Inhalt - Zeitschrift für Chemotherapie

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ZEITSCHRIFT FÜR
ISSN 0722/5067
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Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie
Übersicht
Glykopeptide – neue Präparate
bieten erweiterte therapeutische
Möglichkeiten
Vancomycin (diverse Generika), das erste
Glykopeptid-Antibiotikum, wurde bereits
Mitte des vergangenen Jahrhunderts als
Stoffwechselprodukt eines Actinomyceten
(Streptomyces bzw. Amycolatopsis orientalis) entdeckt und als Therapeutikum von
Eli Lilly in den USA entwickelt. Mit der
zunehmenden Entwicklung der Penicillin-Resistenz wurde es in den letzten Jahrzehnten ein immer häufiger angewandtes
Arzneimittel zur Behandlung von Infektionen durch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus und andere grampositive
Erreger. Als zweite wichtige Indikation ist
die oral zu behandelnde, durch Clostridium
difficile verursachte Diarrhö zu nennen,
die ebenfalls seit Jahrzehnten etabliert ist.
Nach wie vor ist Vancomycin ein Mittel der
Wahl bei diesen Infektionen, obwohl eine
abnehmende Empfindlichkeit der Erreger
seit langem beschrieben wurde. Die Bemühungen, dieser Entwicklung durch höhere
Dosierungen zu begegnen, werden durch
das nephro- und ototoxische Potenzial des
Antibiotikums limitiert. Ein Bedarf an Alternativen ist offensichtlich.
Die erste verfügbare Alternative zu Vancomycin war Teicoplanin (TARGOCID), das
ebenfalls von einem Mikroorganismus gebildet wird. Es handelt sich um ein Gemisch
von fünf verschiedenen Komponenten, die
im Gegensatz zu Vancomycin lipophile Seitenketten (C10 -Acylrest) aufweisen. Es kann
sich über diesen Strukturanteil in der bakteriellen Zellmembran verankern, wodurch
einige Unterschiede im Resistenzmuster
erklärt werden können. 1988 in Europa eingeführt ist es heute in zahlreichen Ländern
- aber nicht in den USA - zugelassen. Anders
als Vancomycin fördert es nicht die Histaminfreisetzung („red man Syndrom“) und
zeigt damit eine bessere Verträglichkeit.
Inhalt
Januar/Februar 2015 - 36. Jahrg.
1/2015
Übersicht
— Glykopeptide – neue Präparate
Seite 1-3
Infektiologische Merksätze
— Empfehlungen zum Jahresauftakt Seite 3
Neueinführungen
— Daclatasvir
— Ledipasvir plus Sofosbuvir
Seite 3-4
Seite 4-6
Hepatitis C
– Strukturproteine und alle neuen Virustatika
Seite 6-7
Pneumonien
— Ambulant erworbene Pneumonie: Mono- oder Kombinationstherapie? Seite 7-8
— Invasive Pneumokokken-Infektionen: Vortherapie beachten Seite 8
Endokarditis
– Ohne Prophylaxe mehr Infektionen?
– MRSA-Infektionen: Reserve-Therapie
Seite 8-9
Seite 9
Nebenwirkungen
– Makrolide bei Neugeborenen – mehr Pylorusstenosen
– Daptomycin: Mehr Myopathien durch Statine?
– Neue Daten zur Verträglichkeit von Amoxicillin
Halbsynthetische Lipoglykopeptide
Mit den halbsynthetischen Glykopeptiden Telavancin (VIBATIV), [siehe ZCT
2014;35(3):26-28], Dalbavancin (XYDALBA) und Oritavancin (ORBACTIV), wird
die Gruppe der Glykopeptid-antibiotika
zur Zeit erheblich ausgeweitet. Da sie alle
einen lipophilen Substituenten besitzen,
werden sie auch als Lipoglykopeptide bezeichnet (siehe Tabelle S. 2).1 Telavancin und
Oritavancin sind Vancomycin-Derivate,
während Dalbavancin durch chemische
Modifikation von Teicoplanin gewonnen
wurde. Das zuständige Komitee (CHMP)
bei der Europäischen Behörde EMA hat
vor wenigen Wochen die Zulassung von
XYDALBA und ORBACTIV empfohlen.
Seite 9
Seite 9-10
Seite 10
Obwohl diese Antibiotika erst kürzlich zugelassen wurden oder ihre Einführung in
Europa kurz bevorsteht, sind bereits etliche
Jahre seit ihrer Erstbeschreibung vergangen. So wurde Telavancin (TD-6424) schon
2003 erwähnt und mit der Entwicklung
von Dalbavancin (BI-397) und Oritavancin
(LY333328) wurde bereits in den 1990er Jahren begonnen. Im Jahr 2009 wurde die Zulassung für ein Oritavancin-basiertes Präparat bei der EMA gestoppt, da nicht genug
Daten zur therapeutischen Wirksamkeit
und Reinheit des Produktes vorlagen. Diese
drei neu zugelassenen Arzneimittel sind damit ein weiterer Hinweis auf die „Antibiotikalücke“, die durch die nachlassenden Aktivitäten der pharmazeutischen Industrie
auf diesem Gebiet entstanden ist. Aufgrund
1
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Tabelle: Glykopeptid-Antibiotika
Antibiotikum
Handelsname
(Europa)
Handelsname
(USA)
Eliminationshalbwertzeit
(h)
Proteinbindung
(%)
Dosierung
Verträglichkeit,
Toxizität
Vancomycin
diverse
Generika
diverse
Generika
4 – 6 (-11)
55
Infusion (mindestens
über 60 min):
2 x tgl. 1,0 g
„Red man Syndrom“
durch Histaminfreisetzung; nephro- und
ototoxisch
Teicoplanin
TARGOCID
(in den USA
nicht im Handel)
100 – 170
88 – 91
Infusion (30 min):
initial: 2 x tgl. 6 - 12
mg/kg, dann 1 x tgl.
(auch i.m. möglich)
nephro- und ototoxisch; embryotoxisch
im Tierexperiment
Telavancin
VIBATIV
VIBATIV
8
90
Infusion (60 min)
1 x tgl. 10 mg/kg
nephrotoxisch;
teratogen im Tierexperiment
Dalbavancin
XYDALBA
(EMA:12/2014)
DALVANCE
(FDA: 5/2014)
346
93
Infusion (30 min):
1 x 1,0 g i.v.,
nach einer Woche
1 x 0,5 g i.v.
offenbar gut verträglich, nicht abschliessend beurteilbar
Oritavancin
ORBACTIV
(EMA: 1/2015)
ORBACTIV
(FDA: 8/2014)
245
85
Infusion (180 min):
1 x 1,2 g
offenbar gut verträglich, nicht abschliessend beurteilbar
des erheblichen Bedarfs und angesichts der
fortschreitenden Resistenzentwicklung sowie einem Mangel an echten Innovationen
werden ältere Substanzen reaktiviert.
Antibakterielle Wirkung, Resistenz
Man kann die Glykopeptide nach ihrer
Struktur in vier oder fünf Klassen einordnen, demnach gehört Vancomycin zur
Klasse I und Teicoplanin zur Klasse IV.
Beides sind Naturstoffe; gemeinsam ist die
Heptapeptid-Grundstruktur.1 Dieser Teil
des Moleküls bindet an die C-terminale
Peptidstruktur D-Ala-D-Ala der Peptidoglykan-Vorstufen (Lipid II), aus denen die
Bakterienzelle die Zellwand synthetisiert.
Die Funktion der entscheidenden Enzyme
der Peptidoglykan-Synthese, der Transglycosylase und der Transpeptidase, wird
behindert, weil ihr Substrat blockiert ist.
Obwohl Glykopeptide damit - ähnlich wie
die ß-Laktamantibiotika - in die Zellwandsynthese eingreifen, findet keine direkte
Hemmung der Enzyme statt, sondern eine
Bindung an das Substrat; damit besteht ein
wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Antibiotikagruppen. Dies hat Konsequenzen für die Resistenzentwicklung und
die Frage einer möglichen Kreuzresistenz.
Bei genauer Betrachtung gibt es relevante
Unterschiede zwischen den einzelnen Glykopeptiden.
Mehrere Mechanismen sind bekannt, durch
die ein Erreger Vancomycin-resistent werden kann. Bei den VISA (Vancomycin-intermediär resistente S. aureus)-Stämmen ist
die Zellwand deutlich verdickt, die Antibio-
2
tika erreichen dann ihren Wirkort nicht.
