gesunde euter – gesunde milch

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Eutergesundheit
Gesunde Euter –
gesunde Milch
Maßnahmen zur M
­ astitisbekämpfung
2 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
3
2.Aufbau und Funktion der Milchdrüse
4
3.Mastitis
5
3.1Definition
3.2 Kosten 3.3 Diagnostische Parameter 3.3.1 Zellzahl 3.3.2 Mikroorganismen 3.4 Risikofaktoren für Mastitiden 3.4.1 Risikofaktor „Infektiöses Agens“ 3.4.2 Risikofaktor Zitzenkondition 3.4.3 Risikofaktor Körperabwehr 5
6
7
7
8
10
11
15
19
4.Mastitis als Herdenproblem
20
4.1 Problemkomplexe 4.2 Kennzahlen der Eutergesundheit 4.3 Maßnahmen zur Verbesserung der Eutergesundheitssituation 4.3.1 Risikoanalyse im Bestand 4.3.2 Sanierung 4.3.3 Therapeutische Maßnahmen 4.3.4 Anwendung der Therapeutika 4.3.5 Therapie von Mastitiden in der Laktation 4.3.6 Mastitisbekämpfung in der Trockenperiode 4.3.7 Färsenmastitiden als Bestandsproblem 20
20
22
23
26
26
27
29
30
32
5.Eutergesundheitsmanagement
35
1. Einleitung
Einer der wichtigsten Bereiche des Tiergesundheits­
managements ist für nahezu jeden milchviehhaltenden
Betrieb in Deutschland der Umgang mit Störungen
der Eutergesundheit. In jedem Milchviehbetrieb müssen Entscheidungen für oder gegen präventive und
therapeutische Maßnahmen getroffen werden, bei
denen neben dem Wunsch nach einer optimalen
Tiergesundheit auch betriebswirtschaftliche, arbeitswirtschaftliche und lebensmittelhygienische Aspekte
berücksichtigt werden müssen. Diese Einzelaspekte
und das Phänomen, dass zwischen der Durchführung
einer präventiven Maßnahme und ihrem erkennbaren
Resultat oft relativ viel Zeit vergehen kann, machen
deutlich, dass Störungen der Eutergesundheit in
Milchviehbetrieben komplexe Probleme darstellen
(Schukken et al., 2003).
Komplexe Probleme werden aber in der Regel aufgrund ihrer Unüberschaubarkeit nicht systematisch,
sondern intuitiv zu lösen versucht. Hierbei werden
Entscheidungen auf der Basis von Lieblingsaspekten
getroffen! Auch wenn sich dieser Weg nicht immer
verhindern lässt, da für eine systematische Analyse
der Eutergesundheitssituation keine Zeit vorhanden
zu sein scheint, so ist für ein grundlegenderes Verständnis und eine aus diesem resultierende nachhaltige Verbesserung der Eutergesundheit im Milchviehbetrieb doch ein solches Vorgehen notwendig.
Diese kleine Broschüre versucht erste Ansätze für eine
strukturierte Analyse der Eutergesundheitssituation
im Betrieb und für ihre Verbesserung aufzuzeigen.
4 Gesunde Euter – Gesunde Milch
2. Aufbau und Funktion der Milchdrüse
Die Milchdrüse des Rindes ist ein aus zwei Hälften
bestehender Drüsenkörper. Jede Euterhälfte besteht
aus zwei – jeweils eine selbständige Einheit darstellenden – Vierteln. Das milchbildende und -leitende Hohlraumsystem eines Viertels setzt sich aus den Alveolen,
den Milchgängen, der Drüsenzisterne, der Zitzen­
zisterne und dem Zitzenkanal zusammen. Die in den
Alveolen gebildete Milch gelangt aus dem Drüsenteil
über den Zisternenteil durch die Zitze nach außen.
Über den mit einem stark verhornenden, mehrschichtigen Plattenepithel ausgekleideten Zitzenkanal steht
die Zitzenzisterne also in Verbindung mit der äußeren
Umwelt. Um einen Liter Milch zu bilden, müssen 500 l
Blut die Milchdrüse durchströmen.
Die Milchbildung und -abgabe unterliegt einer hormonellen Regulation, die schließlich zum sogenannten
Milchejektionsreflex führt. Hierbei wird mittels der
Reizung von Rezeptoren in der Zitzenwand durch
Stimuli wie das Saugen oder Melken ein Erregungs­
impuls ausgelöst, der letztlich zur Freisetzung des
Hormons Oxytocin ins Blut führt. Das Oxytocin wird
zu den Muskelzellen transportiert, die wie ein Korb
die Alveolen umschließen und löst deren Kontraktion
aus, was darin resultiert, dass die Milch aus dem
Drüsenteil in den Zisternenteil gepresst wird, aus
dem sie abgemolken werden kann.
Abb. 1 Anatomische Zeichnung einer Milchdrüse
2 3
14
1
1
5
6
7
1 Läppchen, stark vergrößert
2 Eutervene
3 Euterarterie
4 Drüsenlappen
5 Alveolen, geschnitten
6 Zellen
7 Drüsenzelle
8 Blutgefäß
9 Basalmembran
10 Korbzellen
11 Fettkügelchen
12 Korbzellen
13 Kapillaren
14 Alveolarlumen
Quelle: Landfreund
8 9
10
11 12
13
4
3. Mastitis
3.1 Definition
Mastitiden sind Entzündungen der Milchdrüse. Sie
werden zwar durch Infektions­erreger hervorgerufen,
stellen ihrem Wesen nach jedoch Faktorenerkrankungen dar. Das bedeutet, dass zur Entwicklung
einer Mastitis nicht nur das Vorhandensein von
Masti­tiserregern notwendig ist, sondern dass eine
Vielzahl anderer Faktoren die Entstehung begüns­
tigen muss, um eine Neuerkrankung auszulösen.
Man unterscheidet zwischen klinischen und subklinischen Euterentzündungen. Die klinische Mastitis ist
durch eine sichtbar veränderte Milch gekennzeichnet.
Bei subklinisch erkrankten Eutervierteln sind zwar
keine Symptome oder Veränderungen des Sekretes
erkennbar, der Zellgehalt der Milch ist jedoch erhöht
und der auslösende Erreger kann in der Regel nachgewiesen werden. Somit wird die Diagnose Mastitis
durch zwei Parameter festgelegt. Zum einen durch
den Nachweis des entsprechenden Mikroorganismus
und zum anderen durch das Vorliegen einer entzündlichen Reaktion des entsprechenden Euterviertels
(Tab. 1). Der Entzündungsnachweis kann neben der
Feststellung der Anzahl von körpereigenen Zellen
in der Milch auch durch andere Parameter geführt
werden (elektrische Leitfähigkeit der Milch, Nachweis
verschiedener Enzyme, etc.). Die weltweit anerkannte
Definition der Diagnose Mastitis basiert aber auf
dem somatischen Zellgehalt der Milch (DVG, 2002).
Die Entzündung der Milchdrüse wird durch zwei Parameter festgelegt:
Der Nachweis von Mikroorganismen sowie die entzündliche Reaktion des Euterviertels
Tab. 1 Mastitis-Diagnostik anhand zytologisch-mikrobiologischer Befunde
euterpathogene Mikroorganismen
Zellgehalt der Milch
–
+
< 100.000 Zellen/ml
normale Sekretion (NS)
latente Infektion (LI)
> 100.000 Zellen/ml
unspezifische Mastitis (US)
Mastitis (M)
Diese Definition gilt für die Untersuchung von Viertelgemelksproben, die zur üblichen Melkzeit
aus dem Anfangsgemelk von Kühen in normaler Laktation entnommen werden.
DVG, 1994
6 Gesunde Euter – Gesunde Milch
3.2 Kosten
Mastitiden sind die Erkrankungen in Milchviehherden,
die aufgrund ihrer umfangreichen Verbreitung nicht
nur die größten krankheitsbedingten ökonomischen
Verluste in Milchviehbetrieben verursachen, sondern
auch häufig für den größten Antibiotikaverbrauch
in diesen Betrieben verantwortlich sind. Euter­ent­­
zün­dun­gen führen zu Milch­leistungsminderungen
der betroffenen Drüsenkomplexe, die bis zur totalen
Stagnation der Milchproduktion auf diesem Viertel
führen können. Im Mittel sinkt die produzierte Milchmenge von erkrankten Drüsenvierteln um ca. 30 %.
Im Gegenzug können die benachbarten Drüsenviertel
diesen Verlust durch Mehrleistung von bis zu 15 % in
14 Tagen zum Teil kompensieren. Der Umfang des
Milchleistungsrückganges ist von der Art des verur­
sachenden Erregers, dem Umfang der Schädigung,
dem Zeitpunkt der Schädigung, dem Alter der Kuh
und der Anzahl erkrankter Euterviertel abhängig.
Neben dem Leistungsrückgang fallen Kosten für
therapeutische Maßnahmen, für Hemmstoffmilch,
für Mehrarbeit und insbesondere für eine erhöhte
Remontierungsrate aufgrund von Störungen der
Eutergesundheit an (Krömker 2000, Seegers et al.
2003) (Abb. 2).
Untersuchungen aus Niedersachsen kommen zu dem
Ergebnis, dass die mastitisbedingten Kosten und nicht
erwirtschafteten Gewinne jeden Liter produzierter
Milch mit ca. zwei Cent belasten (EGD, 2003). Auch
wenn eine vollständige Realisierung dieser Beträge
sicher nicht wahrscheinlich wäre, zeigen Spitzenbetriebe, dass eine Realisierung von mindestens einem
Cent pro kg Milch auch bei sehr hohen Leistungen
möglich ist.
Abb. 2 Wirtschaftliche Verluste durch Mastitis
Milchviehbetrieb 50 Kühe, 7.500 kg Laktationsleistung, 30 % Remontierungsrate, ca. 200.000 Zellen/ml HSM,
40 % klin. Mastitisfälle = EUR 10.344,– Mastitisgesamtkosten
verringerte
Milchproduktion
53%
Remontierungskosten
Arzneimittel
35%
Hemmstoffmilch
(klin. Mastitis)
4%
Tierarztkosten
Mehrarbeit
1%
2%
5%
3.3 Diagnostische Parameter
3.3.1 Zellzahl
Eutergesunde Kühe scheiden über die Milch einen
geringen Anteil an körpereigenen Zellen aus. Die Aufgabe dieser überwiegend aus dem Blut stammenden
Zellen besteht in einer Beteiligung an der Infektionsabwehr des Euters. Als Zellzahl wird die Gesamtheit
der Blut- und Gewebszellen pro ml Milch bezeichnet.
