie nahe.
•
In die Wertformanalyse eingefügte historische Beispiele machen die logischhistorische Lesart plausibler.50 Marx äußerte sich auch selber in Engels’ Hinsicht,
dass der „dialektische Entstehungsprozeß [..] nur der ideale Ausdruck der wirklichen Bewegung [ist], worin das Kapital wird“ (MEW 42, 231).
• Ein für Engels so zentraler Begriff wie der der „einfachen Zirkulation“ schillert
bei Marx zwischen historischer Beschreibung und systematischer Bestimmung.51
In den Theorien über den Mehrwert wendet Marx sich zwar ausdrücklich gegen
die Vorstellung einer „einfachen Warenproduktion“, wie auch Engels sie hat
und kritisiert sie als eine ideologische Rückprojektion bürgerlicher Nationalökonomen, die als Erklärungsmodell dient,52 aber Engels’ Vorstellungen trat er
nirgends entgegen.
Die Gründe für diese Ambivalenz und Unklarheit bleiben hier unerörtert.53 Fest
steht aber, dass die von Engels initiierte Lesart vor dem Hintergrund der ProudhonKritik nicht richtig sein kann. Unter den Auspizien einer marxistischen Lesart
(1) ist es fraglich, worin bei einer – didaktisch aufbereiteten – historischen
Nacherzählung noch die „dialektische Methode“ bestehen soll.54
(2) hat dies bedenkliche Konsequenzen für eine Konzeption von Sozialismus
und Kommunismus, wenn man am Wertgesetz nicht rütteln, sondern es nur
wieder bewusst machen und dann schließlich ‚bewusst handhaben’ will.55
Ein kapitalistisches Grundgesetz würde in den Sozialismus/Kommunismus
überführt. An der gesellschaftlichen Form der Produktion würde nichts geändert, nur die juristischen Titel des Eigentums von der Bourgeoisie auf das
Proletariat resp. dessen Diktatur im Staat transponiert und auf eine andere,
‚gerechtere’, Verteilungsweise geachtet.
48
Dies findet sich sowohl bei W.F. HAUG 1974, 109f. und 115f. wie bei LUKÁCS 1968 a, 176-182.
Auf der anderen Seite muss gesagt werden, dass Engels selber auch eine andere als seine historische Lesart
vorstellte, nämlich in seinem Konspekt über „Das Kapital“ von Karl Marx (MEW 16, 243-287); vgl. auch
BACKHAUS 1997 f.
50
Vgl. bspw. MEW 23, 80, sowie 102 und MEW 42, 81, sowie 134. Sie entstanden i.ü. auf Anregung Engels’,
der um die Verständlichkeit der dialektischen Darstellung fürchtete und dazu riet, „das hier dialektisch Gewonnene etwas weitläufiger historisch nachzuweisen“ (Brief Engels an Marx, 16.06.1867, MEW 31, 303, vgl. auch
Marx’ Antwort, 22.06.1867, ebd., 306). Zur ‚Popularisierung’ vgl. BACKHAUS 1998.
51
Laut Urtext könne „die einfache Circulation [...] historisch bestehen, eben weil sie nur vermittelnde Bewegung
zwischen vorausgesetzten Ausgangspunkten [ist], ohne daß der Tauschwerth die Production eines Volks sei es
auf der ganzen Oberfläche, sei es in der Tiefe ergriffen hat. Zugleich aber zeigt sich historisch, wie die Circulation selbst zur bürgerlichen [...] führt und sich eine andere Basis schafft.“ Nur eine Seite weiter stellt Marx klar,
dass „wir“ es „hier jedoch nicht mit historischem Uebergang der Circulation in das Capital zu thun“ hätten. „Die
einfache Circulation ist vielmehr eine abstrakte Sphäre des bürgerlichen Gesammtproductionsprocesses“ (MEGA
II/2, 67 und 68, m.Hv.).
52
Vgl. MEW 26.1, 42f., siehe dazu auch RAKOWITZ 2000, v.a. 27-51.
53
Laut Michael Heinrich sind sie dem Standpunkt der Marxschen Kritik „zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition“ geschuldet. Der „Diskurs der Klassik“ finde sich „an zentralen Stellen seines Werkes“ (1999 a, 17).
54
Gerhard Göhler, ein Nicht-Marxist, der Das Kapital aber wie ein Marxist las, konnte dementsprechend eine
„Reduktion der Dialektik durch Marx“ nachweisen (1980).
55
Dargestellt bei HOFMANN 1971, 319-350; zur Kritik vgl. BEHRENS/HAFNER 1991 und ELBE 2002.
49
21
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
(3) wird Marx damit zu einem Linksricardianer gemacht, der an eine
„Pfannkuchentheorie des Werts“ (KRAUSE 1977, 143) geglaubt habe, „in der
logisch streng mit Wertklötzen hantiert wird“ (KRAUSE 1979, 573): „ein
Warenquantum ist mit einem bestimmten Quantum unterschiedsloser
Arbeit gefüllt“ (KRAUSE 1977, 143). Marx stellt aber klar, dass abstrakte
Arbeit eine „Abstraktion“ ist, „die als solche für die Waren nicht existiert“,
die nur „latent in den Waren“ vorhanden ist und sich erst im Tausch
offenbart (MEW 13, 32). Sie ist „abstrakte Gegenständlichkeit, ein Gedankending“ (MEGA II/5, 30), kann also nicht gemessen werden.56
(4) ist man damit wieder bei Proudhon gelandet: Die Notwendigkeit des Geldes
kann nicht erklärt werden, es wäre nur ein willkürlich gegebenes Tauschmittel, welches die Verrechnung von Arbeitsstunden vornimmt – nur eben unbewusst. Wenn das Geld die Arbeitsstundenverrechnung verschleiere und
diese das eigentlich zugrundeliegende Maß sei, welches für eine freie Vergesellschaftung als bewusster Maßstab wieder eingeführt gehöre, dann könnte
es ebensogut abgeschafft und durch eine andere Verrechnungsbasis ersetzt
werden.
Der kritische Darstellungsgang
Marx muss also etwas anderes zeigen wollen. Wenn er im Kapital mit der Ware beginnt, so sind damit bereits Voraussetzungen gesetzt. Ware ist nicht gleich Produkt.
Nur in einer spezifischen gesellschaftlichen Produktionsweise wird aus dem Produkt die Ware. Die Ware ist im Kapital kein absoluter Anfang. Weil mit ihr angefangen wird, mag dies so scheinen, ist es aber nicht. Auf die Ware folgend wird im Kapital etwas entwickelt, was seinerseits Voraussetzung für die Ware ist. Die Ware impliziert Bestimmungen, die nach und nach eingeholt werden.57 Dies ist Marx’ „Entwicklungsmethode“.58 In diesem Anfang ist schon alles vorausgesetzt, was im Laufe
der Darstellung, die dabei eine Kritik des theoretischen Corpus der politischen
Ökonomie ist, sukzessive noch entwickelt wird: das Kapitalverhältnis. In diesem
Sinn ist „die Warenform die allgemeinste und unentwickeltste Form der bürgerlichen Produktion“ (MEW 23, 97). Sie ist Produkt bestimmter gesellschaftlicher Voraussetzungen, die ihrerseits durch bestimmte historische Entwicklungen entstanden. Diese einfache Kategorie verweist bereits auf gesellschaftliche Totalität.59 Wer
von Ware spricht, spricht von Wert, von Geld, von Kapital. Ein Produkt ist nur Ware,
56
Abstrake Arbeit existiert „als solche nicht, sondern nur in einer spezifischen Form“ (BRENTEL 1989, 219), vgl.
auch Michael Heinrichs Aufsatz „abstrakte Arbeit“ im HKWM 1, Sp. 56-64 und HEINRICH 1999 a, 208ff., sowie
BEHRENS 1993 b.
57
„In diesem ersten Abschnitt, wo Tauschwerte, Geld, Preise betrachtet werden, erscheinen die Waren immer als
vorhanden.“ Indem man so beginnt, wird dieser Eindruck erweckt. Es ist aber nicht so. „Wir wissen, daß sie [die
Waren] Bestimmungen der gesellschaftlichen Produktion ausdrücken, aber diese selbst [die gesellschaftliche Produktion] ist Voraussetzung [für die Waren]“ (MEW 42, 154). „In der Theorie“, oder wie Marx auch sagt, „innerhalb des Systems der bürgerlichen Gesellschaft“, gehe „der Begriff des Werts dem des Kapitals vorher.“ Dieser
unterstelle „andrerseits aber zu seiner reinen Entwicklung wieder eine auf das Kapital gegründete Produktionsweise“ (ebd., 177).
58
Brief Marx an Ludwig Kugelmann, 06.02.1868, MEW 32, 538
59
Vgl. zum Problem des Anfangs und der Voraussetzungen, sowie der Entwicklung und Fortbildung des
Darstellungsgangs U. MÜLLER 1977, 1-35, 160-183, RITSERT 1973, 9-24, STAPELFELDT 1979, 67-170, KOCYBA
1979, WOLF 1985, 89-124, 136-141, 155-183, 205-220, 257-294. – Dieser Darstellungsgang sorgte qua
Verkennung auch jenseits der marxistischen Orthodoxie für Verwunderung und hatte den Ruch von
Hegelianismus (vgl. bspw. ROSDOLSKY 1974, 12f. und KORSCH 1971 a, 174). Marx notierte, quasi als erinnernde
Notiz für sich selber in einem work in progress in den Grundrissen: „Es wird später notwendig sein, die
idealistische Manier der Darstellung zu korrigieren, die den Schein hervorbringt, als handle es sich nur um
Begriffsbestimmungen und die Dialektik dieser Begriffe. Also vor allem die Phrase: Das Produkt (oder Tätigkeit)
wird Ware; die Ware Tauschwert; der Tauschwert Geld“ (MEW 42, 85f.).
22
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
wenn sie Ware ist „in Beziehung auf die anderen Waren“ (MEW 13, 28). Sie setzt
„entwickelte Teilung der Arbeit voraus“, die sich „unmittelbar in der Mannigfaltigkeit der Gebrauchswerte dar[stellt]“ (ebd., 37). Weil Waren „Produkte von einander
unabhängiger Privatarbeiten“ (MEGA II/5, 41) sind, setzen sie eine bestimmte Produktionsweise und Verteilung der Produktionsmittel voraus. Damit verweisen sie
auf Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse.
Ebenso muss auch die Wertformanalyse gelesen werden:
Die einfache Wertform sei „der Keim, woraus sich die allgemeine Aequivalentform
[...] entwickelte“ (MEGA II/5, 42), die „Zellenform“, „das An sich des Geldes“ (ebd.,
28). Sie treibe zum Geld, sie gehe „von selbst in eine vollständigere Form über“
(MEW 23, 76). Aber wieso tut sie das? Wieso muss es fortgehen? Die einfache Wertform als Tauschmodell enthält einen logischen Widerspruch: die Ware soll zugleich
Verkörperung des Tauschwerts und Gebrauchswert für besondere Bedürfnisse sein.
„Aber diese Gleichsetzung [als Tauschwerte] und Ungleichsetzung [als Gebrauchswerte] schließen sich wechselseitig aus“ (MEW 13, 30). In der einfachen Wertform
müsste jede Ware mit ihrem Körper „als direkte Materiatur der allgemeinen Arbeitszeit erscheinen“ und gleichzeitig Gebrauchswert sein (ebd., 31). Es stehen sich
hier aber nur besondere Waren gegenüber.60 Marx’ Behandlung der einfachen Wertform ist so bspw. auch eine Kritik an Ricardos imaginiertem Tauschmodell, in welchem dieser „den Urfischer und den Urjäger [..] sofort als Warenbesitzer Fisch und
Wild austauschen [läßt], im Verhältnis der in diesen Tauschwerten vergegenständlichten Arbeitszeit.“ Die Tauschkalkulation werde historisch rückprojiziert61 und so
„die bürgerliche Form der Arbeit als die ewige Naturform der gesellschaftlichen
Arbeit“ betrachtet (ebd., 46). „Erst“ in der entfalteten Wertform könne der Wert
„wahrhaft als Gallerte unterschiedsloser menschlicher Arbeit“ erscheinen, denn erst
hier stehe die Arbeit einer Ware in gesellschaftlichem Verhältnis zu den Arbeiten aller anderen Waren. Vorher könnte Arbeit (Gebrauchswert produzierende Arbeit)
noch gar nicht zu Gallerten (Tauschwert setzende Arbeit) abstraktifiziert gewesen
sein, denn das gesellschaftliche Verhältnis der Waren und somit der Arbeiten aufeinander sei noch nicht allgemein genug gewesen. Vorher könne noch gar keine
Wertsubstanz ‚gegeben’ gewesen sein, erst hier sei sie möglich. Aber auch die entfaltete Wertform weise „Mängel“ auf: (1) sei der relative Wertausdruck „unfertig“,
d.h. der Wert einer Ware könne nie eindeutig bestimmt werden; (2) habe man keinen eindeutigen Wertausdruck in einem allgemeinen Äquivalent, sondern nur ein
„bunte[s] Mosaik auseinanderfallender und verschiedenartiger Wertausdrücke“; (3)
existierten so „nur beschränkte Äquivalentformen, von denen jede die andere ausschließt“ (MEW 23, 77f., m.Hv.). Wenn man die entfaltete zur allgemeinen Wertform umkehrt, lasse sich dieser Missstand beheben. „Erst diese Form bezieht [..] wirklich die Waren aufeinander als Werte“ (ebd., 80, m.Hv.); vorher könne dies also
nicht der Fall gewesen sein. Die Entwicklung der Wertformen ist demnach das sukzessive Aufzeigen logischer Unmöglichkeiten verschiedener Tauschverhältnisse
und des Nichtbestehenkönnens eines Wertverhältnisses in diesen unentwickelten
Wertformen.62
60
„Ihre natürlichen Eigenschaften [treten] in Widerspruch mit ihrer Bestimmung als Tauschwerte“ (MEW 42,
78). „Aus dem Widerspruch der allgemeinen Charaktere des Werts mit seinem stofflichen Dasein in einer bestimmten Ware [...] ergibt sich die Kategorie des Geldes“ (Brief Marx an Engels, 02.04.1858, MEW 29, 315).
61
„[B]ei dieser Gelegenheit fällt er [Ricardo] in den Anachronismus, daß Urfischer und Urjäger zur Berechnung
ihrer Arbeitsinstrumente die 1817 auf der Londoner Börse gangbaren Annuitätentabellen zu Rate ziehen“ (MEW
13, 46).
62
„Die Marxsche Werttheorie ist als Kritik prämonetärer Werttheorien konzipiert“ (BACKHAUS 1997 d, 94), d.h.
als Kritik von Theorien, die eine Werttheorie aufstellen vor und ohne die Existenz von Geld.
23
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Marx widmet sich so ausführlich der Analyse der Wertform, weil die Nationalökonomie dies nicht tue, sondern sich sogleich „ökonomistisch einseitig“ (MEW 13, 42)
der Wertgröße zuwende. Die Form, die Konstitution dessen, was sie analysieren
möchte, interessiere sie nicht, gelte ihr nichtmals als zu erklären.63 Wie wir gesehen
haben, verfällt dieser Kritik auch eine marxistische Wirtschaftstheorie. „Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form animmt, warum
sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der
Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt“ (MEW 23, 95). Damit sei kein „innere[r]
nothwendige[r] Zusammenhang zwischen Werthform, Werthsubstanz und Werthgröße“ hergestellt (MEGA II/5, 43).64
Geld
Entsprechend werde Geld in der Nationalökonomie „aus den äußern Schwierigkeiten [abgeleitet], worauf der erweiterte Tauschhandel stößt“, werde es als „pfiffig
ausgedachtes Auskunftsmittel“ angesehen (MEW 13, 35).65 Marx hält von seinen ersten Schriften an fest, dass es falsch sei, die Entwicklung des Geldes „nur als ein factum, als die Ausgeburt zufälliger Not [zu] begreifen“ (MEW EB 1, 455). Es sei „nicht
Produkt der Reflexion oder der Verabredung“, sondern werde „instinktartig im
Austauschprozeß gebildet“ (MEW 13, 35),66 „gleichsam gegen die Verabredung.“ Es
sei nicht „blos vermittelnde Form des Waarenaustauschs“, sondern „eine aus dem
Circulationsprocess hervorwachsende Form des Tauschwerths, ein gesellschaftliches Product, das sich durch die Beziehungen, worein die Individuen in der Circulation treten, von selbst erzeugt“ (MEGA II/2, 73).
Die „äußern Schwierigkeiten“, aus denen die Nationalökonomie das Geld abzuleiten pflege, entsprängen den Schwierigkeiten „der gesellschaftlichen Arbeit als allgemeiner Arbeit“ (MEW 13, 36). Dies sei in der bürgerlichen Gesellschaft ein Problem, weil keine gesellschaftliche Arbeit vorhanden sei, weil die getätigte individuelle
Arbeit sich als gesellschaftliche Arbeit erst über ihre Verkehrung in ihr Gegenteil, in
allgemeine Arbeit, vermitteln müsse. Arbeit werde nicht als gesellschaftliche ausgeübt, da die „Produktion nicht unmittelbar gesellschaftlich“ (MEW 42, 92), sondern
„vorausgesetzt [ist] als Arbeit des vereinzelten Einzelnen“ (MEW 13, 21). So bestehe
auch ein Zwang zum Tausch und allgemeine Abhängigkeit der Einzelnen voneinander: das Produkt des Einzelnen sei für ihn Tauschwert, müsse „also erst durch einen gesellschaftlichen Prozeß vermittelt werden [..], um Lebensmittel für ihn zu werden“ (MEW 42, 123). Dies sei Kennzeichen einer „spezifische[n] Art der Gesellschaftlichkeit“ (MEW 13, 21), die auf bestimmte historische Voraussetzungen als
Folge gesamtgesellschaftlicher Umwälzungen verweise. Hier stoße man an die
Grenzen der „dialektische[n] Form der Darstellung“ (MEGA II/2, 91) und es zeigten
sich der Methode „die Punkte, wo die historische Betrachtung hereintreten muß
oder wo die bürgerliche Ökonomie als bloß historische Gestalt des Produktionsprozesses über sich hinausweist auf frühre historische Weisen der Produktion“ (MEW
42, 373). Diese bestehe i.W. in der gewaltsamen Trennung der Produzenten von ih-
63
Vgl. MEW 13, 42 und 45 (gegen Ricardo), MEGA II/5, 29.
Vgl. ebenso MEW 13, 42.
65
so auch die Kritik an Franklin, vgl. ebd. – „Das reflectirende Bewußtsein der Völker faßt das Geld in seiner
Bestimmung als Maaß und Münze daher als willkührliche, der Bequemlichkeit halber conventionell eingeführte
Erfindungen“ (MEGA II/2, 73).
66
„Das Geld entsteht nicht durch Konvention, sowenig wie der Staat. Es entsteht aus dem Austausch und im Austausch naturwüchsig, ist ein Produkt desselben“ (MEW 42, 98).
64
24
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
ren Produktionsmitteln, des Eigentums von Arbeit, in der Schaffung des ‚freien Arbeiters’.67
Der Widerspruch, dass Arbeit nur als bestimmte in besonderen Produkten existieren kann und gleichzeitig die Notwendigkeit besteht, dass sie allgemeinen Charakter besitze, könne nur durch die „Vergegenständlichung des allgemeinen, gesellschaftlichen Charakters der Arbeit“ gelöst werden. Die Ware ‚verdoppele sich’ in
Ware und Geld. „Das Geld ist die Arbeitszeit als allgemeiner Gegenstand oder die
Vergegenständlichung der allgemeinen Arbeitszeit, die Arbeitszeit als allgemeine
Ware“ (ebd., 101). Die physischen Eigenschaften des Gegenstandes, der als Geld
dient, seien zwar praktisch (Unveränderbarkeit, Beständigkeit, gute Transportierbarkeit) und von historischem Herkommen (ästhetische Reize, kultische Bedeutung), sagten aber über das Geld selber nichts aus.68
In der Proudhon-Kritik hatte Marx klargestellt, dass Waren sich nicht nach der
Menge der in sie verausgabten Arbeitszeit tauschten, dass andererseits abstrakte
Arbeit in Zeit bemessen die Wertsubstanz sei. Wie ist dieser Widerspruch zu verstehen und zu lösen? Wonach tauschen sich die Waren dann? Und was wird im Betrag, für den sie geldwert getauscht werden, ausgedrückt?69
Das, was bezahlt wird, sei nicht der Tauschwert der Ware, sondern ihr Preis. Er sei
der „Geldname der in der Ware vergegenständlichten Arbeit“ (MEW 23, 116), „die
verwandelte Form, worin der Tauschwert der Waren innerhalb des Zirkulationsprozesses erscheint“ (MEW 13, 51). Zwar stehe die Wertgröße einer Ware immer im
Verhältnis zur gesellschaftlichen Arbeitszeit, aber die Preisform ermögliche, dass
die Ware sich nicht exakt zu ihrem ‚ursprünglichen’ Tauschwert umsetze, sondern
zu dem, den sie zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung annimmt. Diese Abweichung sei
das Resultat verschiedener Faktoren: (1) des Verhältnisses von Angebot & Nachfrage70, (2) der Konkurrenz und (3) der unter dem Druck der Konkurrenz sich ständig
weiterentwickelnden Produktivkräfte. Weil das Quantum der in einer Ware realisierten Arbeitszeit „innerhalb der bürgerlichen, auf dem Tauschwert beruhenden
Gesellschaft“ (MEW 42, 93) nicht ihr Preis sein könne, weil Arbeitszeit als Wertmaß
„nur ideal existiert“ (ebd., 75), mache die Differenz zwischen Tauschwert und Preis
notwendig, dass der Tauschwert einer Ware an einem anderen Maßstab als dem
eigenen gemessen wird. Die Differenz zwischen Tauschwert und Preis mache eine
dritte Ware notwendig, worin der Tauschwert der Ware sich ausdrücke. Die Preisform sei die „adäquate[.] Form einer Produktionsweise, worin sich die Regel nur als
blindwirkendes Durchschnittsgesetz der Regellosigkeit durchsetzen kann“ (MEW
23, 117). Nicht alle verausgabte Arbeitszeit sei tatsächlich abstrakt allgemeine Ar67
Marx beschreibt dies als „ursprüngliche Akkumulation“ im 24. Kapitel des Kapital. Vgl. auch MEW 42, 383421, desweiteren POLANYI 1997, 59-146, sowie CLAUSSEN 1982, 48-87.
68
Vgl. MEW 13, 35 und 128-132, MEW 42, 68f., 80 und 106f., MEGA II/2, 39-42.
69
Für Verwirrung sorgt das Problem der sog. „Geldware“ (vgl. HEINRICH 1999 a, 233-240): es sieht an manchen
Stellen so aus, als würde Marx die Ware, die als Geld dient, als normale Ware behandeln, die „unmittelbar, im
Verhältnis zu der in ihm enthaltenen Arbeitszeit“ (MEGA II/2, 28, vgl. MEW 42, 136) gegen andere getauscht
würde, deren „Fallen oder Steigen ihrer Werthgröße in Folge des Fallens oder Steigens der zu ihrer Production
erheischten Arbeitszeit [...] keine sie von den andren Waaren unterscheidende Eigenthümlichkeit“ darstelle
(MEGA II/2, 32, vgl. MEW 42, 65). Geld biete außerdem den Vorteil, „relativ viel Arbeitszeit, d.h. grossen
Tauschwerth in kleinem Raum einzuschließen“ (MEGA II/2, 41). Geld würde also nach einer objektiven Arbeitswerttheorie bestimmt. Gerade dies aber, so stellt Marx dann dar, würde dem Geld zum Problem, wenn es
normale Ware wäre. Gold erfüllt nicht „den Anspruch, der an sie als verselbständigtem Tauschwerth, als unmittelbar daseiendes Geld gestellt wird“, nämlich „eine gleichbleibende Werthgrösse zu sein. [...] Ihre Natur als besondre Waare geräth hier in Conflict mit ihrer Function als Geld“ (MEGA II/2, 43). „Als bloßes Zirkulationsmittel“ hört Gold auf, „Ware zu sein (besondre Ware).“ Es ist dann „allgemeine Ware“, „die Ware in ihrer reinen
Form“ (MEW 42, 143).
70
Vgl. bspw. MEW 4, 91 und MEW 42, 73.
25
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
beit, nicht alle verausgabte Arbeit sei Tauschwert setzende Arbeit. Wenn ein Produkt sich nicht umsetzen kann, sei die in es eingegangene Arbeit wertlos. Die Rede
von abstrakter Arbeit ist quasi nur im Futur II möglich: Arbeit eines Individuums ist
nur dann Tauschwert setzende Arbeit, wenn sie sich im Verkauf realisiert haben wird.
Abstrakte Arbeit werde nicht blind beim Arbeitsakt in ein Produkt injiziert. Ob es
das getan hat oder nicht, sei an den späteren Zeitpunkt der Wertrealisierung gekoppelt. Nur insofern ist die Rede von verborgener Potenz oder von latentem Wert
richtig. In diesem Sinne ist auch vom Wertgesetz zu reden: es sei „die objektive
Gleichung, die der Gesellschaftsprozeß gewaltsam zwischen den ungleichen Arbeiten vollzieht“ (MEW 13, 45). Weil es „kein fertig konstituiertes ‚Proportionalitätsverhältnis’“, sondern „nur eine konstituierende Bewegung“ des Werts gebe (MEW
4, 94), habe Geld also zwei Funktionen. (1) sei es „Maß der Werte“, indem es als
immanentes Wertmaß „der Warenwelt das Material ihres Wertausdrucks“ liefere
(MEW 23, 109). (2) sei es „Maßstab der Preise“, indem – unabhängig vom immanenten Wert dieses Gegenstandes – ein festgesetztes und fest benanntes Metallgewicht
als Maßeinheit diene (ebd., 112). Das Geld stelle der Ware gegenüber ihren Preis
dar: sie sei hierbei „Anzahl einer gewissen natürlichen Einheit“ (MEW 42, 140).
Kapital und Ausbeutung
Waren und Geld werden in der Zirkulationssphäre getauscht. Diese ist der „Austauschprocess“, „wie er an der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft heraustritt“ (MEGA II/2, 48). Es geht Marx um eine bestimmte Zirkulationsform, nicht um
einen einfachen Warentausch. Im einfachen Warentausch wird Ware gegen Geld
und Geld gegen Ware getauscht, von Marx in der Formel W – G – W abgekürzt. Ihm
gegenüber stellt er den Tausch, um den es ihm geht, den von Geld gegen Ware und
von Ware gegen Geld, abgekürzt als G – W – G (vgl. MEW 23, 166ff.).
W – G – W beginne mit dem Verkauf einer Ware und ende mit dem Kauf einer anderen Ware. Geld sei hier nur der Vermittler des Gesamtverlaufs, es werde in Ware
verwandelt, sei damit ausgegeben. Der Gebrauchswert einer Ware sei Endzweck
der Transaktion, ihr Sinn bestehe in und ende mit der Konsumtion der Ware.
