4 K 5/13

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FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 4 K 5/13
Urteil des Einzelrichters vom 30.09.2013
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: VII B 198/13
Normen: KN Pos. 0711, KN Pos. 0712, KN Pos. 2002
Leitsatz: 1. Solange getrocknete und gesalzene Tomaten ohne Gefährdung der
Gesundheit jedenfalls in kleineren Mengen verzehrt werden können, sind sie nicht in
Pos. 0711 KN einzureihen.
2. Das Salzen von zu trocknenden Tomaten ist eine über die in Pos. 0712 KN
zulässige Trocknung hinausgehende Zubereitung.
3. Daher sind derart getrocknete und gesalzene Tomaten in die Pos. 2002 KN
einzureihen, auch wenn sie noch nicht für den Endverbrauch zubereitet sind.
Überschrift: Tarifrecht: Tarifierung von getrockneten und gesalzenen Tomaten
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft.
1. Die Klägerin führt luft- und sonnengetrocknete, gesalzene Tomaten aus der Türkei
ein, die sie an die weiterverarbeitende Lebensmittelindustrie vertreibt.
Am 29.11.2011 beantragte die Klägerin die Erteilung einer verbindlichen
Zolltarifauskunft (vZTA). Sie beschrieb die Ware als "Tomaten, getrocknet (gesalzen)
'ITALIEN STYLE'."
Die von der Klägerin beigefügte Produktspezifikation beschrieb die Ware wie folgt:
"Aussehen: hellrote, braun- bis dunkelrote Tomatenhälften, getrocknet; Geruch:
aromatisch nach Tomate; Geschmack: nach Tomate, salzig; Konsistenz: nicht zu
weich, nicht vertrocknet".
Der Salzgehalt wurde mit 9-17% und der Endwassergehalt mit 21-29% angegeben.
Weiter heißt es u. a.:
"Wir weisen darauf hin, dass dies ein Naturprodukt ist, welches im Freien
getrocknet wird. Die Ware ist ohne Wässerung und Reinigung nicht zum
unmittelbaren Genuss geeignet." und "Das Produkt ist aus zwei Gründen nicht
zum direkten Verzehr geeignet: - Aufgrund der festen Konsistenz ... ist das
Verzehren ... in portionsüblichen Mengen (d.h. über ein Probieren hinaus) nicht
gegeben. Wir empfehlen unseren Kunden, in der Weiterverarbeitung des
Produktes einen Wässerungsschritt zu berücksichtigen, in der die Tomaten
weicher und somit genießbarer werden. - Das zugesetzte Salz wird vorwiegend
zur Konservierung während der Trocknung eingesetzt und übersteigt im
Salzgehalt das übliche Maß für herzhafte, direkt zum Verzehr geeignete
Produkte." ... "Daher wird bei der Trocknung zusätzlich Salz verwendet, welches
den Zellen Wasser entzieht. Das so entzogene frei liegende Wasser kann leichter
verdunsten und die Ware trocknet schneller ... Zusätzlich senkt Salz den aw-Wert,
wodurch bereits vor der Trocknung das Keimwachstum gehemmt wird, da den
Mikroorganismen kein ungebundenes Wasser zur Verfügung steht. Die Menge
des zugesetzten Salzes ist so bemessen, dass bei der empfohlenen Wässerung
des getrockneten Produktes der Salzgehalt auf einen genießbaren Gehalt von ca.
2% ohne ein Überbehandeln der Ware reduziert werden kann."
In ihrem Antrag schlug die Klägerin vor, die Ware in der Kombinierten Nomenklatur
(KN) der Tarifposition 0711 (Gemüse, vorläufig haltbar gemacht (z. B. durch
Schwefeldioxid oder in Wasser, dem Salz, Schwefeldioxid oder andere vorläufig
konservierend wirkende Stoffe zugesetzt sind), zum unmittelbaren Genuss nicht
geeignet) zuzuordnen.