Bei diesen Bakterienstämmen kann Dalbavancin noch wirksam sein, weil es ähnlich
wie Vancomycin dimerisiert und es zusätzlich über die C12-Seitenkette so in der Zellmembran verankert ist, dass es die Aktivität
der Zellwand synthetisierenden Enzyme
hemmen kann.1,2
Bei einer anderen Art von Resistenz ist
das Lipid II so verändert, dass die meisten
Glykopeptide nicht mehr binden können.
Der Peptidoglykanbaustein Lipid II wird
im Zytoplasma synthetisiert, in der Zytoplasmamembran verankert und dann zum
weiteren Aufbau der Zellwandschichten
benutzt. Resistenz gegen Glykopeptide wird
durch geringe Modifikationen erreicht:
durch Umwandlung des endständigen DAlanins in D-Laktat (VanA, VanB, VanD
Stämme) oder D-Serin (VanC, VanE, VanL).
Diese Stämme sind hochresistent (VRE,
Vancomycin-resistente
Enterokokken;
VRSA, Vancomycin-resistente S. aureus),
weil die Antibiotika nicht mehr ausreichend
an das veränderte Substrat binden können.
Die Gene, die diese Resistenz vermitteln
(vanA) wurden primär in Enterokokken
nachgewiesen und sind bei S. aureus zur Zeit
noch selten.
Bei diesen Stämmen besitzt Oritavancin als
einziges der Glykopeptide noch Aktivität.
Es lagert sich über einen lipophilen 4-Chlorbiphenylrest in die Membran ein, es bildet
Dimere und bindet fest genug auch an die
modifizierten Lipid-II-Bauteile, um die Synthese der Zellwand zu blockieren; daneben
kommt es zu einer Störung der Membranfunktion. 3,4
Pharmakokinetische Eigenschaften
Die Glykopeptid-Antibiotika werden nach
oraler Gabe nicht resorbiert und müssen zur
systemischen Therapie parenteral verabreicht werden. Eine orale Gabe von Vancomycin oder Teicoplanin bei der intestinalen
C. difficile-Infektion ist möglich. Die Proteinbindung ist bei allen Derivaten höher als
bei Vancomycin (55%) und liegt in einem
Bereich zwischen 85% (Oritavancin) und
93% (Dalbavancin). Der wesentliche Unterschied besteht in der Geschwindigkeit der
Elimination (s. Tabelle).
Während Vancomycin mit einer Halbwertzeit von ca. 6 Stunden rasch eliminiert
wird und mindestens zweimal täglich verabreicht werden muss, werden die anderen
Glykopeptide langsamer ausgeschieden.
Teicoplanin und Telavancin müssen einmal
täglich infundiert werden, für Dalbavancin
ist eine Infusion pro Woche und für Oritavancin eine einmalige Infusion ausreichend.
Dies gilt derzeit für die Therapie von Hautund Weichgewebsinfektionen, nicht jedoch
für andere Arten von Infektionen, wie
Pneumonie oder Sepsis [vgl. ZCT 2014: 35
(6): 59]. Die theoretischen Voraussetzungen
sind jedoch erfüllt, um auch Knocheninfektionen zum Beispiel mit Dalbavancin
zu behandeln. Bei niedrigen Hemmkonzentrationen von 0,06 µg/ml für S. aureus
wurden nach Infusion einer Dosis von 1,0g
Konzentrationen im Knochen von etwa 6
µg/g gemessen. 5
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Verträglichkeit
Zu den therapeutischen Problemen von
Vancomycin und Teicoplanin gehören das
nephro- und ototoxische Potenzial dieser
Antibiotika. Auch das neuere Telavancin
ist nephrotoxisch, während dies bei den beiden anderen halbsynthetischen Substanzen
nicht relevant zu sein scheint. In einer Vergleichsstudie zwischen Vancomycin und
Oritavancin waren leichte gastrointestinale
Reaktionen (Erbrechen, Diarrhö) und ZNSSymptome (Kopfschmerzen, Schwindel)
die häufigsten Nebenwirkungen. Zwischen
den beiden Arzneimitteln war kein Unterschied in der Häufigkeit erkennbar. Ein sehr
ähnliches Resultat wurde in den klinischen
Studien mit Dalbavancin registriert. Eine
abschließende Beurteilung der unerwünschten Wirkungen und insbesondere
möglicher seltener Risiken dieser Antibiotika kann zurzeit noch nicht erfolgen. Erst
der weitere klinische Einsatz wird zeigen, ob
zum Beispiel Hypersensitivitätsreaktionen
insbesondere bei den Präparaten mit langer
Verweildauer im Organismus zum Problem
werden könnten.
ZUSAMMENFASSUNG: Die vergrößerte Palette von Glykopeptid-Antibiotika erweitert die therapeutischen Optionen bei Infektionen durch grampositive
Bakterien. Vorteilhaft ist die erhöhte
antibakterielle Aktivität, die sich zum
Teil auch auf Erreger erstreckt, die gegen
Vancomycin (diverse Generika) resistent
sind. Ein weiterer Vorteil der beiden neueren Präparate Dalbavancin (XYDALBA) und Oritavancin (ORBACTIV) ist
die langsame Elimination, die es ermöglicht zumindest Haut- und Weichgewebsinfektionen mit nur einer Infusion pro
Woche bzw. mit einer Einmaltherapie
zu behandeln. Vancomycin, Teicoplanin
(TARGOCID) und Telavancin (VIBATIV) besitzen ein nephro- und ototoxisches Potenzial. Eine abschließende
Beurteilung der Verträglichkeit von Dalbavancin und Oritavancin ist derzeit aufgrund mangelnder klinischer Daten noch
nicht möglich. Nephro- und ototoxische
Effekte scheinen mit diesen Substanzen
nicht relevant zu sein.
1. BUTLER, M.S. et al.
J Antibiotics 2014; 67:631-644
2. ROECKER, A. M. & POPE, S.D.
Expert Opin Pharmacother 2008; 9:1745-1754
3. ZHANEL, G.G. et al.
Clin Inf Dis 2012; 54 (Suppl 3): S214-S219
4. MÜNCH, D. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2015 (ahead of
print)
k
„Merksätze“ der Infektiologie
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Ohne Händewaschen sind auch Kittel und Häubchen entbehrlich.
Wenn man die Temperatur nicht misst, findet man auch kein Fieber.
Fieber ist keine Meronem-Mangelkrankheit.
Das Fehlen einer Diagnose lässt sich nicht durch eine Dreifach-Kombination
ersetzen.
Je breiter das Spektrum, desto größer die Lücken.
Bei Verdacht auf Sepsis ist ein Rektalabstrich sinnlos.
Je länger der Probentransport, desto schwerer die Harnwegsinfektion.
Campylobacter wächst nicht auf Salmonellen-Spezialagar.
nach Schmitt, H. J., Consilium infectiorum 2007; 17: 1
Ab Ausgabe 2 der ZCT 2015 erscheint an dieser Stelle die Rubrik „Mikrobiologie in Klinik
und Praxis – Epidemiologie und Fortschritte der Diagnostik“.
Neueinführungen
dene neue Wirkstoffe zur Behandlung der
chronischen Hepatitis C in der klinischen
Prüfung.1,2
Daclatasvir – die erste Substanz
einer neuen Wirkstoffgruppe
gegen Hepatitis C-Viren
Antivirale Aktivität
Als Ergebnis eines screenings von mehr
als 1 Million Substanzen wurde eine neue
Klasse von Wirkstoffen entdeckt, die eine
bemerkenswert hohe Aktivität gegen das
Hepatitis C-Virus (HCV) aufweisen. In Zellkulturversuchen wurde beobachtet, dass
die Ausgangssubstanz BMS-824 spontan
dimerisierte, was zu der gezielten Synthese
symmetrischer Moleküle Anlass gab. Während die ersten Stoffe in diesem Entwicklungsprogramm eine antivirale Aktivität im
mikro- und nanomolaren Bereich zeigten,
konnten bei den Weiterentwicklungen Aktivitäten sogar im pikomolaren Bereich festgestellt werden.1
Das seit einigen Monaten verfügbare Daclatasvir (DAKLINZA) stellt einen vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung beim
Hersteller Bristol-Myers Squibb dar. Es
ist wohl einer der potentesten antiviralen
Wirkstoffe, die bisher beschrieben wurden.
Analoge Präparate befinden sich bei anderen Firmen in der klinischen Entwicklung.