G – W – G hingegen beginne und ende mit Verkauf. Geld werde ausgegeben, um
Geld wieder einzunehmen. Motiv und Zweck der Transaktion sei nicht der Gebrauchswert, sondern der Tauschwert, und zwar ein quantitativ verschiedener, ein
vermehrter Tauschwert. Hier sei die Ware Vermittler des Gesamtverlaufs. Die Zirkulation sei hier nicht Mittel zum Zweck eines der Zirkulation jenseitigen Ziels: der
Konsumtion eines Gebrauchswerts, sondern sie sei Selbstzweck.
In W – G – W sei das Geld nicht selbständig gegenüber der Zirkulation. Seine Vermehrung könne hier nur als Anhäufung vor sich gehen. Damit aber werde es der
Zirkulation entzogen, wo sie ausschließlich Geld sein könne. Aufgehäuft, als Schatz,
von der Zirkulation abgekehrt, sei der Gegenstand, der als Geld dient, wertlos (vgl.
ebd., 144-148). Die Pointe der Marxschen Darstellung besteht darin: In W – G – W
sei Geld nicht ‚richtiges’ Geld, weil es jedes Mal aufhöre, Geld zu sein, wenn die
Transaktion abgeschlossen ist; und in G – W – G müsse Geld zu Kapital fortgehen,
um ‚richtiges’ Geld zu sein. In diesem Sinne sei die Bestimmung des Geldes als Kapital „schon latent enthalten“ (MEW 42, 145).
Die Bewegung G – W – G sei immer G – W – G’, also dass G am Ende ein vom ersten G quantitativ verschiedenes, nämlich größeres sei. Wäre G = G, dann wäre die
Transaktion „abgeschmackt und inhaltslos“ (MEW 23, 162). Wo aber kommt das
Mehr her? Die Betrachtung der einfachen Zirkulation birgt das Problem, dass das
Mehr aus der Zirkulation selbst heraus nicht erklärt werden kann, wenngleich die-
26
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
ses Mehr auch in ihr realisiert wird. Ein Aufschlag, also ein Tausch von NichtÄquivalenten würde sich nur nach und nach proportional auf die anderen Transaktionen auswirken und verteilen und der Mehrwert dahin sein (vgl. ebd., 174ff.). Bei
der Bildung von Mehrwert müsse also etwas vor sich gehen, „das in ihr selbst unsichtbar ist“ (ebd., 179). Von hier aus wendet Marx sich von der Zirkulationssphäre
der Produktionssphäre zu und findet in ihr, im Tausch von Arbeit gegen Kapital
qua Lohnarbeitsverhältnis, den Grund für die Entstehung von Mehrwert qua Ausbeutung (Ende Zweiter Abschnitt und Dritter Abschnitt ff. des Kapital). Auch hier
stößt man wieder auf historisch entstandene gesellschaftliche Voraussetzungen, die
man aus der Entwicklungsmethode nicht entspringen lassen kann, sondern die dieser vorausgesetzt sind. Geld als Geld und Geld als Kapital seien durch ihre Zirkulationsform unterschieden. Letztere „widerspricht allen früher entwickelten Gesetzen
über die Natur der Ware, des Werts, des Geldes und der Zirkulation selbst“ (ebd.,
170), denn beim Tausch von Geld gegen Arbeit finde Äquivalententausch statt und
finde er nicht statt. - Dies wird hier nicht weiter ausgeführt.
Hier tritt man in den Kreislauf des Kapitals ein. Hier seien Geld und Ware, ebensowie die Zirkulation, „besondre abstrakte Momente“ des Kapitals, „in denen es ebenso beständig erscheint, von einem in das andre übergeht, wie beständig verschwindet“ (MEGA II/2, 82). Kapital sei nicht mehr gegenständlich gebunden, sondern
„kann in jede Ware metamorphosirt werden“ (ebd., 85). Geld habe als Kapital seine
Starrheit, Beschränkung und Abhängigkeit von der Zirkulation verloren „und ist aus
einem handgreiflichen Ding zu einem Prozeß geworden“ (MEW 42, 188). Indem es nicht
auf die Zirkulation beschränkt bleibe, sondern sich über die Produktion am Leben
erhalte, indem es sich vermehre, sei es „bestimmte Einheit der Zirkulation und Produktion“ (ebd., 239). Erst auf der Ebene des Kapitals, welches Marx sukzessive fortentwickelt, ist man auf einer Stufe gesellschaftlicher Totalität angelangt. Ware, Wert
und Geld sind nun als Momente des Kapitals bestimmt, die erst hier gänzlich gesellschaftlich aufgehen und umsetzbar sind.
I.3.) Kulturdiagnose vs. Kritik
Laut Hans Blumenberg liege „im Thema Geld nicht der letzte Bezugspunkt“ von
Simmels Philosophie des Geldes, sondern Geld sei „so etwas wie ein Paradigma“, die
„Entfaltung einer Metapher“ (1976, 12). Über das Geld, seine Eigenschaften erschließt sich Simmel sowohl die Beschreibung wie die Deutung der modernen kapitalistischen Gesellschaft. Geld ist „Matrix der Lesbarkeit dieses Lebens, als Indiz
seiner Deprivation“ (HAESLER 1993, 223). Es dient als Schlüssel zum Verständnis des
Handelns der Menschen, seiner Motive wie seiner Muster. Geld sei in die Welt eingedrungen und habe sie nach seinem Ebenbilde umgeformt. Übers Geld wird die
Welt, die durchs Geld bestimmt ist, deshalb besser verstehbar.
Wie das Geld die Gesellschaft und ihre Menschen bestimme, das ist genauer zu erläutern. Zunächst fallen strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den Charakteristika des
Geldes und den sozialen Charakteren einer Geldwirtschaft auf. Was Simmel beschreibt, ist alles ‚wie’ das Geld. Der Schluss, dass ein Zusammenhang bestehe, dass
das Geld der Grund hierfür sei, liegt nahe. Wie es aber vom einen zum anderen
kommt, das bliebe unklar, begnügte Simmel sich mit einer solchen Konstatierung
von Analogien. Auch Formulierungen, wie dass „die Exaktheit, Schärfe, Genauigkeit
in den ökonomischen Beziehungen des Lebens [...] abfärbt“ (GA 6, 614, m.Hv.), dass
der Charakter des Geldgeschäfts „auf die Dinge selbst zurückstrahlen“ (ebd., 615,
m.Hv.) müsse, wären nur Versicherung, Suggestion. Aber Simmel geht über bloße
27
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
„Analogieschlüsse über gleiche Entwicklungsreihen der verschiedenen Gebiete“
hinaus, die nach Simmels Kollege und Freund Gustav Schmoller „ein Hauptmittel
seines Beweisverfahrens“ (1901, 17) seien: Zum einen ‚schafft’ das Geld mit einer
Transformation des ökonomischen und sozialen Gefüges neue soziale Charaktere. Der bestimmte Normen unterfütternde materielle Zwang fällt weg, die Lebensorientierung
der Menschen kann sich anders ausrichten. Menschen werden allererst Individuen, sie
können und müssen sich als eigen- und selbstverantwortliche wahrnehmen und betätigen. Dies tun sie als ökonomische Subjekte, als homo oeconomicus. Hier wirkt das
Geld als Zwang, sein Überleben zu organisieren: man muss Geld verdienen, um
sich ernähren zu können.
Zum anderen wirke nach Simmel Geld in den Menschen selber weiter. Dies geht über
Selbsterhaltung hinaus. Geld findet Simmel auch dort noch wieder, wo es nicht als
materieller Zwang vorkommt. Geld bei Simmel wirkt nicht nur im Bewusstsein der
Menschen. Indem es bspw. ihre Zwangshandlungen (Geiz, Verschwendung etc.)
formt, wird das Bewusstsein unterlaufen. Es prägt ihren allgemeinen Weltumgang.
Mit „Weltumgang“ sei das bezeichnet, was Simmel beschreibt: das Denken, die Intentionen, das Verhalten und Handeln der Menschen, ihre Wahrnehmung ihrer
selbst, ihrer Mitmenschen, ihrer Objekte, ihrer Welt im ganzen; „daß die Objektivität
des geldgeprägten Daseins die Entstehung einer Bewußtseinsform nach sich zieht,
die sich in dem Geldmechanismus entsprechenden Denk- und Handlungsweisen
und Gefühlslagen äußert.“ Der Weltumgang hat seinen Entstehungsgrund zwar im
Geld, wirkt aber auch da weiter, wo Geld selber nicht mehr unmittelbar anwesend
ist, „würde also an der Strukturlogik des Geldes partizipieren, ohne unmittelbar,
gegenständlich und real, mit Geld zu tun haben“ (WAGNER 1984, 13).
Für Schmoller blieb unklar, „was nun seine [Simmels] letzte Meinung sei, ob er z.B.
die Schatten- oder Lichtseiten des Geldes überwiegend finde“ (1901, 18). Simmel
benennt eindeutig negative Folgen, er beschreibt ausgiebig „die Verwüstungen des
Geldwesens“ (GA 5, 195), aber er hält fest, dass Freiheit und Unfreiheit sich die
Waage hielten (vgl. GA 6, 542ff.). Was man als „starke[n] Anflug von Pessismismus
da und dort“ (SCHMOLLER 1901, 16) zu erkennen meint, muss nicht per se negativ
gemeint sein. Was für den Leser negativ konnotiert sein könnte, bspw. die „eigentümliche Abflachung des Gefühlslebens“, wird von Simmel mit der Gleichheit der
Menschen als Rechtspersonen als Geldträger, der Leichtigkeit intellektueller Verständigung und der Idee des Weltfriedens in einem Atemzug zu den „positiven
Folge[n] jene[s] negativen Zuge[s] der Charakterlosigkeit“ des Geldes gezählt (GA
6, 595f.). Simmel zeichnet die soziale Logik des Geldes nach, deren Indifferenz einem grausam erscheinen mag, wie er selber über das Verhalten des „rein geldmäßig
interessierte[n] Mensch[en]“ sagte, ist aber nur folgerichtig und rein sachlich (ebd.,
599). Simmel stellt es nicht explizit heraus, aber er formuliert eine Dialektik der
Geldwirtschaft: sie bringt das Individuum hervor und schafft Individualität ab (vgl.
ebd., 126ff.). Sie untergräbt, was sie zu ihrer Bewegung braucht.
Bei Marx ist dies eindeutiger, er vermeidet die beliebte Figur der Analogie, auf die
ich deshalb so dringlich verweise, weil sie in den Texten, mit denen wir uns später
beschäftigen werden, endemisch wird.
Unterm Kapital verändert sich die Stellung der Menschen zu ihrer Gesellschaft wie
zueinander. Damit sie ihren gesellschaftlichen Zusammenhang äußerlich dinglich
vor sich haben und damit sie ihn als äußerlichen wahrnehmen können, müssten sie
aus ihm herausgelöst sein. Alte, feudale Bindungen persönlicher Abhängigkeit gingen unter. Der „gemüthliche Schein“ mag vergehen, wenn die Menschen unabhän-
28
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
gig werden „von besondren, localen, natürlichen, individuellen Beziehungen.“ An
ihre Stelle treten sachliche, unpersönliche, abstrakte Abhängigkeiten „harter und
gemüthloser Geldverhältnisse“ (MEGA II/2, 19f.). Aber dieser „sachliche Zusammenhang ihrer Zusammenhanglosigkeit“ sei, so Marx, „vorzuziehn [...] einem auf
Bluturenge Natur und Herrschafts- und Knechschafts[verhältnisse] gegründet[en]
nur lokalen Zusammenhang“ (MEW 42, 95). Darin bestehe der Fortschritt der
Geldwirtschaft: das Individuum betritt die historische Bühne, der Mensch wird
überhaupt erst Individuum.71
Darüberhinaus schaffen die durch die Produktionsweise bedingten Verkehrsverhältnisse der Menschen auch deren Umgang miteinander und deren objektive Form.
„Die ökonomischen Formbestimmungen bilden eben die Bestimmtheit, worin sie
zueinander in Verkehr treten“ (MEGA II/2, 47). Im gesellschaftlichen Verkehr, der
den „nexus rerum“ bilde, träten sie sich „in der That nur als subjektivirte
Tauschwerthe, d.h. lebendige Equivalente entgegen, Gleichgeltende“ (ebd., 57, vgl.
MEW 42, 166f.). Um die zu tauschenden Produkte als Waren aufeinander zu beziehen, müssten die Individuen sich „wechselseitig als Privateigentümer anerkennen“
(MEW 23, 99f.), „als Personen, deren Willen ihre Waaren durchdringt und wo die
wechselseitige Aneignung durch wechselseitige Entäusserung nur durch ihren gemeinschaftlichen Willen, also wesentlich vermittelst des Contracts, stattfindet.“
Damit trete „das juristische Moment der Person herein“ (MEGA II/2, 56). Die gegenseitig vorhandene Absicht und der Zwang, den unabhängig von den Agierenden gesetzten Tauschwert zu realisieren, setze die adäquaten gesellschaftlichen Verkehrsformen. Der Tausch von Tauschwert sei die „produktive, reale Basis von
Gleichheit und Freiheit“ (MEW 42, 170) und deren „Realisirung“ (MEGA II/2, 59).72
Die gegenseitige Anerkennung, die objektive und objektivierende Form des Vertrags und die freiwillige Transaktion sicherten Gewaltlosigkeit, Gleichheit und Freiheit der Vertragspartner. Diese Voraussetzungen und seine Erscheinungen würden
theoretisch nachbearbeitet und systematisiert. „Reproducirt in andren Potenzen“
würden sie „entwickelt in juristischen, politischen und socialen Beziehungen“ (ebd.,
60).73
Marx zeichnet nicht nur die Genese der gesellschaftlichen Formen nach, innerhalb
derer der empirische Mensch zum Individuum und zum Subjekt geformt wird,
sondern auch die Wahrnehmung, welches die Subjekte der bürgerlichen Gesellschaft von dieser haben. Deren Übermächtigkeit und Bedrohlichkeit ist real und
Schein: die Gesellschaft der Individuen tritt diesen fremd, mächtig und selbständig
entgegen – diese Verselbständigung ist aber Ergebnis der Art und Weise, wie diese
Individuen sich und ihre Arbeiten gesellschaftlich aufeinander beziehen. Wie alle
Gesellschaften, so sei auch die bürgerliche Gesellschaft ihren Subjekten vorgängig.
Sie „schließt eine Masse Voraussetzungen ein, die weder aus dem Willen des Individuums hervorgehn, noch aus seiner unmittelbaren Natürlichkeit, sondern aus geschichtlichen Bedingungen und Verhältnissen, wodurch das Individuum schon sich
71
Zur Auflösung früherer Verhältnisse und der Freisetzung des Individuums und die Reflexion darauf bei antiken
Autoren vgl. R.W. MÜLLER 1981, 118-137 und 258-335, im Spätmittelalter MENSCHING 1992, 129-138, zur Bestätigung der Form Person über Eigentum und die es sichernden Rechtsverhältnisse vgl. KNIEPER 1981 a und
1981 b.
72
„Was würde aber old Hegel sagen, wenn er erführe, daß das Allgemeine im Deutschen und Nordischen nichts
bedeutet als das Gemeinland, und das Sundre, Besondre, nichts als das aus dem Gemeinland ausgeschiedne Sondereigen? Da gehen doch verflucht die logischen Kategorien aus ‚unsrem Verkehr’ hervor“ (Brief Marx an Engels, 25.03.1868, MEW 32, 52).
73
Hiervon ausgehend weiterentwickelt zu einer kritischen Rechtstheorie wurde dies zuerst und einzig von Eugen
Paschukanis (2003); zu Marx und Paschukanis vgl. außerdem KOSTEDE 1980, 140-163.
29
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
gesellschaftlich, als durch die Gesellschaft bestimmt findet.“ Hier aber würden diese
gewordenen Voraussetzungen „als Naturnothwendigkeit“ wahrgenommen (ebd.,
50f.). Die bürgerliche Gesellschaft sei die Realisierung einer Zwischenform von
Freiheit. Die Menschen seien „weder subsumirt [...] unter ein naturwüchsiges Gemeinwesen, noch andrerseits [haben sie] als bewußt Gemeinschaftliche das Gemeinwesen unter sich subsumir[t]“ (ebd., 54). Die Bewegung des gesellschaftlichen
Prozesses gehe immer von den Menschen aus, die von diesem Prozess als Individuen konstituiert würden, die „Totalität des Prozesses“ erscheine „als ein objektiver
Zusammenhang, der naturwüchsig entsteht“, weil er „weder in ihrem Bewußtsein
liegt noch als Ganzes unter sie subsumiert wird.“ Die Menschen selber, „ihr eignes
Aufeinanderstoßen, produziert eine über ihnen stehende, fremde gesellschaftliche
Macht“ (MEW 42, 127). Die Menschen verfolgen ihre Geschäfte innerhalb der vorgegebenen Bahnen, und „gleichsam hinter ihrem Rücken“ (ebd., 151), bewusstlos
und intentionsjenseitig, geschehe etwas anderes.74 Ohne es zu wissen, reproduzierten sie ein gesellschaftliches System und dessen Effekte, die nicht in ihren Intentionen liegen. Sie müssten es auch nicht wissen. „Jeder kann Geld als Geld brauchen,
ohne zu wissen, was Geld ist.“ Die Verselbständigung der Verhältnisse sei Voraussetzung für die Bewusstlosigkeit der Subjekte gegenüber den Verhältnissen, die sie
hervorbringen und von denen sie bestimmt würden und förderte diese noch. „Sie
sind in Verhältnisse gesetzt, die ihren mind bestimmen, ohne daß sie es zu wissen
brauchen“ (MEW 26.3, 163). Die Subjekte bildeten dann blind diese Form der Vergesellschaftung ab und reproduzierten diese begrifflich.
„Sie wissen das nicht, aber sie tun es“: „indem sie ihre verschiedenartigen Produkte
einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich“ (MEW 23, 88). Die Verwandlung der
wechselseitigen gesellschaftlichen Beziehungen in ein festes, überwältigendes, die
Individuen subsumierendes Verhältnis erscheine im Geld. Seine „Macht erscheint
als ein Fatum“, „als reine Verrücktheit“, als die „Herrschaft des verfluchten Metalls“ (MEGA II/2, 73f.). Zu sagen, das Geld bewirke, mache irgendetwas, mystifizierte
es und reproduzierte den Schein, den es wirft.75 Indem die Menschen dem Wertgesetz unterworfen seien, „setzt sich das Tauschverhältnis als eine den Produzenten
gegenüber äußre und von ihnen unabhängige Macht fest.“ Der Austausch „scheint
[...] von ihnen unabhängig zu werden“ und bringe die „scheinbar transzendentale
Macht des Geldes hervor“ (MEW 42, 81). Die Unabhängigkeit, die Verselbständigung und die Macht wird „scheinbar“ genannt. Was bedeutet „Schein“ und „erscheinen“ hier? Es kann zwei Bedeutungen haben: (1) etwas scheint so und so zu
sein, ist in Wirklichkeit aber anders. Das Tauschverhältnis scheint eine von den Menschen unabhängige Macht zu sein, ist aber in Wirklichkeit von ihnen hervorgebracht. (2) kommt etwas zur Erscheinung, wird sichtbar. Im Geld wird die Verrückt74
„Der Witz der bürgerlichen Gesellschaft besteht ja eben darin, daß a priori keine bewußte gesellschaftliche Regelung der Produktion stattfindet. Das Vernünftige und Naturnotwendige setzt sich nur als blindwirkender Durchschnitt durch“ (Brief Marx an Ludwig Kugelmann, 11.07.1868, MEW 32, 553). Das Kapital habe „keineswegs
ein Bewußtsein über die Natur seines Verwertungsprozesses“ und „nur in Krisen ein Interesse“, „ein Bewußtsein
darüber zu haben“ (MEW 42, 288), weil der Prozess sich dann gegen es kehrt. Die Nationalökonomen haben die
gesellschaftlichen Widersprüche „also solche ausgesprochen, obgleich nicht begriffen“ (ebd., 314).
75
Das Problem, den Sachverhalt richtig auszudrücken, begegnet einem auch da, wo Geld kritisiert und der Geldmythos abgebaut werden soll. „Das Geld begann also“, so schreibt bspw. Volker Stamm in seiner historischen
Studie, „die Arbeit zu reglementieren und die gesellschaftlichen Institutionen zu vereinheitlichen (1982, 77).
Stamm beschreibt folgend die „rationale Anordnung der Menschen“ (vgl. ebd., 77-103), d.h. die repressive Armenpolitik und die Durchsetzung der Zeitökonomie (vgl. ebd., 107-131) zu Beginn der Neuzeit. Das Geld selber
macht also gar nichts, sondern der späte feudale Staat. Es wird aber immer so ausgedrückt. Ist dies nur ein laxe
Redeweise oder ist es eine Gedankenlosigkeit, die dem Geld bereits auf den Leim gegangen ist?
30
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
heit des gesellschaftlichen Verhältnisses sichtbar, spürbar; es wird handgreiflich im
doppelten Wortsinne: es setzt sich gegen die Menschen durch und wird anfassbar.
Wir wenden uns hier dem für dieses Thema bedeutenden Kapitel „Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis“ (MEW 23, 85-98) zu, welches das Erste Kapitel
des Ersten Abschnittes im Kapital abschließt.76 Marx spricht davon, dass das Arbeitsprodukt, „sobald die Menschen füreinander arbeiten“, „eine gesellschaftliche
Form“ annehme. Nimmt es die spezifische gesellschaftliche Form der Warenform
an, so habe es einen „rätselhafte[n] Charakter“, der aus der dieser Form „entspringt“, sei es „voll metaphysischer Spitzfindigkeiten und theologischer Mucken.“
Worin besteht das Rätselhafte? Und woher kommt es?
Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche
Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften
dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches
Verhältnis von Gegenständen.
Hierin steckt zweierlei. (1) Der gesellschaftliche Charakter der Arbeit (der
Tauschwert) werde „zurückgespiegelt“ als Eigenschaft der Arbeitsprodukte selbst,
d.h. dass der Gegenstand, wie er ist, von seiner natürlichen Beschaffenheit her, den
Tauschwert zu tragen scheine. Eine gesellschaftliche Eigenschaft werde als natürliche Eigenschaft verkannt. Das (2) kennen wir schon: infolgedessen werde auch das
Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit „zurückgespiegelt“ als ein außer ihnen liegendes Verhältnis. Marx variiert dies noch:
Dagegen hat die Warenform und das Wertverhältnis der Arbeitsprodukte, worin
sie sich darstellt, mit ihrer physischen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt (ebd., 86).
(1) Die Form der Arbeitsprodukte, Ware zu sein, sowie ihr Wertverhältnis seien
nichts, was dem Arbeitsprodukt an sich anhafte, als Ding mit bestimmten Gebrauchseigenschaften. (2) Das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft nehme die Form eines Verhältnisses von Dingen an.
Dies nennt Marx den „Fetischcharakter der Warenwelt“. Er „entspringt [...] aus dem
eigentümlichen gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, welche Waren erzeugt.“
Wie bereits ausgeführt habe dieser gesellschaftliche Charakter seine Eigentümlichkeit darin, dass er nicht von vornherein (von der Organisation der Produktion her)
gegeben sei, sondern sich erst im Nachhinein (wenn sich die Produkte als Waren erfolgreich als Wert haben realisieren können) herstelle.
Da die Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch
ihrer Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere
ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches. Oder die Privatarbeiten
betätigen sich in der Tat erst als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch
die Beziehungen, worin der Austausch die Arbeitsprodukte und vermittelst derselben die Produzenten versetzt.
Dadurch erschienen den Produzenten
76
Dieses Kapitel existiert nur in der Fassung von MEW 23. Ihr folgt meine Darstellung. In der Erstauflage des
Kapital taucht es in ähnlicher, teilweise identischer Form auf (MEGA II/5, 44-51). In den anderen Fassungen der
Kritik der politischen Ökonomie gibt es verstreute Ausführungen zu diesem Themenkomplex. Diese werden zur
Unterstützung herangezogen. Zum Thema Fetischcharakter, Verdinglichung etc. vgl. die systematische Entwicklung anhand des Kapital bei FISCHER 1978, die Begriffs-Übersicht bei ERCKENBRECHT 1976, die allerdings einige
typische Fehler birgt, speziell zum Fetischkapitel besonders WOLF 1985, 205-256.
31
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h.
nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten
selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen (ebd., 87).
Den Produzenten erschienen die gesellschaftlichen Beziehungen als das, was sie seien: als Verhältnisse der Sachen – nicht als unmittelbare Beziehungen der Personen,
weil sie das nicht seien. Wenn Marx sagt, die „Beziehungen der Individuen zueinander erschienen aber als gesellschaftliche Beziehungen der Sachen“ (MEGA II/2, 33),
dann meint „erscheinen“, dass die gesellschaftlichen Beziehungen der Personen sich
selber als solche darstellten, diesen Ausdruck fänden oder sich gäben. Die Subjekte
dieser gesellschaftlichen Beziehungen nehmen diese so wahr, wie diese sich geben,
wie diese sind. Die gesellschaftlichen Beziehungen seien zwar ihre eigenen, d.h. ein
Aufeinanderbeziehen von Menschen, aber sachlich hergestellte, vermittelte. Der
Tauschwert „ist nichts als eine Beziehung der produktiven Tätigkeit der Personen
untereinander“ (MEW 42, 94), und dieser Tauschwert, so sahen wir, erscheine im
Geld, „eine Kristallisation des Tauschwerts der Waren“ (MEW 13, 34). Wenn Marx
sagt, dass es die Tauschwert setzende Arbeit charakterisiere, „daß die gesellschaftliche Beziehung der Personen sich gleichsam verkehrt darstellt, nämlich als gesellschaftliches Verhältnis der Sachen“, wenn er den Tauschwert als ein „unter dinglicher Hülle verstecktes Verhältnis [zwischen Personen]“ bezeichnet (ebd., 21), dann
meint „Verkehrung“ nicht, dass etwas, das eigentlich anders sei, nicht in seiner
wahren Gestalt erscheine und wahrgenommen werde, dass ein Eigentliches unter
täuschenden Schleiern verborgen werde. Diese Verkehrung sei „nicht eingebildete,
sondern prosaisch reelle Mystifikation“ (ebd., 35). 77
Weil ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis sich darstelle „als ein außer den
Individuen vorhandener Gegenstand“ (ebd., 34), werde dem Geld „nicht angesehen
[..], daß es ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis darstellt“ (ebd., 22). Die
Schwierigkeit, Geld zu verstehen, ergebe sich daraus, dass „eine bestimmte Beziehung der Individuen aufeinander als ein Metall, ein Stein, eine rein körperliche Sache“ auftrete, „die als solche in der Natur vorgefunden wird und an der auch nicht
mehr eine Formbestimmung zu unterscheiden bleibt von ihrer natürlichen Existenz“ (MEW 42, 165). Weil ein gesellschaftliches Verhältnis sich an/in einem natür77
Der „Fetischcharakter der Ware“ sorgt für Verwirrung. Interpreten und Exegeten lassen vielerlei Assoziationen, Unterstellungen und unreflektierte theoretische Vorannahmem miteinfließen. Deswegen oben meine ausführliche Textexegese. (1) Der Fetischcharakter wird mit psychoanalytischen Theorien des Fetischismus vermengt, resp. mit deren Vulgärverständnis: (a) es gehe den Menschen nur ums Geld und sie beteten die Waren an
(vgl. ERCKENBRECHT 1976, 77, 93); (b) die Verwertung des Werts sei auf Grund ihres rein selbstzweckhaften
Charakters wie eine obsessive Handlung (vgl. TÜRCKE 2002, 248ff., ADORNO GS 14, 24ff.); (c) die Waren dienten „kraft ihres Fetischcharakters als Köder“ für die Triebe der Menschen als potentielle Käufer (KURNITZKY
1974, 133, vgl. ebd., 133-144. Eine systematische Zusammenstellung und kritische Untersuchung psychoanalytischer Geldtheorien findet sich in BORNEMAN 1973). (2) Die marxistische Orthodoxie erklärt Ideologie weiterhin
einerseits aus der Distanz der Geistesarbeiter von der Produktionssphäre, woraus allerlei ‚abgehobene’ Gedanken
entstünden (vgl. HAUG 1974, 69, GARAUDY 1969, 61, HAUCK 1992, 9f.), andererseits aus Beeinflussung bis Manipulation von Seiten der herrschenden Klasse und konzentriert sich deswegen auf die „ideologischen Mächte“
(vgl. HAUCK 1992, 8-20, HAUG 1993, 46-90, PIT 1979, 7-18) und „Apparate“ (vgl. ALTHUSSER 1973, PIT 1979,
105-129), also mit der Distribution von Ideologie, nicht mit deren Entstehung. Beschäftigt sie sich doch mit dem
Fetischcharakter, versteht sie unter „Schein“ eine Täuschung, die man auf ihren eigentlichen Grund zu durchdringen habe. (3) Dies passiert auch der Non-Orthodoxie des „westlichen Marxismus“: eigentlich sei das gesellschaftliche Verhältnis eines von Menschen und ihren arbeitsteilig aufeinander bezogenen Tätigkeiten, was nur
verschleiert sei. Desweiteren lässt man dies auch mit einer Interpretation von objektivem Schein nebeneinander
herlaufen, offenkundig ohne dies zu merken. (So bei LUKÁCS 1968, 170ff, KOFLER 1975, 31ff, EAGLETON 1993,
100ff.) (4) Dient die Theorie vom Fetischcharakter als Grundlage für die allgemeine Erklärung von ideologischen
Naturalisierungen gesellschaftlicher Verhältnisse in verschiedenen Bereichen. Zum Problemzusammenhang vgl.