Bei einem Infektionsgeschehen – sei es klinisch oder
subklinisch – kommt es im Zuge der aktivierten Immun­
abwehr zu einem Anstieg dieses Zellgehaltes in der
Milch, er lässt also Rückschlüsse auf den Gesundheits­
zustand der Milchdrüse zu. Eine Mastitis kann zum
Ausschwemmen mehrerer Millionen Zellen in die
Milch führen, der Anteil der Leukozyten an der Gesamt­
zellzahl steigt dabei auf über 90 %. Man geht davon
aus, dass mehr als 100.000 Zellen/ml im Einzelgemelk
auf eine Erkrankung des Euters hindeuten (Schröder,
2003).
Neben Infektionen können auch noch andere Fak­
toren zu einem Anstieg der Zellen in der Milch führen.
Zumeist sind diese Veränderungen aber so gering ausgeprägt, dass eine Fehlbeurteilung durch die Anwendung der eingangs beschriebenen Mastitisdefini­tion
nicht erfolgt. Um eine mastitisorientierte Aussage der
Zellzahl zu ermöglichen, sind Angaben zum Zellgehalt
auf Viertelgemelksebene erforderlich. Damit stellt im
Milcherzeugerbetrieb der Schalmtest (Schalm 1960),
auch California Mastitis Test, das Mittel der Wahl bei
der Kontrolle des Milchzellgehaltes dar (Abb. 3). Einzel­gemelkszellzahlen, die im Rahmen der Milchleistungs­
prüfung ermittelt wurden, können zur ungefähren
Beurteilung der Eutergesundheitssituation einer Herde
genutzt werden. Die Zellgehalte der Herdensammel­
milch sind zur Interpretation der Eutergesundheit
einer Milchviehherde in der Regel nicht ausreichend.
Abb. 3 alifornia Mastitis Test (CMT)
–=
< 100.000 Zellen/ml
+++ =
> 1.000.000 Zellen/ml
+=
ca. 400.000 Zellen/ml
++ =
ca. 800.000 Zellen/ml
8 Gesunde Euter – Gesunde Milch
3.3.2 Mikroorganismen
Grundlage einer Mastitisbehandlung muss stets eine
exakte Feststellung des verursachenden Erregers sein.
Der Nachweis der krankmachenden Keime ermög­
licht zum einen die Abschätzung des zu erwartenden
Heilungserfolges und erlaubt über die Er­stellung eines
Antibiogramms die Auswahl des anzuwendenden
Antibiotikums. Zum anderen geben diese Befunde
auch einen ersten Aufschluss über Keimreservoire
im Betrieb und damit Anstöße zur Optimierung des
Managements. Neben der Untersuchung im klinischen
Krankheitsfall ist auch die Stichprobenuntersuchung
in regelmäßigen Abständen sinnvoll und aufschlussreich. Um diejenigen Erreger zu identifizieren, die
für eine Mastitis verantwortlich sind, muss eine
Viertelanfangsgemelks­probe – keine Einzelgemelksprobe – ohne ­Kontamination durch Umgebungskeime
gewonnen werden. Ein großer Teil der in Mastitis­
laboren ein­gehenden Proben ist mit Schmutz­keimen
verunreinigt, so dass eine exakte Feststellung des die
Mastitis auslösenden Erregers nur schwer möglich ist
(s. Abb. 4 und Tab. 2).
Abb. 4
Entnahme
Viertelgemelksprobe
Die Entnahme von Viertelgemelksproben zur bakte­
rio­logischen Untersuchung bei klinischen Mastitis­fällen
oder zum Trockenstellen gehört in vielen Be­trieben
längst zum Standard. Die Ergebnisse dienen bislang
vor allem zur Auswahl von Therapeutika oder zur
Bestätigung einer Merzungsentscheidung. Auch
wenn dieses Vorgehen als richtig zu bewerten ist,
werden die aus bakteriologischen Untersuchungen
abzuleitenden Erkenntnisse dadurch nicht ausgeschöpft. Jeder aus infizierten Drüsenvierteln isolierte
Mastitiserreger weist auf Keimreservoire und Infektionswege im Betrieb hin und gibt da­mit Aufschluss
über hygienische Probleme und Managementfehler.
Somit geben auch Herdenuntersuchungen oder die
Stichprobenuntersuchung in regelmäßigen Abständen
hilfreich Aufschluss (z.B. 1 x jährlich 10 % der Tiere
einer Herde).
Eine langfristig erfolgreiche Mastitisbekämpfung ist
nicht allein durch sachgerechte Therapie zu erreichen,
sondern nur durch Maßnahmen, die die Neuinfektionsrate im Betrieb senken. Solche Maßnahmen können durch Kenntnis der maßgeblichen Mastitis­erreger
eines Betriebes eingeleitet werden. Da sie vor allem
auf die Neuinfektionsrate im Betrieb wirken, kann ihr
Erfolg nicht kurzfristig an der Anzahl klinischer Mastitisfälle oder der Zellzahl der Herdensammelmilch
abgeschätzt werden. Ihre disziplinierte Umsetzung
wird sich aber langfristig umso erfolgreicher auswirken.
Tab. 2 Anleitung zur sachgerechten Milchprobenentnahme
Material
Durchführung
Haushaltspapiertücher
(Einweg) für Vor- und
Zitzenkuppenreinigung
neben dem Melkpersonal eine zusätzliche Person zur
Probenentnahme
Brennspirituslösung (70 %)
zur Desinfektion
trockene Reinigung der Zitze/Euter mit Einwegpapier
Einweghandschuhe
sterilisierte und beschriftete
Reagenzgläser mit Stopfen
à 12 ml
Vormelken der ersten Milchstrahlen in ein Vormelkgefäß
Desinfektion der Zitzenspitze und der Zitzenkanal­öffnung
mit brennspiritusgetränktem Einmal-Haus­haltspapier
(zuerst die grubenfernen Viertel, dann ­grubennah)
Probennahme (Röhrchen schräg, keine Berührung mit Zitze
oder Tier, erst grubennahe Viertel, dann ­grubenfern, Röhrchen
sofort verschließen)
10 Gesunde Euter – Gesunde Milch
3.4 Risikofaktoren für Mastitiden
Für die Entstehung von Mastitiden existieren unterschiedliche Risikofaktoren, die die Chance eines Drüsen­
komplexes auf die Entstehung dieser Erkrankung
beschreiben. Die zugehörigen Risikofaktoren können
viertelspezifisch, tierspezifisch oder bestandsspe­zi­
fisch sein. Manche sind kurzfristig, einige nur langfristig beeinflussbar (Boxenhygiene vs. Zucht) und
andere sind in der Individualbetrachtung wenig oder
gar nicht beeinflussbar (Zitzenposition, Alter des
Tieres, etc.). Über Maßnahmen des Managements
lassen sich jedoch drei Risikofaktorgruppen maß­
geblich beeinflussen. Hierzu gehören die Risiko­
faktorgruppen „Infektiöses Agens“, „Zitzenkondition“
und „Körper­abwehr“. Diese Begriffe subsumieren
eine Vielzahl von Risiken im Betrieb und beim Einzeltier und ermöglichen ein differenziertes Vorgehen
in der Problemanalyse und in der Maßnahmen­
empfehlung.
3.4.1 Risikofaktor „Infektiöses Agens“
Haupterreger
Im Verlauf der letzten Jahre zeigt sich ein deutlicher
Wandel hinsichtlich des am Mastitisgeschehen in Milch­
viehbetrieben beteiligten Keimspektrums. Waren in der
Vergangenheit vor allem die so genannten kuh­asso­
zi­ierten Mastitiserreger wie Staphylococcus aureus,
Streptococcus agalactiae und Streptococcus dysgalactiae für das Auftreten von Euterentzündungen verantwortlich, treten heute Infektionen des Euters mit so
genannten umweltassoziierten Keimen und opportunistischen Hautbesiedlern in den Vordergrund. Diese
Verschiebung des Mastitiserregerspektrums ist zum
einen durch die inzwischen weit verbreitete Anwendung von Vorbeugemaßnahmen (Zitzendesinfektion
nach dem Melken, Trockenstellen unter anti­biotischem
Schutz, Optimierung der Melkmaschinenfunktion)
und zum anderen durch geänderte Haltungsbedingungen (Zunahme von Laufställen, Abnahme der
Weidehaltung) zu erklären (DVG, 2002) (Abb. 5).
Kuhassoziierte Mastitiserreger
Unter „kuhassoziierten Erregern“ versteht man
solche, die aus euterkranken Milchdrüsenvierteln
stammen und vor allem während des Melkens über
Melkerhände, Zitzengummis und Milch von Kuh zu
Kuh verbreitet werden. Zu den klassischen kuhassoziierten Mastitiskeimen zählt Staphylococcus aureus.
Dieser Erreger besiedelt vor allem Läsionen der Zitzen­
haut und den Zitzenkanal und wird beim Melken von
Tier zu Tier über­tragen. Beim Eindringen des Keimes
in die Milchdrüse wird das Drüsengewebe erheblich
geschädigt. S. aureus bildet tiefe Infek­tionsherde in
den Milchkanälen, die mit Abkapselung der Erreger
und Abszessbildung einhergehen.
Abb. 5 Mastitiserregerverteilung Niedersachen
Viertelanfangsgemelke, Daten aus Gesamtbetriebsuntersuchungen, n = 15.453
70
KNS
Sc. uberis
60
% bakt. pos. Proben
Sc. S (sonstige)
Sc. D
50
S. aureus
15
Sc. dysgalactiae
Coliforme
10
E. coli
Sc. agalactiae
5
Hefen
0
EGD, 2003
Prototheken
> 1%
12 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Durch das Abkapseln entzieht sich der Keim regelrecht der An­greifbarkeit durch Antibiotika. S. aureusInfektionen können zu einer bis zu 45 % pro Viertel
und 15 % pro Kuh herabgesetzten Milchleistung
führen. Während die Tiere durch eine konstant hohe
Zellzahl auffallen, sind klinische Mastitiden selten.
Wird die Infektion frühzeitig erkannt, kann eine ge­zielte The­rapie die Rückbildung der Gewebeschäden
bewirken; chronische Infektionen führen hingegen
zur irreversiblen Zerstörung des Milchdrüsengewebes.