Insgesamt sind derzeit mehr als 50 verschieStrukturformel Daclatasvir
Daclatasvir ist ein Inhibitor des multifunktionalen viralen Proteins NS5A, das ein
wesentlicher Bestandteil des HCV-Replikationskomplexes ist. Es handelt sich um ein
Phosphoprotein ohne enzymatische Aktivität. Daclatasvir hemmt durch Beeinflussung
dieses Proteins sowohl die virale RNA-Replikation als auch den Zusammenbau neuer
Viruspartikel (assembly). Die Hemmung
erfolgt hochselektiv bereits in sehr niedrigen Konzentrationen. Trotz der hohen
antiviralen Potenz ist die Resistenzbarriere
niedrig, dies gilt insbesondere für den Genotyp 1a, dem weltweit häufigsten Genotyp. In
vitro ist die Aktivität gegen Viren vom Genotyp 1b etwa fünffach höher, als gegen die
des 1a Genotyps. Auch bei der klinischen
Prüfung des Virustatikums in Kombination
mit Peginterferon (PEGASYS) und Ribavirin (COPEGUS) wurde beim Genotyp 1a
häufiger Resistenzentwicklung beobachtet
als beim Typ 1b. Eine Monotherapie mit
Daclatasvir ist nicht sinnvoll. Es eignet sich
besonders als Kombinationspartner mit
anderen Wirkstoffen mit direkter Aktivität
gegen HCV, wie zum Beispiel dem Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir (SOVALDI). 3
(= BMS-790052)
Das symmetrische
Molekül weist im
Zentrum eine Biphenylstruktur auf (MM
738,9 Da).
5. DUNNE, M.W. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2015 (ahead of
print)
3
Zeitschrift für Chemotherapie
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
Pharmakokinetische Eigenschaften
Daclatasvir wird nach oraler Einnahme
rasch resorbiert, eine leichte Mahlzeit hat
keinen wesentlichen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit. Bei einmal täglicher Einnahme von 60 mg wurde ein steady-state nach
vier Tagen erreicht. In der Tabelle wurden
einige pharmakokinetische Daten zusammengefasst. Daclatasvir ist ein Substrat von
Cytochrom 3A4 (CYP3A4) und besitzt eine
schwache, induktive Wirkung auf dieses
Enzym. Es hemmt die Transportproteine PGlykoprotein (P-gp), OATP1B1 und BCRP.
Pharmakokinetische Daten von Daclatasvir
Tabelle:
Parameter
Mittelwert
Cmax (mg/l)
1,5
Cmin (mg/l)
0,2
Tmax (h)
1 bis 2
AUC0-24 (mg/l x h)
14,1
Verteilungsvolumen (l)
47
Plasmaproteinbindung (%)
99
Metabolismus
CYP3A4
Renale Elimination
(unverändert)
ca. 6%
t1/2 (h)
12 - 15
Clearance (l/h)
4,2
mod. nach DAKLINZA, Summary of Product Characteristics2
Therapeutische Wirksamkeit
Daclatasvir ist zur Behandlung der chronischen Infektion mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) bei Erwachsenen in einer Dosierung von 60 mg einmal täglich zugelassen.
Daclatasvir muss in Kombination mit anderen Wirkstoffen mit direkter Aktivität
gegen HCV angewandt werden. Die Dauer
der Behandlung und auch die Kombinationspartner richten sich nach dem Genotyp
des HCV und einer eventuell erfolgten Vorbehandlung. Darüber hinaus wird zum Beispiel bei einer Leberzirrhose länger behandelt; andererseits kann die Dauer reduziert
werden, wenn positive Prognosefaktoren,
wie ein IL28B-CC-Genotyp, vorliegen.
Detaillierte Empfehlungen werden von der
Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) publiziert und fortlaufend
aktualisiert.4
Zunächst konnte gezeigt werden, dass durch
Daclatasvir ein zusätzlicher therapeutischer
Nutzen erzielt werden kann, wenn es als Ergänzung zu der früher üblichen Standardkombination von Peginterferon alpha-2a
und Ribavirin gegeben wird. Diese beiden
Therapeutika haben bekanntlich eine indi-
4
rekte, im Detail nicht geklärte Wirkung auf
die virale Vermehrung. Die Möglichkeiten
von Daclatasvir werden jedoch erst deutlich, wenn es mit anderen direkt wirksamen
Virustatika kombiniert wird.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Daclatasvir in Kombination mit Sofosbuvir (400
mg einmal täglich) mit oder ohne Ribavirin
bei der Behandlung einer chronischen Infektion mit HCV wurden in mehreren Studien
untersucht. Ein dauerhaftes virologisches
Ansprechen nach 12 Behandlungswochen
(SVR12) wurde von 99% der Patienten mit
HCV-Genotyp 1, von 96% der Patienten
mit Genotyp 2 und von 89% der Patienten
mit Genotyp 3 erreicht. Die Dreifach-Kombination aus Daclatasvir, Sofosbuvir und
Ribavirin wird bei Patienten mit Infektionen durch den Genotyp 3 empfohlen,
die zusätzlich eine kompensierte Zirrhose
aufweisen oder vorbehandelt sind. Bei Patienten mit dem Genotyp 4 kann Daclatasvir
auch mit dem früher üblichen Standardregime aus Ribavirin und Peginterferon kombiniert werden. Für Patienten, die mit den
Genotypen 5 oder 6 infiziert sind, liegen
keine Empfehlungen vor. 2,5,6
Unerwünschte Wirkungen, Interaktionen, Toxizität
Weil Daclatasvir immer in Kombination
mit anderen Arzneimitteln eingesetzt wird,
lässt sich die Verträglichkeit aus den klinischen Studien nur mit Einschränkungen
ableiten. Als häufigste Ereignisse, die während der Therapie beobachtet wurden, sind
zum Beispiel Müdigkeit, Kopfschmerzen
und Pruritus zu nennen. Diese Symptome
können jedoch auch krankheitsbedingt
sein oder durch die anderen gleichzeitig
verabreichten Substanzen verursacht werden. Eine Verschlechterung der Verträglichkeit des Peginterferon/Ribavirin-Regimes
durch Daclatasvir ist aus Placebo-kontrollierten Studien nicht abzuleiten. Dies ist ein
wesentlicher Unterschied zu den Proteaseinhibitoren Boceprevir (VICTRELIS) und
Telaprevir (INCIVO).
Dalclatasvir ist kontraindiziert bei gleichzeitiger Gabe von potenten CYP3A4- oder
P-gp-Induktoren, wie zum Beispiel Rifampicin (EREMFAT), Carbamazepin (diverse
Generika) oder Johanniskraut-Präparaten,
da diese zu einer Reduktion der Plasmaspiegel und gegebenenfalls zu einer Einschränkung des Therapieerfolgs führen können.
Daclatasvir zeigte in der toxikologischen
Prüfung ein teratogenes Potenzial. Bei Ratten betrafen die Fehlbildungen hauptsächlich Gehirn, Schädel, Augen, Ohren, Nase,
Lippen, Gaumen oder Extremitäten. Das
Arzneimittel darf daher nicht von Frauen
im gebärfähigen Alter eingenommen wer-
den, wenn keine empfängnisverhütenden
Maßnahmen durchgeführt werden.
Therapiekosten
Der Apothekenverkaufspreis für eine
Packung DAKLINZA mit 28 Tabletten
beträgt 13.325,25 Euro. Wenn das Arzneimittel mit dem noch teureren SOVALDI
(19.999,46 Euro) kombiniert wird, resultieren Tagestherapiekosten von fast 1.200 Euro
oder 100.000 Euro für die Gesamtbehandlung über zwölf Wochen.
ZUSAMMENFASSUNG: Daclatasvir
(DAKLINZA) ist das erste Arzneimittel
aus der Gruppe der NS5A-Inhibitoren,
das zur Behandlung der chronischen Hepatitis C in Kombination mit anderen
Arzneimitteln zugelassen ist. Als NS5A
wird ein nichtstrukturelles Protein bezeichnet, das ein wesentlicher Bestandteil des HCV-Replikationskomplexes
ist. Trotz hoher antiviraler Aktivität
von Daclatasvir ist die genetische Resistenzbarriere gering, es wird daher vorzugsweise mit dem Polymerase-(NS5B)Inhibitor
Sofosbuvir
(SOVALDI)
kombiniert. Diese einmal täglich, oral
einzunehmende Kombination führt vergleichsweise rasch zu einem dauerhaften
virologischen Ansprechen. Die Verträglichkeit der Kombination ist gut. Angesichts der begrenzten Anzahl von Patienten, die bisher behandelt wurden, ist
eine Aussage zu sehr selten auftretenden
unerwünschten Wirkungen allerdings
noch nicht möglich. Da die Substanz im
Tierexperiment teratogen ist, muss eine
Schwangerschaft während der Therapie
sicher verhütet werden.