2. Mit vZTA vom 02.03.2012 reihte der Beklagte die Ware - einem Gutachten des
Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung (BWZ) folgend - in
die Position 2002 1090 KN ein als "Tomaten, anders als mit Essig oder Essigsäure
zubereitet oder haltbar gemacht, ganz oder in Stücken, nicht geschält". Zur
Begründung wies er darauf hin, dass eine Einreihung der Tomaten in die Positionen
0712 90 30 KN ("Tomaten, getrocknet, auch in Stücke oder Scheiben geschnitten,
als Pulver oder sonst zerkleinert, jedoch nicht weiter zubereitet") aufgrund des
Salzzusatzes ausgeschlossen sei; zudem komme auch die von der Klägerin
vorgeschlagene Position 0711 90 80 KN wegen der unmittelbaren Genießbarkeit der
Ware nicht in Betracht.
3. Gegen diese vZTA legte die Klägerin mit Schreiben vom 05.04.2012 Einspruch
ein, den sie unter dem 25.05.2012 begründete. Die Tomaten seien zu Unrecht in die
Position 2002 KN statt in die Position 0711 KN eingereiht worden. Gemäß
Anmerkung 1 a zu Kapitel 20 KN gehörten zu Kapitel 20 solche Gemüse nicht, die
zubereitet oder haltbar gemacht seien, nach den Verfahren, die in den Kapiteln 7, 8
oder 11 aufgeführt seien. Die streitgegenständlichen Tomaten seien als Gemüse,
das vorläufig haltbar gemacht und zum unmittelbaren Genuss nicht geeignet sei, der
Position 0711 KN zuzuordnen. Die Luft- und Sonnentrocknung wirke nur vorläufig, für
eine dauerhafte Haltbarmachung der Tomaten sei etwa eine keimabweisende
Verpackung oder Kühlung erforderlich. Aufgrund der hohen Salzkonzentration
zwischen 8 % und 16 % und einem Wassergehalt von unter 30 % seien die Tomaten
erst nach Einlegen in Wasser, das zu einer Entsalzung und Aufweichung der
Tomaten führe, genießbar. Die deutsche Lebensmittelbuch-Kommission habe
Leitsätze herausgegeben, nach denen in der Regel der Maximalwert der
Kochsalzkonzentration
bei
bestimmten
Gemüseerzeugnissen
zur
Geschmacksabrundung 2,5 g/100 ml nicht überschreiten solle, lediglich bei Mixed
Pickles werde ein Maximalwert von 3,0 g/100 ml für üblich erklärt. Dagegen könne
eine individuelle Geschmacksneigung für die "unmittelbare Genießbarkeit" nicht
maßgeblich sein. Im Übrigen sei es im Hinblick auf mögliche Verunreinigungen
während des Trocknungsvorgangs auf offenem Feld empfohlen, die Tomaten vor
ihrem Verzehr zu säubern. Jedenfalls fielen die Tomaten unter die Position 0712 KN,
da sie getrocknet, aber darüber hinaus nicht in einer nach dem Wortlaut der Position
ausgeschlossenen Weise zubereitet seien. Insoweit seien die Begriffe
"Haltbarmachung" und "Zubereitung" zu unterscheiden. Dass es für deren
Differenzierung auf die primäre Zielsetzung der Verarbeitung ankomme, ergebe sich
etwa aus der Position 2002 KN ("Tomaten, anders als mit Essig oder Essigsäure
zubereitet oder haltbar gemacht"). Die Zugabe von Salz sei keine Zubereitung oder
sonstige Haltbarmachung, da sie lediglich der Beschleunigung des
Trocknungsvorganges und der vorläufigen Konservierung diene. Auch in der Praxis
der Zollbehörden seien Tomaten der vorliegenden Art seit jeher beanstandungslos
dem KN-Code 0712 9030 zugeordnet worden.
4. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.12.2012
zurück. Zur Begründung wiederholte der Beklagte, dass die Einreihung in die
Position 0712 KN aufgrund des Salzzusatzes ausgeschlossen sei. Während die
Verwendung von Zusätzen zur Konservierung, Stabilisierung oder Verbesserung des
Aussehens getrockneter Erzeugnisse im Falle anderer Kapitel, etwa nach
Anmerkung 3 zu Kapitel 8 oder Erl (HS) zu Pos 1106 RZ 14.0 explizit erlaubt sei,
bestünden derartige Hinweise für Erzeugnisse der Position 0712 KN nicht. Insofern
lasse der Wortlaut der Position 0712 KN einen Rückschluss darauf zu, dass jegliche
Zusätze innerhalb der Position 0712 KN ausgeschlossen seien. Der Salzgehalt der
Tomaten 9-17 % sei insoweit auch nicht als geringfügig einzustufen und habe zudem
eine eigenständige Bedeutung. Er diene neben der Trocknung sowohl der
Konservierung als auch der Beeinflussung des Geschmacks im Sinne einer
Zubereitung. Auch die Einreihung in die Position 0711 KN sei ausgeschlossen, da
die Ware weder vorläufig haltbar gemacht noch zum unmittelbaren Verzehr nicht
geeignet sei. Die vorläufige Haltbarmachung ziele, wie sich auch aus den Erl (HS) zu
Pos 0711 Rz. 01.0 ergebe, auf den Transport bzw. eine (Zwischen-)Lagerung ab.