Um ein Ausbreiten des Keimes zu verhindern, ist ein
striktes Hygieneprogramm einzuhalten. Dazu zählt
eine gute Melkhygiene (Melkhandschuhe, regelmäßiger Wechsel der Gummiteile, Melkanlage überprüfen,
Dippen nach dem Melken mit einem zugelassenen
„Dippmittel“), aber auch das Verhindern von zitzenund euternahen Verletzungen und die Fliegenbe-
kämpfung in den Sommermonaten. Die infizierten
Tiere sind von der gesunden Herde abzutrennen und
sollten zuletzt gemolken werden, therapie­unwürdige
Tiere mit deut­lichen Veränderungen des Eutergewebes
müssen separiert und mittelfristig gemerzt werden.
Ebenfalls den kuhassoziierten Keimen werden
Strepto­coccus agalactiae (Gelber Galt) und Streptococcus dysgalactiae zugeordnet. Sie werden – wie
S. aureus – beim Melken von Tier zu Tier übertragen.
Die Maßnahmen zur Bekämpfung entsprechen im
We­sentlichen denen von S. aureus. Sc. agalactiae und
Sc. dysgalactiae reagieren sen­sibel gegenüber PenicillinPräparaten. Ihre Verbreitungsintensität im Betrieb
ist, vor allem bei Sc. agalactiae, sehr hoch – sofor­tiges
Handeln ist geboten.
Umweltassoziierte Mastitiserreger
„Umweltassoziierte Erreger“ stammen aus dem
Umfeld der Tiere (Boxeneinstreu, Laufflächen etc.),
ihre Übertragung findet vor allem im Stallbereich
statt. Die Verbreitung von Umwelterregern ist
also von hygienischen Faktoren abhängig (hoher
Keimdruck, Smith & Hogan, 1993). Einen ebenso
essentiellen Anteil an der Entstehung der so genannten „Umweltmastitiden“ haben die Abwehrsituation
der lokalen Keimeintrittspforte – der Zitze – und die
Gesamtabwehrsituation des Tieres respektive der
Herde. Umweltkeime sind hauptsächlich bei abwehr­
schwachen Tieren in der Lage, Euterentzündungen
hervorzurufen. Aus diesem Grund treten Neuinfek­
tionen mit „umweltassoziierten Erregern“ gehäuft
zu Beginn und zum Ende der Trockenphase auf.
Besonders infektionsbegünstigend wirken Stoff­
wechsel­störungen und die ihnen vorausgehenden
Haltungs- und Fütterungsmängel. Bei Bestandspro­
blemen, die durch umweltassoziierte Keime provoziert werden, muss also die kritische Betrachtung
und Optimierung des Managements im Vordergrund
stehen, die alleinige Therapie erkrankter Euterviertel
ist nicht geeignet das Mastitisproblem zu lösen. Zu
den Umwelterregern gehören einige Strepto­kokken­
stämme wie Sc. uberis und Enterokokken sowie
coliforme Keime wie z.B. E. coli, Klebsiella spp. und
Enterobacter spp. Während Sc. uberis gehäuft in nass
gewordenem, verpilztem Stroh zu finden ist, stellt
Rinderkot ein großes Enterokokkenreservoir dar. Auch
die coliformen Keime sind regelmäßig im Kot zu finden. Klebsiellen treten zudem noch gehäuft in Sägespäne oder Torf­einstreu auf, wenn die Einstreu keine
gute Qualität aufweist (hohe Restfeuchte, feuchte
und warme Lagerung). Auch hier besteht während
abwehrschwächender Situationen eine besonders
hohe Empfänglichkeit. So sind die wichtigsten Infektionszeitpunkte das Trockenstellen, die Kalbung und
die Frühlaktation. Es treten sowohl klinisch als auch
subklinisch verlaufende Fälle auf, wobei die klinischen
Symptome auch lange nach der Infektion auftreten
können. Bis zu 50 % der Erkrankungen heilen spontan
ohne Behandlung. Einige der Streptokokken besitzen
Mechanismen, die das Bakterium vor dem Angriff
durch Antibiotika schützen. Somit ist ein Resistenztest
keine Garantie für einen Behandlungserfolg.
Die beste Chance für eine erfolgreiche Vorbeugung
ist bei einem guten Herdenmanage­ment gegeben.
Hierzu gehören geringe Schwankungen in der Versorgung der Tiere während Laktation und Trockenperiode und eine gleichmäßig gute Hygiene im Stall
sowie bei der Reinigung vor dem Melken.
Eigene Untersuchungen zeigen, dass das Risiko für
die Entstehung von Umweltmastitiden durch Managementmaßnahmen, die die Hygiene und Pflege
der Boxen bzw. der Einstreu verbessern, maßgeblich
re­duziert werden kann. So sind im Rahmen der Vorbeugung von Mastitiden durch Umwelt­erreger im
Bereich der Liegeboxen- und Stallhygiene folgende
Schritte anzuraten, die hier mit absteigender Bedeutung auf­geführt sind:
1.Optimierung der Hygiene im Abkalbestall (Misten,
Reinigen und Neueinstreu nach jeder Abkalbung)
2.Sorgfältige Boxen- und Laufflächenreinigung
(Kühe im Melkstand sind sauber)
3.Kurzes Nachstreuintervall (max. 2 Tage)
4.Einstreustroh bester Qualität und Lagerung.
Folgende Anforderungen sind an ein optimales
Einstreumaterial aus hygienischer Sicht zu stellen:
Anorganisch besser als organisch
Alkalisch besser als neutral
Grob besser als fein
Saugend, nicht staubend, nicht reizend, schwer
(Krömker & Friedrich 2008)
14 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Ein geringer Anteil aller Infektionen mit coliformen
Keimen verläuft als extrem schwere sogenannte
„Colimastitis“ mit deutlicher Beeinträchtigung des
Allgemeinbefindens des Tieres (Fieber), die sofortiger Behandlung bedarf. Gerade bei der Entstehung
der Colimastitis spielt die Immunsituation der Tiere,
be­einflusst durch Haltung, Fütterung, Konstitution
und Klima, eine entscheidende Rolle.
Koagulase-negative Staphylokokken
Eine dritte – ihrem Keimreservoir nach ­beschriebene –
Gruppe stellen die „Koagulase-negativen Staphylo­
kokken“ dar (KNS, in den Berichten der Labore
manchmal nur als Staphylokokken ausgewiesen).
Bei diesen Bakterien handelt es sich um Bewohner der
Zitzenhaut der Tiere. Das krankmachende Potential
der zu dieser Gruppe gehörenden Bakterien ist sehr
unterschiedlich. Sie treten gehäuft bei Störungen
der Zitzenkondition und bei erstlaktierenden Tieren
als Mastitis­erreger auf. Bei klinischen Entzündungen
sollte eine antibiotische Behandlung erfolgen. In der
Regel verlaufen KNS-Infektionen jedoch subklinisch,
die Zellzahl des erkrankten Viertels ist gegenüber
der gesunder Viertel um das 2- bis 3fache erhöht.
Seltene Mastitiserreger
Mycoplasmen: Sie verursachen hochansteckende klinische Mastitiden mit akutem bis chronischem Verlauf
und sind therapeutisch nur wenig beeinflussbar. Ein
gehäuftes Auftreten klinischer Fälle innerhalb einer
Herde ist möglich. Zum Nachweis von Mycoplasmen
sind spezielle Untersuchungstechniken erforderlich.
Hefen:
Hefemastitiden entstehen besonders beim unsach­
gemäßen und unhygienischen ­Einbringen von Medikamenten in das Euter. Ein Therapeutikum steht
derzeit nicht zur Verfügung. In erster Linie sollte eine
„Ausmelktherapie“ mit der Unterstützung von Oxy­
tocin erfolgen.
Prototheken:
Es handelt sich um Algen, die Mastitiden hervorrufen können. Prädisponiert sind stark vorgeschädigte
Euter. Sie treten aber auch als Kontaminanten auf.
Kein Erreger
Wurde kein Erreger festgestellt, trotz einer somati­
schen Zellzahl von > 100.000 Zellen/ml, kommen als
mögliche Ursache in Frage:
Toxinbildner:
Bestimmte Keime (z.B. E. coli) entwickeln ihre krank
machende Wirkung indem sie zerfallen, wobei Toxine
freigesetzt werden. Beim Auftreten von klinischen
Symptomen sind somit eventuell keine Erreger mehr
nachzuweisen.
Hemmstoffe:
Körpereigene oder durch Therapie entstandene
Hemmstoffe in der Probe können den Nachweis der
Erreger im Labor verhindern.
„Falsch negative Proben“
Bei einem Großteil der mit der üblicherweise durchgeführten Routinediagnostik als erregerfrei identifizierten
Proben kann durch verschiedene Modifikationen der
herkömmlichen Untersuchungsmethode bzw. durch
Kombination verschiedener Verfahren ein verursachen­
der Erreger identifiziert werden. Insbesondere durch
eine Vergrößerung der untersuchten Milchmenge
konnte in eigenen Untersuchungen etwa 50 % der
zuvor negativ untersuchten Proben ein bakteriologisch positiver Befund zugeordnet werden. Die auf
diese Weise gefundenen Erregergruppen spiegeln
in ihrer Verteilung das Keimspektrum von allein mit
der klassischen bakteriologisch-kulturellen Methode
untersuchten Milchproben wieder (s. Abb. 6).
Phagozytose:
Ein großer Teil der Keime wurde bereits durch körper­
eigene Fresszellen deaktiviert. Die Anzahl lebender
Keime in der Probe ist zur Differenzierung zu gering.
Abb. 6 „Falsch negative Proben“
34%
KNS
E. coli/Coliforme
Mischinfektionen
Streptokokken
Andere
S. aureus
10%
9%
39%
6%
2%
16 Gesunde Euter – Gesunde Milch
3.4.2
Risikofaktor Zitzenkondition
Die Zitzen des Rindereuters stellen die wichtigste
Abwehrbarriere gegenüber dem Eindringen von
Euterentzündungserregern in die Milchdrüse und
damit von Euterentzündungen dar (Wendt, 2000).
