Brustdrüsenkarzinom - Brustambulanz im AKH Wien

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Kapitel 9
Brustdrüsenkarzinom
U. Liebeskind und R. Jakesz
1. Epidemiologie
Das Mammakarzinom ist das häufigste Karzinom der
Frau. Während im Jahr 2000 in Österreich nicht weniger als 4577 Frauen an Mammakarzinom erkrankten,
war die zweithäufigste Neoplasie das Dickdarmkarzinom, mit einer deutlich geringeren Inzidenz von 1507
neu erkrankten Frauen. 2002 identifizierten die Daten
der Statistik Austria das Mammakarzinom als zweithäufigste Todesursache der Frau jeglichen Alters, wobei bei es Frauen unter 50 die häufigste Todesursache
darstellt und erst ab einem Alter von 55 von den HerzKreislauferkrankungen abgelöst wird.
In Deutschland beobachten wir etwa 110 Neuerkrankungen pro 100 000 Frauen und Jahr; das ergibt eine
absolute Zahl von 47 000. Ebenso ist das Mammakarzinom in Deutschland mit 4 % der weiblichen Todesfälle in der Todesursachenstatistik nach den HerzKreislauf-Erkrankungen an zweiter Stelle.
Eine Analyse des National Cancer Institutes Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) – Programms an 77 368 Mammakarzinom-Patientinnen
zeigte, dass weniger als 1 % (562 Patientinnen) im
Alter zwischen 20 und 29 waren, 6,5 % (5062 Patientinnen) im Alter zwischen 30 und 39 und 15,2 %
(11 789 Patientinnen) im Alter zwischen 40 und 49
Jahren waren.
In den letzten Jahren konnte eine stete Zunahme der
Inzidenz beobachtet werden. Betrug für Frauen das
lebenslange Risiko für die Entstehung eines Mammakarzinoms im Jahr 1983 7,8 %, im Jahr 1996 10,6 %,
so beträgt es derzeit fast 13 %. Die Ursache der weltweit steigenden Inzidenz ist nicht eindeutig geklärt.
Es wird allgemein angenommen, dass dies in erster
Linie auf das verbesserte Mammographie-Screening
zurückzuführen ist. Die weite Verbreitung der Hormonersatztherapie wird ebenfalls immer wieder als
Grund genannt. Gleichzeitig erfreut die Tatsache, dass
seit wenigen Jahren in zahlreichen Ländern, wie den
Vereinigten Staaten, Großbritannien und auch Österreich, ein deutlicher Rückgang der Mammakarzinom-
mortalität der Frauen zwischen 20 und 69 Jahren zu
verzeichnen ist. In Österreich beträgt dieser Rückgang
für das vergangene Dezennium etwa 25 %. Dies wird
vor allem auf die in den letzten Jahren ständig verbesserte Diagnostik, frühere Erkennung und moderne
Therapiemöglichkeiten zurückgeführt.
2. Diagnostik
Zur Diagnostik des Mammakarzinoms gehören mehrere Eckpfeiler, zu welchen man die klinische, die radiologische und die interventionelle Abklärung zählt.
2.1. Klinische Diagnostik
Eine ausführliche Anamnese- und Statuserhebung ist
wie bei allen Patientinnen unumgänglich. Hierbei sind
Fragen von krankheitsspezifischer Bedeutung in Tabelle 1 aufgelistet.
Bei der Untersuchung der Brust ist besonders auf
Einziehungen der Haut oder der Mamille, auf Hautbzw. Mamillenkoloritunterschiede, auffällige erhabene
­derbe ekzematöse Hautveränderungen und Asymmet-
Tabelle 1. Krankheitsspezifische anamnestische Fragen
Frage nach dem Menopausenstatus
Frage nach Beginn und Ende (falls postmenopausal) der
Menstruation
Frage nach Kindern und deren Anzahl sowie Geburtsjahr
Frage nach vorangegangener Brustoperation/vorangegan­
genem Brustkrebs
Frage nach familiärer Vorbelastung und Alter der Verwandten
bei Vorbelastung
Frage nach Hormoneinnahme und Einnahme anderer Medika­
mente
rien sowie auf ein Lymphödem der Brust oder eines
­Armes zu achten. Sollte die Patientin selber keinen Tumor getastet haben, jedoch das Röntgen eine suspekte
Struktur erkennen lassen, beginnt man die palpatorische Untersuchung auf der nicht erkrankten Brust.
