0 Aussagenlogik

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Analysis 1 Lehramt, WS 2016/17
0 Aussagenlogik
In diesem Paragraphen sind einige grundlegende Begriffe und Zusammenhänge aus der sogenannten naiven Logik zusammengestellt. Auf eine präzise Einführung der Begriffe wird dabei
verzichtet; dies geschieht in der axiomatischen Logik.
0.1 Definition. Eine (mathematische) Aussage p ist ein sinnvolles sprachliches Gebilde, das
entweder ”wahr” (w) oder ”falsch” (f) ist; eine andere Möglichkeit gibt es nicht (tertium non
datur, zweiwertige Logik). Statt ”p ist wahr” sagt man auch ”p gilt”, ”p trifft zu”, ”p stimmt”
oder ”p ist richtig”.
Beispiele.
7 ist Primzahl
(w)
2+3=6
(f)
1/0 = 10
keine Aussage, da 1/0 nicht definiert ist.
Löse x2 + x = 1
keine Aussage, da ohne Wahrheitswert.
”Jede gerade Zahl größer als 2 ist Summe von zwei Primzahlen” (Goldbachsche Vermutung)
ist Aussage, deren Wahrheitswert nicht bekannt ist.
0.2 Junktoren
Seien p und q zwei Aussagen. Wir konstruieren aus p und q neue Aussagen, deren Wahrheitswerte durch die von p und q gegeben werden.
0.2.1 Negation (Verneinung): ¬p , ”nicht p”
Definition. ¬p ist wahr, wenn p falsch ist, und falsch, wenn p wahr ist.
Zum Beispiel ist die Verneinung der Aussage 2 + 3 = 5 die Aussage 2 + 3 6= 5 .
Der Zusammenhang zwischen dem Wahrheitswert von p und dem von ¬p läßt sich in einer
Wahrheitstafel darstellen (und ist dadurch vollständig bestimmt).
¬p
f
w
p
w
f
0.2.2 Konjunktion (Und-Verknüpfung): p ∧ q , ”p und q”
Definition. p ∧ q ist genau dann wahr, wenn beide Aussagen p, q wahr sind.
Zum Beispiel ist die Aussage ”9 ist ungerade und (9 ist) durch 3 teilbar ” wahr, aber die
beiden Aussagen ”7 ist ungerade und (7 ist) durch 3 teilbar ” und ”4 ist ungerade und (4 ist)
durch 3 teilbar ” sind falsch.
Die zu p ∧ q gehörende Wahrheitstafel sieht folgendermaßen aus.
p
w
w
f
f
p∧q
w
f
f
f
q
w
f
w
f
1
0.2.3 Disjunktion (Oder-Verknüpfung): p ∨ q , ”p oder q” (nicht-ausschließend)
Definition. p ∨ q ist genau dann wahr, wenn mindestens eine der beiden Aussagen p, q wahr
ist, d.h. wenn nur p oder nur q oder beide wahr sind.
Zum Beispiel sind die Aussagen ”9 ist ungerade oder durch 3 teilbar ” und ”7 ist ungerade
oder durch 3 teilbar ” wahr, aber die Aussage ”4 ist ungerade oder durch 3 teilbar ” ist falsch.
Die zu p ∨ q gehörende Wahrheitstafel sieht folgendermaßen aus.
p
w
w
f
f
p∨q
w
w
w
f
q
w
f
w
f
Bemerkung. Das ausschließende ”entweder p oder q” hat die Form (p ∨ q) ∧ ¬(p ∧ q) .
0.2.4 Implikation (Folgerung): p ⇒ q , ”wenn p, dann q”
Definition. p ⇒ q ist genau dann falsch, wenn die Aussage p wahr und die Aussage q falsch
ist. p heißt Prämisse und q Konklusion von p ⇒ q . Für p ⇒ q sagt man auch ”aus p folgt q”,
”p ist hinreichend für q” oder ”q ist notwendig für p”.