KETTNER 2002.
32
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
lichen Gegenstand darstelle, werde zum einen das gesellschaftliche Verhältnis verdinglicht (d.h. zum Ding gemacht) und es zum anderen naturalisiert. Tauschwert
erscheint so „als gesellschaftliche Naturbestimmtheit der Gebrauchswerte, als eine
Bestimmtheit, die ihnen als Dingen zukommt“ (MEW 13, 22).78
Wir finden hier also Erklärungsgründe für Ideologiebildung – und zwar für spontane, naturwüchsige Ideologiebildung jenseits von Beeinflussung und Manipulation.
Wir finden hier zwei verschiedene Weisen, wie gesellschaftliche Verhältnisse Bewusstsein bilden und wie Bewusstsein sich in Verarbeitung gesellschaftlicher Verhältnisse bildet.
(1) Der Fetischcharakter ist die korrekt-naive Abbildung von verdinglichten, d.h.
zum Ding gewordenen historisch gewordenen gesellschaftlichen Verhältnissen,
auf deren Grund nicht mehr reflektiert wird, weil ihr Grund in ihrer Darstellungsform verschwunden ist. Die Art und Weise, wie gesellschaftliche Verhältnisse sich qua ihrer widersprüchlichen Konstituiertheit darstellen müssen,
bringt ihre eigene Verschleierung hervor.
(2) Die Art und Weise, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse den Subjekten gegenüber erscheinen und wirken, wird von diesen Subjekten ihrerseits bearbeitet
und gedeutet. So wird bspw. die Übermächtigkeit und Verselbständigung in die
selbständige Existenz und Herrschaft religiöser und philosophischer Ideen umgesetzt.79 Desweiteren aber werden auch die Verkehrsformen, in die die Subjekte
gesetzt sind, in theoretische Systeme gefasst und jene dabei verkannt.
Letzteres wollen wir zum Schluss ausführen, indem wir auf Proudhon et al. zurückkommen.
Wie oben ausgeführt, sei die Zirkulationssphäre der reale und produktive Grund
für die Subjektform des Menschen und für die Ideale von Freiheit und Gleichheit.
Marx bezeichnet sie als ein „wahres Eden der angebornen Menschenrechte“ (MEW
23, 189). Das, was die Zirkulationssphäre aber ausmache, das Gleich um Gleich der
Äquivalente und somit die Existenz von Tauschwert, setze „andre verwickeltere und
mehr oder minder mit der Freiheit und Unabhängigkeit der Individuen collidirende
Productionsbeziehungen“ (MEGA II/2, 52) voraus, nämlich das System der Lohnarbeit und der entfremdeten Arbeit in der Produktionssphäre. Die Zirkulationssphäre sei so der „oberflächliche Prozeß, unter dem aber in der Tiefe ganz andre
Prozesse vorgehn, in denen diese scheinbare Gleichheit und Freiheit der Individuen
verschwindet“ (MEW 42, 173). Auch dieser Schein sei ein Schein, der real ist. Zirkulations- und Produktionssphäre seien Momente eines übergreifenden gesellschaftlichen Verhältnisses, die aufeinander angewiesen seien. Was in der Produktionssphäre hergestellt wird, müsse notwendig in der Zirkulationssphäre umgesetzt werden;
damit die Zirkulationssphäre funktioniert, müsse in der Produktionssphäre latenter
Tauschwert produziert worden sein. In der Zirkulationssphäre seien Freiheit und
Gleichheit ebenso real wie in der Produktionssphäre unreal. Freiheit und Gleichheit
der einen hingen mit der Unfreiheit und Ungleichheit der anderen zusammen und
verwiesen aufeinander.
Proudhon aber sei „der Kleinbürger, der in der Form der Warenprodukton das nec
plus ultra menschlicher Freiheit und individueller Unabhängigkeit erblickt“ (MEGA
II/2, 40). Proudhon et al. aber wollten die bürgerlichen Ideale verwirklichen, woll78
Auch um diese verfestigte Mystifikation besser auflösen zu können, durchläuft Marx die Analyse der Warenform und der verschiedenen Wertformen. „In der Ware ist diese Mystifikation noch einfach“ (MEW 13, 22).
„Das Rätsel des Geldfetischs ist daher nur das sichtbar gewordene, die Augen blendende Rätsel des Warenfetischs“ (MEW 23, 108).
79
Vgl. MEW 42, 97f.
33
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
ten „demonstrieren, daß der Austausch, der Tauschwert etc. ursprünglich (in der
Zeit) oder ihrem Begriff nach (in ihrer adäquaten Form) ein System der Freiheit und
Gleichheit aller sind, aber verfälscht worden sind durch das Geld, Kapital etc.“
(MEW 42, 174, vgl. MEGA II/2, 61). Die Störungen aber, die zwischen Ideal und
Realität aufträten, seien notwendig und dem System immanent. Proudhon et al. säßen dem Schein auf, den die Gesellschaft, die sie zu kritisieren meinen, werfe, reproduzierten diesen und trieben ihn noch voran. Sie hätten vor, „die Gesellschaft
auf einer Basis rekonstituieren zu wollen, die selbst nur der verschönerte Schatten
der Gesellschaft ist“ (MEW 4, 105).80
II.) Geld als philosophischer Gegenstand
Geld als philosophischer Gegenstand heißt in diesem Kapitel nicht, dass Geld zu einem
Gegenstand der Beschäftigung für die Disziplin Philosophie wird, sondern dass
Geld ein Gegenstand ist, der an sich philosophisch ist. Zunächst geht es darum, wie
Geld auch wissenschaftliche Disziplinen zur ‚Philosophie’ nötigt, die sich selber fern
von ihr verorten. Im Anschluss beschäftigen wir uns mit Ansätzen, die Geld (und
Wert und Kapital) zur Grundlage oder zum Ersatz für Philosophie erklären.
II.1.) Geld nötigt zur Philosophie
II.1.1.) Nationalökonomie
Philosophie und Nationalökonomie reden unterschiedlich übers Geld. Lassen wir
zum Einstieg einen philosophischen Klassiker zu Wort kommen. Hegel bestimmte
den Wert als die „Allgemeinheit“ der „konkreten Bedürfnisse“, „die Gleichheit derselben.“ „Dieser Wert selbst als Ding ist das Geld“ (Jenaer Systementwürfe III, 207). Er
erhalte „bei dem Austausche mannigfaltige Gestalten [..], ob er gleich an sich derselbe ist“ (Enzyklopädie, § 486). Wenn er das Geld als der „materielle, existierende
Begriff, die Form der Einheit oder der Möglichkeit aller Dinge des Bedürfnisses“,
der, als „Ding“, „als Allgemeines alle vorstellt“ (Jenaer Systementwürfe I, 230),81 beschreibt, dann muss dies der Nationalökonomie als ‚metaphysischer Unsinn’ erscheinen.
In den Lehrbüchern der Volkswirtschaft wird Geld kurz formal über seine Funktionen bestimmt. Es gibt hier (1) die Funktion als Tausch- und Zahlungsmittel. Geld
diene als allgemeines Tauschmittel für die Transaktion von Ware gegen Ware und
ermögliche so die moderne arbeitsteilige Wirtschaft. (2) diene Geld als Wertaufbewahrungsmittel und ermögliche so Geldhaltung, Vorrat und Liquidität. (3) diene es
als Recheneinheit. Der Marktwert der einzelnen Waren werde in einem Standardgut
ausgedrückt.82 Was aber Geld ist und was das ist, was es aufbewahre: Wert, das
80
Sie wollen „das überflüssige Geschäft vornehmen [...], den ideellen Ausdruck selbst wieder realisieren zu wollen, da er in der Tat nur das Lichtbild dieser Realität ist“ (MEW 42, 174).
81
Weitere Beispiele: „der Wert“ sei das, „in welchem die Vertragsgegenstände bei aller qualitativen äußeren Verschiedenheit der Sachen einander gleich sind, das Allgemeine derselben“ (Rechtsphilosophie, §77), sei „das innere Gleiche von Sachen, die in ihrer Existenz spezifisch ganz verschieden sind, ist eine Bestimmung, [...] wodurch
die Vorstellung aus der unmittelbaren Beschaffenheit der Sache in das Allgemeine hinübergehoben wird.“ (ebd.
§101).
82
Vgl. ISSING 2001, 8ff., ebenso die Artikel „monetäre Theorie“, „Geldfunktionen“, „Rechenmittelfunktion des
Geldes“, „Tauschmittelfunktion des Geldes“ und „Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes“ in GABLERS
WIRTSCHAFTSLEXIKON, in HANDWÖRTERBUCH DER SOZIALWISSENSCHAFTEN Bd. 4, 232ff. und Artikel „Geld“ in
LEXIKON DER WIRTSCHAFTSETHIK, 331ff.
34
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
bleibt unbeantwortet. Das Versagen von Soziologie und Nationalökonomie vor ihren ureigenen Gegenständen, sowie ihre Versuche, in Formalisierungen und Mathematisierungen auszuweichen, wurde vielerorts konstatiert.83 Rudolf W. Müller
hat es so zusammengefasst:
Bei den Versuchen zur Erklärung des Geldes kann man drei Hauptrichtungen unterscheiden. Erstens jene Theorien, die das Geld wesentlich durch Übereinkunft
bzw. Vertrag oder staatlichen Akt begründet sehen (Konventions- bzw. nominalistische Theorien). Zweitens die Theorien, die das Geld aus seiner Leistung zu erklären
versuchen (Funktionstheorien). Drittens die Theorien, die das Geld wesentlich als
Geldware (vor allem Gold, daher auch ‘Metallismus’) auffassen (Warengeldtheorien). Regelmäßig wird dabei an eine bestimmte Funktion des Geldes angeknüpft.
Bei den nominalistischen Theorien wird meist seine durch Staatseingriff garantierte Funktion als Tauschmittel (staatliches Münzprivileg) oder seine Funktion als
Zahlungsmittel (staatlich normierte und durchgesetzte Sanktion bei der Schuldeneintreibung) beachtet. Bei den Funktionsgeldtheorien wird vor allem von der
Funktion des Geldes als Tauschmittel ausgegangen. Bei den Warengeldtheorien
steht die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel oder als Wertmesser im Vordergrund. Die übrigen Funktionen werden von der Hauptfunktion abgeleitet oder gelten nicht als eigene Funktion. Trotz jahrhundertelanger Bemühungen gibt es also
keine allgemein anerkannte Grundlagen der Geldtheorie; nur eine relative terminologische Einheitlichkeit bei der Unterscheidung der verschiedenen Geldfunktionen hat
sich ergeben (1981, 71).
Mit der bloßen Feststellung der Funktionen geht man immer noch – implizit oder
explizit – von einer Neutralität des Geldes aus. Warum es nötig ist, jenseits seines
praktisch-instrumentellen Charakters, warum es nicht einfach substituiert wird,
bleibt unbegreiflich. „Das Geld ist somit in jeder Hinsicht Fremdkörper, - in der
Wirtschaft wie in der Wissenschaft von ihr“ (SCHELKLE 1995, 39). Seit Marxens Befund hat sich also nicht viel getan. Der Zusammenhang von Wert- und Geldtheorie
ist ein äußerlicher. „In der Werttheorie ist Geld nicht zu finden, sie kommt weiterhin ohne Geld aus“, so dass „die Nationalökonomie [...] die Normen verletzt, unter
denen sie angetreten ist.“ Wie Marx stellt Hajo Riese fest, dass es der Nationalökonomie „in ihrer zweihundertjährigen Geschichte als Werttheorie [...] nicht gelungen
[ist], Geld in die Werttheorie zu integrieren. [...] Aber allein eine derartige Werttheorie klärt die Geldfunktion“ (RIESE 1995, 46). Damit ist „die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie in ihrer Grundintention nicht als überholt zu betrachten. Denn wie
sollte die Volkswirtschaftslehre etwas überholt haben, was sie schlicht übergeht!“
(WAGNER 1984, 46). Zwar sei Geld die Form des Werts, aber wovon es Form sein
soll, was sein Inhalt, das bleibt unerklärt. Zwar sei Geld Träger von Werteinheiten,
aber wie man vom Wert zum Geld kommt, kann theoretisch nicht ausgewiesen
werden.
Nicht wenige Theoretiker der Nationalökonomie sind auf und an die Grenzen ihrer
eigenen Wissenschaftsdisziplin gestoßen und gestanden ihre Irritationen ein. Die
Einsicht, „daß die traditionelle Ökonomie bis heute über keine Geldtheorie verfügt,
die – nach ihren eigenen Standards! – den Status einer wissenschaftlichen Theorie für
sich beanspruchen kann“ (SCHELKLE 1995, 36), ist weit verbreitet. Weiter als Joseph
A. Schumpeter und Knut Wicksell, die lapidar bemerken, dass keine ökonomische
Theorie des Geldes vorliege (vgl. BACKHAUS 1997 g, 306), weiter noch als Hajo Riese
83
„[D]ie herrschende Wissenschaft vom Geld [kann] bis heute keinen wissenschaftlichen Status beanspruchen“
(SCHELKLE 1995, 13). Für die Nationalökonomie vgl. bspw. BACKHAUS 1985, 1997 k, 2002, RIESE 1995,
SCHELKLE 1995 und WAGNER 1984, 18-26, für die Soziologie das Resümee in HEINEMANN 1987, WAGNER 1984,
27-43, DEUTSCHMANN 2001, 16-28, 36-61 (über Parsons), 62-66 (über Parsons und Habermas), 67-79 (über
Luhmann). Laut Deutschmann verdränge die Soziologie das Geld (vgl. ebd., 26, 35).
35
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
und Hans-Peter Ipsen, die von ihrer Disziplin wissen, dass diese nicht weiß, was
Geld ist (vgl. BACKHAUS 1997 a, 22f.), weiter als Joan Robinson, für die die nationalökonomischen Grundbegriffe letztlich unerklärlich bleiben (vgl. BACKHAUS 1997 h,
348), – weiter noch geht Georg Friedrich Knapp, indem er die Unmöglichkeit einer
Definition des Geldes konstatiert.
Eine wirkliche Definition des Zahlungsmittels dürfte schwerlich zu geben sein;
ebenso wie man in der Mathematik nicht sagen kann, was eine Linie oder was eine
Zahl ist [...]. Wenn man etwa sagen wollte: Zahlungsmittel ist [...] Trägerin von
Werteinheiten, – so wäre das ganz in unserem Sinne [...]. Aber es sei ferne, dies als
eine Definition auszugeben; denn dabei wird die Werteinheit als eine selbstverständliche Vorstellung behandelt – was sie gar nicht ist (zit.n. BACKHAUS 1997 h,
352).
Die Nominaldefinition des Geldes bezeichne „lediglich eine Chiffre“, deren Benanntes im Dunkeln bleibt. Die Funktionen, die Vermögen des Geldes, die es erst zu erklären gäbe, sind auch in formaler Nominaldefinition stets mitgedacht (vgl. ebd.,
353). Geld als ‘Messer’ oder ‘Aufbewahrer’ von Wert gibt Rätsel auf, denn, so der
Nationalökonom Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, „wer soll da eigentlich messen,
wann soll es geschehen, und was in aller Welt soll da erst aus einer Messung hervorgehen?“ (GOTTL 1923, 43). Friedrich Bendixen spielt das der Nationalökonomie
eigentümliche begriffliche Ausweichen durch: Geld sei ein „Zahlungsmittel“. Aber
was ist damit über Geld ausgesagt? „In Wahrheit sagt man damit nur beschreibend
etwas aus über die Funktion einer Sache.“ Wenn man sagt, „Zahlungsmittel ist ein
Ding, das sich zur Zahlung verwenden läßt“, so bleibt die Frage: „was ist Zahlung?“ „Zahlung“, so lautet die übliche Antwort der Nationalökonomie, sei eine
„jede Übertragung von Werteinheiten.“ „Wir werden dann gedrängt zu der Frage:
Was heißt Werteinheit?“ (1920, 129). Ebenso fragt Alfred Amonn danach, was
das eigentlich sei: Wert, was dort ‚gemessen’ werden soll (vgl. BACKHAUS 1997 g,
314). Das, was den Wert ‚aufbewahren’ soll, das Geldstück, erweist sich bei näherer
Betrachtung gar nicht als mit sich selbst identisch. Im Grunde, so Paul Kehl, sei es
immateriell, geistiges Objekt (1951/52), und, noch darüberhinaus, so Eduard Lukas,
die daseiende Existenz einer Abstraktion (vgl. BACKHAUS 1997 g, 304f.).
Damit gerät die Nationalökonomie in die Bedrängnis, dass sie Wert und Geld als
Objekte wahrnehmen muß, die ihren theoretischen Rahmen, den naturwissenschaftlichen Objektbegriff und die Grundlage der Verifizierung resp. Falsifikation von
Hypothesen durch Erfahrung überschreiten. So weiß Friedrich Jonas nicht nur, dass
die Problemstellungen der Nationalökonomie deren wissenschaftlichen Erfahrungsrahmen überschreiten, sondern auch, dass zwischen einer in Modellen ausgesponnenen Theorie („Modellplatonismus“) und der Realität, auf die sie nicht nur bezogen werden, sondern die sie konstitutiv erklären sollen, ein Abgrund klaffe (vgl.
BACKHAUS 1997 h, 339). Auch Schumpeter muß eingestehen, dass bspw. die nationalökonomische Verteilungstheorie nicht auf empirischer Basis beruhe (vgl.
BACKHAUS 1997 j, 441). In seinem erst posthum veröffentlichten und unvollendet
gebliebenen Werk Das Wesen des Geldes gesteht er, dass die empirische Analyse nur
Oberflächenphänomene erfasse, die ein eigenes Wesen, einen eigenen Sinn haben
(vgl. BACKHAUS 1985, 36f.). Ökonomietheoretiker, die nach den Prämissen des Kritischen Rationalismus Wissenschaft betreiben wollten, mussten die Unvereinbarkeit
von Kritischem Rationalismus und ökonomischer Theorie eingestehen (vgl. ebd.,
27ff. und 33ff.).
Nicht nur durch solche Feststellungen wird die Nationalökonomie in den Bereich
der ‚Metaphysik’ gedrängt. Carl Menger konstatiert, dass beim Phänomen des Wer-
36
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
tes ein eigentümliches Paradox vorliege: einerseits sei es ein subjektives Urteil, andererseits aber trete der Wert dem Subjekt objektiv entgegen (vgl. BACKHAUS 1997
k, 452). Laut Friedrich Wieser sei der Wert im strengen Sinne weder streng physisch
(auf der Objektseite) noch streng psychisch (auf der Subjektseite) zu verorten; er sei
keines von beiden, zwischen ihnen oder darüber (vgl. ebd., 454). Im Gegensatz zu
seinem Frühwerk vermerkt Schumpeter in seinen späten Schriften, dass die Wertmengen an den Produkten ‚haften’, und Eugen Böhm-Bawerk kommt nicht umhin,
von der „Tauschkraft“ als der „Eigenschaft“ eines Gutes zu sprechen (vgl. ebd.,
453).
II.1.2.) Simmel
Werttheorie
Diese Probleme der Nationalökonomie lassen sich auch in der Philosophie des Geldes
finden. Simmel trägt diese Probleme aus, trotzdem werden diese in der Literatur
kaum erwähnt. 84
Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Philosophie und Nationalökonomie hervorgehende und sich langsam institutionalisierende Soziologie setzte sich v.a. mit
Marx’ Werk und dem Marxismus auseinander. So auch Simmel. Er kritisierte die
Marxsche Werttheorie – wenngleich sie ihm die „philosophisch interessanteste“
(GA 6, 564) ist –, weil er sie als objektive Arbeitswertlehre versteht. Seine Kritik ist
einzuordnen in die zu seiner Zeit übliche Auseinandersetzung der bürgerlichen
akademischen Wissenschaft mit dem Marxismus und der sozialistischen Bewegung.
Simmel bestimmt sein Verhältnis zum Marxismus. Er habe vor,
dem historischen Materialismus ein Stockwerk unterzubauen, derart, daß der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der geistigen Kultur ihr Erklärungswert gewahrt wird, aber eben jene wirtschaftlichen Formen selbst als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strömungen, psychologischer, ja, metaphysischer Voraussetzungen erkannt werden (GA 6, 13).
Eine Wirkung der ‚gesellschaftlichen Basis’ auf ‚Überbauphänomene’ wird grundsätzlich anerkannt, nicht aber ein Primat der Ökonomie. Stattdessen geht er von einer „Wechselwirkung“ aus. Es ist gleich, ob Simmel damit dem Marxismus „versöhnlich[.]“85 gegenüberstand, wie Soziologen meinen oder ob dies Zeugnis einer
„Frontstellung gegen den Marxismus“ ist, wie von marxistischer Seite behauptet
wird.86 Simmel versteht unter Marxismus eine Lehre von Basis und Überbau, d.h.
von Ökonomie vs. ideeller Überbau, d.h. von Produktion vs. Ideen, Politik, Vorstellungen. Es ist nicht zu leugnen, dass er damit den Marxismus trifft, der aus Die deutsche Ideologie eine materialistische Weltanschauungslehre schuf. Simmels Beurteilung von Marxismus und Sozialismus lässt sich sowenig wie seine Darstellung und
Kritik der Marxschen Werttheorie/-kritik auf ein gründliches Studium der Marxschen Schriften zurückführen. Er setzt sich mit den Interpretationen und mit der sozialistischen Bewegung seiner Zeit auseinander, resp. nimmt deren Argumentation
auf.87 So bestehe laut Simmel das „soziale[.] Ideal“ des Sozialismus in der Sicherung
84
Weder die Studie von Paschen von Flotow (1995), noch die von David P. Frisby (1984) oder Friedrich Pohlmann (1987) thematisieren sie; nur Hans-Georg Backhaus (1985, 1-22) spürt sie zielsicher auf.
85
DAHME 1993, 55f., ähnlich RAMMSTEDT 1993, 35f.
86
Vgl. BRINKMANN 1974, 62 sowie v.a. LUKÁCS 1962, 389f., 392, 394f. und 397.
87
„Die Kritik der politischen Ökonomie war zu Lebzeiten Marxens kaum diskutiert worden. Eine Auseinandersetzung setzte erst richtig in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts ein, ausgelöst durch kritische Beiträge der bürgerlich-akademischen Ökonomie zu den Problemen der Reproduktionsschemata, der qualifizierten Arbeit und der
37
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
quantitativ ausreichend materieller Versorgung,88 weswegen er auf „die restlose Beherrschung der Produktion durch den Verstand, den Willen, die organisierende Berechnung des Menschen“ ziele (GA 6, 478), auf die „Rationalisierung des Lebens gerichtet, auf die Beherrschung seiner zufälligen und einzigartigen Elemente durch
die Gesetzmäßigkeiten und Berechnungen des Verstandes“ sei (ebd., 469). Durch
„das Ausschalten aller Zufälligkeit [...] der Lebenselemente“ (ebd., 479), durch die
allgemeine Tendenz zur Nivellierung (ebd., 603), sowie zur Normierung, durch „besonders starke Neigungen zu symmetrischen Konstruktionen der Gesellschaft“
(ebd., 682), bzw. zu „zentralistische[n] Tendenzen“, wiederhole „der sozialistische
Staat“ „die Organisation der Fabrik in erweitertem Maße“ (ebd., 687f.), – kurz: mache sich der Sozialismus zum Vollstrecker der Logik der Geldwirtschaft,89 zu der er
eigentlich in Gegensatz stehen sollte.
Hinsichtlich der Werttheorie gibt Simmel die seinerzeit übliche Auseinandersetzung
der Nationalökonomie mit Marx’ Kritik der politischen Ökonomie wieder.90 Laut
der „Arbeitstheorie des Werthes“ (GA 5, 421) erzeuge Arbeitskraft Wert, die, vom
Menschen erzeugt, auf ein natürliches Material zur Verfertigung eines Produkts angewandt werde. Die Arbeitskraft sei das, was der arbeitende Mensch verausgabe;
sie werde reproduziert durch die Unterhalts-, d.h. Lebensmittel.
Simmel bringt das Problem der objektiven Wertlehre, die Notwendigkeit des Geldes
nicht ausweisen zu können, wie Marx auf den Punkt:
Wenn die Arbeit so die letzte Instanz ist, auf die alle Wertbestimmung der Objekte zurückzugehen hat, so ist es eine Unangemessenheit und ein Umweg, sie ihrerseits erst
an einem Objekte von fremder Provenienz, wie das jetzige Geld es ist, zu messen;
vielmehr müßte man dann allerdings eine Möglichkeit suchen, die Arbeitseinheit ganz
rein und unmittelbar in einem Symbol auszudrücken, das als Tausch- und Meßmittel,
als Geld fungierte (GA 6, 565).