Zur Beschreibung eines palpablen Tumors gehören
Konsistenz, Größe, Oberflächenbeschaffenheit und
Infiltra­tion der Umgebung.
2.2. Radiologische Diagnostik
Die radiologische Diagnostik beinhaltet Mammographie und eine Ultraschalluntersuchung als Basisunter­
suchung. Die Mammographie muss in mindestens zwei
Ebenen durchgeführt werden, wovon eine dem kraniokaudalen (CC) Strahlengang entsprechen muss. Die
Verwendung der Magnetresonanz kann in bestimmten
Situationen von zusätzlichem Wert sein, wie auf Tabelle 2 dargestellt.
2.3. Interventionelle Diagnostik
Ist der Tumor palpabel, ist eine Sure Cut Biopsie in der
Hand des Geübten der nächste Schritt, um zu einer sicheren Diagnose zu kommen und die weiteren Schritte
besser planen zu können. Des Weiteren ist eine gesicherte histologische Diagnose für eine etwaige neoadjuvante Therapie unumgänglich. Bei kleineren Tumoren, welche nur schlecht oder gar nicht ertastet werden
können, bzw. bei suspektem Mikrokalk, sollten die radiologischen interventionellen Möglichkeiten genutzt
werden. Hierbei kann der Radiologe entweder mit Hilfe
des Ultraschalls oder eines stereotaktischen Mammographiegeräts den Tumor biopsieren. Studien unserer
eigenen Gruppe konnten zeigen, dass durch eine präoperative Nadelbiopsie die Anzahl der Lokalrezidive
Tabelle 2. Indikationen für eine Magnetresonanz
suspekte Läsion in der Mammographie nur in einer Ebene
Verdacht auf Multizentrizität
zur radiologischen Unterscheidung zwischen Narbe und
Karzinom
bei dichtem Brustparenchym (vor allem junge Patientinnen
und Genträger)
eventuell bei bekannter hereditärer Vorbelastung zur Vorsorge­
untersuchung
nach brusterhaltender Operationstechnik nicht erhöht
ist (Fitzal, 2006). Sollte eine suspekte Läsion nur in der
Magnetresonanz-Mammographie dargestellt werden
können, ist in speziellen Zentren auch eine Magnetresonanz-gesteuerte Biopsie möglich.
3. Neoadjuvante Therapiemaßnahmen
Es gibt Patientinnen, die von einer neoadjuvanten
Therapie profitieren können. Durch das Downstaging
von Primärtumor und Lymphknotenmetastasen kann
die Brusterhaltungsrate signifikant erhöht werden, ein
Überlebensvorteil konnte für präoperativ behandelte
Patientinnen verglichen mit derselben Therapie postoperativ nicht nachgewiesen werden (van der Hage,
2001). In einer Reihe von prospektiv randomisierten
Studien konnte die pathologische Remission als wichtigster prognostischer Faktor für eine Überlebensverbesserung nach neoadjuvanter Therapie identifiziert
werden. Nur bei pathologisch kompletter Remission
(keine Karzinomzellen in der histologischen Aufarbeitung nach neoadjuvanter und operativer Therapie)
konnte ein Überlebensvorteil gesichert werden (van
der Hage, 2001). Herkömmliche neoadjuvante Chemotherapie (anthrazyklin und taxanhaltig) können eine
pathologisch komplette Remission in bis zu 25 % induzieren. Bei weiteren 60 bis 70 % der Fälle ist die
neoadjuvante Chemotherapie im Stande, zu einer pathologisch partiellen Remission zu führen. Diese Patientinnen haben eine deutlich erhöhte Chance für eine
brusterhaltende Operation. Die Anzahl der Patientinnen, welche durch ein „Downsizing“ des Karzinoms
anstatt einer Mastektomie einer brusterhaltenden Therapie zugänglich sind, schwankt innerhalb der einzelnen Studien und liegt zwischen 30 % und 50 %.