Zum Beispiel ist die Aussage ”wenn es regnet, dann sind die Straßen nass” wahr, auch an
Tagen, an denen die Sonne scheint und es gar nicht regnet.
Die zu p ⇒ q gehörende Wahrheitstafel hat folgende Form.
p
w
w
f
f
p⇒q
w
f
w
w
q
w
f
w
f
Merke! Implikationen mit falscher Prämisse sind wahr, d.h. aus etwas Falschem kann man
alles Mögliche folgern (ex falso quodlibet).
0.2.5 Äquivalenz (Logische Gleichwertigkeit): p ⇔ q , ”p genau dann, wenn q”
Definition. p ⇔ q ist genau dann wahr, wenn die Aussagen p und q den gleichen Wahrheitswert haben, d.h. beide wahr oder beide falsch sind. Für p ⇔ q sagt man auch ”p und q sind
logisch gleichwertig” oder ”p ist notwendig und hinreichend für q”.
Die zu p ⇔ q gehörende Wahrheitstafel sieht folgendermaßen aus.
p
w
w
f
f
p⇔q
w
f
f
w
q
w
f
w
f
2
Bei der Notation von Aussagen, die durch mehrere Junktoren zusammengesetzt sind, vereinbart man folgende Bindungsprioritäten:
¬ bindet stärker als ∧ und ∨, und diese binden stärker als ⇒ und ⇔ .
Wir betrachten nun die Wahrheitstafeln einiger zusammengesetzter Aussagen.
Beispiel 1. p ∨ q ⇒ ¬q
p
w
w
f
f
q
w
f
w
f
p∨q
w
w
w
f
¬q
f
w
f
w
p ∨ q ⇒ ¬q
f
w
f
w
Beispiel 2. Die Aussagen p ⇒ q , ¬p ∨ q und ¬q ⇒ ¬p sind logisch gleichwertig.
p
w
w
f
f
q
w
f
w
f
p⇒q
w
f
w
w
¬p
f
f
w
w
¬p ∨ q
w
f
w
w
¬q
f
w
f
w
¬q ⇒ ¬p
w
f
w
w
0.3 Tautologien
Beispiel 2 zeigt, dass die Aussagen (p ⇒ q) ⇔ ¬p ∨ q und (p ⇒ q) ⇔ (¬q ⇒ ¬p) unabhängig von den Wahrheitswerten von p und q immer wahr sind. Zusammengesetzte Aussagen
mit dieser Eigenschaft nennt man allgemeingültig oder Tautologien.
Satz. Seien p, q und r Aussagen. Dann sind folgende Aussagen Tautologien.
a)
p∧q ⇔ q∧p
Kommutativ-Gesetz (für ∧)
b)
(p ∧ q) ∧ r ⇔ p ∧ (q ∧ r)
Assoziativ-Gesetz (für ∧)
c)
p ∧ (q ∨ r) ⇔ (p ∧ q) ∨ (p ∧ r)
Distributiv-Gesetz
d)
¬(p ∧ q) ⇔ ¬p ∨ ¬q
De Morgansche Regel
e)
f)
g)
h)
¬¬p
(p ⇔ q)
(p ⇒ q)
(p ⇒ q)
i)
j)
k)
l)
m)
p ∨ ¬p
(p ⇒ q) ∧ (q ⇒ r)
p ∧ (p ⇒ q)
¬(q ∧ ¬q)
(¬p ⇒ (q ∧ ¬q))
⇔
⇔
⇔
⇔
p
(p ⇒ q) ∧ (q ⇒ p)
¬p ∨ q
(¬q ⇒ ¬p)
⇒
⇒
(p ⇒ r)
q
⇒
p
Doppelte Negation
Umformung von ⇔
Umformung von ⇒
Kontraposition
Möglichkeit zur Fallunterscheidung
Transitivität von ⇒
Abtrennungsregel
Verbotener Widerspruch
Indirekter Beweis
a’) - d’) analog zu a) - d) mit ∧ und ∨ vertauscht.