Ausführlicher kritisiert er die Vulgarismen der Arbeitsgeldlehre. Indem sie Arbeit
als gemeinsamen Nenner des Warenwerts bestimme, müsse sie alle verschiedenen
Arbeiten auf eine Arbeit reduzieren, mit der man „die generelle, qualitative Einheit
[hätte], auf Grund deren alle Werthverhältnisse zwischen den Ergebnissen menschlicher Täthigkeit rein quantitativ, durch ein bloßes Mehr oder Weniger, auszudrükken wären“ (GA 5, 424). Dies erscheint Simmel aus zwei Gründen problematisch. (1)
sei „der allgemeine Begriff der Arbeit“ eine „sehr künstliche[.] Abstraktion“ (GA 6,
574). Der gemeinsame Nenner könnte aber durchaus noch gefunden werden, womit
jedoch nicht Problem (2) gelöst wäre: dass „keine Arbeit rein physisch“ (ebd., 576)
sei. Unter der allgemeinen Arbeit der marxistischen Arbeitswerttheorie werde vorzugsweise „Muskelarbeit“ verstanden: „sie sucht einen Arbeitsbegriff, der für Muskelarbeit und geistige Arbeit gleichmäßig gilt, und mündet dabei tatsächlich auf der
Muskelarbeit, als dem primären Werte oder Wertproduzenten“ (ebd., 565). Am
Wert-Preis-Transformation. Sie befaßte sich mit dem Reproduktionsproblem und dem Problem der Werttheorie
überhaupt. Die innersozialdemokratischen Debatten folgten diesen Vorgaben in teils affirmativer, teils in modifizierender und teils in kritischer Weise“ (BEHRENS 1993, 129; s. dort auch weitere Literatur). Zur Rezeption resp.
Nicht-Rezeption der Kritik der politischen Ökonomie in der Nationalökonomie vgl. BACKHAUS 1996, in der
sozialistischen Bewegung vgl. ROJAS 1989, bspw. 253f.
88
Vgl. auch Simmel GA 6, 369, 453, 653.
89
Vgl. auch ebd., 455, 478.
90
Der Philosophie des Geldes voran gingen die Besprechungen des Marxschen Kapital v.a. angeregt nach dem
Erscheinen des durch Friedrich Engels herausgegebenen dritten Bandes im Jahre 1895. Von Werner Sombart erschien 1894 Zur Kritik des ökonomischen Systems von Karl Marx in Band 7 des Archiv für soziale Gesetzgebung
und Statistik und von Eugen von Böhm-Bawerk zwei Jahre später in Staatswissenschaftliche Arbeiten. Festgaben
für Karl Knies der lange Aufsatz Zum Abschluß des Marxschen Systems. Wie bis heute üblich wurde Marx auf
Ricardo abgebildet, die Vorstellung gleicher (abstrakter) Arbeit kritisiert und auf das Transformationsproblem
(wie wird aus Wert Preis?) abgehoben.
38
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Grundtyp der Verrechnung der Waren nach verausgabter Arbeitsleistung – wenn er
sie auch für „eine wissenschaftliche Utopie“ (ebd., 576) hält – will Simmel nicht rütteln, nur den parteilich proletarischen Charakter der Bestimmung der allgemeinen
Arbeit etwas ändern, sprich ergänzen. Nicht nur, dass geistige Arbeit in jegliche
körperliche Arbeit eingehe; nicht nur, dass durch die Ausbildungszeit für qualifizierte Arbeit geistige Arbeit in erheblichem Ausmaß in einem Menschen und seiner
körperlichen Arbeit kondensiert sei; d.h. daß beide so sauber voneinander nicht zu
trennen seien,91 – darüberhinaus könne der Wert der geistigen Arbeit nicht durch
die zu ihrer Reproduktion nötigen Lebens- (und d.h. hier: Nahrungs-) mittel
(„Kraftersatz“ (ebd., 578)) bestimmt werden, da „die geistige Arbeit ihre Vorbedingungen weit mehr in die Gesamtheit des Lebens hin erstreckt und von einer viel
weiteren Peripherie mittelbarer Beziehungen umgeben ist, als die körperliche (ebd.,
579). Die „geistigen Spannkräfte“ bräuchten zu ihrer Ausbildung und Regeneration
ein verfeinertes Leben, ein entsprechendes kulturelles Umfeld (ebd., 578).
Alessandro Cavalli weist darauf hin, dass zwischen den oben behandelten Ausführungen aus dem dritten Teil des fünften Kapitels der Philosophie des Geldes mit der
grundsätzlichen Diskussion des Wertbegriffs aus dem zweiten Teil des ersten Kapitels von Simmel „keine klare und ausdrückliche Verbindung hergestellt“ werde
(1995, 159). Zu Beginn der Philosophie des Geldes wird der Wert rein subjektiv begründet, entgegen den objektiven Ansätzen, die eine Erweiterung der Arbeitswerttheorie impliziert. Diese Zwieschlächtigkeit setzt sich bei der Diskussion des Wertbegriffs fort. Nachdem Simmel die objektive Arbeitswerttheorie durch diverse, letztlich nicht vollends nachverfolgbare Faktoren aufgeweicht hat, versucht er, den
Wert, der objektiv erscheint, auf subjektive Bewusstseinsleistungen zurückzuführen. Wert sei keine natürliche Eigenschaft der Dinge. Dass gewertet wird, „als ein
wirklicher psychologischer Vorgang, ist ein Stück der natürlichen Welt“ (GA 6, 24),
die Wertung der Dinge selber aber sei „ein im Subjekt verbleibendes Urteil über sie“
(ebd., 29). Dabei, dass Dinge Wert haben, „handelt es sich nur um den im Bewußtsein von Subjekten lebendigen Wert und um diejenige Objektivität, die in diesem
psychologischen Wertungsprozeß als sein Gegenstand entsteht“ (ebd., 38). Dass die
getauschten Dinge selber – an sich – Wert haben, sei ein Irrtum. Wir „empfinden [..]
Dingen, Menschen, Ereignissen gegenüber, daß sie nicht nur von uns als wertvoll
empfunden werden, sondern wertvoll wären, auch wenn niemand sie schätzte“
(ebd., 35, m.Hv.). Ein objektiver Wert der Dinge sei nichts als Projektion, eine vom
menschlichen Geist vorgenommene Verabsolutierung.92 Die Empfindung, dass Dinge Wert für uns haben, sei das Ergebnis der Distanz des Objekts vom es begehrenden Subjekt (ebd., 34).93 Je größer der Abstand, desto größer sei der Wert. Eine gewisse Häufigkeit müsse auch wertvollsten Dingen vorausgesetzt sein, und Dinge,
die so alltäglich sind, dass man sie gar nicht wahrnimmt, bis sie einem entzogen
werden, scheinen gar keinen Wert zu haben (wie z.B. Luft). Die „Konstituentien des
Wertes“ seien „Brauchbarkeit und Seltenheit“ (ebd., 74), sprich „die Begehrtheit des
Objekts“ (ebd., 75). Nicht nur nimmt Simmel vom Begehren Ausgang, um überhaupt Wert entstehen lassen zu können, sondern Maß des Begehrens und Maß des
Werts sollen in einem Zusammenhang stehen.
91
Vgl. GA 6, 566f., 569f., 573f.
Laut Simmel sei es ein „Grundzug unseres Wesens: das Relative psychologisch zum Absoluten auswachsen zu
lassen“ (GA 5, 216).
93
„Und indem die Größe dieses Abstandes variiert [...], entspringen nun erst jene Unterschiedenheiten der Wertbetonung, die man als subjektive und objektive auseinanderhalten kann“ (GA 6, 38).
92
39
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Was ein Ding wert sein soll, sei aber nicht eine ausschließlich im Denken, im Empfinden des Individuums verbleibende Schätzung - wenngleich Wert nur eine Bewusstseinsleistung sei –, sondern etwas, das für mehrere Subjekte gültig sei.
Schließlich muss auch Simmel der Tatsache Rechnung tragen, dass für alle Produkte
verbindliche, wenngleich in gewisser Oszillation variable Preise gelten. In diesem
Sinne sei der Wert objektiv. „Die subjektiven Vorgänge des Triebes und des Genießens objektivieren sich im Werte“ (ebd., 50). Diese Objektivierung finde im Tausch
statt. „Die Gegenseitigkeit des Sichaufwiegens, vermöge deren jedes Objekt des
Wirtschaftens seinen Wert in einem anderen Gegenstande ausdrückt, hebt beide aus
ihrer bloßen Gefühlsbedeutung“ (ebd., 56). Im Tausch geschehe, dass die Begehrtheit eines bestimmten Objekts „mit der eines anderen verglichen wird und dadurch
überhaupt ein Maß gewinnt“ (ebd., 76).94 Der Wert eines Produktes bezeichne stets
„seinem Wesen und seinem Begriff nach eine bestimmte Wertquantität“, welche
„nur durch die Messung zweier Begehrungsintensitäten aneinander zustande
kommen kann“ (ebd., 77). Damit ist bei Simmel Wert gleich Preis; der Wert sei das,
was man für ein Ding hergeben muss, das, was stets größenhaft beziffert auf dem
Etikett der Ware vorgefunden wird. Begehrungen, die den Wert eines Dinges für ein
Subjekt ausmachten, würden über die Vergleichung miteinander in einer Werthöhe,
d.h. in einer Bezifferung sich auspendeln, wieviel einer von einem Produkt für den
Erhalt des Produkts eines anderen zu geben bereit sei. Objektivierung muss man
sich nach Simmel also vorstellen als ein Aushandeln zweier begehrender Subjekte
unter Abwägung des Verhältnisses von Begehren und der Bereitschaft, was dafür
zu geben sei. An dieser Stelle – im Tausch – entstehe sogar Wert (und d.h. Mehrwert), weil jeder Begehrende im Tausch mehr gebe, als der Besitzer des begehrten
Objekts diesem zumesse.
Indem die Tauschenden so verfahren, bemerkt Simmel etwas für ihn Eigenartiges:
„der subjektive Vorgang“ des Messens des eigenen Begehrens an einem dem subjektiven Begehren äußeren Gegenstand werde „zu einem sachlichen, überpersönlichen Verhältnis zwischen Gegenständen.“ Die Austauschproportion „steht als etwas
objektiv Angemessenes und gleichsam Gesetzliches jenen persönlichen Motiven [...]
gegenüber [...]. Die Wirtschaft strebt einer [...] Ausbildungsstufe zu, in der sich die
Dinge ihre Wertmaße wie durch einen selbstttätigen Mechanismus gegenseitig
bestimmen“ (ebd., 55, m.Hv.). Das Objektive sei zwar aus einem Subjektiven entstanden, gewinne aber eine eigene Dimension, die im Subjektiven nicht mehr aufzulösen sei. Simmel muss feststellen, dass er seine theoretische Prämisse des Subjektivismus nicht durchhalten kann. Der Wert selber stelle sich als ‚Urphänomen’ dar.
„Das Bewußtsein findet ihn [..] als eine Tatsache vor, an der es unmittelbar so wenig
ändern kann, wie an den Wirklichkeiten“ (GA 6, 29). Zwar sei die „Welt der Werthe“ eine „nur in unsern Interessen, in unserm Fühlen lebendige“ (GA 5, 420), „allein, was wir mit diesem Gefühl meinen, ist ein an sich und für sich bedeutsamer
Inhalt, der von dem Gefühl zwar psychologisch realisiert wird, aber mit ihm nicht
identisch ist und sich mit ihm nicht erschöpft.“ Die Kategorie des Wertes habe nur
Bedeutung, ‚Leben’, wenn sie von einem subjektiven Bewusstsein gedacht und mit
Inhalt gefüllt werde, doch sei die Kategorie selber transindividuell, „ein Drittes,
Ideelles, das zwar in jene Zweiheit eingeht, aber nicht in ihr aufgeht“ (GA 6, 36). Der
Wert trete den Subjekten gegenüber, nicht als Preisschild, sondern als Form, in der
94
„[E]rst die Vergleichung der Begehrungen, d.h. die Tauschbarkeit ihrer Objekte, fixiert jedes derselben als einen seiner Höhe nach bestimmten, also wirtschaftlichen Wert“ (ebd., 76).
40
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Gegenstände – als Waren – getauscht werden können.95 Der Wert sei nichts, was als
natürliche Eigenschaft dem Ding selber zu entnehmen wäre, aber auch nichts, was
nur vom Subjekt aus an ein Ding ergehe. Er bezeichne
Ansprüche, die zwar ausschließlich innerhalb des Ich empfunden oder verwirklicht
werden, ohne in den Objekten selbst ein Gegenbild oder sachlichen Ansatzpunkt zu
finden, die aber, als Ansprüche, in dem Ich so wenig unterzubringen sind, wie in den
Gegenständen, die sie betreffen (GA 6, 37).
Die Widersprüche, in die Simmel sich damit begibt, hat er beim Verfassen der Philosophie des Geldes quälend empfunden. Die Mühen, den Wert gemäß Subjektivismus
und Relativismus zu erklären, teilte er in Briefen an Heinrich Rickert mit. Er müsse
eingestehen,
daß ich in meiner Arbeit an einem toten Punkt - in der Werth-Theorie! - angelangt
bin und weder vorwärts noch rückwärts kann. Der Werthbegriff scheint mir nicht
nur denselben regressus in infinitum, wie die Kausalität, sondern auch noch einen
circulus vitiosus zu enthalten, weil man, wenn man die Verknüpfungen weit genug
verfolgt, immer findet, daß der Werth von A auf den von B, oder der von B nur auf den
von A gegründet ist. Damit würde ich mich schon zufrieden geben und es für eine
Grundform des Vorstellens erklären, die mit der Logik nicht auszuschöpfen ist – wenn
nicht, ebenso thatsächlich, absolute und objektive Werthe Anspruch auf Anerkennung
machten. Die Lösung dieser Schwierigkeit, die ich für manche Fälle gefunden habe,
versagt bei andern und ich sehe auch kein Ende der Schwierigkeiten ab, denn ich
halte allerdings daran fest, daß ich bei meinem Relativismus nur bleiben kann,
wenn er alle die Probleme, die sich die absolutistischen Theorien stellen, gleichfalls
zu lösen imstande ist (ebd., 727, m.Hv.).
Es wird leider nicht ausgeführt, worin genau der Teufelskreis besteht, und von den
unüberwindbaren Schwierigkeiten ist in der Philosophie des Geldes nichts mehr explizit zu finden. Sie sind aber auch nicht gelöst; wie gezeigt stehen sich rein subjektive
Herleitung des Werts und objektive „Ansprüche“ gegenüber. Weitere Aufschlüsse
gibt die Erstausgabe der Philosophie des Geldes, von der aus dem ersten Teil des ersten Kapitels ca. zehn Seiten zu den Problemen des absoluten Werts gestrichen
wurden, was fast ein Viertel der insgesamt (von wohlgemerkt über siebenhundert
Seiten!) vorgenommenen Änderungen ausmacht.
In der Erstauflage stolpert Simmel über die gleichen Merkwürdigkeiten des Wertphänomens:
Bedeutet Subjektivität des Wertes, daß er keine den Dingen an und für sich anhaftende
und von unserem Bewußtsein nachgezeichnete Bestimmtheit, sondern daß der Wert
der Objekte nur ein in uns stattfindender Wertungsprozeß, nur unsere Beurteilung ihrer ist – so will dies mit unseren wirklichen Schätzungen, unserm wirklichen inneren
Verhältnis zu den Dingen nicht überall stimmen. In Wirklichkeit begleiten wir unsere
Wertempfindung gewissen Objekten gegenüber mit der Vorstellung oder dem Gefühl,
damit eine Beschaffenheit und Bedeutsamkeit des Objektes selbst nachzuzeichnen, die
unabhängig von unserer Anerkennung ihrer besteht (ebd., 733).
Simmel möchte den subjektiven Faktor retten, kann die Wertung aber nicht auf diesen reduzieren. Den Gedanken einer Anweisung, die ausschließlich vom Ding ergehe, weist er zurück. Keinesfalls agierten die Subjekte „nur als Vollstrecker einer in
den Dingen selbst gelegenen Anweisung oder Forderung“ (ebd., 734). Ausdrücklich
weist er wiederholt darauf hin, dass die „Quellen“ der Objektivität „in uns“ (ebd.,
735, m.Hv.) aufzusuchen seien, dass die objektive Bestimmtheit „ausschließlich für
95
„Der Wert, der an irgend einem Dinge [...] haftet, verlangt es, anerkannt zu werden. Dieses Verlangen ist
natürlich als Ereignis nur in uns, den Subjekten, anzutreffen; allein indem wir ihm nachkommen, empfinden wir,
daß wir damit nicht einfach einer von uns selbst an uns gestellten Forderung genügen - ebensowenig freilich eine
Bestimmtheit des Objekts nachzeichnen“ (ebd., 37, m.Hv.).
41
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
unser Fühlen, Wollen, Urteilen“ bestehe, „als ob diese jenseits der Grenzen ihrer Realität eine ideale Sphäre hätten.“
Auch wenn es nur das „naive Bewußtsein“ sei, das „jene Übersubjektivität als einen
Wert objektiver Realitäten“ sich vorstelle, so habe die Wertbeziehung zwischen Subjekten und Objekten „nicht weniger die Strenge, Unabhängigkeit und Objektivität
einer uns äußeren Macht“ (ebd., 736, m.Hv.). So sehr der Wert eines Dinges aus subjektiver Schätzung abgeleitet werden soll, trete sie in der Wirtschaft trotzdem an
dem Ding auf „als eine Bestimmtheit seiner selbst ankristallisiert“. Der Wert sei an
dem Ding fest, hafte. Aber was soll das heißen, wie kann das sein? Fortan „muß das
Subjekt mit dem Wert desselben als mit einer objektiven Thatsache rechnen, die von
ihrer Anerkennung durch jeden gegebenen Einzelnen unabhängig ist“, und dies
ganz unabhängig von Schwankungen der Wertgröße. Der Wert sei eine ökonomische
Dimension der Dinge. „... es handelt sich um die eigenartige Objektivität des Wertes,
die der Gegenstand als wirtschaftlicher erwirbt“ (ebd., 741, m.Hv.).
Da der Wert nicht als reine Projektion des Subjekts erklärt werden kann, muss ihm
von Simmel eine Stellung zwischen Subjekt und Objekt zugesprochen werden. Der
Wert sei eine „dritte, nicht aus ursprünglicheren kombinierbare Kategorie, die aber deshalb nicht eigentliche Erklärung, sondern bloßer theoretischer Ausdruck des Sachverhaltes ist und ihn jedenfalls des Widerspruchs enthebt“ (ebd., 736, m.Hv.). Da der
Wert sich immer nur im subjektiven einzelnen Bewußtsein in den Tauschakten realisiere, gelinge ihm nicht „die Lösung vom Subjektiven“, so sehr er aber
als ganzer in der bloßen Subjektivität verbleiben mag, so gewinnt er doch innerhalb derselben eine weite Distanz vom Einzelnen, eine Bestimmtheit durch das
Verhältnis der Objekte untereinander, eine Einstellung in eine Skala und einen Organismus wirtschaftlicher Eigenbewegungen, die ihn mit einer relativen Unabhängigkeit
von singulären Subjekten ausstatten (ebd., 742, m.Hv.).
Einen Ausweg suchte Simmel, auch in den getilgten Passagen der Erstauflage, in
der Figur der Hypostase. Was als objektiv auftritt, mag zwar objektive Ansprüche
geltend machen, denen die Subjekte sich beugen müssten, sei aber letzten Endes lediglich vom Subjekt verabsolutiert. „Der Begriff des objektiven, gegen alles Anerkanntwerden gleichgültigen Wertes der Dinge ist metaphysisch“, aber nur Resultat
jener „fundamentale[n] Fähigkeit des menschlichen Geistes, sich aus sich herauszusetzen, einen Inhalt zum empfinden, als ob er nicht als Subjekt ihn empfände“ (ebd.,
738).
Geldtheorie
In der Geldtheorie gibt es zwei Richtungen, die sich historisch ablösten. (1) Dem
Metallismus nach sei das Geld eine Ware wie jede andere auch. Es habe einen bestimmten Wert, der auf seinen Substanzwert zurückzuführen sei. Ein Stück Geld
habe Wert, weil das Material, aus dem es hergestellt ist, einen gewissen Wert als dieses Material hat. Diese Anschauung hatte Plausibilität in Zeiten, als Geld v.a. in
Münzform vorkam und obendrein nur in edlen Metallen geprägt wurde. Spätestens
mit dem Übergang zum Münzgeld aus gewöhnlichen Metallen, gar zum Papiergeld
(ein Vorgang, der seinerzeit für unmöglich gehalten wurde), wurde diese Anschauung widerlegt. An den Metallismus schloss sich (2) der (Geld-)Nominalismus an.
Hiernach sei die Währungseinheit nur allgemein ausgegebener und anerkannter
Wertmesser, für den grundsätzlich jede Ware in Frage kommen könnte, doch setzen
sich manche Materialien wegen besonderer Eignung gegenüber anderen durch. Diese Theorie ist seit Georg Friedrich Knapps Werk Staatliche Theorie des Geldes (1905)
anerkannte Lehrauffassung. Geld erhalte durch staatliche „Proklamation“ Wert. Das
42
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Geldstück sei Symbol für eine bestimmte Menge Wert, das man für Waren, die
ebenfalls Verkörperung einer bestimmten Menge Wert sind, hergibt.
Simmel verortet sich selber jenseits von Nominalismus und Metallismus (vgl. GA 6,
139f.), kann sich aber einer Zuordnung zur einen oder anderen Seite nicht entziehen. Laut ihm messe Geld nicht nur Werte, sondern sei auch selber Wert (vgl. ebd.,
126). Andererseits bestehe seine Qualität gerade in seiner „Qualitätslosigkeit oder
Unindividualität“, die es ihm ermögliche, den Wert anderer Waren auch dann zu
messen, wenn ihr Wert wegen äußerer Einflüsse schwankt, ohne selber im Wert zu
fallen oder zu steigen (ebd., 127). Simmel bleibt auch hier widersprüchlich. An anderer Stelle hält er ausdrücklich fest, dass Geld, um die Werte anderer Waren messen zu können, selber Wert haben müsse (vgl. ebd., 147) und dass „dieser Charakter
des reinen Symbols der ökonomischen Werte [..] das Ideal [ist], dem die Entwicklung des Geldes zustrebt, ohne ihn je völlig zu erreichen“ (ebd., 181f.). Der Wert des
Geldes sei an eine gewisse „Seltenheit“ gebunden, die mit einer Überführung in reines Zeichengeld nicht mehr gegeben wäre (ebd., 185). Gerade in Zeiten der räumlichen Expansion einer bestimmten Geldwirtschaft sei der Substanzwert des Geldes
von großer Bedeutung, um allgemein anerkannt zu werden (vgl. ebd., 210f.).
Die Unentschiedenheit Simmels erklärt sich aus den historischen Betrachtungen,
denen er großen Raum gewährt.
Auf welche Weise sich das Geld auch entwickelt habe, am Anfang muß es jedenfalls
ein Wert gewesen sein, der unmittelbar als solcher empfunden wurde. [...]
Weder als Tauschmittel noch als Wertmesser hätte es entstehen können, wenn es nicht
seinem Stoffe nach als unmittelbar wertvoll empfunden worden wäre (ebd., 156f.).
Diese Entwicklung stehe im Kontext einer allgemeinen Entwicklung vom Substantiellen zum Ideellen (oder auch Funktionellen) (vgl. ebd., 165), bzw. vom Qualitativen
zum Quantitativen (vgl. ebd., 168f.).96 Gegenwärtig habe Geld keinen Substanzwert
mehr, was seinen Grund im gesunkenen Metallwert durch die Ausgabe größerer
Mengen, sowie in der Einführung des Papiergeldes habe (vgl. ebd., 157f.). Die Abstraktifizierung des Geldkörpers habe praktischen Notwendigkeiten gehorcht (ebd.,
159ff.), denn es sei so gewesen, „daß zunächst gerade das Notwendigste und Wertvollste dazu neigt, zum Geld zu werden“ (vgl. ebd., 156).
In der modernen Gestalt sei es besser geeignet, den Funktionen nachzukommen, die
es im wirtschaftlichen Kreislauf erfüllen muss. Es diene als „Wertmesser“ (ebd.,
141), als „Wertaufbewahrungs- und Werttransportmittel“ (ebd., 245), sowie als Repräsentation eines Anspruchs auf die Leistungen oder Güter einer Produktions- und
gemeinsamen Wertmessergemeinschaft (vgl. ebd., 213f.).
Simmel erklärt diese Fähigkeiten des Geldes, die die Möglichkeiten der Verwendung seiner natürlichen Beschaffenheit nach bei weitem übersteigen, mit den Eigenarten und besonderen Leistungen des menschlichen Geistes analog zum Phänomen
des absoluten Werts.97 Geld sei das Ergebnis der „Projizierung bloßer Verhältnisse
96
„Einen ganz bezeichnenden Übergang von dem qualitativ bestimmbaren zu dem quantitativ symbolischen
Ausdruck bietet ein Bericht aus dem alten Rußland. Dort hätten zuerst Marderfelle als Tauschmittel gegolten. Im
Laufe des Verkehrs aber hätte die Größe und die Schönheit der einzelnen Felle allen Einfluß auf ihre Tauschkraft
verloren, jedes hätte schlechtweg nur für eines und jedem anderen gleich gegolten. Die daraus folgende alleinige
Bedeutung ihrer Zahl hätte bewirkt, daß, als der Verkehr sich steigerte, man einfach die Zipfel der Felle als Geld
verwendete, bis schließlich Lederstückchen, die wahrscheinlich von der Regierung gestempelt wurden, als
Tauschmittel kursierten“ (GA 6, 169).
97
Simmel kennt allerlei Vermögen des menschlichen Geistes: „das Denken“ fühle „es im Ganzen als seine Aufgabe“, das Wechselnde vom Bleibenden, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu scheiden (ebd., 94); es sei als
Urtatsache des Selbstbewußtseins“ „die fundamentale Fähigkeit unseres Geistes, sich selbst zu beurteilen“, d.h.
sich selbst als Objekt gegenüber zu treten (ebd., 118f.); es gebe die „Tatsache des Wertgefühls“ (ebd., 292); der
Mensch an und für sich sei „das tauschende Tier“ (ebd., 385); der menschliche Geist habe die Neigung, das Rela-
43
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
auf Sondergebilde“ (ebd., 137). Die Menschen hätten die Notwendigkeit des Geldes
für die Abwicklung komplexer Tauschgeschehen erkannt und einen Gegenstand
auserkoren, der ihnen dafür dienen sollte. Das Vermögen des Verstandes antizipiere, was das Geld nachher mit den Waren tue, nämlich eine Umsetzung
unserer Fähigkeit, nicht nur je zwei Dinge, sondern auch die Verhältnisse je zweier zu
je zwei anderen gegeneinander abzuwägen und in der Einheit eines Gleichheits- oder
Ähnlichkeitsurteils zusammenzufassen. Das Geld, als Produkt dieser fundamentalen
Kraft oder Form unseres Inneren, ist nicht nur deren weitestes Beispiel, sondern sozusagen garnichts anderes, als die reine Verkörperung derselben (ebd., 163).
