Mathematik B für Molekulare Biotechnologie

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Universität Heidelberg
Interdisziplinäres Zentrum
für Wissenschaftliches Rechnen
Dr. Stefan Körkel
Bärbel Janssen
Carmen Ellsässer
Mathematik B für Molekulare Biotechnologie
Sommersemester 2004
Klausur 2
— Musterlösung —
1. Endlicher Wahrscheinlichkeitsraum
(a) Was ist ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P )?
(b) Was sind Ereignisse und was Elementarereignisse?
X
(c) Warum gilt: ∀A ⊂ Ω : P (A) =
P ({ω})?
ω∈A
(d) Beweise: ∀A, B ⊂ Ω : P (A ∪ B) = P (A) + P (B) − P (A ∩ B).
Lösung:
(a) Ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum besteht aus einer endlichen Menge Ω (der
Ergebnismenge“) und einer Abbildung P : P(Ω) → [0; 1] (der Wahrscheinlich”
”
keitsverteilung“) mit den Eigenschaften P (Ω) = 1 und P (A ∪ B) = P (A) + P (B)
für alle A, B ⊂ Ω mit A ∩ B = {}.
(b) Ein Ereignis ist eine Teilmenge von Ω, ein Elementarereignis eine einelementige Teilmenge von Ω.
[
(c) A =
{ω}, wobei {ωi } ∩ {ωj } = {} für ωi 6= ωj . Aus den Eigenschaften des
ω∈A
X
Wahrscheinlichkeitsraums folgt dann P (A) =
P ({ω}).
ω∈A
(d) Es gilt: A ∪ B = (A \ B) ∪ (A ∩ B) ∪ (B \ A), und die drei Mengen auf der rechten
Seite der Gleichung sind paarweise disjunkt. Deshalb ist
P (A ∪ B) = P (A \ B) + P (A ∩ B) + P (B \ A)
= (P (A) − P (A ∩ B)) + P (A ∩ B) + (P (B) − P (A ∩ B))
= P (A) + P (B) − P (A ∩ B).
Benutze dabei, daß P (A \ B) = P (A) − P (A ∩ B), da A = (A ∩ B) ∪ (A \ B) und
A ∩ B und A \ B disjunkt sind.
2. Laplacescher Wahrscheinlichkeitsraum
Was ist ein Laplacescher Wahrscheinlichkeitsraum? Gib ein Beispiel für einen Wahrscheinlichkeitsraum, der Laplacesch ist und eins für einen, der nicht Laplacesch ist.
Lösung:
Ein Laplacescher Wahrscheinlichkeitsraum ist ein Wahrscheinlichkeitsraum, bei dem alle
Elementarereignisse die gleiche Wahrscheinlichkeit haben. Beispiel: Urne mit n Kugeln,
die die Nummern 1 bis n haben. Ziehe eine Kugel. Ω = {1, . . . , n}, P ({ω}) = n1 für alle
ω ∈ Ω. Beispiel für nicht Laplacesch: Urne mit zwei roten und einer schwarzen Kugel.
Ziehe eine Kugel. Ω = {rot, schwarz}, P ({rot}) = 32 , P ({schwarz}) = 31 .
3. Bedingte Wahrscheinlichkeit
Seien (Ω, P ) ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum, A, B ⊂ Ω und P (B) > 0.
(a) Wie ist die bedingte Wahrscheinlichkeit P (A|B) von A bei gegebenen B definiert?
(b) Sei AC = Ω \ A das Komplement von A. Zeige: P (AC |B) = 1 − P (A|B).
(c) Wie lautet die Formel von Bayes?
Lösung:
P (A ∩ B)
.
P (B)
P (AC ∩ B)
(b) P (AC |B) =
. (A∩B)∪(AC ∩B) = B und (A∩B)∩(AC ∩B) = {}. Daher
P (B)
P (B) − P (A ∩ B)
= 1 − P (A|B).
P (A ∩ B) + P (AC ∩ B) = P (B). Und P (AC |B) =
P (B)
n
[
(c) Formel von Bayes: Sei Ω =
Bi mit Bi ∩ Bj = {} für i 6= j. Sei A ⊂ Ω mit
(a) P (A|B) =
i=1
P (A) > 0. Dann gilt für i = 1, . . . , n :
P (Bi ) · P (A|Bi )
P (Bi |A) =
n
X
k=1,P (Bk )>0
.
P (Bk ) · P (A|Bk )
4. Anwendung der Formel von Bayes
An einer Hochschule, an der 40% der Studierenden Frauen sind, studieren 10% der männlichen Studenten und 25% der Studentinnen Biotechnologie.
• Gib die Wahrscheinlichkeit dafür an, daß ein Studierender der Biotechnologie männlich ist.
• Gib die Wahrscheinlichkeit dafür an, daß jemand, der nicht Biotechnologie studiert,
eine Frau ist.
Lösung: P (Frau) = 0.4, P (Mann) = 0.6.
P (Biotechnologe|Mann) = 0.1, P (nicht Biotechnologe|Mann) = 0.9.
P (Biotechnologe|Frau) = 0.25, P (nicht Biotechnologe|Frau) = 0.75.
Formel von Bayes:
P (Mann|Biotechn.) =
=
P (Frau|nicht Biotechn.) =
=
P (Mann)·P (Biotechn.|Mann)
P (Frau)·P (Biotechn.|Frau)+P (Mann)·P (Biotechn.|Mann)
0.6 · 0.1
= 0.375
0.4 · 0.25 + 0.6 · 0.1
P (Frau)·P (nicht Biotechn.|Frau)
P (Frau)·P (nicht Biotechn.|Frau)+P (Mann)·P (nicht Biotechn.|Mann)
0.4 · 0.75
≈ 0.357
0.4 · 0.75 + 0.6 · 0.9
5. Zufallsvariablen
Seien (Ω, P ) ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum und X : Ω → eine reelle Zufallsvariable. Sei B ⊂ . Wie ist die Wahrscheinlichkeit P (X ∈ B) definiert?