Beweis. Der Beweis erfolgt mit Wahrheitstafeln. g), h) wurden bereits bewiesen (Beispiel 2).
Ähnlich zeigt man für a) - f), dass die beiden Seiten von ⇔ immer gleiche Wahrheitswerte haben.
Für die Implikationen j), k) und m) reicht es zu zeigen: immer wenn die Prämisse wahr ist, stimmt
auch die Konklusion.
3
0.4 Quantoren
0.4.1 Definition. Eine Aussageform (in einer Variablen) ist ein sprachliches Gebilde p(x)
mit einer ”freien” Variablen x und einem Objektbereich D für x derart, dass für jedes a aus D
p(a) eine Aussage ist (w oder f). Analog sind Aussageformen in mehreren Variablen definiert.
Beispiele. 1) Für die Aussageform q(x) = ”x ist Quadratzahl” mit D = IN ist q(9) eine
wahre und q(7) eine falsche Aussage.
2) Für die Aussageform in zwei Variablen t(x, y) = ”x teilt y” mit Dx = Dy = IN ist t(3, 6)
eine wahre und t(2, 5) eine falsche Aussage; t(x, 6) und t(2, y) sind Aussageformen.
Aus einer Aussageform erhält man also durch Einsetzen der Elemente aus dem Objektbereich
in die Aussageform eine Familie von Aussagen. Die Frage, ob es in dieser Familie überhaupt wahre
Aussagen gibt oder ob sogar alle wahr sind, führt zu den beiden folgenden neuen Aussagen.
0.4.2 Definition. Sei p(x) eine Aussageform mit Objektbereich D .
1) Die Existenz-Aussage (Notation ∃ x ∈ D : p(x) ) ist die folgende Aussage:
Es gibt (mindestens) ein x aus D , für das p(x) wahr ist
2) Die All-Aussage (Notation ∀ x ∈ D : p(x) ) ist die folgende Aussage:
Für alle x aus D ist p(x) wahr
Das Zeichen ∃ heißt Existenz-Quantor und das Zeichen ∀ All-Quantor. Im mathematischen
Alltag kommen die Existenz- bzw All-Aussage meist so daher: ”es existiert ein x in D mit p(x) ”
oder ”p(x) stimmt für (mindestentens) ein x aus D ” bzw. ”für jedes x aus D gilt p(x) ” oder
”p(x) stimmt für (alle) x aus D ”.
Besispiel. Die Aussage ∃ x ∈ IN : 3 + x = 5 ist wahr, aber ∀ x ∈ IN : 3 + x = 5 ist falsch.
Bemerkungen. 1) In den Aussagen ∃ x ∈ D : p(x) und ∀ x ∈ D : p(x) kommt die Variable
x zwar noch vor, aber man kann nichts mehr einsetzen, sie ist ”gebunden”.
2) Die Gültigkeit einer Existenz- oder All-Aussage hängt nicht nur von der Aussageform sondern auch von ihrem Objektbereich ab. So ist beispielsweise die Aussage ∃ x ∈ D : x + 5 = 2 für
D = ZZ wahr aber für D = IN falsch.
0.4.3 Satz (Negation der Existenz-/All-Aussage). Sei p(x) eine Aussageform mit
Objektbereich D. Dann gilt.
¬(∃ x ∈ D : p(x)) ⇐⇒ ∀ x ∈ D : ¬p(x)
¬(∀ x ∈ D : p(x)) ⇐⇒ ∃ x ∈ D : ¬p(x)
Beispiel. Sei p(x) die Aussageform ”x raucht ” mit dem Objektbereich D = Studentenschaft. Dann ist die Negation von ”alle Studenten rauchen ” äquivalent zu ”mindestens ein
Student raucht nicht ”, und die Negation von ”es gibt einen Studenten, der raucht ” ist äquivalent
zu ”alle Studenten sind Nichtraucher ”.
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