Geld sei aber nicht nur eine einem Gegenstand durch Vorstellungskraft zugeschriebene Fähigkeit, sondern an es gehe auch etwas vom Objekt über. Simmel stellt fest,
daß aus primären Erscheinungen, Substanzen, Vorgängen eine einzelne Seite, die nur
an und mit ihnen existiert, wie die Eigenschaft an ihrer Substanz und die Tätigkeit an
ihrem Subjekt, dennoch von ihnen gelöst wird, indem sie sich mit einem eigenen Körper bekleidet: die Abstraktion wird eben dadurch vollzogen, daß sie zu einem konkreten Gegenstand kristallisiert.
Es sei etwas ‚an’ den Dingen, das sie vergleichbar mache, und diese Vergleichbarkeit, die Kommensurabilität selber finde eine eigene Gestalt. Geld sei „die verkörperte Funktion des Ausgetauschtwerdens“, „das zur Substanz gewordene bloße
Verhältnis der Dinge zueinander“ (ebd., 211f.).
Mit diesen Beschreibungen verlässt Simmel die üblichen Bereiche der Geldtheorie:
Funktionenbestimmungen und Historie. Das Geld habe sich aus dem Gesamt der
Warenwelt herausentwickelt, aber als Geld, „als sichtbarer Gegenstand [...], mit dem
der von den wertvollen Gegenständen selbst abstrahierte wirtschaftliche Wert sich
bekleidet hat“ (ebd., 122), habe es eine Sonderstellung, stehe es den anderen Waren
gegenüber. Als Geld habe es seinen Gebrauchswert vom Material her verloren. An
sich selbst sei es Darstellung dessen, was den ökonomischen Gegenständen gemeinsam sei. Simmel beschreibt das Geld als etwas, in dem etwas Gestalt gewonnen habe: ein Begriff, eine Funktion habe eine Verkörperung gefunden. „Die Wechselwirkung
unter Individuen ist mit ihm zu einem für sich bestehenden Gebilde kristallisiert“
(ebd., 209). Nicht nur sei im Geld etwas „geronnen“, „Substanz geworden“ (ebd.,
314), habe in ihm ökonomischer Wert nicht nur „einen Körper gewonnen“ (ebd.,
371), sei es nicht nur „die verkörperte Relativität der Dinge“ (ebd., 562), – auf Grund
seines Funktionsseins und seiner paradoxen Fähigkeiten scheine es nur noch einer
Flüssigkeit vergleichbar. Mit ihm könnten Werte ‚umgegossen’ werden, könne es
Boden wie Güter, Tiere, Gebäude, Maschinen etc. repräsentieren. „Mit Hilfe des
Geldes können wir den Wert des Objektes in jede beliebige Form gießen, während
er vorher in diese eine gebannt war“ (ebd., 548). Der „alles durchflutende Geldwert“
(ebd., 594) wird mit dem Blut und seinem Körperkreislauf verglichen (vgl. ebd.,
652), denn „wie einer Flüssigkeit fehlen ihm die inneren Grenzen, und nimmt es die
äußeren widerstandslos von der festen Fassung an, die sich ihm jeweilig bietet. So
ist es das durchgreifendste, weil für sich völlig indifferente Mittel“ (ebd., 691).
tive zum Absoluten zu erheben (vgl. GA 5, 216). Simmel gelten diese intellektuellen Operationen als anthropologische Grundverhältnisse, nicht als Reflexionen über die Bedingungen der Möglichkeit von etwas, bspw. der Objektkonstitution oder der des Verstandes überhaupt. Anthropologische Bestimmungen füllen Erklärungslücken
aus; kann der Wert nicht erklärt werden, wird er zu einer „Grundform des Vorstellens“ erklärt (GA 6, 727), die in
die Konstitution des Menschen eingelassen sei. Dies ist Ausflucht, mit der die Lösung des Problems suggeriert
wird, indem es verschoben wird. An diesen Simmelschen Begründungsfiguren wäre Nietzsches Kritik an Kant zu
wiederholen, der dessen Erklärung des Vermögens des menschlichen Verstandes zu synthetischen Urteilen a priori resümierend mit „vermöge eines Vermögens“ verspottete. Dies sei weder „Antwort“ noch „Erklärung“, sondern
„vielmehr eine Wiederholung der Frage“ (Werke II, 575f.).
44
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Diese durchschlagenden Fähigkeiten wüchsen dem Geld zu als Ergebnis des Aufeinander-Beziehens der Dinge im Tausch. „Wenn nun der wirtschaftliche Wert der
Objekte in dem gegenseitigen Verhältnis besteht, das sie, als tauschbare, eingehen,
so ist das Geld also der zur Selbständigkeit gelangte Ausdruck dieses Verhältnisses“
(ebd., 122). Im Tausch herrsche Wechselwirkung der Dinge miteinander und das
Geld sei „die reinste Wechselwirkung“ (ebd., 137) selber. Weil in der Zirkulation die
Dinge relativ zueinander stehen, sei das Geld „die Relativität der Dinge“ (ebd., 124),
„nichts als der Ausdruck dieser Relativität“ (ebd., 131). Im Austausch gelten die
Waren einander als gleich; das Geld sei „das zur Substanz erstarrte Gelten“, „das
Gelten der Dinge ohne die Dinge selbst“, „das ‚Geltende’ schlechthin“ (ebd., 124).
Diese Seinsmodi erfordern gewissen Qualitäten – oder eher gesagt: totale Qualitätslosigkeit.98 Indem es die Gegenstände gegeneinander umsetze, sei es „der absolut
fungible Gegenstand“, „die Fungibilität der Dinge in Person“, „das schlechthin
Fungible“ (ebd., 128).
Zwar ermögliche Geld den Tausch, zwar vermittele es die Relativität und die Wechselwirkung der Dinge, zwar sei es wegen seiner „Charakterlosigkeit“ völlig „indifferenter Durchgangspunkt“ (ebd., 264), aber es nehme nicht eine Funktion wahr, es
sei die Funktion. Geld stelle nicht nur Wertquanten qualitativ verschiedener Gegenstände dar, die über es miteinander verrechnet werden können, – Geld sei die Verkörperung dessen, „was den Gegenständen als wirtschaftlichen gemeinsam ist“ (ebd.,
122f., m.Hv.). Es sei „die große Mittelinstanz zwischen den Menschen und den Dingen“ (GA 5, 227), „reines Mittel und indifferentes Durchgangsstadium“ (GA 6, 304),
aber das sei es nur, indem es die Verkörperung dessen sei, was an den Dingen als
tauschbaren ‚hafte’. Wenn Geld die „Darstellung des abstrakten Vermögenswertes“
(ebd., 122) sei, also „konkreter Wert“ (ebd., 130), so meint Wert die Tatsache einer
gemeinsamen Dimension. Geld „verkörpert das Element oder die Funktion an den
Dingen, durch die sie wirtschaftliche sind“ (ebd., 138). Es vermittele nicht den Besitz
der Objekte, sondern den „Austausch der Objekte untereinander“ (ebd., 264). Zwar
tausche man eine Ware für Geld und dies wieder für eine Ware, aber am Geld selber
habe man keinen Besitz. Mit ihm habe man keinen Wert in der Hand, sondern
nichts als den „Träger und Ausdruck der Tauschbarkeit als solcher“ (ebd., 128), „die
aus den Dingen herausabstrahierte Tauschbarkeit“ (ebd., 129) der Dinge.
In diesen inneren Problemen liegt möglicherweise der Grund, warum Simmel sein
Werk eine Philosophie des Geldes nannte. Wieso nannte er es nicht eine „Soziologie“
des Geldes?99 Legte er doch eine typische soziologische Studie vor, indem er sich
bemüht, „festzuhalten, was die Geldwirtschaft, besonders die moderne des 19. Jahrhunderts, aus den Menschen und der Gesellschaft, aus ihren Beziehungen und Einrichtungen gemacht habe“ (SCHMOLLER 1901, 2). Es mag zum einen historisch begründet sein. Seinerzeit gab es noch keine institutionell gefestigte Soziologie. Sie
führte, von der Philosophie ungeschieden, seit Auguste Comte ein Schattendasein
und ging schließlich aus jener und der Nationalökonomie hervor. Als ein nationalökonomisches Werk war und ist die Philosophie des Geldes nicht angelegt, auch wenn
Simmel das „zentrale[.] Problem“, um das sich „alle Erörterungen über die Fundamente der Wirthschaft gruppiren“, verfolgte: „den wirthschaftlichen Werth. Was
bedeutet er, wodurch kommt er den Dingen zu, wie ist er vertheilt, wie wird er ge98
Geld sei „das unindividuellste Gebilde unserer praktischen Welt“ (GA 6, 128), habe „jene sehr positive Charaktereigenschaft, die man mit dem negativen Begriff der Charakterlosigkeit bezeichnet“ (ebd., 273).
99
Dazu gibt es in der Literatur keine Überlegungen, auch DAHME 1984 erhellt dies nicht weiter.
45
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
nossen?“ (GA 5, 420). Simmel selber stellt in der Vorrede klar, dass „keine Zeile dieser Untersuchungen [..] nationalökonomisch gemeint“ sei (GA 6, 11). Die Philosophie
des Geldes wurde auch nicht als nationalökonomisches Werk aufgenommen. Unmittelbar nach ihrem Erscheinen erfuhr sie von nationalökonomischer Seite harsche
Ablehnung.100 Hier liegt zum zweiten der systematische Grund, von einer Philosophie des Geldes zu sprechen: Simmels Werk konnte keinem der wissenschaftlichen
Bereiche zugeordnet werden.
Es wurde gezeigt, wie Simmel sich in seiner Werttheorie selbst widerspricht, wie
seine Beobachtungen seinen theoretischen Prämissen zuwiderlaufen; er hebt seinen
Subjektivismus immer wieder auf. Der wirtschaftliche Wert der Objekte besteht
immer nur und immer schon vor dem Hintergrund eines Verhältnisses, in welchem
sich die Objekte – „als tauschbare“ – immer schon befinden. Was im Wert zum
Ausdruck kommt, ist nicht die Austauschproportion, nicht das mengenhaft relative
Verhältnis, sondern das Verhältnis selber. Das Geld „ist die Darstellung des abstrakten Vermögenswertes, indem aus dem wirtschaftlichen Verhältnis, d.h. der Tauschbarkeit der Gegenstände, die Tatsache dieses Verhältnisses herausdifferenziert wird
und jenen Gegenständen gegenüber eine begriffliche [...] Existenz gewinnt.“ Das
Verhältnis bleibt vor und nach dem proportionshaften Austausch bestehen. Damit
kommen wir in den Bereich dessen, was die am naturwissenschaftlichen Ideal orientierte Geisteswissenschaft „Metaphysik“ nennt. Das Geld „ist die Sonderverwirklichung dessen, was den Gegenständen als wirtschaftlichen gemeinsam ist – im Sinne
der Scholastik könnte man es sowohl als universale ante rem wie post rem bezeichnen“ (ebd., 122f.).
Bei Simmel steht der Wert jenseits von Subjekt und Objekt, ist „eine dritte, aus jenen
nicht zusammensetzbare Kategorie, gleichsam etwas zwischen uns und den Dingen“ (ebd., 37), ist eine „metaphysische Kategorie“ (ebd., 38). Was macht der Wert?
Er fasst Dinge zusammen, macht sie vergleichbar. Dadurch sind Dinge tauschbar.
Im Tausch werde der Wert „übersubjektiv, überindividuell, ohne doch eine sachliche Qualität und Wirklichkeit an dem Dinge selbst zu werden.“ Weil er auftritt als
die „gleichsam über die immanente Sachlichkeit des Dinges hinausreichende Forderung desselben [...], nur gegen einen entsprechenden Gegenwert fortgegeben, nur
für einen solchen erworben zu werden“, scheint es, als würden sich Dinge gegeneinander austauschen, unter Zurücktreten des Ich (ebd., 53). Die Tauschwerte der
Waren werden zwar in den Tauschhandlungen der Subjekte realisiert, aber sowohl
der Wert wie die Tauschwerte als Verglichene selber sind dem Subjekt vorgängig.
„Der Tausch setzt eine objektive Messung subjektiver Wertschätzungen voraus,
aber nicht im Sinne zeitlichen Vorangehens, sondern so, daß beides in einem Akte
besteht“ (ebd., 59). ‚Vorgängigkeit’ – aber nicht im zeitlichen Sinne: dies ist die Definition für Apriorität. Sie bestehe darin, „daß sie von sich aus jeden Gegenstand mit
einer Färbung versieht“ (ebd., 58): nämlich wirtschaftliches Gut zu sein. Im und
durch den Tausch finde eine Realabstraktion statt, in zweierlei Sinne: (1) als Abstraktion durch menschliches Handeln, als Abstraktion, die aus dem Handeln der Menschen hervorgeht; (2) als handgreifliches Dasein einer Abstraktion.
II.1.3.) Marx
Marx war kein Soziologe, auch wenn er in den Lehrbüchern hin und wieder unter
sie subsumiert wird. Zum einen gab es Soziologie zu Marx’ Zeiten noch nicht. Auguste Comte rezipierte er noch und über dessen Werk äußerte er sich nicht posi100
Vgl. KAESLER 1976, 286f.
46
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
tiv.101 Karl Korsch entdeckte im Verhältnis von Marxscher Theorie zur Soziologie
„nur Fremdheit und Gegensatz“ (1981, 3).102 Zum anderen passt Marx’ Verfahren
nicht in ihre diversen theoretischen Verfahrensarten.103
Bei allen Differenzen in der Werttheorie lassen sich bei der Beschreibung des Wertes
und des Geldes viele Ähnlichkeiten und auch Gemeinsamkeiten bei Marx und
Simmel finden. Marx beschreibt Wert als ein gesellschaftliches Verhältnis, eine gesellschaftliche Dimension, in der und über das Ungleiches gleich gesetzt und vermittelbar und gegeneinander umsetzbar werde. Wert sei keine natürliche, transhistorische Eigenschaft weder der Dinge, noch der Produkte. In ihn gehe „kein Atom
Naturstoff“ (MEW 23, 62) ein. Wert komme zwar nur in einem quantitativen Ausdruck zur Erscheinung, liege aber diesem Ausdruck als übergreifendes Verhältnis
zu Grunde. Wert bezeichne eine Qualität, die „Austauschfähigkeit“ der Waren, „ihr
gesellschaftliches Verhältnis, ihre ökonomische Qualität.“ Produkte als Waren, d.h.
als Werte, seien „qualitativ gleich und nur quantitativ unterschieden“, „derselbe
Wert nur in verschiednem Material“ (MEW 42, 75f.). Die Austauschbarkeit der Ware
„existiert als ein Ding neben ihr im Gelde“ (ebd., 82), das Verhältnis der Waren zueinander erhalte im Geld „eine materielle und besonderte Existenz“ (ebd., 75). Das
in quantitativer Form zur Erscheinung kommende gesellschaftliche Verhältnis, ihr
Tauschwert, existiere als Geld „neben dem Produkt“ (ebd., 80). Allgemeiner Reichtum sei „konzentriert in einer besondren Materie“, habe sich „individualisiert“ (ebd.,
147). Geld sei „der allgemeine materielle Repräsentant“, die „allgemeine Form des
Reichtums“ „als ein einzelner handgreiflicher Gegenstand“ (ebd., 148). Damit steht
man vor dem Phänomen, dass eine Abstraktion, ein Gedankending, eine gedankliche Bestimmung, handgreifliche, anfassbare, konkrete Existenz, dass etwas Allgemeines individuelle Gestalt erhalte. Marx fasste dies anschaulich in einem Bild zusammen:
Es ist als ob neben und außer Löwen, Tigern, Hasen und allen andern wirklichen
Thieren, die gruppirt die verschiednen Geschlechter, Arten, Unterarten, Familien
u.s.w. des Thierreichs bilden, auch noch das Thier existirte, die individuelle Incarnation des ganzen Thierreichs. Ein solches Einzelne, das in sich selbst alle wirklich
vorhandenen Arten derselben Sache einbegreift, ist ein Allgemeines wie Thier, Gott
u.s.w. (MEGA II/5, 37).
Die Bezeichnung einer Einheit sei real geworden.
101
„Ich studiere jetzt nebenbei Comte. [...] Was daran besticht, ist das Enzyklopädische. [...] Aber das ist jammervoll gegen Hegel. [...] Und dieser Scheißpositivismus erschien 1832!“ (Marx an Engels, 07.07.1866, MEW
31, 234).
102
Nicht zuletzt weil man „die ‚Soziologie’ als eine Opposition gegen den modernen Sozialismus auffassen“
muss (KORSCH 1981, 3). Sie zeigt „immer aufs neue, wie sich gesellschaftliche Erkenntnis aus einer Kritik der
politischen Ökonomie, einer Erforschung der für die Entstehung gesellschaftlicher Verhältnisse grundlegenden
ökonomischen Kräfte und politischen Konflikte, zu einer Reflexion über soziale Institutionen, einer Analyse der
für den Bestand gesellschaftlicher Verhältnisse maßgebenden psychologischen Motive und soziologischer Charaktere, kurzschließen läßt“ (ENDERWITZ 1987, 79), wie man also „angesichts einer widersprüchlich verfaßten
und konflikthaft bestimmten Gesellschaft den Blick von den realen Gründen und objektiven Mechanismen, die
schuld sind an solcher Widersprüchlichkeit und Konflikthaftigkeit, abwendet, um das Augenmerk stattdessen auf
die sozialen Institutionen und subjektiven Dispositionen zu richten, die verantwortlich dafür sind, daß sub specie
solcher Widersprüchlichkeit und sub conditione solcher Konflikthaftigkeit Gesellschaft dennoch möglich ist“
(ebd., 80). Es ist der systematische wie historische Gründungsauftrag der Soziologie, resp. ihrer Erhebung zu einer „an die frühere ideologische Vorrangstellung der Theologie gemahnende moralische Vorbildfunktion und
geistige[n] Führungsrolle im Wissenschaftsbereich“ (ebd., 81), „der Theorie und damit auch der Praxis des Sozialismus eine andere Form der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit den von ihm ursprünglich gestellten Fragen gegenüberzustellen“ (KORSCH 1981, 3).
103
„Der Marxsche Argumentationszusammenhang läßt sich weder als ein axiomatisch-deduktives Verfahren
noch als eine Abfolge historischer Idealtypen beschreiben“ (BACKHAUS 1997 e, 210). „Marxens ‚Methode der politischen Ökonomie’ geht auch nicht beim ‚Herabsteigen’ in dem auf, was heute nomologisch-deduktives, operationalistisches oder analytisch explizierendes Denken heißt“ (RITSERT 1973, 22f., vgl. auch ebd., 106).
47
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Wert sei der „nexus rerum“ (MEW 42, 129), der „nervus rerum“ (MEW 13, 109),
Identitätspunkt einer Gesellschaft, der es von ihrer Konstitution her an Identität
mangele, die post festum blind und katastrophisch hergestellt werden müsse. Gesellschaftlicher Stoffwechsel, das Aufeinanderbeziehen der Produkte, die Verteilung
der Arbeit auf die verschiedenen Produktionszweige, vollziehe sich über das Medium des Wertes. Über ihn vollziehe sich gesellschaftliche Synthesis. Dieser gesellschaftliche Zusammenhang der Menschen liege im Geld als „versachlichtes Band der
Gesellschaft“ (MEGA II/2, 13), d.h. als Sache vor, als „handgreifliches Ding“ (ebd., 54),
als „dinglich ausser ihnen existirendes Gemeinwesen“ (ebd., 26). So könne ein
Mensch „seine gesellschaftliche Macht, wie seinen Zusammenhang mit der Gesellschaft in der Tasche mit sich“ tragen (MEW 42, 90).104
Marx’ Kritik der politischen Ökonomie kritisiert immer wieder die der Nationalökonomie typischen Verdinglichungen: dass ein gesellschaftliches Verhältnis als
Ding gefasst wird, was die Art, wie ein gesellschaftliches Verhältnis sich in einem
seiner Momente dinglich darstellt, blind begrifflich reproduziert:
Das Kapital als sich verwertender Wert umschließt nicht nur Klassenverhältnisse,
einen bestimmten gesellschaftlichen Charakter, der auf dem Dasein der Arbeit als
Lohnarbeit ruht. Es ist eine Bewegung, ein Kreislaufsprozeß durch verschiedne
Stadien, der selbst wieder drei verschiedne Formen des Kreislaufsprozesses einschließt. Es kann daher nur als Bewegung und nicht als ruhendes Ding begriffen
werden (MEW 24, 109).105
Damit aber ist die Marxsche Wert-, Geld- und Kapitaltheorie für die herkömmliche
Wissenschaft „ein recht problematisches Gebilde.“ Sie stellt „einerseits die von der
analytischen Philosophie verpönten ‚Was ist?’-Fragen“ und vermag „andererseits
ihre Beantwortung dieser Fragen nicht zu falsifizieren.“ Ihr Erkenntnisobjekt „läßt
sich weder als ein natürlicher, sinnlich erfahrbarer Gegenstand oder Prozeß, noch
als ein individueller oder sozialer Handlungs- oder Sinnzusammenhang begreifen.“
Daher entziehen sich ihre Begriffe „operationellen Definitionen und ihre Aussagen
zumindest teilweise der Möglichkeit empirischer Falsifikation.“ Denn es handelt
sich bei ihren Begriffen um solche, „die als solche nur durch ‚reines Nachdenken’
gefunden werden können.“106
Marx beharrt auf der Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinung.
Die fertige Gestalt der ökonomischen Verhältnisse, wie sie sich auf der Oberfläche
zeigt, in ihrer realen Existenz, und daher auch in den Vorstellungen, worin die Träger
und Agenten dieser Verhältnisse sich über dieselben klarzuwerden versuchen, sind
sehr verschieden von, und in der Tat verkehrt, gegensätzlich zu ihrer innern, wesentlichen, aber verhüllten Kerngestalt und dem ihr entsprechenden Begriff (MEW 25, 219).
Damit steht er nicht nur in Widerspruch zur Wissenschaftlichkeit bürgerlicher wie
marxistischer Provenienz, er bestimmt diese Unterscheidung, die Fähigkeit, zwischen Wesen und Erscheinung unterscheiden zu können, als Kennzeichen von Wissenschaft überhaupt. Es sei „ein Werk der Wissenschaft“, „die sichtbare, bloß erscheinende Bewegung auf die innere wirkliche Bewegung zu reduzieren“ (ebd.,
104
Vgl. ebenso MEGA II/2, 20, 23, 38, 53f., 54, 59, 73f., MEW 13, 34f., 109, MEW 42, 148, 152.
„Aber das Kapital ist kein Ding, sondern ein bestimmtes, gesellschaftliches, einer bestimmten historischen
Gesellschaftsformation angehöriges Produktionsverhältnis, das sich an einem Ding darstellt und diesem Ding einen spezifischen gesellschaftlichen Charakter gibt“ (MEW 25, 822).
106
BACKHAUS 1997 e, 152f. Eduard Schäfer (1976) bestimmt die Differenz zwischen der Marxschen Methode,
seinem Wissenschaftsverständnis zur naturwissenschaftlich-mathematischen, sowie zu der von Popper neu formulierten Wissenschaftstheorie und bestimmt das Verhältnis von Theorie und Empirie im Marxschen Werk (ebd.,
53-127).
105
48
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
234).107 Die Notwendigkeit dieses theoretischen Verfahrens ergibt sich aus dem Gegenstand seiner Kritik, dem Wert, der in dinglich gewordener Form Gestalt gewinnt
und als Wesen ‚hinter’ seinen Erscheinungsformen ‚existiert’.
Die Nationalökonomie aber will nur die Erscheinungsformen kennen. In dem, wie sie
Geld bestimmt, liegt bereits das, was sie verfemt: Metaphysik; sie entfaltet es nur
nicht. Das Geld der Nationalökonomen hat seine eigene Dialektik. Verschiedene
Funktionen ein und desselben Gegenstandes verweisen auf ein Gemeinsames, von
dem aus sie sich als verschiedene Funktionen unterscheiden lassen. Philosophie, die
auf der Unterscheidung von Wesen & Erscheinung beharrt, wird Nationalökonomie
nicht als anderer Ansatz gegenübergestellt, sondern aus ihrem Gegenstand und ihren ihn fassenden Kategorien freigesetzt. So ist sie Kritik der Konstitution von Begriffen, die sich nichts anmerken lassen sollen. Marx führte dies am dezidiert antimetaphysischen Kritiker Ricardos, Samuel Bailey, durch, den er, mit einer Formulierung Adornos aus anderem Zusammenhang, „mit [dessen eigener] Kraft dorthin
treibt, wohin [dieser] um keinen Preis möchte und ihm mit dem Geständnis der eigenen Unwahrheit Wahrheit abnötigt“ (GS 5, 14). Bailey nimmt Wert als gegeben
auf, begründet ihn nicht. In Baileys theoretischer Ökonomie kann Wert stets ausgedrückt werden, - wie und dass Ware A mit Ware B gleichgesetzt wird, erklärt er nicht
(vgl. MEW 26.3, 159f.). Er kennt Wert nur als Tauschwert, als bestimmtes Austauschverhältnis der Waren. Er setzt Äquivalenz von Waren voraus und geht vom
Faktum quantitativen Tauschs aus. Werden aber zwei Waren gegeneinander getauscht, müssen sie einander ungleich und gleich sein: ungleichen Gebrauchswerts,
denn sonst wäre ihr Tausch überflüssig – von gleichem Maß, denn sonst könnten sie
nicht in einem bestimmten quantitativen Verhältnis einheitlich gegeneinander getauscht werden. Äquivalenz von Waren bedeutet, dass sie in etwas gleich sind, in einem Gleichen, das von ihnen selbst als natürlicher Körper unterschieden ist (vgl.
ebd., 137). Eine Ware kann in einer anderen nur qua eines immanenten Maßes ausgedrückt werden (vgl. ebd., 130), für quantitativen Tausch muss qualitative Gleichheit vorausgesetzt sein (vgl. ebd., 125, 132). Indem Bailey vom Tauschwert der Waren spricht, setzt er selber etwas voraus, was er aus einer theoretischen Vorentscheidung heraus leugnet.
Marx wahrt „die eigentümliche Logik des eigentümlichen Gegenstandes“ (MEW 1,
296), die nicht die formale Logik der positiven Wissenschaften ist. Deren Vorstellungen über politische Ökonomie kann er als an die sich selbst darstellenden Erscheinungsformen ihres Gegenstandes gebunden kritisieren. Ihre Theoretisierung
ist Rationalisierung eines Gegenstandes, der sie beherrscht – nicht nur als gesellschaftliches Verhältnis mit bestimmten Gesetzmäßigkeiten und Zwängen, sondern
auch noch in den Denkformen.108
Geld fügt sich nicht den Kritierien positiver Wissenschaft, denen der formalen Logik: dem Satz der Identität, vom ausgeschlossenen Dritten und vom zu vermeiden107
„Und dann glaubt der Vulgäre eine große Entdeckung zu machen, wenn er der Enthüllung des inneren Zusammenhangs gegenüber darauf pocht, daß die Sachen in der Erscheinung anders aussehn. In der Tat, er pocht
drauf, daß er an dem Schein festhält und ihn als letztes nimmt. Wozu dann überhaupt eine Wissenschaft?“ (Brief
Marx an Ludwig Kugelmann, 11.07.1868, MEW 32, 553). „[A]lle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen –, wenn gerade hier die Vulgärökonomie
sich vollkommen bei sich selbst fühlt und ihr diese Verhältnisse um so selbstverständlicher erscheinen, je mehr
der innere Zusammenhang an ihnen verborgen ist, sie aber der ordinären Vorstellung geläufig sind.“ (MEW 25,
825)
108
„Alle oberflächlichen und verkehrten Anschauungen des Gesamtprozesses der Reproduktion sind der Betrachtung des Kaufmannskapitals entnommen und den Vorstellungen, die seine eigentümlichen Bewegungen in den
Köpfen der Zirkulationsagenten hervorrufen“ (MEW 25, 324).