Im Allgemeinen sind die Einschlusskriterien für eine
neoadjuvante Therapie derzeit eine Tumorgröße von
mindestens 3 cm oder eine ungünstige Tumorlokalisation ohne Möglichkeit auf brusterhaltende Therapie.
Die neoadjuvante Antihormontherapie wird derzeit
nur im Rahmen von Studien durchgeführt. Die komplette pathologische Remissionsrate ist verglichen mit
neoadjuvanter Chemotherapie deutlich seltener und
schwankt zwischen 1 und 5 %.
4. Operative Therapie
Die operative Therapie hat sich im letzten Jahrhundert vom lokal ablativen Verfahren hin zur brusterhaltenden Therapie (BET) entwickelt. Die prospektiven
Studien (Tabelle 3), welche zwischen Mastektomie und
BET verglichen haben, konnten keinen signifikanten
Überlebensvorteil für die mastektomierten Patientinnen erkennen lassen (Fisher, 2002; Poggi, 2003; van
Dongen, 2000; Veronesi, 2002; Blichert-Toft, 1992).
Dadurch steht fest, dass neben der lokalen Therapie
die systemische eine entscheidende Bedeutung im
Behandlungskonzept des Mammakarzinoms besitzt.
Durch Einsatz moderner Verfahren wie der neoadjuvanten Therapie und der adjuvanten Radiatio konnte
die Brusterhaltungsrate in chirurgischen Zentren bei
kleinen Tumoren auf bis zu 78 % angehoben werden
(Jakesz, 2003).
4.1. Brusterhaltende Therapie (BET)
In der Literatur findet man verschiedene Ausdrücke
für die Technik der BET. Tylektomie, weite Exzision,
Lumpektomie, Quadrantektomie und Tumorektomie
sind gängige Ausdrücke, welche sich auf zwei Begriffsbestimmungen reduzieren lassen.
4.1.1. Definition Lumpektomie (Abb. 1A)
Der Ausdruck „Tylektomie“ (tylos griech.: Klumpen,
Knoten) wurde vor allem in den frühen Publikationen
verwendet, ist mit der heutigen Lumpektomie (Fisher,
2002) vergleichbar und beschreibt die Exzision eines
Tumors mit Resektionsrändern, die makroskopisch bei
cirka 1 cm im Gesunden liegen (der histologische Resektionsrand kann deutlich geringer ausfallen, muss
aber im Gesunden sein, also R0), wodurch das kosmetische Ergebnis verbessert werden kann. Eine ausgiebige Hautexzision wird hier nicht durchgeführt. Der
Schnitt wird präferenziell semizirkulär angelegt. Eine
En-bloc-Resektion mit Lymphknoten wird bei dieser
Operation selten vorgenommen.
Tabelle 3. Prospektiv randomisierte Studien, welche zwischen brusterhaltender Therapie (BET) und Mastektomie verglichen haben
Studie
Follow-Up
Kriterien
­(Tumorgröße)
NSABP B-06
20 Jahre
< 4cm
N
DFS %
OS %
LRFS %
Statistik
Mastektomie
589
36
47
92
ns/ns/ns
BET+RT
628
36
46
86
349
65
57
98
352
66
56
91
Mastektomie
429
66
82
94
BET+RT
430
70
79
95
420
66
66
88
448
60
65
80
116
67
58
100
121
60
53
78
Milan I
20 Jahre
Mastektomie
< 2cm
R1 möglich
BET+RT
DBCCG
EORTC
6 Jahre
18 Jahre
Mastektomie
Stadium I und II
R1 möglich
Mastektomie
BET+RT
20 Jahre
ns/ns/ns
< 5cm
BET+RT
NCI
ns/ns/s
ns/ns/s
Stadium I und II
R1 möglich
ns/ns/s
RT radiatio; ns nicht signifikant; s signifikant; DFS rezidivfreies Überleben; OS Gesamtüberleben; LRFS lokal rezidiv freies Überleben. In der
letzten Spalte wird die Signifikanz der drei letzten Spalten dargestellt: DFS/OS/LRFS. Fettgedruckt sind die signifikanten Unterschiede.