1. BELDA, O., TARGETT-ADAMS, P.
Virus Res 2012; 170:1-14
2. DAKLINZA, SPC (Zusammenfassung
der Merkmale des Arzneimittels);
www.ema.europa.eu
3. AGHEMO, A., DE FRANCESCO, R.
Gut 2014 (ahead of print)
4. DGVS, Aktuelle Empfehlung zur Therapie
der chronischen Hepatitis C www.dgvs.
de/leitlinien/aktuelle-empfehlungen/
5. SULKOWSKI, M.S. et al.
N Engl J Med 2014; 370:211-221
6. FEENEY, E.R. und CHUNG, R.T
Brit Med. J 2014; 349:g3308
Ledipasvir plus Sofosbuvir – ein Kombinationspräparat zur oralen Therapie
der chronischen Hepatitis C
Die Kombination aus Daclatasvir (DAKLINZA) und Sofosbuvir (SOVALDI) er-
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
wies sich als ein wirksames und verträgliches
Regime zur einmal täglichen, oralen Behandlung der chronischen Hepatitis C (vgl.
ZCT 2015; 36:3-4).1 Die Studie zeigte, dass
offensichtlich die Kombination aus einem
NS5A-Inhibitor (Daclatasvir) und einem
Polymerase-(NS5B)-Inhibitor (Sofosbuvir)
auch bei erfolglos mit Protease-Inhibitoren
vorbehandelten Patienten gut wirksam ist.
Die beiden Arzneimittel wurden von verschiedenen Herstellern entwickelt (Sofosbuvir: Gilead; Daclatasvir: Bristol-Myers
Squibb). Es ist daher nicht überraschend,
dass von beiden Firmen Kombinationspräparate mit „eigenen“ Wirkstoffen produziert werden. Bristol-Myers Squibb entwickelt unter anderem den Proteaseinhibitor
Asunaprevir (in Europa noch nicht im Handel), der mit Daclatasvir kombiniert werden
kann. Von Gilead wurde vor einigen Monaten ein fixes Kombinationspräparat unter dem Namen HARVONI in den Handel
gebracht, das den NS5A-Inibitor Ledipasvir
(= GS-5885) und Sofosbuvir vereint. Da Sofosbuvir bereits in einer früheren Ausgabe
dieser Zeitschrift beschrieben wurde (vgl.
www.zct-berlin.de, Antiinfektiva/Neueinführungen), soll in diesem Beitrag auf die
Eigenschaften des Ledipasvir fokussiert werden, einer Substanz, die als Monotherapeutikum nicht verfügbar ist.
Empfindlichkeit gegenüber Ledipasvir war
beim Genotyp 1a und 1b mit der primären
NS5A-Substitution Y93H verbunden. Darüber hinaus entwickelte sich in den Replikons des Genotyps 1a eine Q30E-Substitution. Ledipasvir war uneingeschränkt aktiv
gegen die mit Sofosbuvir-Resistenz assoziierte Substitution S282T in NS5B, während
alle mit Ledipasvir-Resistenz assoziierten
Substitutionen in NS5A uneingeschränkt
empfindlich gegenüber Sofosbuvir waren. 2
Pharmakokinetische Eigenschaften
Die Angaben zur Pharmakokinetik von Ledipasvir in der Tabelle beziehen sich auf die
Anwendung in Kombination mit Sofosbuvir. Demnach wird Ledipasvir nach oraler
Einnahme rasch und unabhängig von der
Nahrungsaufnahme resorbiert und größtenteils, zu etwa 70%, unverändert biliär
eliminiert. Im Vergleich zu Daclatasvir sind
die Plasmakonzentrationen von Ledipasvir
niedriger und die Eliminationshalbwertzeit
länger. In vitro wurde keine nachweisbare
Metabolisierung von Ledipasvir über humane Cytochrom-abhängige Monooxygenasen beobachtet. Es liegen Hinweise auf
eine langsame oxidative Metabolisierung
durch einen unbekannten Mechanismus
vor. 2
C-Virus (HCV) bei Erwachsenen in einer
Dosierung von 90 mg / 400 mg einmal täglich zugelassen. In drei klinischen Studien,
die im April 2014 im New England Journal
of Medicine erschienen, wurden insgesamt
fast 2.000 Patienten mit chronischer Hepatitis C (Genotyp 1a oder 1b) behandelt, von
denen 93% bis 99% ein anhaltendes virologisches Ansprechen zeigten. 3 In den ION1- und ION-2-Studien war die Wirksamkeit
nach 12 Wochen sehr ähnlich wie nach 24
Wochen. Es machte ebenfalls keinen Unterschied, ob zusätzlich Ribavirin (COPEGUS u.a.) verabreicht wurde oder nicht.
Bei nicht vorbehandelten Patienten ohne
Leberzirrhose war eine 8-wöchige Therapie
der 12-wöchigen Behandlung gleichwertig.
Allerdings waren die Rückfallraten höher
bei kürzerer Therapiedauer (8 Wochen:
5%; 12 Wochen: 2%; 24 Wochen: 0,2%).
Das gute Behandlungsergebnis war unabhängig vom Genotyp (1a vs. 1b). Ein mehr
als 94%iges Ansprechen wurde auch erzielt
bei Patienten, bei denen zuvor eine Interferon-basierte Therapie nicht gewirkt hatte.
Lediglich bei Patienten mit Leberzirrhose
wurde mit 88% eine relativ geringere Ansprechrate ermittelt. Weitere Daten zeigen,
dass ähnlich hohe Behandlungserfolge auch
bei Infektionen mit den HCV-Genotypen 2
und 3 möglich sind. 3,4
Chemische Struktur, antivirale
Aktivität
Tabelle:
Pharmakokinetische Daten von Ledipasvir
Unerwünschte Wirkungen, Interaktionen, Toxizität
Ledipasvir besitzt eine ähnliche Struktur
wie Daclatasvir, der einzige andere bisher
zugelassene Stoff aus dieser Arzneimittelklasse (s. Abbildung).
Parameter
Mittelwert
Cmax (mg/l)
0,3
Tmax (h)
4
AUC0-24 (mg/l x h)
7,3
Ledipasvir hemmt das Hepatitis C-Virus ähnlich wie Daclatasvir - bereits in niedrigen
pikomolaren Konzentrationen durch Beeinflussung des viralen Proteins NS5A, das
ein wesentlicher Bestandteil des HCV-Replikationskomplexes ist. In vitro wurde eine
Hemmung bereits bei 31 (Genotyp 1a) bzw. 4
pM (Genotyp 1b) beobachtet (EC50 -Werte).
Im Vergleich dazu sind für den PolymeraseInhibitor Sofosbuvir mehr als 1000-fach höhere Konzentrationen notwendig (40 und
110 nM). In Zellkulturen wurden HCV-Replikons mit reduzierter Empfindlichkeit gegenüber Ledipasvir selektiert. Die reduzierte
Plasmaproteinbindung (%)
> 99,8
Metabolismus
unbekannt
Renale Elimination
(unverändert)
ca. 1%
t1/2 (h)
47
Nach den bisherigen Erfahrungen zeichnet sich HARVONI durch eine gute Verträglichkeit aus. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen, die während der
klinischen Prüfung registriert wurden, gehörten Müdigkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen. Von 539 Patienten, die dieses Kombinationspräparat in den klinischen Studien
12 Wochen lang ohne weitere Medikation
erhielten, brachen nur zwei Teilnehmer die
Studie wegen unerwünschter Wirkungen
ab. 3
Strukturformel Ledipasvir
mod. nach SPC HARVONI
2
Therapeutische Wirksamkeit
Das Kombinationspräparat aus Sofosbuvir und Ledipasvir ist zur Behandlung der
chronischen Infektion mit dem Hepatitis
(= GS-5885; MM 889,0 Da)
Das Molekül besitzt im
Vergleich zu Daclatasvir
einen ähnlichen, jedoch
nicht streng symmetrischen Aufbau mit einer
zentralen DifluorfluorenStruktur.
Ledipasvir und Sofosbuvir sind Substrate
der Transporterproteine P-gp und BCRP.