49
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
den Widerspruch. Denn es ist „zugleich und in derselben Hinsicht Ding und NichtDing, nämlich gesellschaftliches Verhältnis“ (KUHNE 1995, 32). Damit „widerlegt
[es] den nichtdialektischen Irrtum, etwas könne nicht zugleich konkrete einzelne Sache (dieser Geldschein) und allgemeine (100,- DM) sein“ (LIEBRUCKS 1964 Bd. 3,
526). Dialektisches Denken, „die Lästerung des ausschließlichen Herrschaftsprinzips
des zu vermeidenden Widerspruchs“ (ebd., 61), und deshalb für Popper ein „Dogmatismus von äußerst gefährlicher Art“ (1975, 188), kann Geld fassen und begreifen.
Verzicht auf Dialektik bedeutete nicht bloß „Verzicht auf gewisse metaphorische
Feinheiten und brilliante Mehrdeutigkeiten“, den Popper um der Klar- und Wahrheit willen empfahl (ebd., 181), sondern zum einen Verzicht auf den Gegenstand,
um den es geht. Zum anderen ginge man der Art und Weise, wie das Geld qua seiner dinglichen Existenz erscheint, auf den Leim, da es zwar „dialektischen Charakter hat“, aber „innerhalb seiner Dialektik undialektisch auftritt“ (LIEBRUCKS 1970,
172). Philosophie, sofern sie dialektisch, ist nicht einfach der Lückenbüßer, der aktiv
werden darf, nachdem andere aufsteckten, sondern die „Verfahrensweise“
(ADORNO NgS IV.7, 330), die „Fiber des Denkens“ (ebd., IV.16, 9), die der Thematisierung des Geldes angemessen.
Wie im positivistischen Verfahren üblich, werden auch in der Nationalökonomie die
Probleme und die Unklarheiten, auf die die Wissenschaft stößt, auf die Sprache zurückgeführt. Deren Diffusität und Bildhaftigkeit begünstige Missverständnisse und
(un-)wissenschaftliche Schwammigkeit. Die Nationalökonomie will, wie schon
Marx beobachtete, „die in den widersprechenden Bestimmungen der Dinge selbst
liegenden Schwierigkeiten gern als Reflexionsprodukte oder Widerstreit der definitions wegschwatzen“ (MEW 26.3, 129). Demgegenüber hielt er fest, dass „diese Widersprüche [..] in der Sache, nicht in dem sprachlichen Ausdruck der Sache“ liegen
(ebd., 134).109 Auffällig ist die hohe Zahl theologischer/religiöser Anspielungen,
Vergleiche und Analogien im Werk Marx’ und Engels’, auffällig ist, „daß Marx,
trotz aller Gegnerschaft gegenüber Religion und Theologie, theologische Vorstellungen sehr bewußt übernahm, um seine philosophischen und nationalökonomischen Ansichten anschaulich zu machen.“ Dies sei, so Reinhard Buchbinder, auf
„formale Parallelen“ der beiden Bereiche zurückzuführen, da in beiden Bereichen
eine „verkehrte Welt“ herrsche (1976, 408f.).110 Spricht Marx von der „Transsubstan-
109
„Daß das Paradoxon der Wirklichkeit sich auch in Sprachparadoxen ausdrückt, die dem common sense widersprechen, dem what vulgarians mean and believe to talk of, versteht sich von selbst“ (MEW 26.3, 134). „Die verdrehte Form, worin die wirkliche Verkehrung sich ausdrückt, findet sich natürlich reproduziert in den Vorstellungen der Agenten dieser Produktionsweise. Es ist dies eine Fiktionsweise ohne Phantasie, eine Religion des Vulgären. Die Vulgärökonomen [...] übersetzen in der Tat die Vorstellungen, Motive etc. der in der kapitalistischen
Produktion befangnen Träger derselben, in denen sie sich nur in ihrem oberflächlichen Schein reflektiert“ (ebd.,
445).
110
Buchbinder legt eine systematische Untersuchung und nahezu komplette Zusammenstellung aller Bezüge auf
Bibelstellen in Marx’ und Engels’ Werk vor. Er meint, die Vergleiche dienten nur „als methodische Erleichterung, da in manchen Fällen schwierige Sachverhalte des ökonomischen, politischen Bereichs usw. durch Parallelisierungen mit theologischen Vorstellungen schlagartig erhellt werden können“ (ebd., 409). Er hat zwar richtig
erkannt, dass durch die Anspielungen der behandelte Gegenstand (die politische Ökonomie) „fragwürdig“ gemacht werden soll (ebd., 73), dass Marx sich dadurch „überhaupt nicht von dieser eher theologischen als ökonomischen Analyse des Geldes [distanziert], sondern [sie sogar noch] verstärkt“ (ebd., 332), schreibt ihnen aber eine nur rhetorische, effekthascherische Funktion zu: sie seien „Verdeutlichungen, wie sich für Marx diese Entfremdungsphänomene in der Wirklichkeit im einzelnen ergeben“ (ebd., 322). Marx und Engels hätten „deren Bekanntheitsgrad und Anschaulichkeit zur Erläuterung und Verdeutlichung ihrer eigenen Ansichten einsetzen“ wollen (ebd., 409). Die Vergleiche verliehen der Darstellung „eine besondere Eindringlichkeit“ (ebd., 342) und „eine
pathetische Steigerung“ (ebd., 343) und dienten Marx’ „Neigung, die Macht des Geldes und Kapitals in besonders düstern Farben zu verurteilen“ (ebd., 344).
50
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
tiation“ konkreter in gesellschaftliche Arbeit (MEW 13, 70)111 wie von der Verwandlung von Brot & Wein in Leib & Blut Christi beim katholischen Abendmahl, dann ist
dies zwar ein mystischer Ausdruck, der aber die gesellschaftspraktische Abstraktion
und Verwandlung passend bezeichnet.
Ein theoretisches Verfahren, ein geistiges Verhalten, das anders als positive Wissenschaft verfährt, findet sich bspw. in der Kunst. „Poetische Kommunikation“, so stellt
Jochen Hörisch heraus, könne „anders als etwa wissenschaftliche oder alltägliche
Kommunikation“ es sich leisten, „Paradoxien und Dissonanzen aufmerksam zu
thematisieren“ (1996, 40), nachdem ihr „schrecklich-schönes und faszinierendes
Konkurrenzmedium“ Geld ihr das Vorhaben/die Aufgabe abgenommen habe, „die
Welt zu regieren und ihren (Richtungs-)Sinn zu bestimmen“ (ebd., 26). Literatur habe Narrenfreiheit, und so eröffneten sich ihr mehr Möglichkeiten.
Poetische Sätze stehen nicht unter Richtigkeits-, ja nicht einmal unter Plausibilitätsgebot. [...] Dichter sind eben deshalb von der Auflage entlastet, die verbindliche
Wahrheit sagen zu müssen. [...] Sie können es sich leisten, zu beobachten, was anderen Beobachtern entgeht. [...] Sie muß ihre Sätze nicht im Hinblick auf angemessene (z.B. nationalökonomische, soziologische, historische, biologische etc.) Beobachtungen komplexer Sachverhalte plausibel machen (ebd., 42).
Die Theorie von Poesie und Literatur beseitige dies wieder. Es sei
eine systematische Funktion von Literaturgeschichtsschreibung unverkennbar: sie
neigt in aller Regel dazu, die von Literatur beobachteten Paradoxien zu entschärfen und über die poetisch induzierten Kommunikationsstörungen hinwegzuführen. [...] Sie biegen störende, differenzbetonte, streitlustige, unverständige, unverständliche, idiosynkratische, kurzum: diabolische in symbolische Kommunikation
zurück (ebd., 41).
Theorie ist demnach die Rationalisierung der in der Sache steckenden Unvernunft.
Die Sprachparadoxien, die Poesie und Literatur sich erlauben können, so Hörisch
wie Marx, seien Paradoxien, die in der Welt selber liegen. Sie erlauben sich also nicht
„ein bloßes Spiel mit Worten“ (POPPER 1975, 182). „Die Lesbarkeit der Welt ist ohne
die Lesbarkeit von Geld in der Moderne nicht mehr zu haben“ (HÖRISCH 1996, 49),
d.h. Geld lege eine Lesart der Welt fest, vereindeutige, positiviere. Durch das Geld
unterliege die Welt einer „restlosen Zweitcodierung“, es „macht die Welt lesbar und
zwar nur unter einem bestimmten „Focus“ (ebd., 67).112 Derlei Kunst thematisiert,
oder besser: evoziert, was das Paradigma nicht-negierbarer Kommunikation von
vornherein ausschließt: bspw. eine Theorie von Wert, Geld oder Kapital, die als
nicht-empirische, ‚nicht-vernünftige’, uneindeutige etc. ‚Phänomene’ den eindeutigen sprachlichen Darstellungen sich permanent entziehen. Weil es sich mit Geld
derart verhält, muss auf umschreibende, metaphorische (eben bspw. poetische) Redeweise ausgewichen werden. „Metaphern übertragen [...] ein schwer verständliches Text-Element in der Hoffnung auf bessere Verständlichkeit und dichtere Ausdrucksmöglichkeiten in andere, in erhellendere Kontexte“ (ebd., 64). Aus gleichen
Gedankengängen heraus weist Alfred Sohn-Rethel bspw. gegenüber der KapitalInterpretation Louis Althussers und Etienne Balibars (‚Das Kapital’ lesen) ausdrücklich darauf hin, dass „gerade die Marxsche Rede von der ‘Warenabstraktion’ [...]
wörtlich zu nehmen ist“ und nicht metaphorisch (1989, 13/Fn 3). „Funktional ist eine solche Übertragung, eine solche Metaphorik nur, wenn sie Gründe für die An111
Ebenso in MEW 23, 17f. und 122, vgl. auch „die katholische Tatsache, daß Gold und Silber als unmittelbare
Inkarnation der gesellschaftlichen, daher als Dasein des abstrakten Reichtums, den andern profanen Waren gegenübertreten“ (MEW 13, 134).
112
„Geld ist die Welt nocheinmal“ (HÖRISCH 1996, 179); „Geld stellt Geltung her, ja: Geld ist Geltung über Individualitätsgrenzen hinweg“ (ebd., 229).
51
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
nahme hat, die schwer zu ergründende Logik des einen Bereichs sei auch die des
vertrauten, offenbaren, anderen Bereichs“ (HÖRISCH 1996, 64).
In positiver Wissenschaft finden Wert, Geld und Kapital keinen Platz. Ihr Objekt
Geld ist nach ihrer Wissenschaftstheorie nicht existent, irrational. Ihre ureigenen
Problemstellungen überschreiten ihren eigenen Erfahrungsrahmen. Klarheit und
Rationalität als methodologische Postulate ließen den Gegenstand verschwinden,
um den es geht. Wollte sie ihn doch fassen, müsste sie Zuflucht nehmen zu Verfahrensweisen, die sie ablehnt. „Der mit dem Wort Geld gemeinte Gegenstand ließe sich
also nur mittels einer dialektischen Darstellung in begrifflich faßbarer Weise gegenständlich machen“ (BACKHAUS 1997 d, 101).113 Andere Verfahrensformen von Erfahrung, wie Philosophie und Literatur, die inzwischen als unter- oder nichtwissenschaftlich gelten, erweisen sich als geeigneter, sie auszudrücken. Die Frage
nach dem Wesen des Geldes transzendiert die wissenschaftlichen Disziplinen. Weil
es sich dem fachökonomischen Zugriff entzieht, weil es zwischen den Fachdisziplinen liegt, entspringt die Notwendigkeit philosophischer Kategorien.114
II.2.) Geld macht Philosophie
II.2.1.) Geld und Geist. Sohn-Rethel
Das Verhältnis von Geld und Geist kann auf verschiedene Weisen bestimmt werden. Am geläufigsten ist (a) die Klage, dass die Menschen nur ans Geld denken.
Darum geht es hier nicht, sondern um die Einflussnahme des Geldes auf das Denken an sich, nicht nur in dem Sinne, dass (b) die Bildung des Geistes etwas kostet
und Bildung zur Ware geworden ist,115 sondern (c) inwiefern Geld Denken konstituiert, die grundlegenden Denkformen schafft und nicht erst nachträglich durch materiellen Zwang in Dienst nimmt.
Erörterungen eines solchen Zusammenhanges finden sich auch bei Georg Simmel.
Die „durchgedrungene Geldwirtschaft“ bezeuge „die Herrschaft des intellektuellen
Prinzips.“ Geldwirtschaft und Intellektualität wiesen beide die Charakteristika
„rücksichtslose Folgerichtigkeit, die Ablehnung aller gefühlsmäßigen Subjektivität,
die prinzipielle Zugängigkeit für jeden“ (GA 9, 17f.) auf. Simmel fallen also „Analogien mit der Intellektualität“ (GA 6, 608) auf. Besonders auffällig sei dies auf mathematisch-naturwissenschaftlichem Gebiet, deren „Erkenntnisideal“ darin bestehe,
die Welt mit den Augen des Geldes zu betrachten, „die Welt als ein großes Rechenexempel zu begreifen, die Vorgänge und qualitativen Bestimmtheiten der Dinge in
ein System von Zahlen aufzufangen“ (ebd., 612). Der Primat liegt nach Simmel eindeutig beim Verstand, bei „unserer Fähigkeit, nicht nur je zwei Dinge, sondern auch
die Verhältnisse je zweier zu je zwei anderen gegeneinander abzuwägen und in der
Einheit eines Gleichheits- oder Ähnlichkeitsurteils zusammenzufassen.“ Das Geld
folge dieser Fähigkeit nach, „als Produkt dieser fundamentalen Kraft oder Form unseres Inneren, ist nicht nur deren weitestes Beispiel, sondern sozusagen garnichts
113
Das Scheitern der politischen Ökonomie drückt das Scheitern der bürgerlichen Gesellschaft aus. Die Gründe,
„die für das Scheitern der politischen Ökonomie verantwortlich sind, [... sind] selbst keine logischen, sondern
ganz reale“ (POHRT 1995 a, 273). Eine vernünftige Darstellung der politischen Ökonomie ist deshalb nur als Kritik möglich. Deswegen ging es Marx darum, „durch Kritik eine Wissenschaft erst auf den Punkt zu bringen, um
sie dialekisch darstellen zu können“ (Brief Marx an Engels, 01.02.1858, MEW 29, 275).
114
Vgl. BACKHAUS 1985, 14 und 15, BACKHAUS 1997 a, 21, 25, 1997 d, 94, 1997 i, 408, sowie DEUTSCHMANN
2001, 9, 25, 35, 38.
115
Vgl. hierzu ausführlich STAPELFELDT 2003.
52
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
anderes, als die reine Verkörperung derselben“ (ebd., 163). Unklar bleibt, ob Simmel
tatsächlich meint, der Geist schaffe sich das Geld. An anderer Stelle bezeichnet er
das Geld als „praktisches Gegenbild“ zum Geist, als korrespondierendes Phänomen, bei dem „Allgemeingültigkeit und Inhaltslosigkeit [...] zu einer realen Macht
geworden“ sind (ebd., 281). Geld gebe über seine Abstraktion von allem Besonderen
„der rein geistigen Betätigung die meiste Freiheit“ (ebd., 421), stehe aber auch in
„Wechselwirkung mit der Intellektualität, durch die ihre Formen sich gegenseitig
anähnlichen.“ Simmel sieht „vielleicht“ einen „Hinweis auf ein tiefer gelegenes, ihnen gemeinsames Prinzip, das die Gleichheit ihrer Entwicklung trägt“ (ebd., 607).
Was dieses Prinzip sein könnte und wie genau der Zusammenhang von Geld und
Geist beschaffen sein könnte, wird von Simmel nicht weiter behandelt.
Wenig vor Simmel formulierte Friedrich Nietzsche einige Vermutungen über die
Auswirkungen des Geldes. Wie Simmel sieht er einen Zusammenhang von Aufkommen des Geldes und Herausbildung des Individuums (Werke I, 1151). Mit dem
Begriff des Individuums sei der des Rechtssubjekts verbunden. Dessen Konstituierung gehe auf das „Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner“ zurück,
welches „seinerseits wieder auf die Grundformen von Kauf, Verkauf, Tausch, Handel und Wandel zurückweist.“ Aus diesen praktischen, alltäglichen Betätigungen
sei eine abstrakte Vorstellung wie „die Idee einer Äquivalenz“ entstanden (II, 805).
Aber Nietzsche geht noch weiter, sieht den Einfluß wirtschaftlicher Praxis grundlegend: „Preise machen, Werte abmessen, Äquivalente ausdenken, tauschen – das hat
in einem solchen Maße das allererste Denken des Menschen präokkupiert, daß es in
einem gewissen Sinne das Denken ist: hier ist die älteste Art Scharfsinn herangezüchtet worden“ (II, 811).
Nietzsche führte diese Gedanken ebensowenig wie Simmel weiter; erst Alfred
Sohn-Rethel bemühte sich sein Leben lang um dessen systematische Ausführung.
Ausgangspunkt
Sohn-Rethel sieht sich mit seinem Vorhaben einer „gesellschaftlichen Erklärung des
reinen Verstandes“ (1978 b, 127) zwischen Transzendentalphilosophie und Idealismus einerseits und Marxismus andererseits.116 In der Transzendentalphilosophie
würden die Denkformen als Vermögen vorausgesetzt, nicht hinterfragt. Sohn-Rethel
denkt hierbei in erster Linie an Kant. Dieser habe nicht die Frage nach der „Herkunft der Formelemente [gestellt], worauf sich dies Vermögen gründet.“117 Die
Transzendentalphilosophie habe soweit recht, dass die reinen Begriffe nicht über die
Sinne gegeben werden, nicht gegeben werden können, dass sie nicht Eigenschaften
von Dingen sind, „die auf uns überspringen oder die wir von ihnen ablesen“ (ebd.,
103). Bei ihrer Erklärung, die gar nicht „Erklärung“ zu nennen sei, bewege sie sich
nur auf eigenem Boden, bleibe deshalb Erkenntnistheorie (1978 a, 30). In diesem
Verfahren erblickt Sohn-Rethel eine „Übereinstimmung“ von Marxismus und
Transzendentalphilosophie (ebd., 74). Ersterer habe in der Durchführung des historischem Materialismus an entscheidender Stelle versagt, bei ihm „sind wir in den
Fragen der Logik, der Mathematik und der Objektwahrheit auf den Boden zeitloser
Normen versetzt“ (1972, 15). Der Marxismus versage vor der Transzendentalphilo116
Dass er dort tatsächlich steckt, das zeigen die wütenden Reaktionen aus dem marxistischen Lager (vgl.
BISCHOFF 1971 und F. HAUG 1971). Sowenig sie auch Sohn-Rethel verstanden (oder verstehen wollten), so sehr
haben sie mitbekommen, dass das, was er unternehmen will, nicht nur die Marxsche Theorie streitig macht, sondern ihnen auch den Boden unter den Füßen wegzieht.
117
„Die Abstraktionen, die den Begriffen zugrunde liegen, sind gänzlich anderer Art, und sie sind ohne alle Ableitung fertig da“ (1990, 36).
53
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
sophie, noch bevor er angefangen hat. Seine Erklärungen seien kruder Empirismus.
So kritisiert Sohn-Rethel Engels, der im Anti-Dühring die mathematische Abstraktionsfähigkeit als „Ergebnis einer langen geschichtlichen, erfahrungsmäßigen Entwicklung“ deutete.
Die eigentlich triftige Frage nach dem Ursprung der Abstraktionsform, worauf Mathematik sich gründet, wird aber von Engels nicht gestellt. [...]
Auch der bekannte Leninsche Hinweis auf die millionenfache Widerholung elementarer Erfahrung, aus der schließlich die logischen Begriffe von Identität, Widerspruch
etc. hervorgegangen seien, ist nur eine Art, sich über die Unerfindlichkeit eines spezifischen Ursprungs hinwegzutrösten (ebd., 102).
Sohn-Rethel konstatiert einen „Mangel an historischem Materialismus“ (ebd., 103)
im Marxismus, den er beheben will. Unter historischem Materialismus versteht er
„keine Weltanschauung, sondern ein methodologisches Postulat“ (1978 a, 32). Dem
historischen Materialismus liege die Annahme zugrunde, „daß die menschliche Geschichte Teil der Naturgeschichte ist, nämlich durchweg in letzter Instanz von materiellen Notwendigkeiten beherrscht“ (1972, 32), dass das „Sein“ das „Bewusstsein“
bestimme.118 Wenn Sohn-Rethel von „Sein“ spricht, so meint er ausdrücklich im Gegensatz zum Marxismus nicht nur „das dem Menschen gegenüberstehende Sein der
‚Außenwelt’ als außermenschliche Natur“, sondern „gesellschaftliche[s] Sein“ (ebd.,
103). Als „methodologisches Postulat“ sei der historische Materialismus „eine bestimmte Art und Weise, die Dinge zu betrachten“ (ebd., 243). Unter diesem Betrachtungswinkel zeige sich Dialektik119, die „in der Geschichte“ „liegt“ (ebd., 34f.). Dieses sei aber keine ewige Wahrheit, sondern „methodologisches Postulat“, d.h. es habe „sich erst in seiner tatsächlichen Durchführbarkeit zu bewähren und als wahr zu
erweisen“ (ebd., 244). Sohn-Rethel will den Historischen Materialismus ‚einlösen’
(1978 a, 93); er will dessen Postulat genügen, indem die Abstraktionen im gesellschaftlichen Sein nachgewiesen werden (1972, 38). Es geht ihm um die „geschichtliche Genesis des reinen Verstandes aus gesellschaftlicher Vorformung“ (ebd., 22),
um eine „gesellschaftliche Deduktion der Kategorien“ (ebd., 23), die er als „zeitgebunden statt zeitlos“, die er „genetisch statt transzendental“ nachweisen will (1978
a, 28).
Abstraktionen
Sohn-Rethel gewann nach eigenen Angaben 1921 bei seinem Studium in Heidelberg
in einem Seminar Ernst Cassirers die „halbintuitive[.] Einsicht“ der „Entdeckung
des Transzendentalsubjekts in der Warenform“ (1989, V). Um zu erklären, was es
heißt, dass das Transzendentalsubjekt sich „im Innersten der Formstruktur der Ware“ (1972, 12) verberge, bedarf es der Kenntnis der Marxschen Analyse der Wertform und der Ware (wobei Sohn-Rethel sich auf ihre Form in MEW 23 stützt), bzw.
ihrer Sohn-Rethelschen Lesart. Vorwegnehmend darf gesagt werden, dass SohnRethel sich ihr deswegen zuwendet, weil er in den Formen des Tauschs und des
Werts praktische Abstraktionen findet, die denen des reinen Verstandes gleichen. Er
verfährt in eigenen Worten „nach dem Prinzip, im gesellschaftlichen Sein nach dem
Abstraktionsvorgang zu suchen, aus welchem das Gedankenphänomen des abstrakten Verstandes resultiert“ (1978 b, 127).
118
Es ist hier fraglich, ob Sohn-Rethel dies so kritisch wie Marx meint oder so positivistisch wie der Marxismus,
d.h. ob er dieses Verhältnis als aufzuhebendes kritisiert oder ob er kritisiert, dass die Menschen dies noch nicht
anerkannt haben, d.h. sich immer noch nicht in die ‚Notwendigkeit’ schicken. Kruder wird es, wenn er das
„Wertgesetz“ als „das Grundgesetz des historischen Materialismus“ (1972, 34) ausweist.
119
Zu Sohn-Rethels Verständnis von Dialektik finden sich nur wenige Anmerkungen. Vage versteht er darunter
die „Einheit von Denken und Sein, von Sinn und Realität“ (ebd., 35).
54
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
„Die Warenform“, so Sohn-Rethel, „ist abstrakt, und Abstraktheit herrscht in ihrem
gesamten Umkreis“ (1972, 41):
(1) sei der Tauschwert (d.h. die gesellschaftliche Relation der Waren, ihr quantitatives Austauschverhältnis) abstrakt im Gegensatz zum Gebrauchswert
(d.h. der konkrete Anwendungsnutzen) einer Ware;
(2) werde die konkret verausgabte Arbeit unter der Wertform, d.h. im
warenproduzierenden System zu „abstrakter Arbeit“;
(3) existiere der Warenwert gegenständlich als Geld, als „abstraktes Ding“ (dazu später);
(4) werde der Mensch, der solchen Reichtum besitze, „selber zum abstrakten
Menschen“ 120;
(5) sei die Gesellschaft, deren Zusammenhang über die Formen des Warentauschs sich herstelle, „ein rein abstrakter Zusammenhang“.121
Die Abstraktheit der Warenform gründe auf den beim Tausch geschehenden Abstraktionen. Die Tauschabstraktion sei „im Warenverkehr als solche enthalten, unabhängig von seinem Entwicklungsgrad, ökonomischen Hintergrund, geschichtlichen Zeitpunkt etc.“ (ebd., 92). Die „Formcharaktere des Warentauschs“ seien „auf
den verschiedenen Entwicklungsstufen der Gesellschaft unverändert“ (1978 a,
47).122 Sohn-Rethel unterscheidet zwischen drei verschiedenen Abstraktionsvorgängen, oder Abstraktionsarten.
(1) Tausch bedeute zunächst die Konstituierung einer Zirkulationssphäre, in der es
zu einer örtlichen und zeitlichen Trennung des Tauschs von Produkten von ihrer Konsumtion komme (vgl. 1972, 47 und 74). Dies ist die erste Abstraktion; sie
sei Wirkung des Fernhaltens der Gebrauchshandlung von der Tauschhandlung
(vgl. 1978 b, 127). Diese Tauschabstraktion bewirke eine Trennung der „Imagination vom Tun“ (1972, 48).
(2) werde durch den Tausch aber auch eine Abstraktion an den Dingen selbst vollzogen, die getauscht werden, sowie an der Arbeit, die ihnen inhäriert. Durch die
Gleichsetzung der Produkte werde auch die enthaltene Arbeit gleichgesetzt, als
kommensurabel gesetzt, darüber abstraktifiziert (vgl. ebd., 45 und 55). Durch
120
Was das heißen soll, ist und bleibt rätselhaft.
