Der Flüchtlingsstrom in der EU – Fluch oder Segen für

Werbung
15. September 2015
Der Flüchtlingsstrom in der EU – Fluch oder Segen
für die Bonität von Staaten?
Kreditanalyst
Moritz Kraemer | Frankfurt 0049 69 33999 249 | [email protected]
Medienkontakt
Doris Keicher | Frankfurt | +49 69 33 999 225 | [email protected]
Frankfurt (Standard & Poor‘s) 15. September 2015 – Der Flüchtlingsstrom nach Europa wird die
Volkswirtschaften und Staatshaushalte der EU-Staaten kaum so sehr schwächen, dass dadurch die Staatenratings
unter Druck kommen und Herabstufungen die Folge sein könnten. Andererseits wird er auch die demografischen
Herausforderungen, die die Gesellschaften in Europa in den nächsten Jahrzehnten meistern müssen, nicht
wesentlich abmildern. Zu diesem Ergebnis kommt Standard & Poor’s Ratings Services in ihrem heute
veröffentlichten Kommentar „The Surge Of Refugees In The EU: Boon Or Burden For Sovereign Ratings?“.
Nach Ansicht von S&P zählt zu den größten Unsicherheiten für die Bonität der Staaten die Fähigkeit Europas,
gemeinsame Lösungen für diese den gesamten Kontinent betreffende Herausforderung zu finden. Ein
halbherziger und damit trügerischer Kompromiss könnte ein Anzeichen dafür sein, dass die EU weiterhin unter
Governance-Problemen leidet. Dabei ist die Handlungsfähigkeit und Belastbarkeit der politischen Systeme eines
der Hauptaspekte in der Analyse der Kreditwürdigkeit von Staaten.
Sollte Europa die Flüchtlingsfrage nicht erfolgreich lösen, könnte dies Populismus und Fremdenfeindlichkeit in
die Hände spielen und zusätzlich von Haushaltsproblemen und der Notwendigkeit struktureller Reformen
ablenken.
Die syrische Flüchtlingskrise ist die schlimmste, seit vor fast fünfzig Jahren im Freiheitskampf zur Abtrennung
Bangladeshs von Pakistan Millionen Menschen vertrieben wurden. Wir gehen davon aus, dass die Anzahl der
Asylsuchenden in Westeuropa die Rekorde übertreffen wird, die Anfang der 1990er Jahre im Zuge der Auflösung
Jugoslawiens zu vermelden waren. Die meisten der derzeitigen Flüchtlinge kommen aus Syrien, wo die
Sicherheitslage sich immer weiter verschlechtert. Die syrischen Nachbarstaaten Türkei, Libanon, Jordanien und
Irak haben bislang die meisten der etwa 4 Millionen Menschen, die Syrien verlassen haben, aufgenommen und
sind dadurch zunehmend überlastet.
Deutschland erwartet 2015 bis zu einer Million Flüchtlinge. Diese Zahl entspricht mehr als 1% der Bevölkerung.
Es ist dabei unwahrscheinlich, dass den Menschen aus den westlichen Balkanstaaten Serbien, Albanien und dem
Kosovo Asyl gewährt wird. Zuvor schon hatte die Einwanderung nach Deutschland, überwiegend aus anderen
EU-Mitgliedsstaaten, in den letzten Jahren über eine halbe Million betragen. Im Vergleich dazu lag die Zahl der
Einwanderer vor der Finanzkrise bei etwa 100.000 pro Jahr.
Flüchtlingsstrom in der EU – Fluch oder Segen für die Bonität von Staaten?
Die fiskalischen Implikationen sind kurzfristig signifikant. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen für Unterkunft und
ein Existenzminimum sorgen, außerdem für Bildung, einschließlich Sprachkursen. Deutschland wird mit etwa
6Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge 2016 etwa 2 Prozent der Gesamtausgaben oder 0,2
Prozent des BIP aufwenden. Ohne Neuverschuldung soll dafür an anderen Stellen gespart werden.Dennoch
erscheinen die direkten Kosten insgesamt als relativ mäßig.
Die Flüchtlinge aus Syrien verlassen ihr Land nicht aufgrund struktureller Armut oder Entbehrung, sondern
wegen eines zerstörerischen und gnadenlosen Kriegs, der in ihrer Heimat in Gang ist. Nach Angaben der
Weltbank ist die syrische Bevölkerung im Vergleich zu der in einigen arabischen Ländern gut ausgebildet. Fast
ein Drittel der Erwachsenen, sowohl Männer als auch Frauen, verfügen über eine Hochschulausbildung. Daher
sollten viele der Abhängigkeit von Transferleistungen in ihren Gastländern entkommen und sich in den
Arbeitsmarkt eingliedern können, besonders in Ländern mit niedriger Arbeitslosigkeit wie Deutschland. Wenn
alle anderen Parameter gleich bleiben, könnte sich daraus eine leicht positive Auswirkung auf das
Wirtschaftswachstum ergeben, insbesondere wenn sich mit der Zeit die Sprachkenntnisse verbessern und damit
auch produktivere und besser bezahlte Arbeitsplätze angenommen werden können.