Potente P-gp-Induktoren [z.B. Rifampicin
(EREMFAT), Carbamazepin (diverse Generika) oder Johanniskraut-Präparate], können zu einer Abnahme der Plasmakonzentrationen von Ledipasvir führen und sollten
daher nicht zusammen mit HARVONI
verabreicht werden. Klinisch bedeutsame
Wechselwirkungen mit Ledipasvir/Sofosbuvir, die über CYP450- oder UGT1A1Enzyme vermittelt werden, sind nicht zu
erwarten. 2
Im Gegensatz zu Daclatasvir zeigten weder
Ledipasvir noch Sofosbuvir in den routinemäßig durchgeführten reproduktionstoxikologischen Studien an Ratten und Kaninchen ein teratogenes Potenzial.
5
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Therapiekosten
Der Apothekenverkaufspreis für eine Packung HARVONI mit 28 Filmtabletten beträgt 22.260,88 Euro.
ZUSAMMENFASSUNG: Das Kombinationspräparat HARVONI enthält
die Wirkstoffe Ledipasvir und Sofosbuvir zur Behandlung der chronischen
Hepatitis C. Diese einmal täglich, oral
einzunehmende Kombination führt vergleichsweise rasch zu einem dauerhaften
virologischen Ansprechen. Die Verträglichkeit der Kombination ist gut. Angesichts der begrenzten Anzahl von Patienten, die bisher behandelt wurden, ist
eine Aussage zu sehr selten auftretenden
unerwünschten Wirkungen allerdings
noch nicht möglich. Weitere Arzneimittel zur oralen Behandlung einer chronischen Hepatitis C werden in den nächsten Monaten in den Handel kommen. Es
bleibt abzuwarten, welche Präparate sich
letztlich durchsetzen werden.
1. SULKOWSKI, M.S. et al.
N Engl J Med 2014; 370:211-221
2. HARVONI, SPC (Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels); www.ema.europa.eu
3. HOOFNAGLE, J.H., SHERKER, A.H.
N Engl J Med 2014; 370:1552-1553
4. ASSELAH, T., MARCELLIN, P.
Liver Int 2015; 35 (Suppl. 1):56-64
Hepatitis C
Virustatika zur oralen Behandlung der Hepatitis C
In dieser Ausgabe der Zeitschrift für Chemotherapie werden zwei neue Virustatika
beschrieben, die seit kurzem für die Therapie der chronischen Hepatitis C zur Verfügung stehen. Die rasante Entwicklung auf
diesem Gebiet hält seit Jahren an, nun wurde mit HARVONI (Sofosbuvir/Ledipasvir)
ein erstes Kombinationspräparat zur oralen,
Interferon-freien Behandlung der Hepatitis C zugelassen. Eine Alternative stellt die
Kombination aus den beiden Monopräparaten Sofosbuvir (SOVALDI) und Daclatasvir
(DAKLINZA) dar (vgl. ZCT 2014; 35:16).
Erst vor einigen Wochen hat der Ausschuss
für Humanarzneimittel der Europäischen
Arzneimittelbehörde EMA (CHMP) Zulassungsempfehlungen für zwei weitere
Präparate zur Therapie der Hepatitis C
ausgesprochen: Dasabuvir, ein Hemmstoff
der RNA-Polymerase NS5B (EXVIERA)
und eine Fixkombination aus Ombitasvir
plus Paritaprevir plus Ritonavir (VIEKIRAX). Ombitasvir ist ein Hemmstoff des
viralen Proteins NS5A, Paritaprevir hemmt
die virale Protease. Die Abbildung auf S. 7
gibt einen Überblick über die Proteine des
Hepatitis C-Virus und die Zuordnung der
entsprechenden Arzneistoffe.
In einigen Teilbereichen besteht sicher noch
weiterer Bedarf zur Optimierung der Behandlung. Als die Kombination aus Peginterferon alpha (PEGASYS) und Ribavirin
(COPEGUS) noch die Standardtherapie
darstellte, galten Infektionen durch die
HCV Genotypen 1 und 4 als „schwierig“
zu behandeln, während die Genotypen 2
und 3 geringere Probleme machten. Mit den
neueren Therapeutika hat sich die Situation geändert: Die Patienten mit einer HCV
Genotyp 3-Infektion stellen nun die am
schwierigsten zu behandelnden Patienten
dar, bei denen in Abhängigkeit vom Ausmaß einer bestehenden Fibrose und einer
Vorbehandlung mit Interferon die Kombination aus Sofosbuvir und Ribavirin nicht
ausreichend erfolgreich war.1,2
In der untenstehenden Tabelle wurden die
neueren Wirkstoffe zusammengestellt, die
bisher im Handel sind oder deren Zulassung
unmittelbar bevorsteht. Bei der breiten Anwendung außerhalb der klinischen Studien
wird sich zeigen müssen, wie sehr Abstriche
bei den hohen Erfolgsraten gemacht werden
müssen. Die Compliance der Patienten wird
ein wesentlicher Aspekt sein, der beachtet
werden muss, um Rückfälle zu vermeiden.
Auch die Frage möglicher Arzneimittelinteraktionen wird sich erst bei häufigerer
Anwendung und weiterer Untersuchungen
besser beantworten lassen. Schließlich
bleibt das Problem schwerwiegender unerwünschter Wirkungen offen, da alle neuen Verbindungen nur bei einer begrenzten
Tabelle: Virustatika zur Behandlung der chronischen Hepatitis C
Arzneimittelgruppe
Abkürzung
für das virale
Zielprotein *
Freiname
Handelsname
Hersteller
Genotypen
Resistenzbarriere
ZCT
Heft
ProteaseInhibitoren
NS3/4A
Boceprevir
VICTRELIS
Merck (MSD)
1
niedrig
5 / 2011
Telaprevir
INCIVO
Janssen (J&J)
1
niedrig
6 / 2011
Simeprevir
OLYSIO
Janssen (J&J)
1, 4
niedrig
5 / 2014
Asunaprevir
SUNVEPRA**
BMS
1, 4
niedrig
Paritaprevir
in: VIEKIRAX
Abbvie
1-4, 6
PolymeraseInhibitoren
(Nukleotidanaloga)
NS5B
Sofosbuvir
SOVALDI
Gilead
alle
PolymeraseInhibitoren
(nicht-nukleosidisch)
NS5B
Dasabuvir
EXVIERA
Abbvie
1
BMS
1, 3-6
niedrig
Inhibitoren des
Replikationskomplexes
NS5A
Beclabuvir
2 / 2014
Daclatasvir***
DAKLINZA
BMS
alle
niedrig
1 / 2015
Ledipasvir***
in: HARVONI
Gilead
alle
niedrig
1 / 2105
Ombitasvir
in: VIEKIRAX
Abbvie
alle
niedrig
* beim Hepatitis C-Virus werden strukturelle (z. B. Hüllproteine) und nichtstrukturelle (NS) Proteine unterschieden
** Handelsname in Japan; Asunaprevir ist in Europa noch nicht im Handel
*** Anwendung zusammen mit Sofosbuvir; HARVONI ist ein fixes Kombinationspräparat aus Sofosbuvir und Ledipasvir
6
hoch
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Anzahl von Patienten geprüft wurden. Von
Interesse wird auch sein, in wieweit die sich
abzeichnende Konkurrenzsituation zu einer Reduktion des sehr hohen Preisniveaus
der neuen Präparate führt.
1. PETTA, S. und CRAXI, A.
Liver Int 2015; 35 (Suppl.1 ): 4-10
2. LAWITZ, E. et al.
N Engl J Med 2013; 368:1878-1887
Pneumonien
Ambulant erworbene Pneumonie: Mono- oder Kombinationstherapie?
Die ambulant erworbene Pneumonie ist
eine erhebliche Belastung für das Gesundheitswesen, da diese Infektion mit einer relativ hohen Rate an stationär behandelten
Patienten und einer hohen Letalität einhergeht. In Deutschland werden im Mittel
um die 250.000 Patienten jährlich mit einer
ambulant erworbenen Pneumonie in den
Krankenhäusern behandelt und die Letalität bewegt sich konstant zwischen 12 und
14%. Die optimale Behandlung, insbesondere die Frage, ob eine Monotherapie ausreicht oder eine Kombinationstherapie besser
ist, wird kontrovers diskutiert. Während in
den nordamerikanischen Leitlinien immer
eine Erfassung der atypischen Erreger in
Form einer Kombination aus Betalaktamplus Makrolid-Antibiotikum bzw. mittels
Fluorchinolonen empfohlen wird, beharren
die europäischen Leitlinien konsequent auf
der Monotherapie mit einem BetalaktamAntibiotikum. In der vorliegenden Schweizer Studie wurde versucht, diese Frage zu
klären.