Eine langfristige Lagerbarkeit der Ware schließe die Annahme einer nur vorläufigen
Haltbarmachung aus. Dies ergebe sich auch aus den inhaltlichen Erläuterungen der
Verordnung (EG) Nr. 306/2001 der Kommission vom 12. Februar 2001. Die
streitgegenständlichen Tomaten seien bei einer Lagertemperatur von 0-4 Grad
Celsius bis zu 18 Monate und damit langfristig haltbar. Dies entspreche den im
Einzelhandel erhältlichen getrockneten Tomaten. Zudem würde die Ware der
Klägerin im Gegensatz zu sonstigen Erzeugnissen der Position 0711 KN nicht in
Tonnen oder Fässern oder gar lose gestellt, sondern in 5 bzw. 10 kg- Beuteln
vakuumverpackt. Da der Begriff "zum unmittelbaren Genuss nicht geeignet" nicht
objektiv und allgemeingültig definiert sei, existierten auch keine diesbezüglich
anzuwendenden Unter- bzw. Obergrenzen für den Kochsalzgehalt. Insofern sei das
Ergebnis der vorgenommenen organoleptischen Prüfung maßgeblich. Die
übereinstimmende Feststellung mehrerer Gutachter sei gewesen, dass die
streitgegenständlichen Tomaten zwar zäh und salzig, aber dennoch, wenn auch nicht
in großen Mengen, unmittelbar verzehrbar waren. Die Eignung zum unmittelbaren
Genuss werde auch nicht durch eventuelle Verunreinigungen der Ware, wie dies
etwa bei Blattsalaten regelmäßig der Fall sei, ausgeschlossen. Ungeachtet dessen
seien die vorgelegten Tomaten indes frei von Verunreinigungen gewesen.
Der Beklagte wies darauf hin, dass auch die britische Zollverwaltung getrocknete,
gesalzene und in 100 g-Beuteln abgepackte Tomaten mit einem Salzgehalt von 10
GHT in die Position 2002 der KN einreihe.
5. Die Klägerin hat am 08.01.2013 Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus der
Einspruchsbegründung. Ergänzend weist sie darauf hin, dass es sich bei den
Begriffen "vorläufig haltbar gemacht", "nicht unmittelbar genießbar" sowie
"zubereitet" um unbestimmte Rechtsbegriffe handele, die weder in der Kombinierten
Nomenklatur noch in den Anmerkungen oder Erläuterungen dazu oder in den
Erläuterungen zum Harmonisierten System näher umschrieben seien. Der im Tarif
verwendete Begriff der "vorläufigen Haltbarkeit" sei im Hinblick auf die
Zweckbestimmung der Haltbarmachung dahin auszulegen, dass die Ware in den
Zustand eines Halbfertigprodukts gesetzt worden sei, das der weiteren Bearbeitung
bedürfe. In diesem Sinne seien ihre Tomaten vorläufig haltbar gemacht. Für die
Frage, ob ein Lebensmittel "zum unmittelbaren Genuss geeignet" sei, sei auf den
Verzehr einer portionsüblichen Menge abzustellen. Die Grenze der Eignung liege
dort, wo der unmittelbare Verzehr unzumutbar sei, ohne dass schon eine
Gesundheitsgefährdung vorliegen müsse oder der Verzehr aus geschmacklichen
Grenzen unmöglich sei. Im Hinblick auf ihre ledrige Konsistenz, den hohen
Salzgehalt und den hohen Säuregehalt der streitgegenständlichen Tomaten im
Zustand ihrer Einfuhr sowie bei fehlender Beseitigung von Schmutzanhaftungen sei
ihr Verzehr ohne vorherige weitere Verarbeitung (Reinigung, Aufweichen im
Wasserbad, Zerkleinerung und Mischung mit anderen Stoffen) unzumutbar; die
Tomaten seien daher im Sinne des Tarifs nicht zum unmittelbaren Genuss geeignet.
