Nicht mehr länger Goalie sein

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38
22. 5. 2014
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38 St. Galler Kultur
Miracle Flair im
Rock & Pop Center
Im Rahmen der Konzertreihe
«Let it flow» stellt die Band Miracle Flair, bestehend aus Nicole
Hartmann, Daniel Maurizi, Sascha Kaisler und Stephan Mankiewicz, ihr Début-Album «Inner
Peace of Mind» vor. In den dreizehn Songs geht es nicht um
dunkle mystische Welten; die
Musiker beschreiben vielmehr
Alltagsbeobachtungen und Reflexionen.
Heute Do, Rock & Pop Center,
Vonwilstrasse 41, 20 Uhr; Bar 19 Uhr
Clownin Caco
in der Kiste
Caco, die Clownin, lebt mit allem, was sie braucht, zufrieden
in ihrer Kiste. Ein Tag gleicht
dem andern, bis es da eines Tage
eine Stimme gibt. Caco gerät ins
Grübeln, ihr Alltag ziemlich
durcheinander. Mit ihrem ersten
Solostück «Ein neuer Tag» lässt
Carole Colombi den Alltag in
neuem Glanz erscheinen, und
das Publikum darf lachen über
das eigene Scheitern.
Morgen Fr, Theater 111, 20.15 Uhr
Klassische Musik
aus Indien
Dem Projekt «Hindustani & Carnatic» liegt die Idee zugrunde,
die beiden Stilrichtungen der
süd- und nordindischen Musikrichtungen auf einer Plattform
zu präsentieren und die Ähnlichkeiten und die Vielfalt, die aus
ein und derselben Kultur hervorgingen, aufzuzeigen.
Heute Do, Figurentheater, 20 Uhr
«Die Weber»
in der Alten Zwirnerei
Die nächste Aufführung des von
Markus Dürrenberger live vertonten Stummfilms «Die Weber»
nach dem Roman von Gerhard
Hauptmann findet morgen Freitag auf dem Gelände der Alten
Zwirnerei in Gais statt. Ursula
Karbacher, Kuratorin im Textilmuseum St. Gallen, wird in den
Film einführen.
Morgen Fr, Gewerbezentrum
Strahlholz, Gais, 20 Uhr
Donnerstag, 22. Mai 2014
Nicht mehr länger Goalie sein
Ob Poetry Slam oder Talerschwingen, Balkan-Jazz oder Steptanz: Der Schlagzeuger Enrico Lenzin fühlt sich in vielen
Welten zu Hause. Er lässt sich gerne von anderen inspirieren, doch jetzt wagt er sich wieder einmal solo auf die Bühne.
sie in die Schweiz gelotst Und
nun verwendet er sie für sein
Soloprogramm und er posiert
damit auch fürs Pressefoto.
ROGER BERHALTER
Schlagzeuger sind wie Goalies.
Stehen zuhinterst und sind meist
zum Zuschauen verdammt. «Die
Tore schiessen immer die anderen», sagt Enrico Lenzin, der früher ebenfalls Goalie war. Der
Rheintaler Schlagzeuger bemüht
die Fussballmetapher, um zu erklären, warum er nun zum zweiten Mal solo auftritt. Schon 2008
tat er dies, erzählte «Trommelgeschichten», so der Titel seines
damaligen Programms, das auf
fixen Kompositionen beruhte.
Tanzen hilft beim Drummen
Besonders das Alphorn hat es
dem Rheintaler in jüngster Zeit
angetan. «Ich übe täglich, das
nehme ich sehr ernst.» Anfangs
blies er noch in einen Gartenschlauch, bis er ihm Naturtöne
entlocken konnte. Mittlerweile
besitzt er vier Alphörner.
Auch im Steptanz ist Enrico
Lenzin sehr geübt. Vor einigen
Jahren war er zusammen mit
einem Perkussionisten und drei
Steptänzerinnen unter dem Namen «Absolut Rhythm» unterwegs (unter anderem traten sie
in der TV-Show «Benissimo»
auf ). Heute tanzt er selber, auch
auf der Bühne, und gibt mit seinen Stepschuhen den Takt. «Man
wird leichter, und das Tanzen
hilft mir auch beim Drummen.