In einer prospektiven offenen randomisierten Studie vom Januar 2009 bis Januar
2013 wurden 602 Patienten in sechs Schweizer Krankenhäusern der Akut-Versorgung
eingeschlossen, von denen letztlich 580 Patienten ausgewertet werden konnten. Die
Patienten erhielten in randomisierter Zuteilung Co-Amoxiclav (AUGMENTAN
u.a.) in einer Dosierung von 1,2 g viermal
täglich oder Cefuroxim (ELOBACT u. a.)
1,5 g dreimal täglich i. v., wobei in der Kombinationsgruppe Clarithromycin (KLACID u. a.) in einer Dosis von 2 x 500 mg i.v.
oder oral hinzugegeben wurde. Diagnostisch wurden Blutkulturen, Sputum und
Pleuraflüssigkeit mikrobiologisch analysiert sowie das Legionellen-Antigen im Urin
bestimmt. Ein Rachenabstrich wurde am
ersten Tag zum Nachweis von C. pneumoniae und M. pneumoniae mittels PCR vorgenommen. Die Schwere der Erkrankung
wurde mittels Pneumonia Severity Index
(PSI) sowie CURB-65-Index bestimmt. Das
mediane Lebensalter der Patienten (291 im
Monotherapie-Arm und 289 in der Kombinationsgruppe) lag bei 76 Jahren. 351 (60,5%)
wiesen mindestens eine oder mehr Grunderkrankungen auf. Der mittlere PSI-Index
betrug 84,5; 54% der Patienten hatten einen
CURB-65-Index von ≥ 2. Bei 180 Patienten
(31,0%) wurde eine bakteriologische Ätio-
logie gesichert, davon hatten 48 Patienten
(8,3%) eine Bakteriämie. Streptococcus
pneumoniae war mit etwa 15% der häufigste
Erreger im Monotherapie-Arm und in der
Vergleichsgruppe. 12 Patienten (4,1%) in der
Monotherapie-Gruppe wiesen eine L. pneumophila-Infektion auf im Vergleich zu vier
Patienten (1,4%) im Kombinationsarm. Die
Mehrzahl der Patienten in beiden Gruppen
(77% und 74,4%) wurde mit Co-Amoxiclav
behandelt.
Der primäre Endpunkt der Studie war
die klinische Stabilität zum Tag 7 der Behandlung, die von 120 Patienten (41,2%) in
der Monotherapie-Gruppe nicht erreicht
wurde im Vergleich zu 33,6% im Kombinationsarm. Die absolute Differenz betrug
7,6%, was statistisch zu dem Ergebnis führte, dass die Monotherapie gegenüber der
Kombinationstherapie primär nicht unterlegen war. Auch bezüglich der Letalität am
Tag 30 (4,8% in der Monotherapie-Gruppe
versus 3,4% in der KombinationstherapieGruppe) wie auch zum Tag 90 (8,2% versus
6,9%) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. In den Subgruppen-Analysen
zeigte sich eine signifikante Überlegenheit
der Kombinationstherapie bei den Patienten
mit einer Infektion durch atypische Erreger
(p = 0,02). Auch bei den Patienten mit einer
schwerergradigen Pneumonie (PSI IV oder
CURB-65 2 bis 5) zeigte sich eine deutliche
Tendenz zugunsten der Kombinationsbehandlung. Auffällig war auch, dass bis zum
Tag 30 mehr Patienten im MonotherapieArm wieder in die Klinik eingewiesen werden mussten (7,9% versus 3,1%).
7
Zeitschrift für Chemotherapie
FOLGERUNG DER AUTOREN: Prinzipiell erwies sich die Monotherapie
mit einem Betalaktam-Antibiotikum
im Vergleich zu einer Kombination aus
Betalaktam plus Makrolid als nicht unterlegen in der Therapie der leichten bis
mittelschweren ambulant erworbenen
Pneumonie bei stationär behandelten
Patienten. Allerdings sollte bei höherem
Schweregrad (PSI Kategorie IV/V oder
CURB-65-Score >2) eine Kombinationstherapie bevorzugt werden. Das
gleiche gilt auch für Patienten mit einer
Infektion durch atypische Erreger, insbesondere durch Legionella pneumophila.
GARIN, N. et al.
JAMA 2014; 174:1894-1901
Invasive Pneumokokken-Infektionen: Vorangegangene Antibiotika-Therapie beachten
Invasive Pneumokokken-Infektionen sind
eine bedrohliche Infektion, die mit einer
erhöhten Letalität einhergehen. In den
USA wird von etwa 43.500 Infektionen mit
5.000 Todesfällen ausgegangen. Eine frühe
und wirksame antimikrobielle Therapie ist
für die Prognose des Krankheitsbildes von
großer Bedeutung. Aus älteren Studien
gibt es Hinweise, dass eine vorangegangene
Antibiotika-Therapie in den letzten drei
Monaten vor der akuten Manifestation
der Infektion mit einer erhöhten Resistenz
der Erreger einhergehen kann. Eine sehr
erfahrene Arbeitsgruppe aus Toronto in
Kanada analysierte diese Frage erneut in einer prospektiven Studie in den Jahren 2002
bis 2011. In diesen 10 Jahren wurden insgesamt 4.490 Patienten mit einer invasiven
Pneumokokken-Infektion identifiziert, bei
90% (4.062) lagen ausreichende klinische
Informationen und auch mikrobiologische
Empfindlichkeitsdaten vor. Das mediane
Alter der Patienten betrug 57 Jahre und
45% waren Frauen. Bei 4% kam es zu den
Infektionen während eines Krankenhausaufenthaltes und 5% der Patienten lebten in
Pflegeheimen. 88% der Patienten waren hospitalisiert und 28% benötigten eine intensivmedizinische Versorgung unmittelbar nach
der Krankenhausaufnahme. 21% der 4.062
Isolate waren Erythromycin-resistent, 1 %
wiesen eine Unempfindlichkeit gegenüber
Fluorchinolonen auf, 16% waren Penicillin-resistent und 6% hatten eine Resistenz
gegenüber Ceftriaxon (ROCEPHIN u.a.).
Zwischen 2002 und 2011 stieg die Resistenz
gegenüber Erythromycin von 14% auf 32%
an. Die Resistenz gegenüber Penicillin blieb
mit 16% auf 17% weitgehend stabil, das Gleiche galt auch für die sehr niedrige Resistenz
gegenüber Levofloxacin (TAVANIC u.a.).
Bei 29% der Patienten war in den drei Mo-
8
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
naten vor der akuten Infektion eine antibiotische Behandlung vorangegangen. Diese
betraf bei 349 Patienten Makrolide, bei 436
Patienten Fluorchinolone, in 322 Fällen Penicilline und bei 311 Patienten Cephalosporine. In einer Multivarianzanalyse war eine
vorangegangene Therapie mit Makroliden,
Cephalosporinen und Penicillinen assoziiert mit einer signifikant erhöhten Resistenz
der nachgewiesenen Pneumokokken. Insbesondere die Vorbehandlung innerhalb des
letzten Monats vor der akuten Erkrankung
war mit einer vermehrten Resistenz verbunden. Für die Makrolide konnte ein besonders
lang anhaltender Zeitraum vom Abschluss
der Vorbehandlung bis zum Nachweis von
resistenten Pneumokokken gezeigt werden.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
anamnestische Erfassung einer antibiotischen Vorbehandlung bei Patienten mit
akuten invasiven Pneumokokken-Infektionen ist außerordentlich wichtig, da ein
eindeutiger Zusammenhang besteht zwischen einer antibiotischen Behandlung
innerhalb der letzten ein bis drei Monate
und dem Nachweis von resistenten Pneumokokken. Insbesondere eine Makrolid-Vorbehandlung innerhalb der letzten
drei Monate muss an eine Resistenzentwicklung denken lassen.
KUSTER, S. P. et al.
Clin Infect Dis 2014;59:944-952
Endokarditis
Bakterielle Endokarditis: Ohne
Prophylaxe mehr Erkrankungen?