Bei allen Studien, welche eine R1-Resektion erlaubt haben, zeigen sich signifikatne Unterschiede im lokal-rezidivfreiem Überleben, die
übrigen onkologischen Parameter sind nicht signifikant unterschiedlich.
Abb. 1. A zeigt eine laterale Ansicht einer Patientin nach
Lumpektomie. Zu sehen ist der semizirkuläre Hautschnitt.
B zeigt die Narbe nach Quadrantektomie. Hierbei kann man den
deutlichen Narbenzug an der Areola erkennen
4.1.2. Definition Quadrantektomie (Abb. 1B)
Dieser Begriff wurde von Veronesi eingeführt (Veronesi, 2002). Er beschreibt die Entfernung eines gesamten Quadranten mit darüberliegender Hautspindel im
Sinne einer spitzovalären###### Exzision. Bei laterokranialer Quadrantektomie ist es möglich, die Axilladissektion oder Sentinellymphknotendissektion en
bloc durchführen zu können.
4.1.3. Geschichtliche Entwicklung
Primäre Intention war es immer, die psychologischen
und kosmetischen Ergebnisse durch eine BET zu ver-
bessern, ohne dabei die onkologischen zu beeinträchtigen. Die BET wurde Anfang des 20. Jahrhunderts
zunächst in Wien erstmals durchgeführt und beschrieben, danach auch von Sir Geoffrey Keynes vom
St. Bartholomew’s Hospital in London mit anschließender Radiatio vorgenommen. Seitdem wurde eine
Reihe von retrospektiven und prospektiven Studien
durchgeführt.
Nach Sir Atkins (1966) publizierte Veronesi die erste große prospektiv randomisierte Studie, welche zuletzt mit einer 20-jährigen Nachbeobachtungszeit zum
vierten Mal veröffentlicht wurde (Veronesi, 2002) und
auch nach so einer langen Nachbeobachtungszeit keinen signifikanten Unterschied zwischen Quadrantektomie und Mastektomie bezüglich Gesamtüberleben
entdecken konnte. Die Anzahl der Lokalrezidivrate
nach 5-jähriger Beobachtungszeit war allerdings signifikant erhöht in der Gruppe der brusterhaltenden
Patientinnen. Ähnliche Ergebnisse wurden auch von
anderen Studiengruppen berichtet (Tabelle 3) (Poggi,
2003; van Dongen, 2000). Der Grund für das erhöhte
Lokalrezidiv bei den brusterhaltenden Patientinnen
dürften die bis zu 30 %-igen R1-Resektionen in diesen
Studien sein. Prospektiv randomisierte Studien ohne
R1-Resektionen zeigten im Lokalrezidiv-freien Überleben keinen Unterschied mehr (Fisher, 2002, BlichertToft, 1992). Vergleiche zwischen Lumpektomie mit
und ohne Radiatio konnten nachweisen, dass die Patientinnen ohne Radiatio eine signifikant höhere Lokalrezidivrate zeigten. Bei Vergleichen zwischen Quadrantektomie und Lumpektomie konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß der Resektion keinen Einfluss
auf das onkologische Ergebnis hatte, vorausgesetzt es
handelt sich um eine R0-Resektion mit anschließender
Radiatio. Mit diesen Studien hielt die BET ihren Einzug
als Standardverfahren der chirurgischen Therapie.
4.1.4. Indikation und Kontraindikation
Eigentliches Hauptproblem der BET ist das ipsilaterale
Lokalrezidiv. Ob das Lokalrezidiv das Gesamtüberleben beeinflusst, wird diskutiert. Eine Analyse der Early
Breast Cancer Trialist Collaborative Group (EBCTCG)
konnte einen eindeutigen Zusammenhang zwischen
Lokalrezidiv und Überleben nachweisen (EBCTCG,
2002). Nicht nur aus diesem Grund gilt es, das Rezidivrisiko so gering wie möglich zu halten. Die psychische und physische Belastung einer weiteren Operation und adjuvanten Therapie bei einem Rezidiv sind
beträchtlich. Risikofaktoren für das Auftreten eines
Lokalrezidivs werden in der Tabelle 4 dargestellt. Di-
ese Risikofaktoren bestimmen zum Teil auch die Kontraindikationen der BET (Tabelle 4).