Lösung:
Sei B ⊂
.
{X ∈ B} = X −1 (B) = {ω ∈ Ω|X(ω) ∈ B} ⊂ Ω
ist ein Ereignis im Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P ) und hat somit eine Wahrscheinlichkeit,
und zwar
X
P (X ∈ B) = P ({X ∈ B}) =
P (ω) =: PX (B).
ω∈Ω,X(ω)∈B
Damit definiert PX : P( ) → [0; 1] eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf
scheinlichkeitsverteilung von X bzgl. P .
, die Wahr-
6. Erwartungswert und Varianz
Wie sind Erwartungswert und Varianz einer Zufallsvariablen definiert auf einem endlichen
bzw. auf einem kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsraum?
Zeige: V ar(X) = E(X 2 ) − E(X)2 .
Lösung:
Auf einem endlichen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P ):
X
X
E(X) =
X(ω) · P (ω) =
x · P (X = x),
V ar(X) = E((X − E(X))2 ).
ω∈Ω
x∈
Auf einem kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsraum Ω mit Dichte f :
Z
E(X) =
X(ω)f (ω)dω,
Ω
falls das Integral existiert,
2
V ar(X) = E((X − E(X)) ) =
Z
Ω
(X(ω) − E(X))2 f (ω)dω,
falls Integral und Erwartungswert existieren.
V ar(X) = E((X − E(X))2 ) = E((X − E(X))(X − E(X))
= E(X 2 − 2 · X · E(X) + E(X)2 ) = E(X 2 ) − 2 · E(X) · E(X) + E(E(X)2 )
= E(X 2 ) − E(X)2
7. Roulette
Beim Roulette werde jede der Zahlen 0 bis 36 mit gleicher Wahrscheinlichkeit gezogen.
18 Zahlen sind rot, 18 Zahlen sind schwarz und eine Zahl ist grün (die Null). Wenn man
auf Rot oder Schwarz setzt und die entsprechende Farbe gezogen wird, erhält man das
Doppelte seines Einsatzes als Gewinn, ansonsten wird der Einsatz einbehalten.
Wie groß ist der erwartete Gewinn, wenn ich 10 Euro auf Rot setze?
Beschreibe einen geeigneten endlichen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, P ) für das Roulettespiel und eine Zufallsvariable X : Ω → , die den Gewinn für 10 Euro auf Rot“ angibt.
”
Berechne den Erwartungswert der Zufallsvariablen.
Lösung:
1
Ω = {0, . . . , 36}, P : Ω → : ω 7→ 37
20, falls Kugel ω rot
X : Ω → : ω 7→
0 sonst
X
X
X
1
1
20
360
E(X) =
X(ω) · P (ω) =
20 ·
+
0·
= 18 ·
=
≈ 9.73
37 ω nicht rot 37
37
37
ω rot
ω∈Ω
8. Kontinuierliche Wahrscheinlichkeitsräume
Sei Ω ⊂
ein eigentliches oder uneigentliches Intervall.
(a) Was ist eine Wahrscheinlichkeitsdichte auf Ω?
(b) Wie ist bzgl. der Wahrscheinlichkeitsdichte die Wahrscheinlichkeit P ([a, b]) des Intervalls [a, b], a, b ∈ Ω definiert?
Lösung:
(a) Eine Wahrscheinlichkeitsdichte
ist eine integrierbare Funktion f : Ω →
Z
f (ω) ≥ 0 ∀ω ∈ Ω und
f (ω)dω = 1.
mit
Ω
(b) P ([a, b]) =
Z
b
f (ω)dω
a
9. Normalverteilung
(a) Wie lautet die Dichte fµ,σ2 der Normalverteilung N (µ, σ 2 ) mit Parametern µ und
σ 2 ? Wo konnte man diese Formel bis 2001 ständig nachlesen? Was bedeuten die
Parameter µ und σ 2 ?
(b) In Tabellen sind nur Zdie Werte der Standard-Normalverteilung N (0, 1) aufgeführt,
z
f0,1 (t)dt. Wie berechnet man daraus für eine N (µ, σ 2 )und zwar Φ(z) :=
−∞
verteilte Zufallsvariable die Wahrscheinlichkeit P (X ∈ [a, b]) des Intervalls [a, b]?
(Mit Begründung.)
Lösung:
1
(x − µ)2
.
(a) fµ,σ2 : → : x 7→ √ exp −
2σ 2
σ 2π
Bis 2001 auf der Vorderseite des 10-DM-Scheins, µ ist der Erwartungswert, σ 2 die
Varianz.
1
x−µ
(b) Es gilt: f0,1
= fµ,σ2 (x). Daraus folgt
σ
σ
P (X ∈ [a, b]) =
Z
=
Z
b
fµ,σ2 (x)dx =
a
b−µ
σ
−∞
f0,1 (t)dt −
Z
b
a
Z
1
f0,1
σ
a−µ
σ
−∞
x−µ
σ
f0,1 (t)dt = Φ
dx =
Z
b−µ
σ
a−µ
σ
b−µ
σ
f0,1 (t)dt
−Φ
a−µ
σ
.
10. Ableitungen im
n
Erläutere die Begriffe partielle Ableitung, Tangentialvektor, Gradient, Jacobimatrix und
Hessematrix. Für welche Funktionen f : ? → ? haben wir diese Ableitungen definiert?
Lösung:
• Partielle Ableitung bedeutet, daß man eine Funktion f : n →
nur nach einer
Komponente des Variablenvektors ableitet und die anderen Komponenten festhält:
∂f
f (x1 , . . . , xi + h, . . . , xn ) − f (x1 , . . . , xi , . . . , xn )
(x1 , . . . , xn ) = lim
,
h→0
∂xi
h
falls der Grenzwert existiert.
• Für f :
→
m
ist