Die Klägerin problematisiert den Begriff der Zubereitung. Da die Tomaten vor einer
weiteren Verarbeitung einem Wässerungsschritt zu unterziehen seien, könne nicht
davon gesprochen werden, dass die Tomaten bei ihrer Einfuhr bereits zubereitet
seien. Die Salzzugabe sei auch deswegen keine Zubereitung, weil sie lediglich der
vorläufigen Haltbarmachung diene, indem sie die Trocknung beschleunige und die
Vermehrung von Keimen verhindere. Eine Zubereitung der Tomaten sei frühestens
nach ihrer Wässerung gegeben, wie sich auch aus dem entsprechenden
Herstellerhinweis ergebe.
Die Klägerin regt an, die Sache gegebenenfalls zur Klärung der
entscheidungserheblichen unbestimmten Rechtsbegriffe dem Gerichtshof der
Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der verbindlichen Zolltarifauskunft Nr. DE.../...-1
vom 02.03.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.12.2012 zu
verpflichten, ihr eine verbindliche Zolltarifauskunft zu erteilen, in der die Ware
"Tomaten, getrocknet und gesalzen, 'italian style' (Artikel-Nrn.: ...)" unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes in die Warennummer 0711 9800
80 0 oder in eine Warennummer der Position 0712 eingereiht wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung.
Ergänzend trägt er vor, dass für die langfristige Lagerfähigkeit auf im Einzelhandel
erhältliche Waren abgestellt werden könne. Diese seien nicht zu Transport- oder
Lagerzwecken vorläufig konserviert. Die im Supermarkt dem Endverbraucher
angebotenen getrockneten Tomaten wiesen eine Mindesthaltbarkeit von ca. 7
Monaten auf und lägen damit deutlich unter der für die streitbefangene Ware
angegebenen Haltbarkeit. Hinsichtlich der unmittelbaren Eignung der Ware zum
Genuss sei auf einen verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen. Im
Zusammenhang mit der Eignung von Flüssigkeiten habe der Bundesfinanzhof
festgestellt, dass diese nur dann als nicht trinkbar angesehen werden könnten, wenn
es jedem Durchschnittsverbraucher aus gesundheitlichen oder geschmacklichen
Gründen unmöglich wäre, das Erzeugnis zu trinken. Eine Zubereitung könne auch
nicht dadurch als "nicht genießbar" bezeichnet werden, weil sie nach dem
Geschmacksempfinden eines durchschnittlichen europäischen Verbrauchers
schlecht schmecken möge. Zudem enthielten auch die zu Vergleichswecken
untersuchten Warenmuster von dem Endverbraucher angebotenen getrockneten
Tomaten keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer Wässerung vor dem Verzehr.
Im Hinblick auf die Zubereitung sei nach der Anmerkung 1 a) zum Kapitel 20 der
Kombinierten Nomenklatur, nach der in das Kapitel 20 Gemüse, Früchte oder Nüsse
einzureihen seien, welche nach Verfahren zubereitet oder haltbar gemacht wurden,
die nicht in den Kapiteln 7, 8 oder 11 aufgeführt sind, das entscheidende Kriterium
für die Einreihung, dass die Ware eine Behandlung erfahren habe, die über das in
den genannten Kapiteln inbegriffene Maß hinausgehe.
6. Dem Gericht lagen außer den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen vor: Ein
Konvolut mit dem Antragsvorgang des Beklagten, ein Konvolut mit dem Vorgang des
BWZ und ein Hefter mit dem Einspruchsvorgang des Beklagten. Ergänzend wird auf
das Protokoll des Erörterungstermins am 27.08.2013 Bezug genommen.