4.1.4.1. Resektionsrand
Der Resektionsrand ist mit Abstand der wichtigste
prognostische Faktor für das Auftreten eines Lokalrezidivs. Hierbei zeigt sich, dass ein mikroskopisch nicht
im Gesunden resezierter Tumor (R1) oder ein Resektionsrand von 1 mm mit einem signifikant erhöhten
Risiko verbunden ist, verglichen mit einem Resektionsrand von  2 mm.
4.1.4.2. Inflammatorisches Karzinom
Eine klare Kontraindikation für eine BET ist das inflammatorische Karzinom. Hierbei spielt die neoadjuvante Therapie eine übergeordnete Rolle, wobei auch
nach „Downsizing“ eine BET nicht indiziert ist.
4.1.4.3. Neoadjuvante Therapie und BET
Die BET nach neoadjuvanter Therapie ist auf jeden
Fall indiziert, insbesondere nach „Downsizing“ bzw.
pathologisch kompletter Remission (pCR). Allerdings
deuten Studien darauf hin, dass solche Patientinnen
durch eine BET ein signifikant schlechteres Gesamtüberleben aufweisen könnten (van der Hage, 2001).
Diesbezüglich gibt es noch zu wenig Daten. Derzeit
gilt eine klinische „no-change“ (cNC) oder progressive Entwicklung (cPD) nach neoadjuvanter Therapie
als Kontraindikation für eine BET. Manche Autoren
konnten auch eine Erhöhung des Lokalrezidivs nach
neoadjuvanter Therapie und BET verglichen mit Mastektomie beobachten. Als Ursache wird eine durch die
Chemotherapie verursachte Fragmentierung des Karzinoms angesehen, welche ein „Downsizing“ vortäuscht.
Bei solchen Patientinnen könnte eine BET dazu führen,
dass Karzinomzellnester in der Brust verbleiben. Aus
diesem Grund propagieren einige Autoren die Resektion des gesamten primär betroffenen Brustquadranten.
Der Vorteil der Erhöhung der BET nach neoadjuvanter
Behandlung muss daher neu diskutiert werden.
4.1.4.4. Radiatio
Prospektive Studien konnten eindeutig nachweisen,
dass eine adjuvante Bestrahlung nach BET das Rezidivrisiko signifikant senkt (Veronesi, 1993). Retrospektive
Daten deuten darauf hin, dass es eine Patientinnengruppe gibt, welche aufgrund der niedrigen Tumoraggressivität von einer Radiatio nicht profitiert. Dies
konnte in einer prospektiven Studie nicht nachgewiesen werden, dennoch liegt das 5-Jahres-Lokalrezidivfreie Überleben in postmenopausalen Patientinnen mit
einem Hormonrezeptor-positiven unter 3 cm großen
sowie Lymphknoten-negativen Mammakarzinom bei
95,5 % (Gnant, 2005). Dies lässt Spekulationen dar-
Tabelle 4. Risikofaktoren für das Auftreten eines Lokalrezidivs nach brusterhaltender Therapie (BET ) sowie daraus resultierende
Kontraindikationen für eine BET. EIC extensiv intraduktale Komponente.