Grosse Schlagzeuger wie Buddy
Rich und Max Roach haben
ebenfalls gesteppt.»
Auch einmal chaotisch werden
Jetzt, morgen im Kaffeehaus,
führt Lenzin zum ersten Mal
«Soloflow» auf. Wie der Titel andeutet, lässt sich der Musiker dabei treiben. Er gehe von einer
Idee aus, spiele aber immer wieder anders, je nach Stimmung, je
nach Aufführungsort. «Es geht
um den Mut, einfach draufloszuspielen», sagt der 43-Jährige. In
der Ausbildung zum Musiker
hingegen gehe es meist um
Strukturen, Noten, fixe Vorgaben. «Man muss aber auch einmal chaotisch werden!» Zum Improvisieren brauche es viel Vertrauen. Es sei eine grössere Herausforderung, als ein nach Noten
gelerntes Stück abzuspulen.
«Ich war schon immer ein
Schlagzeuger, der dreinreden
und mitmischeln wollte», sagt
Lenzin. Auch in der Ostschweizer Balkan-Jazz-Band Dusa Orchestra hat Lenzin nicht einfach
nur getrommelt, sondern auch
komponiert und arrangiert.
Ständig sprudeln bei ihm die
Ideen, und wenn das Fass wieder
einmal überzulaufen droht,
nimmt Lenzin die Sache selber
in die Hand und entwickelt ein
Soloprogramm. Um beim Fussball zu bleiben: Ab und zu tritt er
aus dem Goal, um Tore zu
schiessen.
Ein Koffer voller Vogelstimmen
Dabei beschränkt sich Lenzin
nicht aufs Schlagzeug, sondern
arbeitet mit einer Vielzahl von
Klängen und Instrumenten, die
Tour mit DJ
Bild: Urs Bucher
«Das Alphorn nehme ich sehr ernst»: Enrico Lenzin mit einem winzigen Teil seiner Instrumentensammlung.
er in einer ehemaligen Schreinerei in Balgach spielt und lagert.
«Jenste» Schlagzeuge seien darunter, aber auch afrikanische
Djembe, Appenzeller Talerbecken, Gongs und ein Koffer voller
Pfeifen, die wie Vogelstimmen
klingen. Lenzin schwärmt vom
tragenden Sound einer Trommel
aus einer «extrem abgelegenen
Gegend» in der Ukraine; über
eine befreundete Band habe er
Steptanz, Alphorn, Cajon,
Schlagzeug: In seinen Auftritten
verbindet Enrico Lenzin vermeintlich Verschiedenes. Auch
auf einen Musikstil lässt er sich
nicht festlegen. «Die Chemie
muss stimmen, dann spielt der
Stil keine Rolle», beschreibt er ein
gelungenes Zusammenspiel. Es
seien vor allem andere Menschen, die ihn inspirierten, in
eine bestimmte Richtung zu gehen. Das müssen keine Musiker
sein: Aktuell spannt Lenzin mit
dem Slampoeten Renato Kaiser
zusammen und bereitet sich mit
einem Berner DJ auf eine Tour
mit «Tanzplan Ost» vor. Er gibt
Trommelkurse für geistig und
körperlich Behinderte und tritt
immer wieder im Duo mit seinem
Bruder auf, dem Saxophonisten
Peter Lenzin. Apropos Familie:
«Auch meine Kinder bringen
mich immer wieder auf Ideen.»
Premiere von «Soloflow»:
Morgen Fr, Kaffeehaus, 20 Uhr
Der Dealer namens Herz
Wir sind noch nicht Familie
In Aufzug Nr. 2 des Langzeitprojekts «Mensch! – Ein Showbusiness
in mehreren Aufzügen» geht’s um Ignoranz, Zärtlichkeit und Verzweiflung.
Es soll keine Homestory sein, doch Stefanie Grob und Nicole Tobler
haben aus dem Stoff ein Stück entwickelt, aus dem (auch) ihr Leben ist.
BRIGITTE SCHMID-GUGLER
Vergangenen Herbst hatte eine
kleine Theatertruppe auf dem
St. Galler Marktplatz mal kurz für
Aufmerksamkeit gesorgt. Da sass
in einem der längst leer stehenden Markthäuschen eine Gruppe Menschen in zwei Reihen und
schaute durch die geöffnete
Lade hinaus auf die Strasse. Dort
spielte einer in einem wallenden
Cape ziemlich schön und ziemlich traurig auf einer elektrischen
Gitarre, so traurig und einsam,
wie die beiden Figuren, die hin
und her spazierten, über die
Strasse hechteten und wieder
zurück, zueinander sprachen,
ohne sich jemals anzuschauen.