Die bakterielle Endokarditis ist eine seltene Infektion, die jedoch mit einer hohen
Morbidität und Letalität assoziiert ist. Orale
Viridans-Streptokokken werden als häufige Erreger zwischen 35% bis 45% in vielen
Studien nachgewiesen. Eine antibiotische
Prophylaxe vor einem invasiven zahnärztlichen Eingriff ist bis vor einigen Jahren
prinzipiell empfohlen und durchgeführt
worden. Hintergrund dieser Prophylaxe ist
eine Bakteriämie zu vermeiden, die bei disponierten Patienten eine bakterielle Klappeninfektion auslösen kann. Indikationen
für eine perioperative Prophylaxe sind eine
vorangegangene abgelaufene Infektion der
Herzklappen, Existenz von prothetischen
Herzklappen oder nicht beseitigte zyanotische kongenitale Herzfehler. Patienten mit
abgelaufenem rheumatischen Fieber, pathologischen Herzgeräuschen oder Hinweisen
auf ein Klappenvitium haben ebenfalls ein
erhöhtes Risiko. Diese wurde zumeist mit
3 g Amoxicillin (AMOXYPEN u. a.) oder
mit 600 mg Clindamycin (SOBELIN u. a.)
als einmalige orale Gabe vor dem Eingriff
durchgeführt. Da die Evidenz für diese
Maßnahme in der Literatur bisher nicht
überzeugend dargelegt war, empfahl die nationale Gesundheitsbehörde in Großbritannien im März 2008 bei allen Patienten auf
diese Prophylaxe zu verzichten.
In einer umfangreichen retrospektiven Analyse untersuchten Autoren aus der Universität von Sheffield die Datenlage bezüglich der
antibiotischen Prophylaxe von Januar 2004
bis März 2013 und erfassten auch die Anzahl
der Patienten mit einer primären Diagnose
einer bakteriellen Endokarditis vom Januar
2000 bis zum März 2013.1 Die Ergebnisse
zeigten, dass die Verschreibungen einer antibiotischen Prophylaxe von im Mittel 10.900
monatlich im Zeitraum bis März 2008 abfiel
auf 2.236 pro Monat im Zeitraum von April
2008 bis März 2013. In den letzten sechs Monaten der Studie war der Rückgang der Verschreibungen mit nur 1.307 pro Monat noch
eindrucksvoller. Die Mehrzahl der Verschreibungen betraf Amoxicillin und wurde überwiegend zu 90% durch Zahnärzte
vorgenommen. Insgesamt 19.804 Patienten
mit der primären Diagnose einer bakteriellen Endokarditis wurden zwischen Januar
2000 und März 2013 ermittelt. Hinsichtlich
der Inzidenz einer Endokarditis konnten die
Autoren bis zum März 2008 einen geringen
jährlichen Anstieg beobachten. Dieser Anstieg änderte sich jedoch signifikant nach
der Empfehlung der nationalen Gesundheitsbehörde mit einer monatlichen Zunahme von 0,11 Erkrankungen pro 10 Millionen
Einwohner. Bis zum März 2013 berichteten
die Autoren, dass monatlich 34,9 Fälle einer
bakteriellen Endokarditis mehr auftraten
im Vergleich zu der Periode vor März 2008.
Von Bedeutung war, dass dieser signifikante
Trend nicht nur bei Patienten mit hohem
Risiko, sondern auch bei der Patientengruppe mit mittlerem Risiko nachweisbar war.
In der Diskussion ihrer Daten weisen die
Autoren ausdrücklich darauf hin, dass in
einer ersten Studie 2 mit einer Analyse nach
zwei Jahren dieser signifikante Trend nicht
nachweisbar war und dieser erst in der vorliegenden Analyse über fünf Jahre deutlich
wurde.
FOLGERUNG DER AUTOREN: In einer retrospektiven Fünf-Jahres-Analyse
vor und nach der Empfehlung der nationalen britischen Gesundheitsbehörde,
auf eine Endokarditis-Prophylaxe zu
verzichten, wurde zwar eine signifikante
eindrucksvolle Abnahme der Prophylaxe-Verschreibungen festgestellt, jedoch
auf der anderen Seite auch ein signifikanter Anstieg der Inzidenz der bakteriellen Endokarditis. Die Autoren weisen
aber vorsichtigerweise auch darauf hin,
dass andere Faktoren (bessere Diagnostik
u.a.) einen Einfluss auf ihre Ergebnisse
haben könnten.
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
1. DAYER, M. J. et al.
Lancet 2014; online Nov. 2014
2. Thornhill, M. M. et al.
Brit Med J 2011; 342:d2392
Reserve-Therapie bei komplizierten Endokarditiden durch
MRSA
Die antibiotische Therapie einer bakteriellen Endokarditis durch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) wird auf
der Basis der gegenwärtigen internationalen
Leitlinien vorwiegend mit Vancomycin
(VANCOMYCIN CP u.a.) oder Daptomycin (CUBICIN) durchgeführt. Insbesondere
bei der Endokarditis der Klappen des linken
Herzens ist diese Therapie häufig nicht erfolgreich und Alternativbehandlungen werden notwendig. In vitro-Untersuchungen
deuten darauf hin, dass Fosfomycin (INFECTOFOS) über eine schnelle bakterizide Aktivität gegen grampositive Erreger
verfügt mittels Hemmung der frühen Phase
der Peptidoglykan-Synthese in der bakteriellen Zellwand. Wegen der schnellen
Resistenzentwicklung einer Monotherapie
mit Fosfomycin muss diese Substanz in der
Regel mit anderen Antibiotika kombiniert
werden. Eine spanische Autorengruppe hat
auf der Basis ihrer günstigen in vitro-Daten
von Fosfomycin mit dem Carbapenem-Antibiotikum Imipenem (ZIENAM u. a.) diese
Kombination bei schwerkranken Patienten
mit nachgewiesener Endokarditis bzw. Bakteriämie durch MRSA eingesetzt. Insgesamt
16 Patienten, davon 12 mit einer Endokarditis an linksseitigen Herzklappen, zwei
mit einer Infektion einer Gefäßprothese
und zwei mit komplizierten Bakteriämien,
wurden nach nicht erfolgreicher vorangegangener Behandlung mit Vancomycin und
Daptomycin prospektiv in die Studie aufgenommen. Das mediane Lebensalter betrug
67,5 Jahre, 13 Patienten litten an chronischen
Grunderkrankungen wie Leberzirrhose,
Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus
sowie Tumoren. Alle MRSA-Isolate waren
empfindlich gegenüber Vancomycin und
Daptomycin, die Fosfomycin-MHK-Werte
lagen durchweg bei weniger als 32 µg/ml
und vier Isolate wiesen MHK-Werte gegenüber Imipenem im sensiblen Bereich auf.
Die Kombinationstherapie über im Median
28 Tage bestand in 2 g Fosfomycin alle sechs
Stunden täglich intravenös plus Imipenem
1g alle sechs Stunden täglich ebenfalls intravenös. Am primären Endpunkt der Studie
– 72 Stunden nach Beginn der Therapie
– waren sämtliche Blutkulturen negativ.
Eine Durchbruchsbakteriämie wurde unter der Behandlung nicht beobachtet. Am
klinischen Endpunkt, 45 Tage nach Beendigung der antibiotischen Therapie waren 11
der 16 Patienten erfolgreich behandelt, fünf
waren verstorben. In vier der fünf Todesfälle waren andere Ursachen und nicht die
Infektion für den ungünstigen Verlauf verantwortlich. Als wesentliche Unverträglichkeitsreaktion wurde bei drei Patienten mit
einer Leberzirrhose eine erhebliche Natrium-Belastung beobachtet, die letztlich bei
einem Patienten für den tödlichen Verlauf
mitverantwortlich war.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
Aussagekraft dieser Studie ist sicherlich
limitiert wegen der recht kleinen Patientenzahl. Allerdings sind die relativ günstigen Therapieergebnisse der Kombination aus Fosfomycin (INFECTOFOS) mit
Imipenem (ZIENAM) als Reservetherapie bei nicht erfolgreicher Vorbehandlung einer Linksherz-Endokarditis recht
ermutigend. Eine inzwischen gestartete
prospektive Vergleichsstudie soll den
Stellenwert dieser Kombination weiter
untersuchen.
DEL RIO, A. et al.
Clin Infect Dis 2014; 59:1105-1112
Nebenwirkungen
Makrolide und Pylorusstenose –
deutliche Risikoerhöhung in den
ersten zwei Lebenswochen
Neben ihrer antibakteriellen Aktivität besitzen Makrolid-Antibiotika weitere pharmakologische Wirkungen. Es ist bekannt,
dass sie Motilin-Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt stimulieren können. Dies wird
zum Beispiel bei der Behandlung der Gastroparese mit Makroliden ausgenutzt. Bei
Neugeborenen verursacht die Stimulation
der glatten Muskulatur wahrscheinlich eine
Pylorushypertrophie und Stenose. Auf das
erhöhte Risiko einer infantilen hypertrophen Pylorusstenose (IHPS) nach Makrolidbehandlung bei Säuglingen hatten bereits
frühere Untersuchungen hingewiesen. Unklarheiten bestehen jedoch noch hinsichtlich der sensiblen Entwicklungsphase und
inwieweit eine mütterliche Einnahme auch
zu diesen kindlichen Veränderungen führen kann, da Makrolide in der Muttermilch
vorhanden sind und auf den Säugling übergehen.