Mehrheitlich gelangen die Mastitiserreger über den
Zitzenkanal in die Milchdrüse. Um dieses Eintreten
zu verhindern, besitzt die Rinderzitze eine Vielzahl
von Abwehrmechanismen. Hierzu gehören Faktoren
wie das ständige Herausschwemmen von Milch
und eingedrungenen Mikroorganismen durch den
Milchentzug, das schnellstmögliche Schließen des
Zitzenkanals nach Beendigung des Melkens, die
ständige Versorgung der Zitzenspitze mit frischen
Abwehrzellen aus dem Blut der Kuh, sowie der
regelmäßige Ersatz des Keratins im Zitzenkanal nach
jedem ­Milchentzug. Diese Eigenschaften können nur
aufrechterhalten werden wenn das Zitzengewebe
kontinuierlich mit frischem, sauerstoffreichem Blut
versorgt wird. Durch das maschinelle Melken kann
diese Versorgung behindert oder kurzfristig verhindert werden.
Neben dem maschinellen Milchentzug kann das
Zitzengewebe und insbesondere die Zitzenhaut
auch durch Einflüsse aus dem Haltungsumfeld der
Tiere (Boxeneinstreu, Wetter, Schmutz, Allergien
etc.) und durch Infektionen (Warzen, Rinderflechte
etc.) nachteilig beeinflusst werden. Am häufigsten
sind jedoch Veränderungen der Zitze durch den
maschinellen Milchentzug.
Veränderungen der Zitze und ihre Bedeutung
Der beobachtbare Zustand der Zitze wird als „Zitzenkondition“ bezeichnet. Zitzen sollten nach Abnahme
des Melkzeuges genauso wie vor dem Melken aussehen (rosa, glatt, trocken usw.). Alle Anzeichen, die
auf eine eingeschränkte Blutversorgung der Zitze
hin­weisen, sind unerwünscht und weisen auf ein
er­höhtes Risiko für die Anheftung an und für den
Eintritt von Mastitiserregern in die Zitze hin. Verschiedene sichtbare Veränderungen der Zitzenkondition
können nach Abnahme des Melkzeuges (Kurzzeit­
effekte) oder auch in der Zwischenmelkzeit (Langzeiteffekte) festgestellt werden.
Veränderungen der Zitzenkondition durch den
maschinellen Milchentzug
Verfärbungen (rot, blau)
Ringbildungen und Einschnürungen am
Zitzenschaft aber vor allem an der Zitzenbasis
Blutungen (punktförmig oder größer)
Ödeme (Verfestigung des Gewebes
durch die Einlagerung von Blut, Lymphe
und Gewebsflüssigkeit in die Zitze)
Quetschungen
Hyperkeratosen (ringwarzenartige Zubildungen
an der Zitzenkanalöffnung)
Wenn mehr als 20 % aller Kühe eines Be­triebes solche
Veränderungen aufweisen (bei Blutungen maximal
10 %), liegt ein Zitzenkonditionsproblem vor, das
sowohl das eigentliche Melken nachteilig beeinflusst,
als auch das Risiko für Euterentzündungen er­heblich
erhöht. In solch einem Fall sollte eine Ursachenforschung durchgeführt werden.
Ursachen für eine schlechte ­Zitzenkondition
Beim maschinellen Melken wird die Kraft eines
applizierten Vakuums zur Überwindung des Zitzen­
kanalwiderstandes genutzt. Da sich die Vakuum­
einwirkung nicht auf den unmittelbaren Bereich
der Zitzenöffnung beschränken lässt, ist auch das
umgebende Gewebe der Applikation des Vakuums
ausgesetzt. Hierbei kommt es zunächst zur Beeinträchtigung der Blutzirkulation wodurch die Abfluss­
möglichkeiten reduziert werden. Somit führt die
Anwendung des Vakuums zur vermehrten An­samm­
lung von Gewebeflüssigkeit in der Zitzenspitze. Dieser
vermehrten Flüssigkeitsansammlung im Gewebe wird
durch massierendes, zyklisches Öffnen und Schließen
des Zitzengummis entgegen gewirkt (Pulsierung).
Wenn eine effektive Pulsierung nicht gelingt, können
maschinelle Melksysteme die lokalen Abwehrsysteme
im Zitzenbereich nachhaltig schädigen und die Melk­
eigenschaften (insbesondere Ausmelkgrad, Melkdauer
und Zitzenkondition) nachteilig beeinflussen. Nur
wenn sich das Zitzengummi unmittelbar unter der
Zitzenspitze schließt und die in der Saugphase in der
Zitzenspitze angesammelte Gewebsflüssigkeit – das
Blut und die Lymphe – nach oben massiert und damit
die Beeinträchtigung der normalen Blutversorgung
der Zitze in engen Grenzen hält, können die lokalen
Abwehrsysteme intakt bleiben. Trotz optimaler Pulsierung, die neben den speziellen morphologischen
Eigenschaften der Kühe (Zitzenlänge, Zitzendurchmesser) von technischen Parametern der Melkanlage
18 Gesunde Euter – Gesunde Milch
(Zitzengummityp, Vakuumversorgung, Pulsationscharakteristik) beeinflusst wird, kann die dauerhafte
Integrität des Zitzengewebes nur dadurch sichergestellt werden, dass die Anwendung des Vakuums
zeitlich befristet erfolgt. Bei Zitzenkonditionsproblemen müssen also sowohl die Vorbereitung der Kühe
vor dem Melken (ausreichend stimuliert, trockene
­Zitzenhaut), die Pulsierungseigenschaften aber auch
die Melkdauer kritisch überprüft ­werden.
Auch wenn technisch einwandfreie Voraussetzungen
für das maschinelle Melken gegeben sind, kann es
sein, dass die feststellbaren oben beschriebenen Ver-
änderungen der Zitzenkondition darauf hinweisen,
dass in der jetzigen Ausstattung der Anlage ein an
die morphologischen Eigenschaften der Zitzen der
gemolkenen Tiere angepasstes Melken nicht gelingt.
Diese Eigenschaften werden in der DIN/ISO für
Melk­anlagen nur bedingt erfasst. So kann eine DIN/
ISO-konforme Anlagenausstattung nicht in jedem
Fall eine effektive Pulsierung sicherstellen. Um diese
zu erreichen, sollte vor Inbetriebnahme einer Anlage
durch Kontrolle der Zitzeneigenschaften die Basis für
die Auswahl der technischen Einstellungen der Anlage
geschaffen werden. Eine Optimierung des Melkverhaltens setzt diese Abstimmung voraus (vgl. Tab. 3).
Tab. 3 Überprüfung des maschinellen Milchentzugs
Melkmaschine
Milchtier
(Tierverhalten)
Eintritt in den Melkstand (zügig)
Abkoten im Melkstand (gering und < 5 %)
Wiederkauaktivität im Melkstand (hoch)
Abwehrbewegungen beim Melken (gering)
Nassinspektion
(beim Melken)
Milchflusscharakteristik im Leitungssystem (möglichst laminar)
Vakuumhöhe (wie angegeben)
Vakuumstabilität (Schwankung < 2 kPa) )
Milchabgabe­
verhalten
Melkdauer (10 kg = 5 min, für je 5 kg Milch mehr plus 1 min; für 15 kg = 6 min)
Ausmelkgrad (Nachgemelk mit der Hand in 30 sec < 0,3 - 0,5 kg)
Abfall von Melkzeugen (< 5 % der Kühe)
Maschinenkontrolle (gem. DIN/ISO 5707, mind. 1 x jährlich)
Dimensionierung (entspr. Melkzeuganzahl, Tiermaterial)
Gummiteile (Alter, Flexibilität)
Zitzengummi (angepasst – Weite, Länge)
Vakuumstabilität (Schwankung < 2 kPa)
Hierzu ist vor allem eine Verbesserung der Kraftübertragung auf das zu massierende Zitzengewebe durch
ein angepasstes Zitzengummi notwendig. Da bislang
keine Messergebnisse vorliegen, die alle oben dargestellten Interaktionsmöglichkeiten berücksichtigen,
kann die optimale Kombination nur durch Probieren
gefunden werden.
Eine gute Zitzenkondition sichert einen zügigen und
vollständigen Milchentzug und kann das Risiko für
Euterentzündungen erheblich senken. Eine gute Zitzenkondition setzt eine sachgerechte Vorbereitung
der Kuh vor dem Melken (60 sec Stimulation, z.B.
15 sec Vormelken und Reinigen, 45 sec Wartezeit,
trockene Zitzenhaut), aber auch eine effektive Pulsierung durch das Melksystem voraus. Da die Pulsie­
rung nicht allein von technischen Kriterien, sondern
vielmehr von der richtigen Abstimmung der Technik
auf die Tiere abhängig ist, sollte vor der Installation
einer neuen Melkanlage, spätes­tens aber nach Inbetriebnahme einer Anlage die Zitzenkondition sach­
gerecht überprüft und etwaige Mängel durch Anpassung der Melkarbeit und des Melksystems abgestellt
werden.
Melkarbeit (Soll)
Tieransprache (umgänglich)
Vormelken und Vorgemelkskontrolle
(Vormelkbecher)
Zitzen- und Euterreinigung (trocken
mit Einmalpapier, gute Grundsauberkeit,
Euterhaare geschoren)
Anrüsten (vollständig = mind. 60 sec
inkl. Vormelken, Reinigung und Wartezeit)
Maschinenkontrolle
(Vakuumhöhe, hyg. Status)
Ansetzen des Melkzeugs (< 1,5 min nach
Stimulationsbeginn, ohne Luftansaugen)
Positionierung (Zitzenbecher senkrecht
unter den Zitzen, Zitzengummis/Schläuche
nicht verdreht)
Nachmelken (unnötig bei genügender
Stimulation eutergesunder Tiere)
Abnahme des Melkzeugs (kein Blindmelken,
Kontrollgriff, Abschalten des Vakuums,
Belüften des Sammelstücks, sanftes
Abnehmen des Melkzeugs)
Zitzendesinfektion (unmittelbar nach
Abnahme, Hautpflege genauso wichtig
wie Desinfektion, hyg. Kontrolle des
Dippbechers)
Zwischendesinfektion (Kosten-Nutzen)
Fütterung (im Anschluss an die Melkarbeit
zur Verminderung der Kontamination)
Reinigung und Desinfektion der Anlage
3.4.3 Risikofaktor Körperabwehr
Neben den lokalen Abwehrmechanismen der Zitze
basiert die Fähigkeit der Kuh, Neuinfektionen der
Milchdrüse abzuwehren und bestehende Infektionen
zu begrenzen oder gar zu eliminieren, auf körper­
eigenen Mechanismen der Infektabwehr (z.B. der
Aktivierung und Freisetzung von Fresszellen), deren
Funktion vom Status der Kuh mitbestimmt wird.