Auch hierin unterscheidet Sohn-Rethel sich vom Marxismus. Er als erster formulierte gesellschaftliche Synthesis als über den Wert vermittelte. Der Marxismus war auf die Arbeit fixiert: sie werde ‚abstrakt’ gemacht („entfremdet“), d.h. taylorisiert; sie werde ungerecht vergütet; sie sei aber der ‚eigentliche’ Zusammenhang der Gesellschaft, von den Produzenten gebildet, von den Herrschenden verschleiert. ‚Die Herrschenden’ bestimmten
über Verteilung, Organisation und Kontrolle der Arbeitsteilung, -aufgaben und -produkte die Zusammensetzung
und die Machtstrukturen der Gesellschaft. Was Gesellschaft selber sei, wurde ihnen kein Problem; wahrscheinlich ist sie ihnen nicht mehr als eine Gemengelage von Individuen. Dieses Problem stellte sich erst Sohn-Rethel,
indem er – in Anlehnung an Kant – nach den Bedingungen der Möglichkeit von Vergesellschaftung unter kapitalistischer Produktion fragte. „Unsere Gesellschaft ist ein Austauschzusammenhang, also der Form nach ein funktionaler Nexus von separaten Einheiten, die sich alle unabhängig voneinander verhalten [...]. Nur hinter dem
Rücken der Tauschenden ist ihre Handlung gesellschaftlich, die Zwecksetzungen sind privat“ (1974, 185). „...
nicht die Individuen bewirken ihre gesellschaftliche Synthesis, ihre Handlungen tun das. Die Handlungen bewirken eine Vergesellschaftung, von der die Handelnden in dem Augenblick, da sie geschieht, nichts wissen.“ Das
Geld ist hier Träger der gesellschaftlichen Synthesis. Der Formalismus gesellschaftlicher Synthesis „nimmt gesonderte dingliche Gestalt an im Geld [...], und dieses Ding tut seine gesellschaftlich-synthetische Wirkung ohne
alles menschliche Begreifen von dem, was es ist“ (1972, 73). Damit hat Sohn-Rethel gleich die Erklärung für die
Verdeckung des gesellschaftlichen Konstitutionsvorganges mitgeliefert, ohne auf − letzten Endes immer − manipulatorische ideologische Machenschaften ‚der Herrschenden’ zurückgreifen zu müssen.
122
Damit ist Sohn-Rethel wieder im marxistischen Mainstream, er folgt der von Engels inaugurierten Interpretation der Marxschen Wertformanalyse (vgl. 1972, 93f. und 1978 b, 124f.). Die „Verdopplung der Ware in Ware
und Geld“ sieht er als historische „Entwicklungsstufe“ des „Warenverkehrs“, welche erstmals um ca. 700 v.u.Z.
aufgetreten sei (1972, 71f. und 1978 b, 117f.). Er differenziert auch nicht zwischen Produkten- und Warentausch.
Er mag zwar begriffen haben, was Ware bei Marx heißt, sieht aber nicht den Unterschied zu einfachem Produktentausch in früheren Jahrhunderten und -tausenden.
121
55
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
diese Gleichsetzungen bringe der Tausch die Wertform hervor (vgl. 1990, 31);
die Tauschhandlung „erzeugt“ und „erzwingt“ den ökonomischen Wertbegriff
(1978 b, 121).
(3) Von besonderer Bedeutung ist das „Postulat der Tauschgleichung“ (1972, 104):
(a) die Waren würden behandelt, als würden sie keiner qualitativen Veränderung unterliegen. Als Waren sind sie als identische fest gestellt;
(b) erfolge diese qualitative Gleichsetzung ungeachtet ihrer faktischen Verschiedenheit;
(c) sei ihre Veräußerung an die Bedingung der Austauschbarkeit und der
gegenseitigen Anerkennung der Tauschakteure als Gleiche geknüpft,
wobei die Akteure jedoch die anderen Beteiligten ausblendeten, bzw. nur
soweit berücksichtigten, als diese in die eigene Interessenlage hineinkommen;
(d) sei der Tausch die Fiktion einer Ortsveränderung des Getauschten ohne
jede materielle Affizierung.
In diesen vier Postulaten der Tauschgleichung findet Sohn-Rethel metaphysische,
genauer gesagt rein mathematische/naturwissenschaftliche Kategorien wieder. Er
findet sie nicht nur wieder, sondern behauptet, in den Postulaten deren genetischen
Ursprung gefunden zu haben. Die Handlung des Tauschs sei Ursprungsform nichtempirischer Abstraktion; von hier stammten die reinen Verstandesbegriffe (vgl.
1990, 30). Das Postulat der qualitativen Nicht-Veränderung entspreche der Form der
Identität und der Qualität der Substanz;123 das der qualitativen Gleichsetzung ungeachtet der faktischen Verschiedenheit entspreche dem Begriff reiner Quantität (vgl.
1972, 74ff.); die Veräußerung unter den Bedingungen der Austauschbarkeit und der
gegenseitigen Anerkennung entspreche dem philosophischen Solipsismus (vgl.
ebd., 64ff. und 68ff.); die Ortsveränderung ohne materielle Affizierung entspreche
dem Begriff reiner Kausalität (vgl. ebd., 86ff.) und der abstrakten Bewegung (vgl.
ebd., 82ff.). Diesen Begriffen wie den Tauschpostulaten sei ihre Abstraktion vom
‚tatsächlichen’ Geschehen gemeinsam.
„Abstrakt“ bedeutet bei Sohn-Rethel also „abzüglich aller Merkmale möglichen Gebrauchs der Waren“ (ebd., 47); abstrakt sei „das, was nicht-empirisch ist“ (ebd., 49).
Die Tauschabstraktion sei der „Warenabstraktion“ vorgeordnet. Sohn-Rethel unterscheidet die beiden Abstrationstypen ausdrücklich voneinander (vgl. 1978 b, 120),
doch bleibt unklar, was genau die Warenabstraktion sein soll. Sohn-Rethel bezeichnet sie auch als „Wertgegenständlichkeit“ (1990, 30), doch ob er damit quantitativ
bemessenen Wert meint oder das Gegenständlich-Werden von Wert, wird nicht explizit ausgeführt. Die Warenabstraktion sei auf jeden Fall eine „Realabstraktion“.
„Realabstraktion“ hat bei Sohn-Rethel zweierlei Sinn.
(1) meint er damit das Entstandensein einer Abstraktion aus realen Handlungen,
wie in den unzähligen gesellschaftskonstitutiven und -synthetisierenden
Tauschakten. „Die Abstraktion entspringt der zwischenmenschlichen Verkehrsrelation; sie entspringt [...] nicht im Apperzeptionsbereich eines Eigentümers für
sich“ (1972, 73). „Das Wesen der Warenabstraktion [..] ist, daß sie nicht denkerzeugt ist, ihren Ursprung nicht im Denken der Menschen hat, sondern in ihrem
Tun“ (ebd., 41). Da sie weder Ding noch Bewusstsein zugeschlagen werden
könne, da sie „gesellschaftliche Relation“ sei, entgehe sie „der Begriffssprache
des traditionellen metaphysischen Denkens völlig“ (1978 b, 114), ebenso wie sie
123
„Die gebrauchswerten Qualitäten der Waren [...] hängen dieser abstrakten Bestimmtheit an wie nach philosophischen Begriffen die Akzidenzien der Substanz“ (1978 b, 120).
56
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
sich dem Empirismus „gänzlich entzieht“, weil dieser „sich auf den Apperzeptionsstandpunkt des Individuums versteift“ (1972, 73).
(2) meint er damit das reale, d.h. dingliche Dasein einer Abstraktion, und zwar im
Geld. In ihm als Fixierung des Äquivalenzausdrucks der Waren (ebd., 42)
„schlägt die Abstraktheit des Austauschs sich nieder und gewinnt separate Existenz gegenüber allen anderen Waren“ (1990, 31). Das Geld sei also Träger der
Identität aller Waren, der Abstraktion des gesamten Tauschs. Damit entstehe ein
Problem: denn das, was Geld sei, seinem Begriff nach, könne es nicht geben, so
etwas könne nur gedacht werden. Es müsse die Eigenschaften aller vier Tauschpostulate erfüllen, unveränderlich, reine Substanz sein. „Geld muß also aus einer wirklichen Materie bestehen, die mit keiner wirklichen Materie, die es gibt
und geben kann übereinstimmt, aus einer Materie, die es in keiner Sinneserfahrung geben kann“ (1974, 91). Insofern ist die Sohn-Rethelsche Bezeichnung „abstraktes Ding“ für Geld ungenau: eher ist es dingliche Abstraktion, materiale Ausführung eines bloß Gedachten, resp. nur Denkbaren.
In beiden Fassungen hat die Realabstraktion als gesellschaftliches Sein „die vermittelnde Rolle zwischen Denken und Sein oder Subjekt und Objekt“ (1978 b, 132f.);
eminente Bedeutung kommt nun dem Geld zu.
Transformationsproblem
Sohn-Rethel stellt also eine „Porträtähnlichkeit“ (1972, 22) der Geldfunktion und des
Transzendentalsubjekts fest; dass die Wertabstraktion „äußere Ähnlichkeit“ (ebd.,
42) mit den Kategorien der quantitativen Naturerkentnis habe; er findet für die „begriffliche Denkform [...] ein gleichermaßen formelles Korrelat im ökonomischen Felde“ (1990, 14), eine „überraschende Übereinstimmung“. Ja, so „unglaubhaft ist diese
Übereinstimmung“ (ebd., 17) „zwischen den gefundenen Formbestimmtheiten der
Tauschhandlung auf der einen Seite und den sogenannten reinen Verstandesbegriffen und überhaupt den tragenden Kategorien des metaphysischen Denkens auf
der anderen [..], daß es sich dabei unmöglich um bloße Koinzidenz handeln kann.“
Sohn-Rethel findet Analogien, kann den Kantischen Begriffen und Kategorien formund funktionsgleiche aus Marx’ Kritik der politischen Ökonomie gegenüberstellen
(1978 b, 120):
Kant
Einheit des Selbstbewusstseins
ursprünglich-synthetische Einheit der Apperzeption
reiner Verstand
Vernunft
Erfahrung
Dasein der Dinge nach Gesetzen/Natur
Marx
identische Einheit des Geldes
synthetische Funktion des Geldes
konstitutive Bedeutung der Funktion des
Geldes für die kapitalistische Produktion
Kapital
Warenwelt
Warentausch nach Gesetzen
Er weiß aber auch, dass die Beobachtung einer äußeren Ähnlichkeit noch keinen inneren Zusammenhang beweist, dass „selbst mit einer formellen Identifikation von
Denkabstraktion und Realabstraktion [..] eine eindeutige Ursprungserklärung der
ersteren aus der letzteren noch nicht gesichert“ ist (1972, 57), dass man vielmehr
sich vor nichts „mehr zu hüten [hat] als vor einer oberflächlichen, nach bloßer Äußerlichkeit urteilenden Gleichsetzung historischer Denkerscheinungen mit der Warenabstraktion“ (1978 b, 114).
57
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
Auf welche Weise also ‚geht’ die Realabstraktion „ins Denken“ ‚über’ (1972, 54)?
„Durch welche Kausalität vermittelt sich die Wirkung der Warenabstraktion aufs
menschliche Denken?“ (1978 b, 114). „Wie übersetzt sich [..] die Realabstraktion aus
der bewußtlosen Funktionalität bloßer Handlung in Bewußtseinsform? Wie wird
Realabstraktion zur Denkabstraktion?“ (1974, 189). Sohn-Rethel verwendet drei Beschreibungen:
(1) spricht er von einer „Übertragung“ des Bewusstseins auf die Waren im Zuge
der Tauschhandlungen und umgekehrt, durch Benutzung einer „Warensprache“, die zwangshaft aus den Imperativen des Marktes folgten (1972, 53). Diese
Überlegung verfolgt er nicht weiter. (Wir auch nicht, sie sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.)
(2) benutzt Sohn-Rethel die von Engels und Lenin vorbelasteten Begriffe wie „Widerspiegelung“ und „Reflexion“. Die abstrakten Begriffe liegen in den Warenabstraktionen des Tauschs vor, und diese „spiegeln“ sich „im menschlichen Bewusstsein“ (1978 b, 124). Die Formulierung der „Begriffsspiegelung der Tauschabstraktion“ (1972, 104) erklärt aber die Transformation nicht, von der SohnRethel ausgeht, dass er sie kausal aufzeigen müsse. Sie wird nur hinter einer anderen Bezeichnung versteckt. Ins Bewusstsein gehe über, was im Geld sichtbar
wird, „durch Reflexion der im Geld kristallisierten Abstraktion“ (ebd., 108); es
wird etwas vom „Geld und seinen Funktionen abgelesen“ (ebd., 112). Damit
geht er über zur dritten Beschreibung der Transformation, mit der er sich ausdrücklich gegen eine Widerspiegelungstheorie ausspricht.
(3) An anderer Stelle kritisiert Sohn-Rethel „die Unbestimmtheiten der
‚Widerspiegelung’“, die „das Begriffsvermögen, dessen Entstehung doch zur
Rede steht, bereits voraussetzt“ (1974, 192). Die Realabstraktion des Tauschs
‚dränge’ sich dem Bewusstsein ‚auf’. Damit es dies könne, bedürfe es einer
entscheidenden Entwicklungsstufe des Warentauschs, nämlich der
Aussonderung des allgemeinen Äquivalents als besonderes, welches fest mit
einem bestimmten Gegenstand verbunden ist; es bedürfe der Münzform des
Geldes. Wie gesehen liegt im Geld eine Zwieschlächtigkeit von
gedanklicher/begrifflicher Bestimmung und Materialität vor. Gerade diese seine
Präsenz lasse „der Bewußtseinsreflexion gar keine andere Wahl [..] als den
reinen Universalbegriff“ (1972, 231) zu prägen. „Jedermann, der Münzen in der
Tasche trägt und ihren Gebrauch versteht, [muß] ganz bestimmte begriffliche
Abstraktionen im Kopfe haben [..], mag er sich dessen bewußt sein oder nicht.
Denn er behandelt diese Münzen faktisch, als ob sie aus einer unzerstörbaren
und ungeschaffenen Substanz beständen“ (ebd., 126). Zwar ‚drängen’ die
Realabstraktionen des Tauschs sich dem Bewusstsein ‚auf’, aber in der
‚Identifizierungshypothese’ wird die Übernahme der Abstraktionen der aktiven
Betätigung des Verstandes zugeschrieben. „Die Abstraktion, aus der er [der
Begriff des Geldes] stammt, hat anderswo stattgefunden und auf einem anderen
Weg als dem des Denkens. Alles, was das Denken hinzutut, ist die Anstrengung,
die fertig gegebene Abstraktion zufriedenstellend zu identifizieren“ (1974, 191).
Die korrekte Identifizierung der Realabstraktion mache die abstrakten Begriffe
Die notwendig.
‚Identifizierungsthese’ setzt sich bei Sohn-Rethel letztlich durch. Sie ist auch der
Beweisschluss, der am Beispiel der frühgriechischen Philosophie (Vorsokratiker) bei
dem „formgenetische[n] Zusammenhang von Philosophie und Geldwirtschaft“
(1972, 13) gezogen wird. Sohn-Rethel stützt sich hierbei v.a. auf die Ergebnisse von
George Thomsons Studie The first Philosophers (1955). In „dem auffallenden Folgeverhältnis zwischen dem Auftreten des philosophischen Denkens und der Münz-
58
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
prägung in Griechenland [...] tritt der innere formstrukturelle Zusammenhang an
die sichtbare historische Oberfläche“ (1972, 230f.). Geld wird de facto im Gebrauch
als Substanz (im philosophischen Sinne) betrachtet und behandelt. Einige Menschen, die vorsokratischen Philosophen, wollten bestimmen,
daß und wodurch sie [die Begriffe des Geldes] von der physischen Natur seiner
Geldstücke und überhaupt von der wahrnehmbaren Welt abweichen. Ein deutliches Bewußtsein von diesen Begriffen zu gewinnen, sie voneinander zu unterscheiden und zu formulieren [...] das war [...] das Werk der Philosophen.124
Sohn-Rethel wendet sich zweifach gegen den wissenschaftlich etablierten Positivismus. Zum einen gegen den in dem theoretischen Lager, dem er eigentlich zugehört
und dem er sich kritisch verbunden fühlt, dem Marxismus. An ihm kritisiert er den
‚bürgerlichen’ Charakter seiner Wissenschaftstheorie. Geht es um diese, geht es um
Fragen der Erkenntnis- und der Wahrheitstheorie, dann steckt dessen Opposition
zum Bürgertum auf. Damit befindet Sohn-Rethel sich zum anderen gleichzeitig in
Opposition zur bürgerlichen Wissenschaft. Sohn-Rethels Erklärung von Abstraktionen als realen Abstraktionen in dem doppelten Sinne, dass Abstraktionen zum einen aus realen Handlungen von Individuen hervorgehen, zum zweiten, dass eine
Abstraktion im Geld anfassbare Existenz hat, wendet sich gegen ein Verständnis
von Abstraktion als bloßer Nominaldefinition. Abstraktion kann nach ihm weder
vom marxistischen wie vom bürgerlichen Lager als sprachliche Verwirrung, als begrifflicher Bombast oder als gedankliche Verfehlung abgetan und dekonstruiert
werden.
Sohn-Rethels Verhältnis zur Metaphysik ist allerdings klassisch anti-metaphyisch.
Ihm geht es um ihre „kritische Liquidierung“, d.h. um deren historischmaterialistische ‚Erdung’, um eine Ableitung ihrer prätendierten Selbständigkeit.
Wie die Götter von der Aufklärung, so sollen auch die spekulativen Annahmen, die
scheinbar unhintergehbaren Aprioris der bürgerlichen Philosophie entthront und
entmystifiziert werden. Damit steht er in Gegensatz zu seinen Nachfolgern, die der
Metaphysik/Philosophie gegenüber wesentlich aufgeschlossener sind.125 Mit diesen
werden wir uns im nächsten Teil beschäftigen.
II.2.2.) Identifikation
Philosophie
Fast zeitgleich mit Sohn-Rethel führte auch Georg Lukács in Geschichte und Klassenbewußtsein (1923) ein klassisches Problem der Philosophie, die Kantische Antino124
„Der erste, der für dieses Element der Realabstraktion einen passenden Begriff fand, freilich ohne die geringste Ahnung davon, wofür sein Begriff einstand und was ihm denselben aufgenötigt hatte, war Parmenides mit
seinem ontologischen Begriff des Seins. Er sagt, das Reale aller Dinge ist nicht ihre Sinneserscheinung, sondern
ist einzig und allein das Eine, das ist [...]. Von dem ist nichts auszusagen, als daß es ganz und in sich vollständig
ist, den Raum und die Zeit voll ausfüllt, unveränderlich, unteilbar und unbeweglich ist, daß es nicht vergehen und
also auch nicht entstanden sein kann“ (1972, 96f. und vgl. 1978 b, 111f.).
125
Die Bedeutung Sohn-Rethels sollte nicht unterschätzt werden, so gering sie auch ist, v.a. nicht seine Wirkweise: immer wieder tritt einer auf, den Sohn-Rethels Überlegungen elektrisierten und zu einer abermaligen Zusammenfassung seiner Schriften veranlassten, die oft mit dem Ausblick enden, dass Sohn-Rethel einige Ahnungen
vorgelegt habe, die zu systematisieren und weiterzuverfolgen seien. Dazu ist es nie gekommen. Typisch für die
Rezeption ist REINICKE 1974, 103-118, HÖRISCH 1977, 1985 und 1990, HIEBER 1977, DUDEK 1979 und BURGER
1991. DOMBROWSKI/KRAUSE/ROOS 1978, GREIFF 1976, OETZEL 1978, WOESLER 1978, besonders 93-180 (vgl.
dazu BREUER 1985 d) und R.W. MÜLLER 1981 (vgl. dazu KÖNIG 1978, K.W. SCHMIDT 1980) versuchen SohnRethels Anregungen weiterzuentwickeln. Kritiken an Sohn-Rethel (neben den schon erwähnten), auch die elaborierteren, gehen meistens fehl, so bspw. WOHLRAPP 1975, HAFFMAN/REXROTH 1976.
59
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
mienlehre, auf die widersprüchliche polit-ökonomische Verfassung der bürgerlichen Gesellschaft zurück (vgl. 1968, 209-267). Hier wurde ein Grundmuster für den
Umgang mit Philosophie im Neomarxismus gelegt. Es wird dargestellt, wie gesellschaftlicher Erfahrungsgehalt in einer Form verarbeitet wird, die seine Herkunft
nicht mehr explizit enthält, sondern nur noch durch Ähnlichkeiten verrät. Diese
Verschiebung wird nicht unbedingt absichtlich, bewusst vorgenommen. Gesellschaftliche Strukturen, Bewegungen und Krisen werden anders ausgedrückt, lassen
sich in theoretischen, philosophischen Formen wiederfinden, in denen sie entnannt
und anders benannt werden.
Diesen Zusammenhang herzustellen wird seit dem westlichen Marxismus besonders gerne an Kants und Hegels Philosophie durchzuführen versucht. Zur Begründung dieses Zusammenhanges werden strukturelle Parallelen aufgezeigt. Wenn bei
Kant die Arbeit des Verstandes und die Suche nach gesetzmäßigen Vorgängen und
Erkenntnissen in der Natur im Mittelpunkt stehe, so sei dies die Folge der gesteigerten Bedeutung von Arbeit als zentraler Vermittlungsinstanz der Konstitution von
Wissen sowie von Gesellschaft (vgl. KÖNIG 1981, 28). Kants „Schematismus“ in der
Kritik der reinen Vernunft als Lösungsversuch des Problems der Vermittlung von
Apriori und Aposteriori entspreche und entspringe dem Geld, welches der sinnlichübersinnliche Schematismus sei, die Form, die Gegenstände annehmen müssten, um
gesellschaftlich zu werden (vgl. ebd., 37). Wie der Kantische Verstand, wenn er bei
sich bleibt, leer bleibt, so muss Geld sich in die Zirkulation begeben, um sich zu erhalten (vgl. ebd., 39-41). Das Äußerlichbleiben von Verstand und Natur bei Kant
entspreche und entspringe dem von Geld und gesellschaftlichem Sein, solange der
Tauschwert ohne objektive Grundlage im gesellschaftlichen Sein sei, d.h. dem Produktionsprozess als Handelskapital noch äußerlich bleibe und noch nicht nach seinen Anforderungen umgestaltet habe (vgl. ebd., 42-47). Kant habe so die dem Stand
der Entwicklung der Produktivkräfte entsprechende Philosophie formuliert.
Bei Hegel habe dies schon anders ausgesehen: die reelle Subsumtion126 war im Gange und dementsprechend „die Hegelsche Logik [...] die metaphysische Verkleidung
der Selbstbewegung des Kapitals“ (KRAHL 1970, 141).127 Das Kapital sei „die reale
Metaphysik“ (ebd., 144). Wie das Wesen der Hegelschen Logik die Reflexion des
Seins in sich selber, so sei dies auch beim Geld der Fall (vgl. ebd., 145). Wie das Absolute so sei auch das Kapital „sich auf sich selbst beziehend als reine Identität“
(ebd., 146). Die Parallelisierungen seien nicht nur zufällige Strukturähnlichkeiten, sondern das eine auch der Realgrund des anderen. Marx habe im Zuge seiner Kritik der
politischen Ökonomie „die gesellschaftlichen Voraussetzungen erfaßt, die das fundamentum in re des idealistischen Formabsolutismus bilden“ (BREUER 1977, 38). Der
Gang durch die Hegelsche Logik von Sein über Wesen zum Begriff wird dem Gang
des Werts durch die Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft gleichgestellt (vgl.
KÖNIG 1981, 82-116). Das Kapital werde so absolut wie das Absolute bei Hegel. Ab
einer gewissen Entwicklungsstufe des Kapitalverhältnisses sei ein Automatismus
installiert, vor dem nicht nur die Subjekte als bedürftige hinfällig würden, sondern
auch deren selbstbewusste Reflexion zu dessen Überwindung scheinhaft werde
(vgl. ebd., 131, BREUER 1977, 39). Nach der ursprünglichen Akkumulation werde der
initial von außen kommende Zwang vom Kapital immer wieder selbst vollzogen.
Seine äußeren Bedingungen und Voraussetzungen verschwänden und würden fort126
Dies bezeichnet den historischen Vorgang, wenn das Handelskapital die Produktionssphäre ergreift und sich
unterordnet (vgl. MEGA II/4.1, 91-108).
127
Vgl. ähnliche Ausführungen auch in KRAHL 1971 a und, reichlich verworren, in KRAHL 1985, 24-52 und 158178. Vgl. auch MERCIER-JOSA 1989a, in anderer Variation WOLF 1979, als Resümee vgl. HEINRICH 1986.
60
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
an von ihm selbst gesetzt (vgl. KÖNIG 1981, 134-138), die es ergreife und nach seinem Wesen umgestalte. Einmal geworden werde es geschichtslos und breche alle
Brücken ab, die zu ihm hinführten. Das Kapital existiere als „automatisches Subjekt“ selbständig weiter (vgl. ebd., 142ff.).128
Das Verhältnis zur Philosophie, insbesondere zu Hegel, ist gespalten. Auch wenn
Hegel als Ideologe der bürgerlichen Gesellschaft gilt, hat er für den westlichen Marxismus und seine Schüler den Vorzug, im Gegensatz zum orthodoxen Marxismus
keinen platten Empirismus zu betreiben. Es gebe eine „Wahrheit des Idealismus“
(ebd., 22ff.). Sein angeblich zur Totalität werdendes System erfasse die Wirklichkeit
des total gewordenen Kapitalverhältnisses besser, denn der naive marxistische deterministische Fortschritts- und Revolutionsglauben und sein Vertrauen auf die historische List im Kapitalverhältnis, welche den Kommunismus hinterrücks und contre coeur herbeiführen werde.
Religion
Was die einen an der Philosophie durchführen, das machen andere mit der Religion. Weil Geld „alles bestimmende Wirklichkeit“ (WAGNER 1984, 3) wird, sehen einige Autoren eine Ähnlichkeit des Geldes und des Kapitals zur Religion resp. zu Gott.
Dabei muss man vier verschiedene Vergleichsformen unterscheiden.
(1) Kapitalismus/Geld ist wie Religion. Die „Vermögenseigenschaft“ des Geldes,
„verallgemeinerte[s] soziale[s] Machtpotential“ zu sein, gebe den es benutzenden Menschen Zugriff auf alles (DEUTSCHMANN 2001, 10f.), eine „unbestimmte
Fähigkeit“ (ebd., 21). Darin bestehe seine „religiöse Qualität“ (ebd., 8), seine
„Verheißung“, sein „absoluter Reichtum“. Weil der „Möglichkeitsraum des
Geldes [..] unermeßlich“ sei (ebd., 135), weil es Option auch auf allen noch möglichen und unbekannten Reichtum eröffne, sei es die „Verheißung privater Verfügung über die Totalität menschlicher Möglichkeit“ (ebd., 104). Über das Mittel
Geld überhole der Mensch Gott an Allmacht. Unermessliche Potenz sei Signum
von Heiligem (vgl. ebd., 84), das „die Welt in ihren sozialen, zeitlichen und sachlichen Dimensionen regiert“ (ebd., 108). Der einzelne Mensch weiß sich auch
beim Kapital von einer Instanz abhängig, ohne dass diese Instanz selber gegenständlich sinnlich anwesend wäre (vgl. WAGNER 1984, 13f.). Dessen imperativer
Charakter sei aber unwiderstehlich und bindend vor aller Reflexion (vgl.