Die Klägerin hat in der Klagschrift vom 07.01.2013 und der Beklagte in seinem
Schriftsatz vom 12.04.2013 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Klägerin hat
sich in ihrer Klagschrift mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter einverstanden
erklärt. Beide Beteiligte haben im Erörterungstermin am 27.08.2013 ihr
Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2, §
79a Abs. 2, 4 FGO ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene vZTA ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat
nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK) des Rates
vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl EG Nr. L 302/1)
keinen Anspruch darauf, dass die streitgegenständliche Ware "getrocknete und
gesalzene Tomaten" unter der Pos. 0711 KN oder 0712 KN eingereiht wird; die Ware
ist vielmehr zutreffend der Warennummer 2002 1090 KN zugewiesen worden.
I.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
sowie des Bundesfinanzhofs (- BFH -; vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, C121/95; BFH, Urteile vom 18.11.2001, VII R 78/00; vom 09.10.2001, VII R 69/00;
vom 14.11.2000, VII R 83/99; vom 05.10.1999, VII R 42/98 und vom 23.07.1998, VII
R 36/97) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren
allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im
Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den
Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die
Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur).
Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich
die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der
Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum
Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die
Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission
ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel
für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom
09.12.1997, C-143/96; vom 19.05.1994, C-11/93). Auf den Verwendungszweck einer
Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in
den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird
(vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000, VII R 83/99; und vom 05.10.1999, VII R 42/98;
Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02).
II.
Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware führen zu der vom Beklagten
vorgenommenen Einreihung in die Pos. 2002 KN.
Zwischen den Beteiligten ist die Frage im Streit, ob die streitgegenständlichen,
getrockneten und gesalzen Tomaten in die Position 2002 KN (so der Beklagte) oder
in die Position 0711 KN oder 0712 KN (so die Klägerin) einzureihen sind.
1. Die Tomaten sind zutreffend in die Pos. 2002 KN eingereiht worden.
Die Pos. 2002 KN bezeichnet "Tomaten, anders als mit Essig oder Essigsäure
zubereitet oder haltbar gemacht". Unstreitig sind die einzureihenden Tomaten haltbar
gemacht worden und zwar nicht unter Verwendung von Essig oder Essigsäure,
sondern durch Trocknung unter Zugabe von Salz. Der Wortlaut der Pos. 2002 KN
verlangt keine weitergehende Zubereitung und ist somit erfüllt. Der Einreihung steht
Anm. 1 Buchst. a) zu Kapitel 20 KN nicht entgegen, nach der Gemüse, Früchte oder
Nüsse ausgewiesen werden, die nach in den Kapiteln 7, 8 oder 11 aufgeführten
Verfahren zubereitet oder haltbar gemacht sind. Die Voraussetzung der Ausweisung
ist nicht erfüllt, denn die Ware entspricht nicht den insoweit allein in Betracht
kommenden Pos. 0711 KN oder Pos. 0712 KN.
2. Pos. 0711 KN erfasst "Gemüse, vorläufig haltbar gemacht (z. B. durch
Schwefeldioxid oder in Wasser, dem Salz, Schwefeldioxid oder andere vorläufig
konservierend wirkende Stoffe zugesetzt sind), zum unmittelbaren Genuss nicht
geeignet".
Es kann dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Tomaten vorläufig haltbar
gemacht sind. Denn jedenfalls sind sie zum unmittelbaren Genuss im Sinne der
Positionsbeschreibung geeignet, so dass das zweite, kumulativ für eine Einreihung
vorausgesetzte Merkmal "zum unmittelbaren Genuss nicht geeignet" nicht erfüllt ist.
Der Begriff "zum unmittelbaren Genuss geeignet" ist zwar weder in den
Anmerkungen noch in den Erläuterungen näher definiert, doch ist für seine
Auslegung die maßgebliche Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Der
EuGH hat in seinem Urteil vom 08.07.1981 (Rechtssache 170/80, Rz. 6) zu der
Tarifstelle "Früchte, vorläufig haltbar gemacht ... zum unmittelbaren Genuss nicht
geeignet" - damals Tarifnummer 08.11D, heute Pos. 0812 KN - entschieden, dass
der fragliche Begriff nur solche Erzeugnisse meint, bei denen das Verfahren zur
Haltbarmachung bewirkt hat, dass sie unverändert nicht ohne Gefährdung der
Gesundheit verzehrt werden können. In seinem Urteil vom 20.03.1980 (C-87/79 Rz.