20 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Verschiedene Arbeiten zeigen, dass das Risiko für das
Auftreten von Mastitiden und für die Wahrscheinlichkeit einer Heilung nach Anwendung therapeutischer
Maßnahmen in einem proportionalen Verhältnis zur
Abweichung von einem physiologischen Gleichgewichtszustand steht. Dies stützt die Annahme, dass
nur im physiologischen Gleichgewicht der Organfunktionen die genetisch fixierte maximale Abwehrleistung zur Verfügung steht. Im weitesten Sinn
sind Mängel der Haltung, der Fütterung und des
Tier- und Tiergesundheitsmanagements in der Lage,
die Abwehrfähigkeit des tierischen Organismus zu
beeinträchtigen. Abweichungen in den beschrie­
benen Bereichen, die das Adapta­tionsvermögen der
Tiere überschreiten, lassen sich am leichtesten durch
die Feststellung von Kennwerten im Rahmen von
Checklisten feststellen. Während Haltungsmängel
und grundlegende Mängel des Tiergesundheitsma­
nagements meist über lange Zeiträume existieren
und somit das Niveau der Körperabwehr beeinflussen,
stehen v.a. Abweichungen im Fütterungsbereich
(Futterqualität, Fütterungsmanagement) in einem
deutlich zeitnaheren Zusammenhang zu erhöhten
Neuerkrankungsraten der Milchdrüsen oder zu verminderten Heilungsraten. Neben den gelegentlich
vorkommenden Spurenelement- und Vitaminmangelsituationen sind vor allem grundlegende Fütterungsfehler (Energiemangel, Energieüberschuss, Struktur­
mangel, Eiweißüberschuss), die jedoch gerade in
hochleistenden Herden leicht auftreten können, für
Schwächungen der Körperabwehr verantwortlich.
Tab. 4 gibt Monitoringkennwerte an, die ohne
großen Aufwand in einem Milchviehbetrieb, der
an der Milch­leistungsprüfung teilnimmt, bestimmt
werden können.
Eine wiederkäuer- und bedarfsgerechte Fütterung
stellt ein wesentliches Element der Vorbeuge von
Mastitiden dar.
Tab. 4 Kontrollmaßnahmen zur Überprüfung der fütterungsbedingten Abwehrkraft
„Reheklauen“ vorhanden
Soll < 5 % der Herde
Ketosetest positiv in 1. Laktationswoche
Soll < 5 %
Wiederkauaktivität
Wiederkauen liegender Tiere
Wiederkaubewegungen zw. 2 Schluckakten
Wiederkauen der Tiere beim Melken
Soll > 70 % Kauen
Soll > 45
Soll > 30 %
Fett/Eiweiß-Quotient > 1,5 in der Frühlaktation
Soll < 5 % der Herde
Fett/Eiweiß-Quotient < 1,0
Soll < 5 % der Herde, höhere Werte nur
bei perfekter Klauengesundheit und ständiger
Grundfuttervorlage
4. Mastitis als Herdenproblem
4.1 Problemkomplexe
4.2 Kennzahlen der Eutergesundheit
Zunehmende Mastitisprobleme werden in Milchviehbetrieben häufig in Form von drei verschiedenen
Problemkomplexen wahrgenommen, die auch als
Mischform vorkommen können.
Eutergesundheit muss auf Bestandsebene beurteilt
werden. Zellzahlverläufe der Anlieferungsmilch geben
kein korrektes Abbild der Eutergesundheit wieder.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Einflüsse
der Quotierung führen zu Managemententscheidungen im Betrieb, die Betriebsentwicklungen im
Bereich der Eutergesundheit verschleiern. Maßzahlen,
die die Abschätzung der Eutergesundheit in einem
Betrieb ermöglichen, müssen verschiedene Faktoren
berücksichtigen. Hierzu gehört das Alter der Herde
respektive die durchschnittliche Lebensleistung der
Tiere genauso wie die Anzahl klinischer Mastitisfälle
im Jahr, das Jahresmittel der Tiere mit Zellgehalten im
Einzelgemelk von > 100.000 Zellen/ml und die Anzahl
der Erstkalbinnen, die im ersten Kontrollgemelk Zellzahlen > 100.000 Zellen/ml aufweisen. Mit Hilfe dieser
Daten kann eine Vorstellung von der Neuinfektionsrate im Betrieb gewonnen werden.
Obgleich die Zellzahl der Herdensammelmilch
niedrig ist (z.B. < 150.000 Zellen/ml), treten viele
klinische Mastitisfälle auf (> 0,5 Fälle pro Tier/
Jahr). Im Sekret der klinisch erkrankten Euterviertel werden „Umwelterreger“ oder kein Keimwachstum nachgewiesen.
Die Zellzahl der Herdensammelmilch ist langfristig
erhöht (> 200.000 Zellen/ml). Klinische Mastitis­
fälle sind selten. In Viertelgemelksproben mit
hohen Zellzahlen werden kuhassoziierte Erreger
oder „KNS“ nachgewiesen.
Mehr als 50 % der Erstlaktierenden weisen in der
ersten Milchkontrolle Zellge­halte im Einzelgemelk
über 100.000 Zellen/ml auf. Ca. 10 % der Erstlaktierenden erkranken in den ersten 100 Tagen der
Laktation an einer klinischen Mastitis.
22 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Nicht allein die Anzahl der momentan kranken Tiere,
sondern diese in Verbindung mit der Neu­in­fektions­
rate zeigt, ob der Betrieb einen langfristig sinnvollen
Weg zur Verbesserung der Eutergesundheit des Be­standes ein­geschlagen hat. Eine Grundvoraus­setzung
für eine Beurteilung des betrieblichen Mastitis­risikos
stellt eine möglichst präzise Beschreibung der Masti­
tissituation dar. Hierbei können durch die Auswahl
entsprechender Kennzahlen bereits Hinweise auf die
Kau­salität des Problems erlangt werden. In Tab. 5
sind die Beziehungen zwischen den entscheidenden
Kenn­größen dargestellt.
4.3 Maßnahmen zur Verbesserung der
Eutergesundheitssituation
Sind in Milchviehbetrieben Mastitisprobleme erkennbar und zeigen die spezifischen Kennzahlen Abweichungen von der Norm, so sollte eine Verbesserung der
Eutergesundheitssituation des Betriebes erfolgen.
Generell gliedert sich die Bekämpfung von Mastitiden
als Bestandsproblem in zwei grundsätzliche Maßnahmenkomplexe. Zum einen müssen Risikofaktoren für
Mastitiden erkannt und minimiert werden, um die
Neuinfektionsrate zu senken (Risikoanalyse + Risikominimierung). Zum anderen sind Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, die die Anzahl erkrankter Tiere
im Betrieb reduzieren (Sanierung).
Tab. 5 Minimalkennzahlen zur Beschreibung der Mastitissituation im Bestand
Durchschnitts­
wert (%)
Idealwert (%)
Kennzahl (%)
Bedeutung
Tiere mit Zellgehalten im Einzelgemelk
> 100.000 Zellen/ml
Problembereich:
subklin. Mastitis; sicher
an Mastitis erkrankt
ca. 50
< 25
Tiere mit Zellgehalten im Einzelgemelk
> 400.000 Zellen/ml
gefährden die Lieferfähigkeit
der Milch
ca. 15
<8
Tiere mit Zellgehalten im Einzelgemelk
> 1.000.000 Zellen/ml
Anzahl der kranken Tiere mit
schlechten Heilungsaussichten
ca. 5
<2
klinische Fälle pro Jahr
Problembereich:
Klinische Mastitis
ca. 50
< 12
euterkrank abkalbende Erstlaktierende
[> 100.000 Zellen/ml in der ersten
Kontrolle] – Betrachtungsperiode 1 Jahr
Problembereich:
Färsenmastitis
ca. 40
<5
4.3.1 Risikoanalyse im Bestand
Eine Grundvoraussetzung für eine Beurteilung des
betrieblichen Mastitisrisikos stellt eine möglichst präzise Beschreibung der Mastitissituation dar. Hierbei
können durch die Auswahl entsprechender Kenn­
zahlen bereits Hinweise auf die Ursache des Problems
erlangt werden.
Die Problembeschreibung wird dann sinnvollerweise
durch zytobakteriologische Viertelgemelksuntersuchungen ergänzt, deren primäres Ziel nicht die
Auswahl anzuwendender Antibiotika, sondern die
Identifizierung der herdenspezifischen „Leitmastitis­
erreger“ darstellt. Liegen Hinweise auf Infektionen
mit kuhassoziierten Mastitiserregern vor, ist die Untersuchung des Gesamtbestandes unverzichtbar.
Aus mit S. aureus infizierten Milchdrüsenvierteln
werden häufig nur geringe Erregermengen ausgeschieden, die dann durch die übliche bakteriologische
Diagnostik nicht nachgewiesen werden. Durch die
Untersuchung einer größeren Milchmenge (1 ml)
und/oder das vorherige Einfrieren der Proben oder
die Entnahme nach einem Stressereignis (z.B. Klauenpflege) können auch Proben von Milchdrüsenvierteln,
die nur geringe Keimzahlen ausscheiden, als infiziert
erkannt werden.
Den nächsten analytischen Schritt stellt die Überprüfung der keimbezogenen Risikofaktoren dar. Hierzu
gehört neben den leitkeimspezifischen Erregerquellen
(infizierte Tiere, Verletzungen, Einstreumaterialien,
Zitzenhaut etc.) auch die Überprüfung etwaiger Vek-
toren (Melkerhände, Zitzengummis, Vakuumschwankungen, Handhabung therapeutischer Maßnahmen
etc.). Weiterhin gehören dazu Faktoren, die für die
Keimdichte im Haltungsumfeld der Kühe verantwortlich sind (z.B. Spalten und Boxenpflege, Vorbereitung
der Tiere zum Melken). Zudem muss nach Faktoren
gesucht werden, die Schwächen der lokalen Abwehrsituation der Zitze indizieren (Zitzenkondition) und
damit die Eintrittspforte für krankmachende Erreger
schwächen (z.B. Mängel der Stimula­tion, Pulsation
und der Vakuumversorgung beim Melken), aber auch
solche, die die allgemeine Körperabwehr des Tieres
reduzieren (z.B. Mängel der Futter- und Wasser­
versorgung und der Stallhaltung und Stallhygiene)
(Abb. 7).