DEUTSCHMANN 2001, 109f.). Auch das Kapitalverhältnis sehe und bestrafe alles,
d.h. jeden Akt, der sich gegen seine Gesetze vergeht (vgl. ebd., 166). Auch es
verfolge „jenseitige Zwecke“ (ebd., 101). Wie die Götter so habe auch das Kapital seine Priester und Exegeten (vgl. ebd., 122ff., 154f.), und auch in seiner Theo-
128
Breuer und König lesen also Das Kapital wie der orthodoxe Marxismus, von dem sie sich so lautstark absetzen, nur unter anderen Vorzeichen: als Beschreibung der Totalisierung einfacher Tauschverhältnisse zu einem die
Gesellschaft übergreifenden Verhältnis, das alles vereinnahme. Was dem Marxismus Garantie zum Übergang in
den Sozialismus ist, ist jenen Begründung für die Absage an die Revolution. Breuer favorisiert dementsprechend
auch den Strukturalismus Althussers und die Systemtheorie Luhmanns (vgl. 1977, 42f. und 1992, 79), bei der er
wie auch Deutschmann (vgl. 2001, 97f.) kaum Differenz zur Marxschen Theorie sieht. – Man bezieht sich hierbei
stets auf die ersten Seiten des vierten Abschnittes im Kapital über „Die Verwandlung von Geld in Kapital“. Dort
sagt Marx über den Wert, dieser verwandele sich „in ein automatisches Subjekt“, weil er Ware und Geld als verschiedene Existenzweisen annehmen könne (MEW 23, 169). „In der Tat wird der Wert hier das Subjekt eines
Prozesses.“ „Er hat die okkulte Qualität erhalten, Wert zu setzen, weil er Wert ist“ (ebd., 170). Der Fehler besteht
hierbei darin, bestimmte Beschreibungen aus dem Zusammenhang des Darstellungsgangs herauszuklauben und
für sich absolut zu setzen. Diese Bestimmungen werden im weiteren Verlauf des Kapital wieder weiter und anders bestimmt. Auch die Marxschen Kategorien haben so ihren ‚logischen Ort’. Vgl. hierzu auch
BEHRE/RAKOWITZ 2001.
61
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
retisierung lägen funktionelle Begründungen mit substantiellen in Streit (vgl.
ebd., 106).
(2) Substitution: Kapitalismus/Geld ersetzen Religion. Indem Geld alle Lebensbereiche durchdringe und bestimme, „löst es die Funktion des Gottesgedankens in
der Gestalt eines Geld-Pantheismus ab, der alle lebensweltlichen und systemischen Bereiche des individuellen und sozialen Weltumgangs durchdringt“
(WAGNER 1984, 3).129 Die Omnipotenz Gottes werde durch die des Geldes ersetzt
und dieses universal (vgl. ebd., 9f.).
Bekannt ist die historische Abkunft des Geldes aus dem sakralen Bereich durch
die klassische Studie von Bernhard Laum (1924): der Tausch sei die Rationalisierung des Opfers,130 der Tempel der Ursprung der Schatzbildung. Hieran wird
angeknüpft. Der gesellschaftliche Tausch, seine Agenten und seine Orte profanisierten das Heilige: Händler machten das Heilige durch Massenvermittlung gemein, die Märkte waren kommerzielle Zentren aus Anlass religiöser Feste (vgl.
ebd., 217f.). Mit der „Entweihung des Heiligen“ durch das Kommerzielle sei
aber eine „Weihung des Markts“ einhergegangen (ebd., 197), der sich später von
seinem Ursprung gelöst habe, ganzjährig und schließlich zur ortlosen Vergesellschaftungsinstanz geworden sei (vgl. ebd., 218). Die Wahrzeichen des Kapitalismus träten an die Stelle der verlorenen Religion. „Kauf- und Bankhäuser der
Global Cities“ würden „Tempeln“, die „Warenauslagen Altären und die Architekten Priestern immer ähnlicher“ (ebd., 221). Banknoten seien Heiligenbildern
vergleichbar (vgl. BENJAMIN GS VI, 102). Geld folgt auf Religion. Indem die Ware die „theologisch-metaphysische Doppelbewegung“ vollziehe, Heiliges zu
profanisieren und Profanes zu sakralisieren, indem das Sinnstiftende zur Ware
geworden sei, sei die Ware zu einer „Verkörperung von Sinn und Rettung“ aufgestiegen (TÜRCKE 2002, 197). Beide Systeme leisteten eine sinnhafte Bewältigung von Unbestimmbarem (vgl. DEUTSCHMANN 2001, 65), beide seien der
„Endpunkt, in den alles soziale Handeln zurückläuft“ (ebd., 23). Für Walter Benjamin ist das Sinnstiftungsangebot bereits Nachweis genug dafür, dass „im Kapitalismus [..] eine Religion zu erblicken [ist], d.h. der Kapitalismus dient essentiell der Befriedigung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen, auf die ehemals die
so genannten Religionen Antwort gaben.“ Im Gegensatz zu Max Weber hält er
fest, dass der Kapitalismus nicht bloß ein „religiös bedingte[s] Gebilde[.]“ sei,
sondern eine „essentiell religiöse Erscheinung“ (GS VI, 100). Das Christentum,
genauer der Protestantismus, habe nicht nur das Aufkommen des Kapitalismus
begünstigt, sondern jenes habe „sich in den Kapitalismus verwandelt“ (ebd.,
102).
Unter Rückgriff auf die Marxsche Formulierung vom „Fetischcharakter der Ware“ hält Türcke fest, dass die Ware Fetisch ist, sofern der Markt „sinnstiftende,
rettende Instanz“ (TÜRCKE 2002, 204) ist; dass sie nur wie ein Fetisch ist, insofern
der Markt nur Rettersurrogat ist (vgl. ebd., 211). Waren seien beides, und Kapitalismus sei Religion und sei wie Religion: ein Ineinanderfallen von Sakralem
und Profanem (vgl. ebd., 233).
(3) Kapitalismus ist Religion. Die Pointe der Marxschen Rede vom Fetischcharakter
der Ware bestehe laut Türcke hierin:
Eine warenproduzierende Gesellschaft hat überhaupt kein Recht zum Naserümpfen über solche Praktiken, denn sie tut im Grunde nichts anderes. In ganz alltägli129
Vgl. auch DEUTSCHMANN 2001, 23.
Vgl. TÜRCKE 2002, 207ff., DEUTSCHMANN 2001, 80ff., KURNITZKY 1994 passim; zur Herkunft von Geld und
Geldlogik aus Archaischem und Sakralem vgl. auch KURNITZKY 1974 passim.
130
62
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
che Dinge, deren Wert lediglich darin besteht, daß man sie gut zur Bedürfnisbefriedigung gebrauchen kann, projiziert sie einen zweiten Wert hinein und erklärt
ihn zum eigentlichen [...], obwohl sich dieser zweite Wert, der sogenannte
Tauschwert, gerade nicht aus der natürlichen Beschaffenheit des jeweiligen Dings
ergibt, sondern einzig aus der Tatsache, daß Menschen qualitativ höchst verschiedene physische Dinge quantitativ gleichsetzen. (ebd., 204)
Unterm Kapital zeigten die Menschen religiöses Verhalten im Alltag. Seiner Macht
huldigen die Menschen, sobald sie ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen; denn indem sie sich so am Leben erhalten, erhalten sie zugleich der Macht das Dasein, die
sie dazu zwingt, sich so am Leben zu erhalten. Die Beschaffung der Lebensmittel
ist damit zum täglichen Gottesdienst geworden, einem Kultus, der sehr wohl auch
dann stattfindet, wenn seine durch Gewalt und materielle Not rekrutierte Gemeinde ihn gar nicht als solchen erkennt.131
Durch den „ständigen Verschleiß von Produktionsmitteln, Produkten und
menschlicher Arbeitskraft“ brächten sie ihm ein alltägliches Opfer, von dem sich
das Kapital „wirklich“ ernähre. Versuche zur Krisenabwehr seien „magische
Veranstaltungen“ zum Schutz vor dem kapital-göttlichen Zorn, der sich in Wirtschaftskrisen entlade (TÜRCKE 1994, 112f.).
(4) Gott ist Kapital. Das Verhältnis von Vorgänger und Nachfolger lässt sich auch
umkehren: der Kapitalismus sei die Verwirklichung Gottes. Wenn „die göttliche
Dreieinigkeit [...] nichts anderes [ist] als der theologisch verschlüsselte Ausdruck
für die Bewegung des Kapitals“ (ebd., 111f.), dann war „Gott“ nur ein anderer
Name für ein bestimmtes gesellschaftliches Verhältnis, welches erst später
wirkmächtig wurde.
III.) Schluss
Im zuletzt behandelten Diskurs finden sich dieselben Probleme wie bei Sohn-Rethel:
Handelt es sich um „Verwandtschaft“ oder nur um sprachliche „Übereinstimmungen“ (DEUTSCHMANN 2001, 7)? Liegt eine „Analogie“ oder gar eine „Deckungsgleichheit“ vor (ebd., 104)? Und diese Probleme bleiben ebenso ungelöst. Stets wird
nach dem Muster ‚wie hier – so da’ argumentiert. Wie aber kommt man vom einen
zum anderen? Wie kann man sicher sein, dass man nicht nur eine Analogie aufzeigen kann, sondern dass tatsächlich ein inhaltlicher, sachlicher Zusammenhang besteht? Dies wird nicht beantwortet; selbst das Bewusstsein, dass hier ein Problem
vorliegen könnte, ist nicht überall vorhanden. Ein Analogieschluss ist kein Beweis, er
schielt nur auf Evidenz. Unverdrossen werden Hinweise gegeben und Andeutungen
gemacht, ahnungsvoll und suggestiv. Wenn die Abstraktionen hoch genug sind,
kann man alles vergleichen. Bei Jochen Hörisch sind nicht nur Gott & Geld, sondern
auch die modernen Medien historisch verschiedene Erscheinungsformen des einen
und gleichen Problems, „das zahllose Religionen, Philosophien, Theorien und Weltbilder ausdrücklich oder implizit zu lösen behaupten und das jede Gesellschaftsformation [...] tatsächlich zu bewältigen antritt: nämlich das Problem, wie eine Korrelation von Sinn und Sein auszuweisen bzw. so zu stiften sei, daß die Frage danach, ob diese Stiftung auch tatsächlich intersubjektiv gültig sei, gar nicht erst auf131
So wörtlich auch in TÜRCKE 1983, 26f., – hier allerdings noch mit einer eingeräumten Differenz: das Kapital
sei nur „Imitator Gottes, auch Affe Gottes genannt, niemand anderes als der Teufel“, gottähnlich, aber ungöttlich,
da „von Menschen gemacht“ (ebd., 26f.) Die Idee Gottes/des Absoluten bestimmte Türcke früher noch als dem
Kapital entgegen, weil „die Idee Gottes als [..] Inbegriff[.] von Vernunft und Erlösung“ (ebd., 28) galt. Dies
taucht in TÜRCKE 1994 nicht mehr auf. Später, ist die Perspektive der Kritik ganz getilgt, sowohl die theologische
wie die kommunistische Utopie unter die Spinnereien absortiert (vgl. 2002, 305).
63
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
kommt“ (1996, 26). Diese Aufgabe leisteten in in ihrer jeweiligen Epoche die „ontosemiologischen Leitmedien“ Abendmahl (vgl. HÖRISCH 1992), Geld (vgl. HÖRISCH
1996) und neue Medien (vgl. HÖRISCH 1999), die „für ‚Synthesis des Mannigfaltigen’
(Kant) sorgen: sie stellen Einheitsgesichtspunkte bereit, unter denen sich ‚alles’ verstehen, bewerten und thematisieren läßt“ (HÖRISCH 1996, 26f.).
Wozu möchte man den Nachweis überhaupt führen? Was ist das Erkenntnisinteresse? Wozu erinnert man nicht nur an die Abkunft des Geldes und des Kapitalismus
aus der Religion resp. aus dem sakralen Bereich, sondern stellt auch deren strukturelle Ähnlichkeiten heraus? Will man Religion entherrlichen, indem man die Nähe
der Religion zu Geld und Kapital nachweist? Falls ja: wozu will man gedanklich einen Beweis erbringen, der praktisch als „Entzauberung der Welt“ (Max Weber)
längst stattgefunden hat? Oder will man umgekehrt die Vorstellung entzaubern, der
Kapitalismus sei höchste Rationalität in Aktion, indem man dessen Nähe zu Religion und Metaphysik herausstellt? Was auch immer von beidem: wozu soll das gut
sein? Verfolgen Türcke, Deutschmann und Hörisch ein historisch-materialistisches
Programm der Entzauberung idealistischer Philosophie wie Sohn-Rethel? Aber wieso landen sie dann stets nur in der Nähe zum Feuilletonismus: man präsentiert ‚originelle’ und ‚gewagte’ Gedanken, „ein unkonventionelles Unternehmen wie das
hier“ (DEUTSCHMANN 2001, 15) und betont dies auch noch. Dass es „nach wie vor
[...] offenkundig Überwindung [kostet], das Kapitalverhältnis umstandslos als ‚Religion’ zu qualifizieren“ (ebd., 105), ist zweifelhaft, wenn man sich die Zahl der Autoren anschaut, die immer wieder dazu schreiben. Es sind immer dieselben Phrasen,
die seit Jahrzehnten immer wieder umgewälzt und neu abgemischt werden.
Am Diskurs der Realmetaphysik kann man eine letzte dialektische Wendung der
Ideologiekritik aufzeigen (vgl. KETTNER 2000). Zunächst wandte man sich mit Fakten gegen abstrakte Ideen. Später erkannte man, dass es nicht möglich ist, positivistisch-nominalistisch auf dem Einzelnen gegen das Gedankliche, Abstrakte zu beharren. Die Fakten, die als Bezugsinstanz von Wahrheit galten, hatten sich gegen die
Menschen verschworen ebenso wie die Ideologie einer herrschenden Klasse. Gegen
den Positivismus der Fakten besann man sich wieder auf Philosophie und griff auf
sie zurück. Im Diskurs der Realmetaphysik wird nun aber die Denkbewegung des
Positivismus auf zweierlei Weise wiederholt. Zum einen werden Religion und Philosophie vermengt: alles nur geistig, alles nur abstrakt, alles nur ideell, also alles
dasselbe. Darüber sei man hinaus. Zum anderen werden deren abstrakte Ideengebäude auch wieder geerdet, sie werden auf gesellschaftliche Strukturen und deren
Effekte zurückgeführt. Geld sei „das große abwesende Thema jeder Philosophie seit
dem 18. Jahrhundert“ (HAESLER 1993, 225), eine jede Philosophie die Aufführung
desselben unerkannten Themas in nur anderer Gestalt.
Zum einen also übernimmt diese letzte Gestalt von Ideologiekritik das Geschäft ihres Widerparts. Kritisiert gehören zweierlei positivistische Restriktionen: (1) Kritik
eines durch positivistische Erkenntnisschemata restringierten Geldbegriffs, (2) Kritik einer antipositivistisch gestimmten ‚Philosophie des Geldes’, die sich zu Philosophie und Religion ebenso positivistisch verhält wie ihr Antipode. Eine solche Philosophie des Geldes steht noch innerhalb des Horizontes dessen, was sie kritisiert:
sie sieht nichts als Geld.132 Damit ist sie nach Bruno Liebrucks keine Philosophie,
denn sie verbleibt auf der „Geldstufe des Bewußtseins“ (1970, 160). Liebrucks konzediert, Geld ist Philosophie, ist Metaphysik: insofern man Reflexionsphilosophie
meint (vgl. 1964 Bd. 3, 526 und 647). Wert ist aufgehobenes, reflektiertes Sein (vgl.
132
Vgl. LIEBRUCKS 1970, 160, ebenso WAGNER 1984, 63.
64
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
ebd. 6.2, 39f.). Geld als Verkörperung von Wert ist somit „die von Hegel so genannte ‚Reflexionsphilosophie’ in ihrer nackten Gegenständlichkeit.“ Hier herrscht Eindeutigkeit der Urteile und die Mannigfaltigkeit des Seins wird in die Einheit eines
Begriffs gebracht. „Wäre der Kantische Begriff der einzige, dessen der Mensch fähig
ist, so müßte das Geld der hervorragendste Ausdruck des Geistes sein.“ Dann könnte der Mensch aber auch „nicht denken, was das Geld ist“ (1970, 180f.). Geld ist aber
ebenso nicht Philosophie: insofern man über Reflexionsphilosophie hinausgeht, insofern Philosophie als Dialektik auftritt.133
Zum anderen fällt man mit diesen Überlegungen hinter Kant zurück, indem man
die Differenz von Transzendenz und Transzendentalität kassiert. Kants Auseinandersetzung mit den Gottesbeweisen (vgl. KrV B 595ff.) war nicht deren Zertrümmerung aus bloß aufklärerischer Absicht. Gott spielte in der Metaphysik seit Descartes,
die längst ungläubig geworden war, eine prominente Rolle als Instanz für die Dekkung von Sein und Denken, für die Gewährleistung, dass Sein und Denken sich tatsächlich berühren.134 Kant führte vor, dass mit einem als ens gedachten Gott diese
Leistung nicht vollbracht werden kann, dass mit dem Gott dieser Metaphysik eine
Metaphysik, die als Wissenschaft soll auftreten können, nicht möglich sei. An seine
Stelle setzte er das Transzendentalsubjekt. Gott konnte „ausschließlich als Idee und
nicht als existierendes Ideal“ die ihm zugedachte Funktion erfüllen.135 Kant entmischte Gott und Erkenntnis; Gott war nicht erledigt, sondern Wissenschaft vs. das,
was Gott betrifft, wurden geschieden. Damit aber handelten die Philosophie und
später, nach deren Degradierung durch den Siegeszug des Positivismus, die Wissenschaft, sich ein Problem ein. Dem Glauben wurde ein Bereich jenseits der Grenzen positiv feststellbarer Erfahrung überlassen, über den keine vernünftige Aussage
möglich sei. Dies geschah nicht aus Respekt vor Religion und Glauben, sondern aus
herablassendem Desinteresse und Ignoranz: die Irrationalität schien man als sich
nach und nach selbst erledigende Bagatelle sich selbst überlassen zu können. Damit
aber überließ man Gott und schließlich auch die Philosophie den Spiritualisten und
Esoterikern.136 „Dahin ist es mit der Metaphysik gekommen“, klagte Adorno (GS 6,
361). Will Philosophie mehr sein, anderes als Sinnstiftungsangebot oder reflexive
Wissenschaftstheorie, dann muss sie sich dem entwinden. Nach der Ausdifferenzierung der Wissenschaften im Zuge des Rationalisierungsprozesses der Moderne
wurde bezweifelt, ob Philosophie noch Wirklichkeitserkenntnis leisten kann. Schaut
man sich den Umgang der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften mit Wert, Geld
und Kapital an, kann gefragt werden, ob positive Wissenschaft dies kann.
Was mit Kant in Transzendenz und Transzendentalität unterschieden wurde, wird
im Diskurs der Realmetaphysik vermengt und alles als Auswuchs des Geldes erle133
Vgl. LIEBRUCKS 1964 Bd. 3, 648. Bruno Liebrucks entwickelt diesen Gedankengang in den Bänden 3 bis 6.3
von Sprache und Bewußtsein: der logische Ort des Geldes, d.h. der Platz, den Geld in der Hegelschen Logik findet, sei die Wesenslogik. Hier finden sich seine Bestimmungen. In der Wesenslogik wird Wesens/Reflexionsphilosophie kritisiert und in der Begriffslogik zu überschreiten gesucht. Die Bestimmungen des Geldes
werden so in der Begriffslogik transzendiert. Damit wendet er sich auch gegen ein Marx-Zitat, das fest zum Repertoire des Diskurses von Geist & Geld gehört: „Die Logik – das Geld des Geistes, der spekulative, der Gedankenwert des Menschen und der Natur – ihr gegen alle wirkliche Bestimmtheit vollständig gleichgültig gewordnes
und darum unwirkliches Wesen – das entäußerte, daher von der Natur und dem wirkliche Menschen abstrahierende Denken; das abstrakte Denken“ (MEW EB 1, 571f., Liebrucks dazu vgl. 1964 Bd. 3, 522f., Bd. 6.2, 328
und 1970, 159). Dies richtet sich gegen Hegels Logik, die von Marx und seinen Adepten damit mit abstraktem
Denken, formeller Logik überhaupt gleichgesetzt wird. Liebrucks zeigt extensiv diesen Fehler und die Intention
der Hegelschen Logik auf.
134
Zur Geschichte der Gottesbeweise vgl. die Standardwerke HENRICH 1960 und RÖD 1992.
135
LIEBRUCKS 1964 Bd. 4, 176, vgl. für diesen Gedankengang den gesamten Band 4.
136
Christoph Türcke hat den gegenwärtigen Stand der Theologie kritisch resümiert (1995 und 1997).
65
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
digt. Geld ist weder transzendental noch transzendent. Weder konstituiert es Dinge,
noch ist es über die Dinge hinaus. Es ist die dinghafte Erscheinung eines gesellschaftlichen Verhältnisses, in dem allein es seine Macht hat.137 Wer geistreich über
das interessante Phänomen Geld und dessen Zusammenhänge mit Philosophie und
Religion schreibt, kann vom Kapitalverhältnis schweigen. Wer nur über das „Wesen
des Geldes“ redet und von Ausbeutung schweigt, hat nur eine Zirkulationstheorie
des Geldes, die, wenn sie als Gesellschaftskritik auftreten sollte, den Antisemitismus
in sich enthält wie die Wolke das Gewitter, – der hat das Thema verfehlt. Wer aber
mit der Dekonstruktion Gottes durch eine Philosophie des Geldes auch Transzendenz überhaupt erledigt, der mag auch kein Drüberhinaus mehr kennen. Und so
gibt es bei Türcke und Deutschmann das Bedürfnis, das zu verwerfen, was nicht
bloß fasziniert Analogien zwischen Gott & Geld konstatiert, sondern letzteres abschaffen will. Marx’ Kritik der politischen Ökonomie soll Fehler überführt werden,
die sich in ihr nicht finden lassen.138 Danach kann man sich an die Apologie des Kapitalismus machen, dem man zugute halten müsse, dass er den „Glutkern menschlichen Wünschens“ stets neu anfache (TÜRCKE 2002, 306), schließlich schaffe er „kreative und imaginäre Grundlagen von Gesellschaftlichkeit“ (DEUTSCHMANN 2001,
134). Das „kreative Potential“ (ebd., 117), der unermessliche „Möglichkeitshorizont“
des Kapitalismus (ebd., 134), benötige das schöpferisch-zerstörende freie Unternehmertum (vgl. ebd., 124ff. und 160ff.). Kapitalismus wird schließlich gleich
Kommunismus. „Die eigentlich utopische Produktionsweise ist der siegreiche Kapitalismus selbst“ (ebd., 178), wohingegen die kommunistische Vision nur wie eine
theologische Idee, nämlich unrealisierbar sei und obendrein Affinitäten zu faschistischen Ideen aufweise (vgl. TÜRCKE 2002, 305ff.). Die Analogisierung resp. Identifikation von Geld mit Gott wird hier zu einer areligiösen Vergottung des Kapitalverhältnisses und einer Identifikation mit dem Aggressor. Dabei wäre dies gar nicht
nötig. Denn wir haben, so Bruno Liebrucks,
nicht nur das Bewußtsein, sondern auch die technische Macht erlangt, nicht mehr
als Untertan leben zu müssen und – zu dürfen. [...] Es ist, als sagte ein alter Gott
zum Menschen: ‚Du bist nun so weit gekommen, ein Mensch zu werden. Werde es
denn [...]. Diese Aufforderung geschieht zu deinem Heile. Sie ist die letzte, die ein
Gott an dich richtet.’ [...] Wer Ernst macht mit ihrer Verwirklichung, erkennt in ihr
uns selbst als Urheber der Aufforderung.
Autoren, die zwar auch einen Zusammenhang von Geld & Philosophie sehen, aber
nicht stürmisch-begeistert alles ineins setzen, machen die bürgerliche Gesellschaft
nicht zum Existenzial. „Die Leere dieser Erkenntnis“, dass die Menschen Gott in
sich zurücknehmen könnten und sollten, dass das, was als höheres Wesen zu ihnen
sprach, sie selbst sind, so Liebrucks weiter, „ist entsetzlich“ (1964 Bd. 1, 8), denn in
ihr wird Herrschaft als Selbst-Unterdrückung der Menschheit, als Spaltung der Gattung kenntlich. Herrschaft ist kein höherer Sinn mehr abzupressen, über den sich
mit ihr noch identifizieren ließe. Was Herrschaft einem antut, ist das, was die
Menschheit sich selber antut. Wenn die Menschen ihre Gesellschaft bewusst gestalte137
Marx spricht sowohl von der „transcendentale[n] Macht des Gelds“ (MEGA II/2, 11), wie von der „scheinbar
transzendentale[n] Macht des Geldes“ (MEW 42, 81, m.Hv.). Rein auf Zitat-Basis ist also nicht zu entscheiden,
was er nun wirklich meint, geschweige denn, was richtig ist.
138
Bei Marx werde das Wertgesetz nach dem Modell einer einfachen Warenproduktion theoretisch eingeführt
(vgl. TÜRCKE 2002, 227f.), wonach Marx auf strikter, mathematisch nachprüfbarer Äquivalenz der Wertgrößen
bestehe (vgl. ebd., 229), was aber unhaltbar sei (vgl. ebd., 231). Danach kann man die Marxsche Mehrwerttheorie, deren Unkenntnis man damit bewiesen hat, für veraltet erklären und Ausbeutung stattdessen nur noch als „ästhetisch-neurologischen Raubbau“ gelten lassen (vgl. ebd., 286). Auch Deutschmann wirft Marx Wertsubstantialismus vor (vgl. 2001, 56f.). Er landet dann aber selber bei Proudhon – ohne diesen zu nennen –, indem er Arbeitszeitrechnungen und Arbeitsmengendistributionen propagiert (vgl. ebd., 180f.).
66
Kettner: Das Geld im Weltumgang der Menschen
ten, so der Zielpunkt von Marx’ theoretischen Intentionen, dann machten sie ihre
Geschichte selbst, dann müssten sie nicht mehr das, was sich unbegreiflich ebenso
chaotisch und katastrophisch wie zielstrebig durchsetzt, als „Naturabsicht“ (Kant),
noch als „Weltgeist“ (Hegel), noch als „invisible hand“ (Adam Smith) mystifizieren
und ihrem sich selbst bereiteten Verhängnis höhere, sei’s feierliche, sei’s bittere
Weihen verleihen. Mit der bürgerlichen Gesellschaft schloss für Marx „die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab“ (MEW 13, 9) und die Geschichte der
menschlichen Gesellschaft könnte beginnen. Deshalb war für ihn der Kommunismus „das aufgelöste Rätsel der Geschichte und [der Kommunismus] weiß sich als
diese Lösung“ (MEW EB 1, 536).
LITERATURVERZEICHNIS
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!" Vorlesungen zur Negativen Dialektik. Hg.v. Rolf Tiedemann. NgS IV.16. Frankfurt/M:
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