Tranche ihres Langzeitprojekts
weiterentwickelt.
Interdisziplinäres Projekt
Das daraus entstandene, von
Gessnerallee Zürich, Sophiensälen Berlin, Theater Chur, Theater
Tuchlaube Aarau und dem Koproduktionsmodell des MigrosKulturprozents «Prairie» koproduzierte Stück «Mein Herz ist ein
Dealer» kam in der Gessnerallee
zur Uraufführung. «Das Grübeln
über das Existenzielle in der heu-
tigen Wettbewerbsgesellschaft»,
wie sie die Kombination von
Sprechtheater und Audio untertiteln, ist eine Liebesgeschichte
mit Musik mit und von Andi
Peter und Anna Trauffer; Letztere war auch schon bei Knechts
Bühnenadaptionen von Tim
Krohns «Quatemberkinder» und
«Vrenelis Gärtli» dabei gewesen.
Lokremise, 24.; 28.; 29.5. 20 Uhr
Reservationen: www.theaterkonstellationen.ch/tickets
Sich suchen und nicht finden
Das Leuchtschriftband über
dem Markthäuschen scrollte die
Worte: «Willkommen in der Tyrannei meiner Intimität». Es war
ein sehr lustiges, unterhaltendes
und nachdenklich machendes
Zuschauen gewesen, damals im
Herbst. Seither haben der in
St. Gallen aufgewachsene Berliner Regisseur Jonas Knecht und
die Performerin und Autorin
Beatrice Fleischlin jene kleine
BRIGITTE SCHMID-GUGLER
Es geht um viel. Es geht um alles.
Es geht um das allgegenwärtige
Reizthema Familie und Karriere.
Und zwar nicht nur um die des
Mannes, sondern zur Hälfte
auch um die der Frau. Das wäre
fair. Das wäre das, was sie und
ganz viele andere Frauen und
Männer ihrer Generation – einer
Generation von gut Ausgebildeten – sich wünschten. Die beiden
Theaterfrauen sprechen praktisch aus dem Nähkästchen, beide sind berufstätig, beide sind
Mütter, beide fordern neue
Denkansätze bezüglich der Berufs- und Wohnmodelle. Die
Bühnenproduktion «We are family» wurde von den Häusern
Theater Chur, Winkelwiese Zürich und Tuchlaube Aarau koproduziert.
Schauspielerin. Stefanie Grob,
mit einem MAZ-Abschluss in
Journalismus, wandte sich später dem Spoken-Word-Genre zu;
sie schreibt Prosa und Bühnentexte und ist regelmässiger
Gast im Satireformat «Zytlupe»
auf SRF 1.
Hitziger Diskurs
Die beiden Frauen richteten
das Brennglas auf die Szene in
ihrem Umfeld, wo sich ähnliche
Probleme hüben und drüben ab-
zeichneten. Aus ihren Befragungen filtrierten sie vier Modelle
heraus, die sie samt ihren Widersprüchen, der Ratlosigkeit, den
Egotrips auf dem Seziertisch
ausbreiten. Das Stück spielt –
jetzt kommt’s! – in einer Sauna,
es könnte also hitzig werden. Die
Puppe, geführt von einer Figurenspielerin, fungiert als Kind
und Richter zugleich.
Grabenhalle, 25./26.5., 20.00 Uhr
Res.: info!pulkproduktion.com
Professionelles Schaffen
Bild: pd
Szene aus der Produktion «Mein Herz ist ein Dealer».
Das Stück für vier Spieler und
eine Puppe wurde bereits mehrmals aufgeführt und erhielt fast
ausschliesslich sehr gute Kritiken. Nicole Tobler gehörte in den
Jahren 2000 bis 2003 zum Ensemble des Theaters St. Gallen.
Seit 2008 ist sie freiberufliche
Bild: Urs Jaudas
Die Autorin Stefanie Grob und die Regisseurin Nicole Tobler.
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