Gesteigertes Lokalrezidivrisiko
Kontraindikation für BET
Resektionsrand positiv
ja
ja
Inflammatorisches Karzinom
ja
ja
Progression unter Therapie
ja
ja
Keine adjuvante Bestrahlung
ja
ja
Multizentrizität
ja
ja
EIC
ja
nein
Lymphknotenpositivität
ja
nein
Alter
ja
nein
Grading 3
ja
nein
Lymph- und Gefäßinvasion
ja
nein
Tumorgröße
nein
nein
über zu, ob es bei älteren Patientinnen mit geringer
Tumoraggressivität möglich wäre, eine Radiatio ausfallen zu lassen. Derzeit gelten Kontraindikationen für
die Durchführung einer Radiatio, wie z. B. Schwangerschaft, schlechter körperlicher Allgemeinzustand oder
ortsspezifische Faktoren, auch als Kontraindikation für
eine BET. Im Einzelnen könnte eine BET trotz fehlender
Radiatio bei ausgewählten Patientinnen (z. B. pT1a
oder b, pN0, keine EIC, G1 oder 2, keine Lymphgefäßinvasion, höheres Alter) nach genauer Auf­klärung der
Patientin über eine erhöhte Lokalrezidivrate durchaus
möglich sein (Gnant, 2005; Horst, 2005).
4.1.4.5. Multizentrizität
Sind 2 oder mehrere voneinander unabhängige ­Herde
über einen Quadranten hinaus verteilt spricht man
von Multizentrizität. Hierbei ist aus kosmetischen aber
auch onkologischen Gründen eine BET nicht möglich.
4.1.4.6. Extensive intraduktale Komponenten (EIC)
Vorhandensein einer EIC ist ein weiterer wichtiger
Risikofaktor für das Entstehen eines Lokalrezidivs.
Die Definition einer EIC ist nicht einheitlich. Manche
Autoren definieren eine EIC, wenn 25 % des gesamten Tumorgebietes aus intraduktalen Komponenten
bestehen, andere, wenn 10 oder mehr duktale Gänge
involviert sind oder zumindest das doppelte Flächenausmaß der invasiven Komponente von intraduktalen
Karzinomzellen ausgefüllt ist, oder die intraduktalen
Komponente 4-mal so groß ist wie der invasive Anteil. Mammakarzinome mit EIC haben ein mit dem
Durchmesser proportional ansteigendes Risiko, multizentrisch zu sein, und sollten daher ab einer Größe der intraduktalen Komponente von 4 cm bzw. bei
quadrantenübergreifender EIC ablationiert werden.
Bei einer geringeren Ausdehnung ist besonders auf die
segmentale Ausbreitung der EIC in Richtung Mamille
zu achten. Patientinnen mit EIC profitieren von einem
größeren Resektionsrand von 1 bis 2 cm, insbesondere da im Gefrierschnitt intraduktale Komponenten
manchmal nur schwer zu erkennen sind und diese in
58 % Grund für eine Nachresektion bei Patientinnen
mit einer Zweitoperation wegen falscher intraoperativer Gefrierschnittanalyse sind. Daher gilt keine absolute Kontraindikation bei Patientinnen mit EIC für
eine BET, jedoch ist bei jeder Patientin die Notwendigkeit einer Ablatio zu bedenken.
4.1.4.7. Lymphknotenstatus
Eigene Untersuchungen an prä- und postmenopausalen
Patientinnen konnten zeigen, dass der Lymphknotenstatus bei einer R0-Resektion der wichtigste Prognosefaktor für das Auftreten eines Lokalrezidivs ist (Jakesz,
2002). Dies stimmt mit anderen publizierten Daten
überein. Patientinnen im Stadium II haben nach BET
auch ein erhöhtes Risiko, ein Lokalrezidiv zu erleben.
Eine adjuvante Therapie kann das lymphknotenabhängige Rezidivrisiko jedoch signifikant vermindern,
sodass die Lymphknotenpositivität bei Patientinnen
mit adjuvanter Therapie keine Kontraindikation für
eine BET ist.
4.1.4.8. Alter
Das Alter scheint ein unabhängiger Risikofaktor für
das Lokalrezidiv-freie und das Gesamtüberleben zu
sein (Jakesz, 2002), wobei beide Parameter bei jungen
Patientinnen durch das Ausmaß der operativen Technik nicht zu beeinflussen sind (Kroman, 2004). Dies
konnte durch eine Subgruppenanalyse prospektiver
Studien (Fisher, 2002; van Dongen, 2000; Veronesi,
2002) ebenfalls gezeigt werden (Monica Morrow ASCO
2005). Die Datenlage rechtfertigt derzeit keine Kontraindikation für eine BET wegen jungen Alters.