Die Flüchtlinge sind im Durchschnitt jünger als die Bevölkerung in Deutschland. Doch auch wenn die Integration
gelingen sollte, darf nicht erwartet werden, dass durch den Zustrom an Flüchtlingen die Probleme der
Sozialsysteme in Sachen Rente und Gesundheitskosten gelöst werden.
Eine erbitterte Auseinandersetzung über die Verteilung der Flüchtlinge über verschiedene Staaten birgt das
Potential, die kooperative Stimmung unter den EU-Mitgliedsstaaten zu verschlechtern. Die Konsequenzen aus
einem solchen Szenario sind schwer vorherzusehen. Es ist aber leicht vorstellbar, dass Einigungen über künftige
Stützungsmaßnahmen für andere EU-Staaten politisch erschwert werden.
Alles in allem werden durch die Flüchtlinge aus Syrien weder die demografischen Probleme Europas gelöst noch
wird durch sie Druck auf die Staatenratings entstehen.
STANDARD & POOR’S RATINGS SERVICES
2
Flüchtlingsstrom in der EU – Fluch oder Segen für die Bonität von Staaten?
Standard & Poor’s Ratings Services, ein Teil von McGraw Hill Financial (NYSE:MHFI), ist der weltweit führende Anbieter von
unabhängigen Research und Benchmarks zu Kreditrisiken. Wir haben etwa 1,2 Mio. Kreditratings zu Staaten, Gebietskörperschaften,
Unternehmen, Finanzinstituten und Emissionen im Markt. Mit über 1.400 Kreditanalysten in 26 Ländern sowie mehr als 150 Jahren
Erfahrung in der Einschätzung von Kreditrisiken bieten wir eine besondere Kombination von globaler Abdeckung und lokalem Einblick.
Unser Research und unsere Meinungen zum relativen Kreditrisiko bieten Marktteilnehmern Informationen und unabhängige
Benchmarks, die zur Förderung transparenter und liquider Finanzmärkte weltweit beitragen.
Nach den Ratingkriterien von Standard & Poor’s kann nur ein Ratingkomitee eine Entscheidung über eine Ratingmaßnahme (darunter
eine Ratingänderung, -bestätigung oder das Zurückziehen eines Ratings, Ratingausblick-sänderungen oder CreditWatch-Maßnahmen)
treffen. Dieser Kommentar und sein Inhalt waren nicht Gegenstand einer Ratingkomitee-Maßnahme und sollten daher weder als
Änderung noch als Bestätigung eines Ratings oder eines Ratingausblicks interpretiert werden.
Copyright © 2015 by Standard & Poor’s Financial Services LLC. Alle Rechte vorbehalten. Kein Inhalt (einschließlich Ratings,
kreditbezogene Analysen und Daten, Bewertungen, Modelle, Software oder andere Anwendungen oder Ergebnisse daraus) oder
irgendein Teil davon (Inhalt) dürfen in irgendeiner Form oder durch irgendein Mittel verändert, weiterentwickelt, reproduziert oder
weiterverbreitet werden noch in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden, ohne vorherige schriftliche
Zustimmung von Standard & Poor’s Financial Services LLC oder ihrer Tochtergesellschaften (zusammen „S&P“).
Der Inhalt darf nicht für rechtswidrige oder nicht genehmigte Zwecke verwendet werden. S&P und jegliche Drittanbieter, sowie ihre
Direktoren, Führungskräfte, Anteilseigner, Mitarbeiter oder Vertreter (zusammen „S&P Parteien“) garantieren nicht die Richtigkeit,
Vollständigkeit, Aktualität oder Verfügbarkeit des Inhalts. S&P Parteien übernehmen keinerlei Verantwortung für Fehler oder
Auslassungen (fahrlässige oder andere), ungeachtet der Ursache für die Ergebnisse, die aus der Verwendung des Inhalts erzielt
werden, oder für die Sicherheit oder Pflege der Daten durch den Anwender. Der Inhalt wird auf einer „as is“-Basis zur Verfügung
gestellt. S&P PARTEIEN SCHLIESSEN JEGLICHE AUSDRÜCKLICHE ODER STILLSCHWEIGENDE GEWÄHRLEISTUNG AUS,
EINSCHLIESSLICH, ABER NICHT DARAUF BESCHRÄNKT, JEGLICHER GEWÄHRLEISTUNGEN DER HANDELSÜBLICHKEIT
ODER EIGNUNG FÜR EINEN BESTIMMTEN ZWECK ODER VERWENDUNG, FREIHEIT VON TECHNISCHEN FEHLERN,
SOFTWARE-FEHLERN ODER –MÄNGELN, DASS DER INHALT UNUNTERBROCHEN FUNKTIONIERT ODER DASS DER INHALT
MIT JEDER SOFTWAREODER HARDWARE-KONFIGURATION BETRIEBEN WERDEN KANN. In keinem Fall übernehmen S&P
Parteien die Haftung gegenüber irgendeiner Partei für jegliche direkte, indirekte, zufällige, exemplarische, kompensatorische, punitive,
spezielle oder resultierende Schäden, Kosten, Ausgaben, Rechtskosten oder Verluste (einschließlich, aber ohne Beschränkung auf
durch Fahrlässigkeit verursachte entgangene Einnahmen oder entgangene Gewinne und Opportunitätskosten oder Verluste) in
Verbindung mit jeglicher Verwendung des Inhalts, auch wenn auf die Möglichkeit solcher Schäden hingewiesen worden ist.