Die ermittelten betriebsspezifischen Risikofaktoren
werden am Besten im Gespräch zwischen allen
Beteiligten (Landwirt/in, Melker/in, Tierarzt/in,
Berater/in) zusammengetragen, diskutiert und nach
ihrer Bedeutung für das Problem und nach ihrem
Optimierungspotential bewertet. So kann einfach
eine Risikominimierungsstrategie entwickelt werden.
Diese sollte Maßnahmenkataloge enthalten, die hinsichtlich ihrer Fristigkeit geordnet sind und realistische
Kontrollvariablen und -zeiträume beinhalten. Die
Abbildungen 8 bis 10 illustrieren das risikoanaly­tische
Vorgehen für Mastitisprobleme auf der Basis unterschiedlicher Leitkeime.
Mit Hilfe solcher Analysen können dann gezielt die­
jenigen Managementfehler identifiziert werden, die
für die Entstehung des jeweiligen Mastitisproblems
im Einzelbetrieb relevant sind.
24 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Abb. 7 Grundprinzip Risikoanalyse
Mastitisproblem
Leitkeim
Begleitende Einflussgrößen
Energiequelle
Körperabwehr
Zitzenabwehr
Vektoren
Abb. 8 Risikoanalyse „kuhassoziierte Erreger“
Mastitisproblem
hohe Zellzahl HSM, viele subklinische Erkrankungen
Leitkeim + + +
begleitende Einflussgrößen +
S. aureus, S. agalactiae, S. dysgalactiae
Erregerquelle
Infizierte Tiere + + +
Zitzenverletzungen + +
Melkerhände +
Körperabwehr
Trennen, Therapieren,
Merzen
Vektoren
Melkerhände + + +
Zitzengummi + +
Zitzenhaut +
Respray +
Fliegen +
Direkt (+)
Zitzenabwehr
Handschuhe,
ZG-W echsel, Ansetzen
Dekontamination
Zitzendippen
Zitzenkondition
Abb. 9 Risikoanalyse „umweltassoziierte Erreger“
Mastitisproblem
eher niedrige Zellzahl HSM, viele klinische Erkrankungen
Leitkeim +
begleitende Einflussgrößen + + +
Sc. uberis, E. coli, Klebsiella, Enterobacter
Erregerquelle
Körperabwehr
Zitzenabwehr
Einstreu + + +
Kot + +
keine kuhassoziierten
Erreger +
Pansenacidose (F/E) 1,0 + + +
Ketose (F/E) 1,5 + +
Klauenerkrankungen + +
Enteritiden +
Zitzenkondition +
Ausmelkgrad + +
Öffnung des
Zitzenkanals + + +
Vektoren
Stallhygiene +
Boxenhygiene (TS) + +
Stallklima +
Zitzenreinigung +
Optimierung der Fütterung und
der Melkbedingungen, Haltung der
Trockensteher, Einstreu, Hygiene
Abb. 10 Risikoanalyse „KNS“
Mastitisproblem
mittlere Zellzahl HSM, mittlere Anzahl klinischer Erkrankungen
Leitkeim + +
Koagulase-negative Staphylokokken (KNS)
Begleitende Einflussgrößen + +
Erregerquelle
Körperabwehr
Zitzenabwehr
Zitzenhaut + + +
keine kuhassoziierten
Erreger +
Pansenacidose (F/E) 1,0 +
Ketose (F/E) 1,5 +
Zitzenkondition + + +
Ausmelkgrad +
Öffnung des
Zitzenkanals + + +
Vektoren
Melkerhände + +
Zitzenvorreinigung +
kein Postdipping +
Optimierung der
Zitzenvorreinigung, Zitzenkondition,
Zitzendesinfektion
26 Gesunde Euter – Gesunde Milch
4.3.2 Sanierung
4.3.3 Therapeutische Maßnahmen
Die Sanierung erkrankter Tiere kann nur durch
Selbstheilung, erfolgreiche Therapie oder Merzung
gelingen. Da sich die beiden letzteren Möglichkeiten
hinsichtlich ihrer Sicherheit und des mit ihrer Durch­
führung verbundenen Kostenaufwandes extrem
unterscheiden, ist die Feststellung der Therapiewürdigkeit hier der zentrale Aspekt. Hierbei müssen
Aspekte des Tierschutzes, der Minimierung von
In­fektionsquellen im Betrieb und der bakteriologischen Heilungsrate neben der Wiederherstellung
der Produktivität des Tieres Berücksichtigung finden
(Lehenbauer & Oltjen, 1998).
Mastitisbehandlungen gehören zu den häufigsten
Anwendungen antibiotischer Mittel im Nutztierbereich. Der Anwender sieht als Ziel der antibiotischen Behandlung die Heilung mastitiskranker Viertel,
die Reduktion der Anzahl klinisch kranker Tiere und
die Senkung der Zellzahl der Herdensammelmilch.
Nicht immer werden diese Erwartungen erfüllt. Das
Wiederauftreten klinischer Symptome (Flocken)
wenige Tage nach Beendigung der Therapie oder
nach Ablauf der Wartezeit weist auf eine missglückte
Therapie oder auf eine Neuinfektion hin (Erskine
et al., 2003).
Trotzdem gilt, dass vor jeder Therapie zu überlegen
ist, ob diese Maßnahme sinnvoll ist. Wichtige Kriterien
zur Entscheidungsfindung sind der bakteriologische
Befund der betroffenen Euterviertel, das Zellzahlniveau der Kuh, der klinische Befund des Einzel­
tieres, die Krankheitsgeschichte des Tieres und die
betrieblichen Rahmenbedingungen. In­fektionen mit
Mikroorganismen, bei denen geringe Heilungsaussichten bestehen, eine Zellzahl pro ml Einzelgemelk,
die bereits mehrere Monate über 1 Million Zellen/
ml liegt, grobknotige Veränderungen des Drüsen­
gewebes, mehr als zwei bislang durchgeführte und
misslungene Behandlungen und eine mäßige hygienische Gesamtsitua­tion des Betriebes sprechen eher
für die Merzung des Tieres.
Zumeist ist die alleinige Therapie erkrankter Viertel
bzw. Einzeltiere nicht geeignet, das Mastitisproblem
eines Betriebes zu lösen. Auch wenn die antibiotische
Behandlung zur Heilung eines Tieres führt, müssen
zur Lösung eines Mastitisproblems in einem Milch­
erzeugerbetrieb die Maßnahmen zur Senkung der
Neuinfektionsrate im Vordergrund stehen. Hier sind
zumeist hygienische Maßnahmen, die die Entwicklung der wichtigsten Mastitiserreger begrenzen sowie
Maßnahmen, die die Abwehrkraft der Tiere gegenüber den Keimen erhöhen, erforderlich.
Der Erfolg einer therapeutischen Maßnahme muss
kontrolliert werden. Insbesondere bei kuhassoziierten
Mastitiserregern hängt von den Ergebnissen der Kontrolluntersuchungen die Abschätzung des Risikos ab,
das das erkrankte Tier für die Herde darstellt. Somit
entscheiden sie auch über den weiteren Verbleib des
Tieres. Nachkontrolluntersuchungen sollten nicht vor
zwei Wochen nach Ende einer Therapie durchgeführt
werden. Unter Umständen bedarf es mehrerer Kontrollen; eine größtmögliche Sicherheit ist erst nach
drei Untersuchungen im Abstand von jeweils einer
Woche gewährleistet.
4.3.4 Anwendung der Therapeutika
Die antibiotische Therapie euterkranker Milchdrüsenviertel muss stets als Hilfe zur Selbsthilfe des Tieres
verstanden werden. Verschiedene Forschungsarbeiten
zeigen, dass nur Tiere mit einer guten körpereigenen
Abwehr in stressarmem Umfeld nach Anwendung
einer antibiotischen Behandlung optimale Heilungsraten aufweisen. D.h., dass die antibiotische Behandlung nie kompensatorisch zum Ausgleich von Manage­
mentfehlern herangezogen werden darf. Außerdem
wird deutlich, dass möglichst vor einer Therapie alle
Managementfehler minimiert oder abgestellt werden
sollten.
Für eine erfolgreiche Therapie ist die Anwendung
der Präparate unter Beachtung der größtmöglichen
Hygiene erforderlich. Zumindest der für eine Milch­
probenentnahme notwendige Reinigungs- und
Desinfek­tionsaufwand ist auch für die Applikation
von Mastitispräparaten notwendig. Die Anwendung
in einem schmutzigen Stallabteil, die Applikation des
Medikaments in sichtbar schmutzige Zitzen, das tiefe
Hineinschieben eines Injektors in die Zitze, die Verwendung alter Spritzen oder gar alter Aufsteckkanülen, die Lagerung von Mastitis­medikamenten im
Melkbereich und auch die wiederholte Entnahme
über längere Zeit aus angebrochenen Antibiotika­
flaschen verringern die Wahrscheinlichkeit einer er­­folgreichen Behandlung und bergen darüber hinaus
das Risiko von Neuinfektionen mit umweltassoziierten
Keimen oder mit Hefen.
28 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Des Weiteren sollte eine genaue Dokumentation der
Erkrankungsfälle und ihrer Behandlungen erfolgen,
um so die Beurteilung der betriebsspezifischen Verhältnisse (Anzahl klinischer Fälle pro Jahr, Anzahl von
Erkrankungen und Behandlungen einzelner Tiere,
Wirksamkeiten verschiedener Behandlungskonzepte
etc.) zu ermöglichen. Die Analyse dieser Daten ist
wichtig, um Betriebs­blindheit zu verhindern und die
objektive Beurteilung von Maßnahmen zu ermöglichen. Diese Strategie wird ergänzt durch eine systematische Festlegung der Therapiewürdigkeit der
Tiere, des Therapiezeitpunktes und der Auswahl der
Therapeutika mit der größten Heilungswahrschein­
lichkeit. Abschließend sollte eine Erfolgskontrolle
anhand der zuvor dargestellten Kennzahlen erfolgen.
