HPC-Newsletter 3-2009 Diagnosen

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Liebe Leserinnern, liebe Leser,
Sie erhalten heute den 3. Newsletter 2009 der HumanProtect Consulting GmbH.
Wie in den vorangegangenen Newslettern wollen wir Sie über aktuelle Neuigkeiten aus unserem Haus
und über ein allgemeines Quartalsthema informieren.
Aktuelles:
Seit Juni 2009 verstärkt Frau Dipl.-Psych.Tanja Fokkink unser Leitungsteam. Frau Fokkink war bereits
lange Jahre als freie Mitarbeiterin bei uns tätig und bringt ihre Kompetenz als psychologische Psychotherapeutin nun in Festanstellung als Leitung des Fachbereichs Krankenversicherung ein. Für Fragen
steht Sie Ihnen gerne zur Verfügung.
Quartalsthema: Diagnosen psychischer Störungen – wie werden diese
gestellt?
Häufigkeit von psychischen Störungen
Psychische Störungen sind keine Seltenheit: In einer EU-weiten Studie wurde ermittelt, dass bei 27%
der Bevölkerung im Laufe eines Jahres mindestens eine psychische Störung diagnostiziert werden
kann (von denen übrigens nur etwa ein Viertel eine Behandlung erhalte). Dabei fällt auf, dass oft eine
falsche Vorstellung vorherrscht, was unter einer solchen psychischen Diagnose zu verstehen ist.
Grundsätzliche Probleme mit psychischen Diagnosen
Nicht selten werden psychische Störungen als abgeschlossene Krankheitseinheit verstanden, analog
beispielsweise zur „Schweinegrippe“, wo ein mit Labormethoden eindeutig identifizierbarer Krankheitserreger zu einem spezifisch umgrenzten Symptombild führt, ein „typischer“ Verlauf zu erwarten ist
und sich insbesondere die Wahl der medikamentösen Therapie eindeutig aus der Ursache ergibt.
In der Psychopathologie (Lehre von den psychischen Erkrankungen liegen die Dinge etwas anders.
Es ist nach wie vor noch nicht möglich, psychische Störungen mit den klassischen naturwissenschaftlichen Methoden zu „messen“: Weder mit Blutwerten, EEG noch mit bildgebenden Verfahren (z.B.
Röntgen, MRT) lässt sich (bis jetzt) eine psychische Diagnose festlegen.
Weiterhin sind die Erkenntnisse über die Ursachen psychischer Störungen ebenfalls noch sehr fragmentarisch – naheliegend, wenn man bedenkt, wie komplex das menschliche Nervensystem ist.
Zudem existierten lange Zeit keine einheitlichen Standards oder diese boten so viel Spielraum, dass
es bei einem spezifischen Störungsbild zu völlig unterschiedlichen Diagnosen kommen konnte – ein
Defizit, das auch heute noch nicht vollends behoben ist.
Warum überhaupt Diagnosen?
Führt man sich den eigentlichen Zweck von Diagnosen vor Augen, nämlich die wissenschaftlichen
Erkenntnisse über die Therapie spezifischer Krankheitsbilder dem einzelnen Betroffenen zukommen
lassen zu können, ist der kommunikative Aspekt solcher Diagnosen zu betonen: wichtig ist, dass
alle relevanten Personen das gleiche unter einer definierten Diagnose verstehen und diese Diagnose
zudem zuverlässig und reproduzierbar von verschiedenen Personen gestellt werden kann.
Wie werden psychische Diagnosen konkret gestellt?
Der heutige Standard für die Diagnostik psychischer Störungen sind die Klassifikationssysteme ICD10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Beiden Systemen liegt das Prinzip zugrunde,
dass durch einen Kreis von Experten verschiedene Störungsbilder klassifiziert und anhand spezifischer Kriterien definiert werden.
Psychische Störungsdiagnosen werden bestimmt, indem auf der phänomenologischen Ebene die
vorliegenden Beschwerden erfasst und je nach Art, Stärke, zeitlichem Verlauf und Häufigkeit, wie
auch hinsichtlich des Leidensdruckes und der psychosozialen Anpassung einer konkreten Diagnose
zugeordnet werden. Nur wenn konkret definierte Kriterien erfüllt sind, kann eine bestimmte Diagnose
vergeben werden, wobei aber Annahmen über die Ursachen der psychischen Beschwerden in der
Regel nicht in die Festlegung der Diagnose mit einfließen. Ausgenommen sind hier aber z.B. Störungen, wie die posttraumatische Belastungsstörung, die sich in Folge eines schwerwiegenden Ereignisses entwickeln.
In der Praxis heißt das, dass der Diagnostiker zunächst auf den Beschwerdevortrag des Patienten
angewiesen ist. Dieser wird einzelne Merkmale (Symptome) schildern, aufgrund derer er sich in die
Behandlung begibt, beispielsweise „Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen“.
Bei einer häufig gemeinsam auftretenden Kombination von Symptomen spricht man von einem Syndrom (Symptomgruppe). Da dieses bei den genannten Beispielen („Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen“) der Fall ist, könnte man ein depressives Syndrom feststellen, womit
aber die Diagnose noch immer nicht feststehen würde. Denn ein solches Syndrom kann im Rahmen
vieler Krankheitsbilder auftreten. Außerdem muss dieses Syndrom nicht unbedingt als krankheitswertige Störung aufgefasst werden, wenn es nur kurzzeitig andauert.
