Chronische Wunden versorgen

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Innovative Behandlungskonzepte
Chronische Wunden versorgen
Normalerweise heilen Wunden innerhalb von ein bis zwei Wochen. Doch
sie können auch chronisch werden und brauchen dann eine besondere
Art der Versorgung. Wir stellen die häufigsten Formen chronischer Wunden vor – und ein innovatives Behandlungskonzept aus Niedersachsen.
>>
W
unden sind kein eigenständiges
Krankheitsbild. Sie haben verschiedene Ursachen und können praktisch überall am Körper auftreten. Normalerweise heilen sie innerhalb einer kurzen
Frist von ein bis zwei Wochen, doch es gibt
auch eine Reihe von Krankheitsformen,
die durch chronische Wunden charakterisiert sind. Definiert ist eine chronische
Wunde in den Leitlinien dadurch, dass sie
seit mehr als zwei Monaten besteht und
trotz Behandlung keine Heilungstendenz
aufweist. Die häufigsten Formen chronischer Wunden sind:
>> Ulcus cruris venosum: Unter einem
Ulcus cruris venosum versteht man ein
offenes Bein durch venöse Schwäche
(chronisch-venöse Insuffizienz, CVI).
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>>
Dabei kommt es infolge defekter
Venenklappen zu einer Druckerhöhung in den Venen und aufgrund der
Schwerkraft ist der Druck des Blutes in
den Venen der Beine am höchsten
(venöse Hypervolämie). Dadurch strömen vermehrt Proteine aus den kapillaren Gefäßen ins Gewebe. Das kann
langfristig dazu führen, dass das
Gewebe nicht mehr richtig durchblutet wird und dann langsam abstirbt.
Dekubitus: Ein Dekubitus (Druckgeschwür) ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut oder des darunter liegenden Gewebes infolge von Druck. Er
kommt vor allem bei bettlägerigen und
immobilen Patienten vor. Hier wird das
Gewebe durch den anhaltenden Druck
unzureichend versorgt. Es bildet sich
ein Ödem, die minderversorgte Haut
wird geschädigt – zunächst oberflächlich, später tiefergehend – und wird
schließlich nekrotisch. Der Volksmund
spricht vom „sich wund liegen“.
Diabetisches Fußsyndrom (DFS): Infolge einer lange bestehenden DiabetesErkrankung kann es zu Nervenschädigungen (Neuropathie) und Durchblutungsstörungen (Mikroangiopathie)
kommen. Bei etwa 50 Prozent aller diabetischen Fußsyndrome liegt neben
vermindertem Schmerzempfinden eine
zusätzliche Durchblutungsstörung vor.
In diesen Fällen können schon aus
banalen Verletzungen, etwa durch Tragen von zu festem Schuhwerk, chronische Wunden entstehen.
Webtipp
Homepage der Initiative
Chronische Wunden
www.icwunden.de
sprechstunde
Ein innovatives Konzept zum Umgang
mit chronischen Wunden existiert seit
2008 für Versicherte der AOK Niedersachsen. Dort gibt es eine Art „Eingreiftruppe“ von knapp 100 Personen, die von der
Initiative Chronische Wunde e.V. (ICW)
besonders für die Wundtherapie ausgebildet wurden. Da viele dieser Wundexpertinnen und -experten Erfahrungen
aus der Pflege und der stationären
Wundversorgung mitbringen, sind sie
bestens vernetzt. Und fachlich so versiert, dass sie mit Ärzten und Pflegediensten auf Augenhöhe kommunizieren
können.
Hilfe für Patient und Praxis
Gehen bei der Kasse Verordnungen
über häusliche Krankenpflege ein, die
chronische Wundversorgung beinhalten, prüfen die Mitarbeiter, ob bei der
Versorgung etwas optimiert werden
könnte. Versorgungsoptionen werden
mit dem Pflegedienst oder der Hausarztpraxis ausgetauscht und gemeinsame Hausbesuche beim Patienten vereinbart.
Am Ende des Prozesses wird gemeinsam
eine Strategie für eine optimierte
Wundversorgung erstellt. Der Arzt verordnet die dazu nötigen Verbandsstoffe
und passt die Verordnung für die häusliche Krankenpflege an. Dieses Prozedere wiederholt sich in Abständen so lange, bis die Wunde geschlossen ist.
Pflegedienste und Hausarztpraxen in Niedersachsen haben die Möglichkeit, Unterstützung aktiv anzufordern (siehe Interview). Das kann konkrete Hilfe zu einzelnen Patienten sein, aber auch eine regionale Schulung zur Wundversorgung für
das komplette Praxisteam.