Eine Gruppe von Epidemiologen untersuchte in Dänemark erneut die Zusammenhänge und analysierte die Daten von
etwa einer Million Kindern, die zwischen
1996 und 2001 geboren worden waren.
Eine Behandlung innerhalb der ersten zwei
Lebenswochen führte zu einem etwa 30fachen Anstieg der IHPS-Inzidenz. Dies
entspricht einer Zunahme der Erkrankung
von 2,4% und stimmt mit den früheren
Resultaten überein. Auch in einem späteren
Zeitraum (14 bis 120 Tage nach der Geburt)
war noch ein erhöhtes Risiko erkennbar (ca.
3,2-fach). Die mütterliche Einnahme eines
Makrolidantibiotikums innerhalb von zwei
Wochen nach der Geburt war mit einer
ähnlichen Risikoerhöhung assoziiert (3,5fach). Bei Makrolidgebrauch in der späten
Schwangerschaft war dagegen keine signifikante Erhöhung des Risikos zu ermitteln.
FOLGERUNG DER AUTROEN: Eine
Behandlung von Neugeborenen mit Makrolid-Antibiotika ist in den ersten beiden Lebenswochen mit einem deutlich
erhöhten Risiko für eine Pylorushypertrophie assoziiert. Falls die stillende Mutter während dieser Zeit mit einem Makrolid behandelt wird, ist ebenfalls eine
geringe Assoziation nachweisbar. Auf
Makrolide sollte bei Neugeborenen verzichtet werden. Problematisch ist die Situation, wenn das Kind an Keuchhusten
erkrankt ist. Bei Pertussis sind Makrolide
die Mittel der ersten Wahl, ohne Antibiotikatherapie kann diese Infektion bei
Säuglingen zum Tode führen.
LUND, M. et al.
Brit Med J 2014; 348: g1908
Verstärken Statine die myotoxische Wirkung von Daptomycin?
Daptomycin (CUBICIN) kann Myopathien
verursachen vgl. www.zct-berlin.de, „Neueinführungen, Daptomycin“). Eine Kontrolle der Creatin-Phosphokinase (CPK)
wird daher empfohlen. Über mögliche synergistische Wirkungen zwischen Daptomycin und anderen potenziell myotoxischen
Arzneistoffen ist wenig bekannt. In den
USA wurden daher in einer retrospektiven
Studie die Daten von 49 Patienten ausgewertet, die während einer Behandlung mit
Daptomycin gleichzeitig ein Statin-haltiges
Arzneimittel bekamen. Diese wurden mit
einer Gruppe von 171 Patienten verglichen,
die keine Statine während einer Daptomycin-Therapie erhielten. Myalgien traten bei
6,1% der Patienten auf, die gleichzeitig mit
Statinen behandelt wurden (3 von 49), dagegen nur bei 2,9% (5 von 171), die nur das Lipopeptidantibiotikum erhalten hatten. Ein
ähnlicher Unterschied wurde hinsichtlich
der CPK-Erhöhung gefunden: Werte von >
1000 U/L traten bei etwa 10% bzw. 5% der
Patienten auf. Auch die Abbruchrate war in
der Kombinationsgruppe höher (6,1% vs.
3,5%); nach Absetzen des Antibiotikums
waren sowohl die Symptome als auch die
Laborwerte reversibel. Trotz deutlicher Differenzen zwischen den Gruppen waren die
Ergebnisse nach üblichen Kriterien statis-
9
Zeitschrift für Chemotherapie
Januar /Februar 2015 - 36. Jahrg.
tisch nicht signifikant unterschiedlich. Weitere, prospektive Untersuchungen an größeren Patientengruppen sind notwendig, um
die Risiken einer kombinierten Gabe besser
abschätzen zu können.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Myopathien waren nach der Gabe von Daptomycin (CUBICIN) häufiger, wenn die
Patienten gleichzeitig mit Statinen behandelt wurden. Die Unterschiede waren
allerdings nicht statistisch signifikant.
BLAND, C.M. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2014;
58:5726-5731
Neue Daten zur Verträglichkeit
von Amoxicillin im Vergleich zu
Placebo
Amoxicillin (diverse Generika) zählt mit
Abstand zu den am häufigsten verordneten Antibiotika. Die unerwünschten Wirkungen des Arzneimittels gelten als gut
bekannt, genaue Angaben zur Häufigkeit
von gastrointestinalen Nebenwirkungen
oder Hautreaktionen sind jedoch kaum
verfügbar. Daher scheint es auf den ersten
Blick sinnvoll zu sein, jene Studien genauer
auszuwerten, in denen Amoxicillin mit einer Placebo-Medikation verglichen wurde.
Allerdings ist das Ergebnis einer aktuell publizierten Metaanalyse eher enttäuschend.
Wissenschaftler aus Australien identifizierten aus zunächst 730 Veröffentlichungen
insgesamt 45 Studien mit ausreichender
Qualität, in denen Amoxicillin alleine oder
in Kombination mit Clavulansäure (diverse
Generika) untersucht wurde. Die Publikationen stammen aus den Jahren 1977 bis 2013,
im Mittel wurden die Arzneimittel sieben
Tage lang gegeben, insgesamt wurden die
Daten von mehr als 10.000 Patienten erfasst,
von denen etwa die Hälfte mit Amoxicillin behandelt wurde. Leider wurden nur in
insgesamt 25 Studien die Nebenwirkungen
detailliert genug beschrieben, um sie auswerten zu können. Auch in diesen Fällen
wurde meist nicht genau genug angegeben,
wie die unerwünschten Wirkungen erfasst
und registriert wurden.
Zu den wichtigsten Nachteilen dieser Auswertung zählt die Tatsache, dass sehr unterschiedliche Studien zusammengefasst wurden. Sie wurden zum Beispiel bei Kindern
oder Erwachsenen durchgeführt und zu
den Indikationen zählten Infektionen der
Atemwege, Behandlung oder Prophylaxe
von Dentalinfektionen oder die Anwendung bei gynäkologischen Infektionen. Die
Anzahl der Patienten pro Gruppe schwankte zwischen 10 und knapp 1000. In einer der
umfangreichsten Untersuchungen wurde
10
der Effekt von Amoxicillin als Teil einer
umfassenden Behandlung von schwer unterernährten Kindern in Malawi (Afrika)
geprüft. Es liegt nahe, dass aus solchen Daten kaum Rückschlüsse auf das Nebenwirkungsprofil der Arzneimittel generell gezogen werden können. Die Auswertung kam
zu dem Ergebnis, dass das Risiko für eine
Diarrhö oder Candidiasis durch eine Amoxicillin-Therapie signifikant erhöht war.
Andere bekannte Nebenwirkungen des Antibiotikums, wie Hautausschlag, Juckreiz,
Übelkeit, Erbrechen waren nicht signifikant
häufiger im Vergleich zu Placebo.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
Veröffentlichung macht deutlich, dass
durch eine Metaanalyse die Datenlage
häufig nicht verbessert wird, sondern
aufgrund der Heterogenität der zugrunde
liegenden Daten die Informationen eher
unschärfer werden. Eine detaillierte Auswertung der Einzelstudien und kritische
Interpretation der Ergebnisse sind häufig
sinnvoller.
GILLIES, M. et al.
CMAJ 2015; 187:E21-31
Impressum
Kündigung des Abonnements jeweils drei Monate zum Jahresende.
Die gewählten Produktbezeichnungen sagen nichts über die
Schutzrechte der Warenzeichen aus.
Zeitschrift für Chemotherapie
Eichenallee 36a, 14050 Berlin
Herausgeber: Prof. Dr. med. H. Lode
Mitherausgeber: Prof. Dr. med. R. Stahlmann
 1980 Zeitschrift für Chemotherapie (H. Lode), Berlin
Redaktion: Prof. Dr. med. H. Lode (verantwortlich), Prof.
Dr. med. R. Stahlmann, Frau R. Schoeller-Wiley (Fachärztin), Prof. Dr. med. W. R. Heizmann, München, Prof. Dr.
M. Kresken, Bonn, Frau Nadja Engelhardt (Redaktionsassistentin).
Die Zeitschrift für Chemotherapie erscheint zweimonatlich. Bezug nur im Abonnement. Jahresbezugspreise für
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