Es müsste also umfassend exploriert werden, ob noch weitere Beschwerden vorliegen, wie lange die
Beschwerden schon bestehen und ob bereits in der Vorgeschichte ähnliche Symptome aufgetreten
sind. Erst dann würden sich eine oder auch mehrere Diagnosen ergeben.
Das Vorliegen von zwei Störungen (Komorbidität) ist dabei keine Seltenheit. In der genannten EUweiten Studie wurde eine Rate von ca. 50% ermittelt. Wären bei den o.g. Beispielsymptomen keine
weiteren Beschwerden bei dem Betroffenen erkennbar und würde er bereits länger als zwei Wochen
unter diesen Symptomen leiden, so würde sich als Diagnose eine „leichte depressive Episode“ (ICD10: F32.0) ergeben. Hätte er schon in der Vorgeschichte ähnliche Phasen erlebt, so wäre als Diagnose eine „rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode“ (ICD-10 F.33.0)
passend. Entsprechend würde bei mehr depressiven Symptomen der Schweregrad angepasst (mittelgradig – schwer), aber auch zahlreiche andere Diagnosen wären - je nach dem insgesamt vorliegenden klinischen Bild - denkbar.
Wie kommt der Diagnostiker nun an die relevanten Informationen?
Zunächst steht natürlich die Symptomschilderung des Patienten im Vordergrund. In einer gezielten
Exploration gilt es, durch Nachfragen die umgangssprachlich geschilderten Beschwerden zu konkretisieren und umfassend zu erheben – welche Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen und körperliche
Reaktionen treten wie häufig auf? Gibt es bestimmte Situationen, die die Symptome auslösen? Zeigen
sich jahres- oder tageszeitliche Schwankungen?
Ein Hilfsmittel für die umfassende Exploration sind (halb-) standardisierte diagnostische Interviews,
wie das DIPS (Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen) oder das SKID (Strukturiertes
Klinisches Interview für DSM-IV). Hier wird durch geleitete Fragen sichergestellt, dass alle Störungsbereiche umfassend abgefragt werden, anhand der Antworten lassen sich die Diagnosen dann eindeutig mittels ICD-10 bzw. DSM IV bestimmen.
Ein weiterer Zugang sind testdiagnostische Daten. Mittels klinischer Fragebögen können Umfang und
Ausmaß der Symptombelastung erfasst werden. Persönlichkeitstests können helfen, bestimmte Persönlichkeitseigenschaften des Patienten zu erfassen. Leistungstests (z.B. Intelligenztests oder Gedächtnistests) können helfen, subjektiv berichtete Leistungsprobleme zu objektivieren. Grundlage aller
dieser Verfahren ist, dass die Antworten und Ergebnisse einer einzelnen Person mit den Ergebnissen
einer Vergleichsgruppe (Normgruppe) verglichen werden, so dass besonders starke oder schwache
Ausprägungen erkennbar sind.
Bei jeder Diagnosestellung ist zudem eine ausführliche Anamnese notwendig, womit ein Erfassen der
Krankengeschichte gemeint ist, um einen Eindruck vom Verlauf der Beschwerden und auch bereits
erfolgter Behandlungen zu erhalten. Eine wichtige Informationsquelle können dabei auch Angehörige
sein (Fremdanamnese), um die Schilderungen des Patienten zu objektivieren.
Sollten medizinische, psychologische oder sonstige Berichte vorliegen, müssen diese selbstverständlich hinsichtlich der Diagnosestellung miteinbezogen werden. Nicht zuletzt spielt aber auch die
Verhaltensbeobachtung durch den Behandler, sein Eindruck vom Erscheinungsbild und von Reaktionen in der Situation eine wesentliche Rolle. Hier können Eigenarten in der Kommunikation, körpersprachliche Informationen oder auch die Leistungsfähigkeit (z.B. Konzentrationsfähigkeit beim Ausfüllen der Testdiagnostik) zur diagnostischen Urteilsbildung beitragen.
Um zu einer sicheren Diagnose zu kommen, gilt es, die gesamten Informationen auszuwerten und
hinsichtlich der verbindlichen Diagnosekriterien zu prüfen. In diesem Prozess gilt es auch, eine differentialdiagnostische Abgrenzung vorzunehmen: Da sich einige Diagnosen nur in Nuancen unterscheiden, sollte in nicht ganz eindeutigen Fällen gut überlegt werden, welche alternativen Diagnosen
noch in Frage gekommen wären und warum man sich dagegen entschieden hat. Ebenfalls notwendig
ist es, eine Diagnose als Verdachtsdiagnose zu kennzeichnen, wenn die Informationen nicht hinreichend sicher sind.
Da in den Diagnosesystemen über 500 einzelne Diagnosebezeichnungen aufgeführt sind, ist es nachvollziehbar, dass eine zuverlässige und eindeutige Diagnosestellung einer großen Sorgfalt bedarf.
Links:
„Psychische Störungen in Deutschland und der EU“ - Größenordnung und Belastung. Epidemiologische Studie: www.tu-dresden.de/presse/psyche.pdf
Onlinefassungen der Klassifikationen ICD-10: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/lsicdhtml.htm
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Diplom-Psychologin Karin Clemens
Diplom-Psychologe Joachim Schottmann
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