12) führt der EuGH entsprechend aus, dass vorläufig haltbar gemachte Früchte nicht
unter die Tarifnummer 08.11 fallen können, wenn sie nicht durch das angewandte
Konservierungsverfahren zum unmittelbaren Genuss ungeeignet geworden sind.
Weiter heißt es dort, dass es für die Abgrenzung zwischen Tarifnummer 08.11 und
den jeweiligen Tarifnummern des Kapitels 20 ohne Bedeutung ist, ob die
einzureihenden Waren zur späteren Weiterverarbeitung bestimmt sind oder nicht.
Wegen der Identität der damaligen Tarifnummer 08.11 mit der gegenwärtigen
Codenummer 0812 KN und der genau gleich formulierten Codenummer 0711 KN ist
diese Rechtsprechung auch zur Beantwortung der Frage, ob eine Ware unter Pos.
0711 KN einzureihen ist, anzuwenden (vgl. zu dem synonym verwendeten Begriff der
Genießbarkeit auch die entsprechende Rechtsprechung des BFH, Urteil vom
10.02.2009, VII R 22/08). Unter Zugrundelegung dieser Auslegung des Wortlauts der
Pos. 0711 KN sind die streitgegenständlichen Tomaten zum unmittelbaren Genuss
geeignet, denn sie können unstreitig ohne Gefahr verzehrt werden. Eine Gefährdung
der Gesundheit wegen des Salzgehalts von bis zu 17% kann nicht erkannt werden
und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Sofern die Klägerin darauf hinweist,
dass ein Verzehr allenfalls in geringen Mengen möglich sei, ist anzumerken, dass es
für die Frage der Genusseignung grundsätzlich weder auf die verzehrte Menge
ankommt - ob etwas anderes gilt, wenn ein Mensch eine Ware nur in
homöopathischer Dosis ohne Gesundheitsgefährdung zu sich nehmen kann, braucht
hier nicht geklärt zu werden, weil das für die Tomaten nicht zutrifft - noch darauf, ob
der Verzehr ein (ohnehin sehr subjektives) Gefühl des Genusses beim Verzehrenden
auslöst.
Damit kommt eine Einreihung unter Pos. 0711 KN nicht Betracht.
3. Pos. 0712 KN erfasst "Gemüse, getrocknet, auch in Stücke oder Scheiben
geschnitten, als Pulver oder sonst zerkleinert, jedoch nicht weiter zubereitet".
Die streitgegenständlichen Tomaten sind nicht unter diese Position einzureihen.
a) Ob die streitgegenständlichen Tomaten überhaupt ein im Sinne der Pos. 0712 KN
getrocknetes Gemüse sind, kann dahinstehen. Anlass zu Zweifeln gibt der Umstand,
dass die Tomaten auch nach Beendigung des Trocknungsverfahrens durch
Sonnenbestrahlung noch einen Wassergehalt von rund 20% aufweisen. Nach den
Erläuterungen zu Kapitel 7 (HS), Rz. 01.0, umfasst die Position 0712 KN "Gemüse
der Positionen 0701 bis 0709, die durch verschiedene Verfahren getrocknet
(einschließlich entwässert, evaporiert oder gefriergetrocknet) worden sind". Nach der
Rechtsprechung des EuGH ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Erläuterung, dass
die Einreihung in die Position 0712 KN voraussetzt, dass das Gemüse einem
intensiven Trocknungsverfahren mit spezieller Behandlung unterzogen wurde, an
dessen Ende dem Erzeugnis die gesamte oder nahezu die gesamte Flüssigkeit
entzogen ist. Infolge dieses Verfahrens muss der Restflüssigkeitsgehalt in dem
Gemüse unbedeutend sein (EuGH, Urteil vom 28.10.2010, C-423/09, Rz. 21, in
jenem Fall unter 10%).
Die Frage, ob die Tomaten im Sinne der Pos. 0712 KN getrocknet sind, kann indes
dahin stehen. Denn die streitgegenständlichen Tomaten sind jedenfalls deswegen
nicht unter dieser Position einzureihen, weil sie nicht allein in Stücke geschnitten und
gegebenenfalls getrocknet worden sind, sondern durch die Gabe von Salz eine
weitere Zubereitung erfahren haben, was nach dem Wortlaut der Position eine
Einreihung dort ausdrücklich ausschließt.
b) Im Hinblick auf die Erläuterungen zum HS Kap. 7 Ziff. 05.2 fällt Gemüse dann
nicht unter Kap. 7, sondern unter Kap. 20 der KN, wenn es "durch andere als in
diesem Kapitel vorgesehene Verfahren zubereitet oder haltbar gemacht" ist.