df1
(x)
dx


..

.
dfm
(x)
dx

f 0 (x) = 
der Tangentialvektor von f an der Stelle x.
• Für f :
n
→
ist
0
T
∇f (x) = f (x) =
∂f
(x)
∂x1
...
∂f
(x)
∂xn
der Gradient von f an der Stelle x.
• Für f :
n
→
m
ist


J(x) = f 0 (x) = 
∂f1
(x)
∂x1
···
..
.
∂fm
(x) · · ·
∂x1
∂f1
(x)
∂xn


..

.
∂fm
(x)
∂xn
die Jacobimatrix von f an der Stelle x.
• Für f :
n
→
ist


H(x) = f 00 (x) = 
∂2f
(x)
∂x1 ∂x1
..
.
∂2f
(x)
∂x1 ∂xn
···
∂2f
(x)
∂x1 ∂xn
···
∂2f
(x)
∂xn ∂xn
..
.



die Hessematrix von f an der Stelle x.
11. Mathematik für Biotechnologen
Welche Themen haben wir dieses Semester behandelt? Und welche letztes Semester?
Lösung:
Dieses Semester:
• Determinante
• Eigenwerte
• Orthogonalität
• Integralrechnung
• Fourier-Entwicklung
• Endliche Wahrscheinlichkeitsräume
• Zufallsvariablen
• Unendliche Wahrscheinlichkeitsräume
• Differentialrechnung im
• Integralrechnung im
n
n
Letztes Semester:
• Mathematische Logik
• Vektorräume
• Lineare Abbildungen
• Lineare Gleichungssysteme
• Komplexe Zahlen
• Folgen und Konvergenz
• Stetigkeit
• Differentialrechnung
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