Ergo Info Neglect

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Informationen der Ergotherapie
für Patienten und Angehörige
Neglect
Neglect
Was versteht man unter einem Neglect?
Der Begriff „Neglect“ steht für die Beobachtung, dass Personen nach einer Hirnschädigung eine Raum- und/oder Körperhälfte vernachlässigen. Häufig kommt es vor,
dass sie auf Objekte oder Ereignisse in dieser Raumhälfte nicht reagieren, dass sie
keine Augen-, Kopf- oder Rumpfbewegungen in diese Raumhälfte ausführen, dass
sie die an sich bewegungsfähigen Extremitäten einer Körperhälfte nicht benutzen, ja
sich teilweise ganz so verhalten, als ob eine Raum- oder Körperhälfte sozusagen zu
existieren aufgehört habe. Neglectphänomene können unterschiedliche Ursachen
haben (Infarkte, Schädel- Hirn-Traumen, Tumore etc.) und lassen sich auf eine
Schädigung bestimmter Gehirnareale zurückführen. Sie sind im klinischen Alltag bei
rechtshirniger Schädigung häufiger zu bemerken, sind schwerer ausgeprägt und halten länger an als bei linkshirnigen Schädigungen.
Welche Formen können unterschieden werden?
Eine Form ist der visuell-räumliche Neglect. Visuelle Reize in der gestörten Raumhälfte werden nicht oder nur ungenügend beachtet. Die Augen und auch der Kopf
sind dabei in schweren Fällen auf die intakte Seite gerichtet und werden kaum oder
gar nicht in die gestörte Raumhälfte geführt. Es kommt dementsprechend zu folgenden Auffälligkeiten im Alltag:
a) Anstoßen an Hindernissen auf der betroffenen Seite
b) Übersehen von Personen oder Gegenständen auf der betroffenen Seite
c) Benutzen der Flurseite auf der nicht betroffenen Seite
d) Lesestörungen: Die Personen lassen Wörter oder Buchstaben auf der betroffenen
Seite aus bzw. fangen in der Mitte der Zeile an zu lesen oder lesen nur bis zur
Mitte der Zeile
Auch bei guter Rückbildung sollte das Auftreten sog. visueller Extinktionsphänomene
(Löschung) beachtet werden. Patienten können dann zwar sowohl isoliert von rechts
und isoliert von links kommende Reize erkennen, wenn jedoch gleichzeitig Reize in
der linken und der rechten Raumhälfte eintreffen, werden nur die auf der gesunden
Hälfte beachtet, die auf der betroffenen Seite werden regelrecht „gelöscht“. Dies
kann z.B. beim Überqueren belebter Straßen gefährlich sein.
Ein akustischer Neglect bedeutet, dass Patienten akustische Reize, die von der gestörten Seite herangetragen werden, nicht wahrnehmen. Oft wenden sich Patienten,
wenn sie von der betroffenen Seite angesprochen werden, der gesunden Seite zu
und antworten ins Leere oder anderen Personen in der nicht vernachlässigten Seite.
Auch im Falle des akustischen Neglects kann bei von beiden Seiten eintreffenden
akustischen Reizen eine „Löschung“ der von der betroffenen Seite kommenden
akustischen Reize vorkommen.
Der Neglect kann auch die Körperwahrnehmung betreffen. Das Nichtbeachten sensibler Reize kann zu Verletzungen führen, da oft auch die Wahrnehmung von
Schmerz- bzw. Temperaturreizen gestört ist. Eine Störung der Repräsentation des
eigenen Körpers bedeutet, dass entweder eine verminderte motorische Aktivität der
Gliedmaßen der betroffenen Seite vorhanden ist, die nicht dem Schweregrad der
Lähmung entspricht, oder aber eine Vernachlässigung der betroffenen Körperhälfte.
So wird z.B. bei der Körperpflege nur die rechte Körperhälfte gewaschen, nur die gesunde Gesichtshälfte rasiert usw.
Eine häufige Begleiterscheinung des Neglects ist die mangelnde Krankheitseinsicht
(Anosognosie). Das Vorliegen von Krankheitszeichen wird bestritten. Es werden andere Erklärungen, wie „Ich kann nicht aufstehen, weil ich so müde bin“ oder „Jemand
hält meinen Arm fest“ gegeben. Bei dem Versuch die Person zu überzeugen, hat
diese oft das Gefühl von Unruhe/Unsicherheit/Ärger ohne dass sich ihre Bewertung
ändert. Wichtig ist, diese Reaktion als Teil der Erkrankung zu betrachten.
Zu beachten ist, dass selten nur eine einzige Modalität isoliert betroffen ist, sondern
meist mehrere und sie treten in unterschiedlichen Kombinationen auf.
Was bedeutet ein Neglect nicht?
Der Neglect lässt sich nicht auf eine Beeinträchtigung des Gesichtsfeldes zurückführen, wobei z.T. ein Neglect und eine Gesichtsfeldeinschränkung gemeinsam vorkommen können. Auch liegt bei einem Neglect keine Schwäche oder Erkrankung der
Augen vor. Er ist somit auch nicht mit einer Brille zu beseitigen. Die Vernachlässigung steht in engem Zusammenhang mit Aufmerksamkeitsdefiziten.
Behandlung
Die Therapie wird individuell an den Grad der Beeinträchtigung angepasst. Bei einem
ausgeprägten Neglect können z.B. Gegenstände vor dem Patienten ausgebreitet
werden, die dieser auf der betroffenen Seite suchen oder zählen soll. Eine weitere
Möglichkeit bietet das Beschreiben lassen von Bildern oder des Raumes. Für etwas
mildere Formen gibt es spezielles Material mit steigendem Schwierigkeitsgrad, anhand dessen der Patient systematisches Absuchen unter besonderer Berücksichtigung der betroffenen Seite üben kann.
Wichtig ist auch das Lesetraining, bei dem der Textrand auf der betroffenen Seite mit
einem Ankerreiz (z.B. roten Balken) versehen und der Patient angeleitet wird, seinen
Blick in jeder Zeile bis zu diesem Reiz zu bewegen, um die ganze Zeile zu erfassen.
Der Ankerreiz ist ein wichtiger Orientierungspunkt, der Rückmeldung darüber gibt,
dass die Informationen auf der vernachlässigten Seite vollständig beachtet werden.
Unterstützung durch die Angehörigen
1) Anregung zum aktiven Absuchen der betroffenen Raumhälfte bzw. Einsetzen der
betroffenen Körperhälfte, besonders des Armes.
2) Achten Sie darauf, dass der Patient beim Lesen den Ankerreiz benutzt.
3) Darauf achten, dass der gelähmte Arm nicht neben dem Patienten herunterhängt,
sondern im Blickfeld des Patienten gelagert ist.
4) Betrachten Sie die mangelnde Krankheitseinsicht als Teil der Erkrankung und
nicht als mangelnden Willen.
5) Wenn Sie selbst die Therapie unterstützen möchten, sprechen Sie bitte vorher mit
dem zuständigen Therapeuten.
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