­Sachgerechte Anwendung von ­Therapeutika
Euter und Zitzen sorgfältig reinigen
Euter gut ausmelken
Zitze abtrocknen lassen
Handschuhe benutzen
Zitzenspitze sorgfältig desinfizieren (Einweg­
papier mit viel 70%igem Brennspiritus oder
Alkoholtücher) – zum Melker hinarbeiten
die Zitzenkuppe muss vor der Anwendung
trocken sein
die Injektoren oder ihre Schutzkappen nicht
in den Mund nehmen
1 Injektor pro Viertel langsam einbringen,
nicht massieren – vom Melker wegarbeiten
Zitzentauchen aller Zitzen (Tierarzneimittel)
zum Trockenstellen zusätzlich:
kontrollieren, ob das Tier in den nächsten Tagen
die Milch laufen lässt
nachbehandeln falls dies der Fall ist
Mastitiskontrolle in der ersten Trockenstehwoche
4.3.5 Therapie von Mastitiden in der Laktation
Der Behandlungserfolg von Mastitiden wird nachhaltig durch die Gesamtsituation des zu behandelnden Tieres und seiner Euterinfektion bestimmt. Die
Erfolgsaussichten einer Therapie sind umso höher, je
kürzer der Zeitabstand zwischen Erkrankungsbeginn
und antibiotischer Behandlung ist. Dies gilt für klini­
sche Euterentzündungen (Flocken etc.), aber auch
für subklinische Mastitiden. Bereits eine Verzögerung
des Therapiebeginns um eine Melkzeit kann die Heilungsraten deutlich verschlechtern. Aus diesem Grund
ist die sofortige Therapie von klinischen Eutererkrankungen in der Laktation – trotz des Milchverlustes –
auch unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll.
Durch die Entnahme einer Viertelanfangsgemelksprobe vor der antibiotischen Behandlung kann zumindest mit geringer zeitlicher Verzögerung die eingeleitete Therapie überprüft und gegebenenfalls korrigiert
werden. Da im klinischen Fall in der Regel mit dem
Einleiten der Therapie nicht gewartet werden kann
bis ein bakteriologischer Befund des erkrankten
Drüsenviertels vorliegt, sollten in jedem Betrieb zytobakteriologische Ergebnisse und Antibiogramme
zu den vorhandenen Mastitiserregern aus Stichprobenuntersuchungen vorliegen. Auf dieser Basis kann
eine sinnvolle Auswahl des Therapeu­tikums getroffen
werden. Das Ziel der Anwendung von Antibiotika
zur Behandlung von Mastitiden besteht darin, in der
Milch und im Drüsengewebe über einen ausreichend
langen Zeitraum eine wirksame Konzentration des
Antibiotikums zu erreichen. Die richtige Präparatewahl hängt vom nachgewiesenen Erreger, seiner
minimalen Hemmkonzentration (MHK-Wert) und den
pharmakokinetischen Eigenschaften des verwendeten
Präparates ab. Zur Verbesserung des therapeutischen
Ergebnisses können zusätzliche Maßnahmen wie die
Anwendung von geringen Oxytocin-Dosen zu den
Melkzeiten, mehrfaches Ausmelken oder die Gabe
von entzündungshemmenden Arzneimitteln etc.
erforderlich sein. Subklinische Mastitisfälle, die durch
Sc. agalactiae („Erreger des gelben Galtes“) hervor­
gerufen werden, sollten ebenfalls bereits in der Lakta­
tion unmittelbar nach der Identifikation antibiotisch
therapiert werden. Aufgrund der zu erwartenden
hohen bakteriologischen Heilungsraten ist diese
Therapie auch auf dem Laktationsgipfel ökonomisch
sinnvoll.
30 Gesunde Euter – Gesunde Milch
4.3.6 Mastitisbekämpfung in der Trockenperiode
Um den Übergang der Milchkuh aus der laktierenden
Phase in die nicht laktierende Phase zu unterstützen
und dabei die Gesundheit des Tieres – und insbesondere die Eutergesundheit – zu erhalten oder zu
verbessern, müssen unterschiedliche Aspekte und
Maßnahmen berücksichtigt werden. In der modernen
Mastitisbekämpfung rückt diese Phase des Trocken­
stellens wieder mehr ins Licht des Interesses. So ist
zunehmend festzustellen, dass mit dem Zurückdrängen der klassischen kuhassoziierten Mastitiserreger (S. aureus, Sc. agalactiae, Sc. dysgalactiae)
die Trockenperiode als Neuinfektionsphase für die
umwelt­assoziierten Erreger besonders wichtig wird.
Fehler im Trockenstehermanagement, der Stallhygiene und in der Fütterung können – vor allem bei
Tieren mit hoher Milchleistung und hohen Tages­
gemelken zum Zeitpunkt des Trockenstellens (> 20 kg
Tagesmilchleistung) – Neuinfektionen begünstigen.
Bekannt ist, dass diese Infektionen nicht allein in der
Trockenperiode, sondern vor allem in der folgenden
Frühlaktation zu klinischen Erkrankungen führen.
Die Vielfalt der Einflussfaktoren führt zu einer hohen
Variabilität der Neuinfektionsrate in der Trockenperiode. Eigene Untersuchungen in niedersächsischen
Hochleistungsbetrieben (ohne Infektionen mit kuh­
assoziierten Mastitiserregern) zeigten, dass unbehandelte Tiere in der Trockenperiode in ca. 20 % aller Fälle
Neuinfektionen der Milchdrüse hinnehmen mussten,
wohingegen behandelte Tiere geringere Neuinfektionsraten von ca. 12 % aufwiesen. Inzwischen stehen
moderne Trockenstellpräparate zur Verfügung, die
nicht nur über hervorragende Wirksamkeiten in
Therapie und Prophylaxe von Infektionen mit kuh­
assoziierten Erregern verfügen, sondern auch gegen­
über den Keimen wirksam sind, die zunehmend mehr
Neuinfektionen in der Trockenperiode hervorrufen.
Mit der antibiotischen Behandlung zum Trocken­
stellen werden grundsätzlich zwei Ziele verfolgt.
Neben der Reduzierung von bereits bestehenden
Infektionen der Milchdrüse (Behandlung) soll auch
die Neuinfek­tionsrate der Milchdrüse innerhalb der
­Trockenperiode verringert werden (Vorbeugung).
Werden beide Zielvorgaben erfüllt, kann außerdem von einer verringerten Zahl klinischer Euter­
entzündungen in der Frühlaktation ausgegangen
werden.
Die Anwendung von Trockenstellpräparaten sollte
unter Beachtung einer extrem strengen Anwendungshygiene erfolgen, insbesondere um Neuinfektionen,
die unmittelbar beim Einbringen des Arzneimittels in
das Euter entstehen können, zu verhindern. Idealerweise findet vor dem Trockenstellen eine zytobakteriologische Untersuchung statt. Erfolgt diese, kann
aufgrund der Ergebnisse eine selektive Behandlung
erfolgen. Haben alle Kühe der Herde Zellgehalte im
Einzelgemelk von < 100.000 Zellen/ml, können über
die Einzelvierteluntersuchung erkrankte Viertel iden­
tifiziert und dann selektiv behandelt werden. Bei
Einzelgemelkszellzahlen > 100.000 Zellen/ml sollten
alle Viertel aller Tiere therapiert werden.
Bisher gilt die Empfehlung, den eigentlichen Trocken­
stellprozess abrupt durchzuführen. Die unter den
heutigen Produktionsbedingungen erzielten Milch­
leistungen zum Zeitpunkt des Trockenstellens könnten
jedoch in Zukunft eine differenzierte, evtl. betriebsindividuelle Betrachtung dieser recht strikten Auffassung erforderlich machen. In jedem Fall sollten die
Tiere zwei Wochen nach dem Trockenstellen täglich
kontrolliert werden, um sicher zu stellen, dass sich
die Milchdrüse entsprechend zurückbildet.
Die wichtigsten Punkte beim ­Trockenstellen
Bei hochleistenden Kühen empfiehlt es sich, die Kraftfuttergabe zwei Wochen vor dem geplanten Trocken­
stelltermin einzustellen. Insgesamt sollte schon in der
Spätlaktation dafür gesorgt werden, dass die Tiere
nicht übermäßig verfetten (Sollwert BCS 3,25 - 3,75).
Eine ausgewogene Fütterung in der Trockenperiode,
die weder Hungerketosen nach sich zieht, noch zur
Verfettung der Tiere führt, kann die Abwehrkraft
des Tieres maßgeblich beeinflussen und trägt damit
wesentlich zur Infektionsprophylaxe bei.
Reduzieren der Energieaufnahme zwei Wochen
vor dem Trockenstelltermin
eine ausgewogene Fütterung und ein gutes
Herdenmanagement sorgen für abwehrstarke
Kühe in der Trockenperiode
die Auswahl der richtigen Präparate muss
anhand der Eutergesundheitssituation im
Bestand vorgenommen werden
idealerweise werden trockenzustellende Kühe
zytobakteriologisch untersucht
bei der Anwendung von Trockenstellpräparaten
muss besonderer Wert auf die Anwendungs­
hygiene gelegt werden
trockenstehende Kühe müssen unter besonders
sauberen und trockenen Bedingungen gehalten
werden, um Neuinfektionen zu verhindern
trockenstehende Kühe müssen regelmäßig –
insbesondere in den ersten zwei Wo­chen nach
dem Trockenstellen und in den letzten zwei
Wochen vor der Geburt – hinsichtlich möglicher
Eutererkrankungen kontrolliert werden
Insgesamt ist die Trockenstelltherapie im Vergleich
mit anderen Mastitisbekämpfungsmaßnahmen (wie
der Management­optimierung, der Melkmaschinenkorrektur, der Zitzendesinfektion etc.) hinsichtlich
des Kosten-Nutzen-Verhältnisses durchaus positiv zu
betrachten. Stellt sie doch neben der Optimierung des
Managements ökonomisch die wichtigste Einzelmaßnahme in der Mastitisbekämpfung dar.