4.1.4.9. Grading
Ein hohes Grading (G3) gilt ebenfalls als wichtiger
prognostischer Faktor für das Auftreten eines Lokalrezidivs, ist aber in multivariaten Analysen nicht so
stark wie der Resektionsrand und der Lymphknotenstatus und gilt nicht als Kontraindikation für eine BET.
Ähnliches gilt auch bei einer positiven Lymph- und/
oder Gefäßinvasion.
4.1.4.10. Tumorgröße
Die Tumorgröße ist zwar ein wichtiger Prognosefaktor für das Auftreten von Fernmetastasen, vergleicht
man aber Mammakarzinome mit einem Durchmesser
von 2 und 2–5 cm, haben beide ein gleiches Lokalrezidivrisiko. Die Radikalität der Operationstechnik hat
ebenfalls keinen Einfluss auf das Lokalrezidiv (Fisher,
2002; Poggi, 2003; van Dongen, 2000; Veronesi, 2002;
Blichert-Toft, 1992) (Tabelle 1), aus diesem Grund gibt
es keine absolute Kontraindikation bei großen Karzinomen. Da jedoch bei Karzinomen über 3 cm derzeit eine neoadjuvante Therapie das Mittel der ersten
Wahl darstellt, werden nur mehr wenige Karzinome
über 3 cm primär operiert. Bezüglich der Tumorgröße
kommt es besonders auf die Brust-Tumorrelation, das
resultierende kosmetische Ergebnis und die notwendige R0-Resektion kombiniert mit einer adjuvanten
Radiatio an. Es gibt nur vereinzelt Daten über eine
BET bei T3 und T4 Karzinomen, diese lassen jedoch bei
Beachtung obiger Faktoren den Schluss zu, dass eine
BET in diesen Fällen durchaus vertretbar erscheint.
Auch hier wird der einzelne Fall individuell behandelt
werden müssen.
4.1.4.11. DCIS
Das intraduktale Karzinom hat aufgrund seines biologischen Ausdehnungsmusters eher die Tendenz, multifokal bzw. multizentrisch aufzutreten, da es innerhalb
des weitverzweigten Gangsystems wächst. Multizentrizität gilt hier wie bei den invasiven Karzinomen als
Kontraindikation einer BET. Bei einer möglichen R0Resektion mit adäquatem kosmetischen Ergebnis und
postoperativer Bestrahlung ist eine BET jederzeit möglich. Jedoch sollte man ab einer Größe von 4 bis 6 cm
an eine Mastektomie denken.
4.1.5. Chirurgische Therapie peripherer Tumore
Folgende Punkte sollten bei der Operation beachtet
werden:
1. Die Drahtmarkierung nicht palpabler Tumore
reduziert das Gewebstrauma und erhöht die
sichere Entfernung mit einer R0-Resektion.
2. Die semizirkuläre Inzision konzentrisch entlang
des Bogens der Areola verbessert die Narbenqualität und Heilung.
3. Auf die Verwendung eines intraoperativen Gefrierschnittes wird unter Punkt 1.3 eingegangen.
4. Um die Haut vor Mikrotraumen zu schützen, ist
die Verwendung von kleinen Einzinker-Wundhäkchen ratsam.
5. Thermische Schäden sollten an den Resektionsrändern vermieden werden, um das Präparat
dem Pathologen im bestmöglichen Zustand zu
übergeben.
6. Es sollte eine Adaptation des Brustdrüsen­
gewebes nach Mobilisierung des Parenchyms
von der Pektoralisfaszie mittels 4/0 resorbierbaren Fäden erfolgen, um den durch Lumpektomie entstandenen Defekt zu minimieren.
Mobilisierungen im subkutanen Bereich können
ebenfalls das kosmetische Ergebnis deutlich
verbessern.
7. Das Markieren der Resektionsstellen mittels
Titanklips erleichtert die postoperative Bestrahlung.