Das Angebot reicht bis in den Bereich der
Prävention: Das konsequente und richtige Tragen von Kompressionsstrümpfen
kann helfen, chronische Wunden zu vermeiden. Viele Patienten kommen mit
den Strümpfen aber nicht zurecht und
lassen sie nach der Verordnung in der
Schublade liegen. Hier sollten Praxisteams in Niedersachsen darauf hinweisen, dass Patienten sich bei Problemen
mit den Strümpfen an die AOK wenden
können. Wenn nötig, kommen die Mitarbeiter dann nach Hause und beraten die
Patienten zum Umgang mit den Strümpfen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit
der Wundexperten ist das Netzwerken.
Viele Pflegedienste haben eigene Wundexperten, mit denen man zusammenarbeitet. Der fachliche Austausch geht mitunter soweit, dass sich Pflegedienste,
Sanitätshäuser, Ärzte und Wundexperten der AOK Niedersachsen in einzelnen
Regionen zu Wundstammtischen treffen.
Die Themen reichen dabei von Produktpräsentationen über Verfahren, mit
denen man arbeiten möchte, bis zu Fallvorstellungen.
Service für Patienten
Frank Klabunde ist Fachmanager Pflege bei der
AOK Niedersachsen.
Wie viele Patienten werden von den AOK-Wundexperten in Niedersachsen aktuell betreut?
Im letzten Jahr waren es rund 14.000
Fälle, die die 100 Kolleginnen und Kollegen betreut haben. In der Regel ist
das nur ein Beratungsgespräch, oft
aber eine anhaltende Betreuung über
Wochen und Monate.
Ihre Wundexperten können bei
Bedarf ja aktiv angefordert werden.
Wer nutzt diesen Service?
Das Angebot steht allen betreuenden
Vetrags- und Kooperationspartnern
offen. In der Praxis wird es von Pflegediensten sehr häufig genutzt, während Hausarztpraxen oft noch gar
nichts davon wissen. Es geht um eine
zusätzliche Zweitmeinung, und die ist
gerade im Fall von Patienten mit chronischen Wunden oft hilfreich.
Wohin können Hausarztpraxen sich
bei Bedarf wenden?
Das Angebot gibt es in dieser Form
aktuell nur für AOK-Versicherte in Niedersachsen. Dort können sich Praxen
einfach an die zuständige Geschäftsstelle wenden.
Bundesweit aktiv gegen chronische Wunden
Die AOK engagiert sich bundesweit für
eine bessere Versorgung von Patienten
mit chronischen Wunden, z. B. durch
besondere Versorgungsverträge. Ein Beispiel ist der IV-Vertrag der AOK SachsenAnhalt mit vier spezialisierten Wundzentren im Land. Patienten mit einer chronischen Wunde werden dort von einem
Team aus Ärzten und spezialisierten Physiotherapeuten und Pflegediensten
betreut. Mit Erfolg: So dauert es im IVVertrag rund 84 Tage, bis eine chronische
Wunde geschlossen ist, während es in
der Regelversorgung durchschnittlich
566 Tage sind.
© Matthias Enter – fotolia.com, bearbeitet
Bei der Hausarztzentrierten Versorgung
der AOK PLUS in Thüringen sind VERAHs
oder NäPAs für das Fallmanagement von
Patienten mit einer chronischen Wunde
zuständig. Die Mitarbeiterinnen der
Hausarztpraxen übernehmen neben der
Koordination von Facharzt, Pflegedienst,
Sanitätshaus, Physiotherapie usw. auch
die Wunddokumentation für den Hausarzt und sind erste Ansprechpartner
für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Im Rahmen der Wundversorgung
machen sie auch Hausbesuche.
Ein besonderer Schwerpunkt beim Thema Wunden liegt auf der Versorgung des
Diabetischen Fußes. Denn immer noch
müssen sich pro Jahr mehr als 40.000 Diabetiker in Deutschland aufgrund eines
Diabetischen Fußsyndroms (DFS) Teile
ihrer Füße oder Beine amputieren lassen.
Um gegenzusteuern, hat die AOK in vielen Regionen besondere Versorgungsverträge geschlossen. Hier geht es vor
allem darum, die verschiedenen Beteiligten (Diabetologische Schwerpunktpraxen, Fußambulanzen, Orthopädietechniker, Pflegedienste, Podologen und andere) miteinander zu vernetzen, um eine
optimale Versorgung der Patienten zu
erreichen.
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