Billionen von Verknüpfungen im Gehirn

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Tages-Anzeiger | 23. Mär z 2015
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SERIE «WIE WIR LERNEN», TEIL 2
Billionen von Verknüpfungen im Gehirn
Bild: Dr. Uwe Konietzko, Division of Psychiatry Research, Universität Zürich
Eine Nervenzelle alleine ist weder intelligent, noch kann sie lernen. In unserem Gehirn bilden die Nervenzellen ein
Team, ein hochkomplexes neuronales Netzwerk. Es erlaubt uns, Informationen dauerhaft zu speichern, die wichtig sind oder immer wieder gebraucht werden. Von Dr. Claudia Rütsche
Nervenzellen-Netzwerk aus dem Gehirn einer Maus (Lichtmikroskop-Präparat).
grün = Dendriten, blau = Axone, rot = Synapsen
Nervenzellen sind darauf spezialisiert, Informationen aufzunehmen,
zu verarbeiten und weiterzuleiten. Dennoch kann eine Nervenzelle allein nicht lernen. 100 Milliarden Nervenzellen bilden ein
hochkomplexes Netzwerk, welches
sich laufend verändert. Beim Lernen werden – über das ganze Gehirn verteilt – dicke Spuren angelegt. Dieses Netzwerk spiegelt die
Lernerfahrungen, die wir im Laufe
unseres Lebens machen.
Bei der Geburt hat ein menschliches Baby schon fast gleich viele
Nervenzellen im Gehirn wie ein er-
wachsener Mensch. Trotzdem ist
das Gehirn noch viel kleiner. Das
Gehirn wächst in den kommenden
Jahren vor allem durch die Bildung
von Nervenzellfasern und neuen
Verknüpfungsstellen zwischen den
Nervenzellen (Synapsen). Dies entspricht dem Einspeichern von neuen Gedächtnisinhalten, wir lernen
also sehr viel in unseren ersten Lebensjahren. Mit der Zeit ist das Gehirn ausgewachsen. Es vergrössert
sich nicht mehr, weil einerseits keine neuen Nervenzellen mehr gebildet werden und sich andererseits
Bildung und Abbau von Synapsen
die Waage halten. Im höheren Al-
ter lässt die Fähigkeit des Gehirns
nach, neue Synapsen zwischen den
Nervenzellen aufzubauen. Lernen
fällt dann nicht mehr so leicht wie
in jüngeren Jahren, bleibt aber dennoch ein Leben lang möglich.
Nervenzellen-Netzwerk
verändert sich laufend
Jede einzelne Nervenzelle ist mit
vielen tausend anderen verknüpft
und kann diesen Informationen in
Form von Nervenimpulsen weitergeben oder Informationen erhalten. Wäre dieses Netzwerk fest verknüpft, könnten wir unser Gehirn
mit einem Computer vergleichen.
Wir hätten einen Grundstock an
Erinnerungen, ein Basisgedächtnis.
Speziell an unserem NervenzellenNetzwerk ist aber, dass sich dieses
im Gegensatz zu einem Computer
laufend verändern kann. Jede neue
Information muss einen sinnvollen
Platz im bereits vorhandenen Wissen einnehmen und sich entsprechend damit vernetzen.
sich ständig an neue Situationen
an: Wir lernen – und zwar immer!
Während Bewegungen im Kleinhirn
gelernt werden, ist die Grosshirnrinde für unser Bewusstsein und
unsere tollen Ideen zuständig. Das
Gehirn speichert jene Informationen dauerhaft, die sehr wichtig sind
oder immer wieder gebraucht werden. Deshalb müssen wir Sachen,
die wir uns merken wollen, immer
wieder üben.
Veränderungen im Nervenzellennetzwerk können schon relativ rasch passieren. So haben
Studien gezeigt, dass durch das
Spielen eines Musikinstrumentes bereits nach wenigen Wochen
stabile Nervenzellen-Verknüpfungen entstehen, welche die Hör- und
Bewegungszentren im Gehirn miteinander verbinden.
Dr. Claudia Rütsche ist Direktorin des
KULTURAMA Museum des Menschen. Die
interaktive Dauerausstellung «Wie wir
lernen» geht der Frage nach, wie Lernen
Bei jedem Impuls, der das Neuron
erreicht, verändern sich die Synapsen, die Kontaktstellen des
Neurons. Sie können neu gebildet, abgebaut, verstärkt oder abgeschwächt werden. Das Gehirn passt
«funktioniert». Sie ist für Gruppen mit
Führung nach Vereinbarung geöffnet und
für individuelle Besuche an bestimmten
Sonntagen von 13-17 Uhr. Regelmässig
finden auch öffentliche Führungen statt.
Mehr Infos: www.kulturama.ch
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