Kreditbezogene und andere Analysen, einschließlich Ratings und Stellungnahmen in dem Inhalt sind Meinungsäußerungen zum
Zeitpunkt, in dem sie gemacht werden, und keine Tatsachenaufstellungen. Die Meinungen, Analysen und Rating-AnerkennungsEntscheidungen von S&P (nachfolgend dargelegt) sind keine Empfehlungen, irgendwelche Wertpapiere zu kaufen, zu halten oder zu
verkaufen oder irgendwelche Investitionsentscheidungen zu treffen, und sie gehen nicht auf die Geeignetheit irgendeines Wertpapiers
ein. S&P übernimmt keinerlei Verpflichtung, den Inhalt nach der Veröffentlichung in irgendeiner Form oder irgendeinem Format zu
aktualisieren. Auf den Inhalt soll nicht vertraut werden, er ersetzt nicht die Kompetenz, Urteilsfähigkeit und Erfahrung des Anwenders,
seines Managements, seiner Angestellten, Berater und/oder Kunden, wenn sie Investitions- und andere Geschäftsentscheidungen
treffen. S&P handelt nicht als Treuhänder oder Anlageberater. Obwohl S&P ihre Informationen über Quellen bezogen hat, die sie für
vertrauenswürdig hält, führt S&P kein Audit durch und übernimmt keine Verpflichtung zur Bewertung oder unabhängigen Überprüfung
von irgendwelchen Informationen, die sie erhält.
Sofern Aufsichtsbehörden einer Ratingagentur genehmigen, ein Rating in einer Jurisdiktion zu bestätigen, das in einer anderen
Jurisdiktion für bestimmte regulatorische Zwecke abgegeben worden ist, behält S&P sich das Recht vor, eine solche Bestätigung
jederzeit nach eigenem Ermessen zu übertragen, zurückzuziehen oder auszusetzen. Die S&P Parteien lehnen jegliche Verpflichtung
ab, die aus der Übertragung, Zurückziehung oder Aussetzung einer Bestätigung entstehen könnte sowie jegliche Haftung für jegliche
tatsächliche oder vermeintliche Schäden, die dadurch erlitten worden sind.
S&P hält bestimmte Tätigkeiten ihrer Geschäftsbereiche voneinander getrennt, um die Unabhängigkeit und Objektivität der
entsprechenden Tätigkeiten zu wahren. Daher kann es vorkommen, dass bestimmte Geschäftsbereiche von S&P über Informationen
verfügen, die anderen Geschäftsbereichen von S&P nicht zugänglich sind. S&P hat Richtlinien und Verfahren entwickelt, um die
Vertraulichkeit von bestimmten nicht-öffentlichen Informationen zu wahren, die sie in Verbindung mit jedem Analyseverfahren erhalten
hat.
S&P kann für ihre Ratings und bestimmte Analysen eine Vergütung erhalten, üblicherweise von Emittenten oder Zeichnern von
Wertpapieren oder von Schuldnern. S&P behält sich das Recht vor, ihre Gutachten und Analysen zu verbreiten. Die öffentlichen
Ratings und Analysen von S&P werden auf ihren Web-Seiten www.standardandpoors.com (kostenlos) und www.ratingsdirect.com und
www.globalcreditportal.com (Abonnement) zur Verfügung gestellt und können durch andere Mittel verbreitet werden, einschließlich via
S&P Veröffentlichungen und dritte Vertriebshändler. Zusätzliche Informationen über unsere Rating-Gebühren sind auf
www.standardandpoors.com/usratingfees zu finden.
STANDARD & POOR’S, S&P und RATINGSDIRECT sind eingetragene Handelsmarken von Standard & Poor’s Financial Services
LLC.
STANDARD & POOR’S RATINGS SERVICES
3
Herunterladen