Wenngleich diese Erläuterungen rechtlich unverbindlich sind, tragen sie doch die
Auslegung, dass eine über die Trocknung und Zerkleinerung im Sinne von Pos. 0712
KN hinausgehende Zubereitung die Einreihung in das Kap. 7 ausschließt. Der Begriff
der Zubereitung ist dabei als die Verarbeitung eines Erzeugnisses oder seine
Vermischung mit anderen Erzeugnissen zu verstehen (EuGH, Urteil vom 23.03.1972,
Rs. 36/71, Rz. 4), worunter grundsätzlich auch die Zugabe von Salz fällt.
Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, dass die Gabe von Salz lediglich eine
Maßnahme zur Trocknung darstellt. Zwar kann Salz einerseits aufgrund seiner
hygroskopischen Wirkung dazu genutzt werden, einem anderen Stoff Wasser zu
entziehen. Doch andererseits hat Salz, das - wie bei den streitgegenständlichen
Tomaten - im Wege des Einsalzens in die Lebensmittel eindringt, per se auch eine seit alters her auch genutzte - lebensmittelkonservierende Wirkung (vgl. insoweit
auch wikipedia "Lebensmittelkonservierung" und "Salzlake"). Auf die konservierende
Wirkung auf die streitgegenständlichen Tomaten hat die Klägerin in ihrer dem
Einreihungsantrag beigefügten Produktspezifikation auch selbst hingewiesen. Denn
dort heißt es: "Zusätzlich senkt Salz den aw-Wert, wodurch bereits vor der
Trocknung da Keimwachstum gehemmt wird, da den Mikroorganismen kein
ungebundenes Wasser zur Verfügung steht." Insoweit ist festzuhalten, dass die
streitgegenständlichen Tomaten wegen des relativ hohen Restwassergehalts von
rund 20% ohne die Salzgabe einem wesentlichen höheren Verderb ausgesetzt
wären, so dass die Salzgabe unter diesem Gesichtspunkt als andere Art der
Haltbarmachung anzusehen ist. Daneben entfaltet das Salz eine weitere, würzende
Wirkung (vgl. wikipedia "Speisesalz"). Auch deswegen ist hier eine weitere
Zubereitung festzustellen. Dagegen spricht nicht, dass die Klägerin empfiehlt, einen
Teil des verwendeten Salzes vor Verzehr wieder auszuwaschen, um einen allgemein
als gut empfundenen Geschmack zu erreichen. Wenn auch ein Teil des verwendeten
Salzes im Hinblick auf einen allgemein als gut empfundenen Geschmack ein Zuviel
sein mag, so gilt dies doch nicht für das gesamte Salz. Der nach Wässerung
verbleibende Teil des Salzes ist vielmehr als Geschmacksmittel und damit Mittel der
Zubereitung zu betrachten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei den streitgegenständlichen Tomaten
sowohl die würzende also auch die konservierende Wirkung des Salzes gegeben ist.
c) Ein anderes Einreihungsergebnis ergibt sich auch nicht aus Anm. Nr. 3 zu Kap. 7
KN, nach der zu Pos. 0712 KN grundsätzlich alle getrockneten Gemüse der in den
Positionen 0701 bis 0711 erfassten Arten gehören. Denn diese Anmerkung bezieht
sich nur auf die jeweiligen Gemüsearten als solche, nicht aber auf einen bestimmten
Zustand des Gemüses. Keinesfalls kann oder soll durch diese Anmerkung die
Beschränkung des maßgeblichen Wortlauts der Pos. 0712 KN auf solche Gemüse,
die nur getrocknet und zerkleinert, nicht aber weitergehend zubereitet sind,
aufgehoben werden.
Damit scheidet auch eine Einreihung der streitgegenständlichen Tomaten unter Pos.
0712 KN aus und es bleibt bei der Einreihung in Kapitel 20 unter Pos. 2002 KN.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht
zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.
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