32 Gesunde Euter – Gesunde Milch
4.3.7 Färsenmastitiden als ­Bestandsproblem
Die Häufigkeit von Euterentzündungen bei Färsen
oder erstlaktierenden Kühen in den ersten Wochen
der Laktation ist zunehmend. In einer Vielzahl von
Betrieben erkrankt jede zweite bis dritte Färse / Erstlaktierende an klinischen Euterentzündungen. Ein
großer Teil dieser Infektionen wird erst als klinische
Erkrankung (Flocken in der Milch) innerhalb der
ersten 14 Laktations­tage bemerkt, obwohl die Infektion schon deutlich länger andauert. Da jüngere
Untersuchungen zeigen konnten, dass für die Ent­
stehung von Färsenmastitiden zumeist der vorzeitige
Verlust des den Zitzenkanal verschließenden Keratinpfropfes verantwortlich ist, gilt es, insbesondere in
den letzten Wochen vor der Abkalbung für besonders
keimarme Umgebungsbedingungen der Tiere zu sor-
gen. Da Färsen das genetische Potential einer Herde
darstellen, sind Euterentzündungen aufgrund der
mit ihnen einhergehenden Verschlechterung der Leis­
tungsfähigkeit bei diesen Tieren – vor allem wenn sie
zur Merzung des Tieres in der ersten Laktation führen –
besonders teuer. Die Verluste betragen zwischen
EUR 100,- bis 750,- pro Erkrankungsfall. Während der
Milchmengenverlust durch eine Euterentzündung
bei älteren Tieren durch die verstärkte Leistung der
benachbarten Viertel zu einem großen Teil ausge­
glichen werden kann, gelingt das bei erstlaktierenden
Tieren zumeist nicht. Neuseeländische Untersu­chun­
gen haben gezeigt, dass Milchkühe, die das Körperwachstum noch nicht abgeschlossen haben, nicht in
der Lage sind, zerstörtes Milchdrüsengewebe einzelner
Viertel durch Mehrproduktion anderer Viertel auszugleichen.
Gesunde Erstkalbinnen weisen Zellgehalte in der
Milch einzelner Viertel und damit auch im Einzelgemelk von 20.000 bis 50.000 Zellen/ml auf. Spätestens
ab Zellgehalten von mehr als 100.000 Zellen auf Viertel/Einzelgemelksniveau wird deutlich, dass eine Euterentzündung vorliegt. Klinische Anzeichen (Flocken
im Sekret) können, müssen aber nicht vorliegen. Auch
wenn ein Teil dieser Infektionen in der ersten Laktation spontan ausheilt, treten die oben beschriebenen
ökonomischen Verluste auf.
Ursachen und Risikofaktoren
Aus einer Vielzahl von Untersuchungen ist bekannt,
dass die Infektion der Viertel mit krankmachenden
Bakterien überwiegend bereits vor dem Abkalben
stattfindet. Drei wesentliche Infektionswege konnten
bislang ermittelt werden.
Infektionen nach dem Ansaugen einzelner
Viertel (v.a. Sc. agalactiae, S. aureus)
Übertragung von S. aureus von erkrankten
Kühen des Bestandes über Insekten (insb.
Fliegen)
„Spontane“ Infektionen durch Koagulasenegative Staphylokokken (Zitzenhaut­bewohner)
und Umwelterreger (Umwelt­streptokokken,
coliforme Keime)
In Deutschland scheinen die unter dem dritten Punkt
genannten Infektionen die verbreitetsten zu sein.
Koagulase-negative Staphylokokken (KNS) gehören
zur üblichen Keimflora, die die Zitzen- und Euterhaut
besiedelt. Die Allgegenwärtigkeit dieser Keime macht
deutlich, dass die Entstehung von Infektionen durch
diese Keime nicht durch ihre besonderen
krankmachenden Eigenschaften, sondern vielmehr
durch die Empfänglichkeit des tierischen Organismus bestimmt wird. Im Abkalbezeitraum ist das
Immun­system von Färsen besonderen Belas­tungen
ausgesetzt. Neben der eintretenden hormonellen
Umstellung wirkt auch eine Vielzahl exogener Stressoren (Umstallung der Tiere, Eingliederung in die
Herde, Futterumstellung u.v.m.) auf die Tiere ein.
Weiterhin wirken zudem besondere tierindividuelle
Faktoren krankheitsfördernd, wie z.B. ein ungenü­
gender Schluss der Zitzenspitzenmuskulatur oder
ein sehr weiter oder sehr kurzer Zitzenkanal. Die
vorzeitige Öffnung des Zitzenkanals erhöht die Wahr­
scheinlichkeit einer bakteriellen Besiedelung deutlich.
Diese – letztlich nur züchterisch zu beeinflussenden –
Merkmale können einen vorzeitigen Verlust des
schützenden Keratins im Zitzenkanal bei steigendem
Euterinnendruck im Abkalbezeitraum bedingen und
damit die Entstehung von Infektionen fördern. Die
im Geburtszeitraum entstehenden Ödeme im Euterbereich können dieses Risiko weiter fördern, da die
Wassereinlagerung im Euter- und Zitzenbereich den
Zitzenkanal weiter aufdehnen kann. Über das natür­
liche Maß hinausgehende Ödeme beruhen häufig auf
einer nicht optimal zusammengestellten Futterration
bzw. auf einer zu späten Umstellung auf das Futter
der laktierenden Tiere. Neben den am häufigsten
auftretenden Infektionen mit KNS, treten auch Infektionen mit anderen Umwelterregern (Umweltstrep­
tokokken, coliforme Keime) auf. In Betrieben mit
S. aureus-infizierten Tieren sind auch durch diese
Keime verursachte Färsenmastitiden zu finden. Amerikanische Untersuchungen haben gezeigt, dass Stall­
fliegen Überträger von S. aureus sein können und
dass ein entsprechendes Fliegenbekämpfungsprogramm Erfolg versprechend ist.
34 Gesunde Euter – Gesunde Milch
Prophylaktische Maßnahmen
Gehen die im Betrieb vorhandenen Färsenmastitiden
auf das Ansaugen durch andere Tiere zurück, muss
natürlich vor allem das schuldige Tier ermittelt und
aus der Färsengruppe entfernt werden. Ist die Eutergesundheit der gesamten Herde nicht zufriedenstellend und liegen vielen Viertelerkrankungen Infektionen mit S. aureus oder Sc. agalactiae zugrunde,
gehört zur Bekämpfung der Färsenmastitiden auch
die entsprechende Sanierung der restlichen Herde.
Ein möglichst hygienisches Haltungsumfeld, d.h. gut
gepflegte und mit frischer Einstreu von guter hygienischer Qualität versehene Liegebereiche, sowie saubere Laufflächen senken den Keimdruck im Umfeld
der Tiere und verringern damit die Erkrankungswahr­
scheinlichkeit. Eine ausreichende Wasser- und Futter­
versorgung erhält die allgemeine Immunabwehr und
beugt somit Infektionen vor. Auch wenn die züchte­
rischen Gegebenheiten der Zitze nicht mehr zu be­einflussen sind, so können doch die damit einhergehenden besonderen Risiken minimiert werden, indem
Färsen möglichst innerhalb von 26 Lebensmonaten
zum Abkalben gebracht werden (spätere Abkalbun­
gen erhöhen die Risikozeit). Tiere, die die Milch vor
der Geburt bereits laufen lassen, sollten angemolken
werden, auch wenn dabei auf die Gewinnung der
Kolos­tralmilch verzichtet werden muss. Weiterhin
muss die regelmäßige Überprüfung der Färsen durch
die Betrachtung der Milchdrüse empfohlen werden.
Unterschiedlich große Euterviertel sollten immer
durch die sorgsame Sekretüberprüfung nach Vordesinfektion der Hände (Handschuhe tragen) und der
­Zitzen – insbesondere der Zitzenöffnung – kontrolliert
werden.
Therapeutische Maßnahmen
Da das Infektionsrisiko am Abkalbetag besonders
hoch ist und bereits infizierte Viertel noch vor Ende
der Kolostralphase kostengünstig geheilt werden
können (kaum Hemmstoffmilch), ist eine antibiotische
Therapie zu diesem Zeitpunkt sinnvoll. Voraussetzung
ist die Kenntnis der verursachenden Erreger. Aus ökonomischer Sicht sind Maßnahmen auf Betriebsebene
erforderlich wenn mehr als 5 % Färsen zum Abkalbe­
termin eine klinische Euterentzündung aufweisen
oder/und wenn mehr als 50 % aller erstlaktierenden
Tiere in der ersten Milchleistungsprüfung Zellgehalte
über 100.000 Zellen/ml im Einzelgemelk aufweisen.
Die antibiotische Therapie von infizierten Drüsenvierteln in der Färsenzeit kann als gesichert erfolgreich
bewertet werden.
5. Eutergesundheitsmanagement
Unter Eutergesundheitsmanagement sind alle Maßnahmen im Milchviehbetrieb zu verstehen, die eine
Sicherung der Eutergesundheitssituation ermöglichen
oder eine Verbesserung der Eutergesundheit unter
Berücksichtigung ökonomischer und arbeitswirtschaftlicher Aspekte erlaubt. Hierzu gehören die bereits
erwähnten Aspekte des Eutergesundheits-Monitoring
anhand von regelmäßig erhobenen Kennzahlen und
die Dokumentation von auftretenden Störungen der
Eutergesundheit, aber auch die Festlegung, Umsetzung und Kontrolle von Verfahrensanweisungen für
relevante Arbeitsbereiche (Fütterung, Boxenpflege,
Melken, Vorgehen im Krankheitsfall).
In den ersten Jahrzehnten der Antibiotika-Anwendung standen überwiegend die Bekämpfung hoch­
ansteckender Mastitiden (insbesondere Infektionen
mit Streptococcus agalactiae) und die Umsetzung
von Maßnahmen zur Optimierung der Milchqualität im Vordergrund. Diese Maßnahmen spielen
bei der heutigen Milcherzeugung nur noch eine
unterge­ordnete Rolle. Mehr und mehr stellen Euter­
entzündungen eine die wirtschaftliche Leistungs­
fähigkeit der Milchviehbetriebe stark beeinflussende
Größe dar. Euterentzündungen kennzeichnen häufig
Fehl­entwicklungen in Haltung, Versorgung und Management im Betrieb. Die Erfassung gesundheitlicher
Rahmenbedingungen einer Milchviehherde und die
tiergesundheitsorien­tierte Beurteilung von Fütterung,
Haltung und Management sind maßgeblich an der
Prophylaxe und Therapie von Euterentzündungen
beteiligt. Die zunehmende Komplexität des Mastitisgeschehens zeigt, dass Probleme der Eutergesundheit
eines Betriebes nur unter Berücksichtigung aller verfügbaren Kenntnisse zu lösen sind.
Der wichtigste Bereich für jeden ­milchviehhaltenden Betrieb ist
der Umgang mit Störungen der Eutergesundheit.
Autor: Prof. Dr. V. Krömker, Hannover, in Zusammenarbeit mit
Intervet Deutschland GmbH, Unterschleißheim
Literatur kann beim Verfasser angefordert werden.
041810-D.Dezember 2012 (003) 118
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