4.1.1. Chirurgische Therapie zentraler Tumore
Retromamilläre Karzinome können durch onkoplastische Verfahren kosmetisch adäquat brusterhaltend reseziert werden. Eine Mastektomie ist in diesen Fällen
nicht mehr notwendig.
4.1.1.1. Einfache zentrale Resektion
Die einfache Exzision der Areola mit en bloc Lumpektomie und Verschluss des runden Hautdefekts mittels
Tabakbeutelnaht ist die einfachste Methode, kleinere
Karzinome zu resezieren (Abb. 2A).
4.1.1.2. Erweiterte zentrale Resektion
Mittels lateraler spitzovalärer Umschneidung der Areola inklusive darunterliegendem Karzinom können
größere Karzinome brusterhaltend operiert werden.
Eine Mamillenrekonstruktion kann im Anschluss erfolgen, jedoch ist diese durch die quer über die Brust
laufende Narbe etwas erschwert (Abb. 2B).
4.1.1.3. Zentrale Resektion und Rekonstruktion mittels Batwing Technik
Es ist auch möglich, bei mittelgroßer bis großer Brust
einen dermoglandulär gestielten Lappen von kaudal
nach kranial zu ziehen und somit nach erfolgter zentraler Resektion den Defekt zu decken. Diese Methode
ist für alle zentralen Karzinome geeignet und führt zu
einem sehr gutem kosmetischen Ergebnis. Die Mamillenrekonstruktion kann sofort oder im Anschluss erfolgen (Abb. 2C).
4.1.1.4. Modifizierte zentrale Resektion mit Reduktionsplastik
Die Verwendung von zusätzlichen Techniken wie Reduktionsplastiken ermöglichen die sofortige Rekonstruktion des Nippel-Areola Komplexes und scheinen
kosmetisch die besten Narben und Brustformen nach
sich zu ziehen. Eine Vielzahl an Techniken können
angewandt werden, wobei sich die nach Hall Findlay
besonders gut eignet, da die Narbe periareolar sowie
vertikal ohne inverses T zu liegen kommt (Abb. 2D).
4.2. Mastektomie
Die Indikationen der Mastektomie ergeben sich aus
den oben genannten Kontraindikationen einer BET.
Nochmals zusammenfassend erwähnt gelten hierfür
das inflammatorische Mammakarzinom, eine sichtbare Progredienz unter neoadjuvanter Therapie, eine
Kontraindikation für eine postoperative Bestrahlung
und ein positiver Resektionsrand. Nachresektionen
sind durchaus möglich, solange diese entweder intraoperativ durchgeführt werden (intraoperativer Gefrierschnitt) bzw. der Operateur aufgrund der Angabe der
Pathologie (Markierung des Präparates bei der Operation wichtig!) den Resektionsrand identifizieren kann
und in einem zweiten Schritt die Nachresektion mit
einem für die Patientin adäquaten kosmetischen Ergebnis durchführen kann.
4.3. Intraoperative Gefrierschnittanalyse
Die Möglichkeit einer intraoperativen sofortigen Diag­
nose bzw. Überprüfung der Resektionsränder und des
Sentinel Lymphknotens ermöglicht es dem Chirurgen,
in einem Operationsschritt alle notwendigen chirurgischen Maßnahmen zu setzen. Dies betrifft besonders
die Analyse der Resektionsränder bei BET. In einer retrospektiven Analyse konnten wir demonstrieren, dass
sich Patientinnen, welche zwischen 1995 und 2001 an
der Abteilung für Allgemeinchirurgie, Medizinische
Universität Wien, an einem Mammakarzinom operiert
worden sind, in lediglich 6 % aller Fälle (n = 1865)
einer zweite Operation aufgrund einer falschen Gefrierschnittanalyse unterziehen mussten (unpublizierte
Daten unter Review). Zentren, welche diese Methode
nicht anbieten, müssen in bis zu 50 % der Fälle eine
Zweitoperationen (Nachresektion, axilläre Dissektion,
Ablatio) durchführen. Dieses Ergebnis benötigt jedoch
ein ausgesprochen erfahrenes pathologisches Zentrum
und eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit. Faktoren, welche die Diagnostik des intraoperativen Gefrierschnittes erschweren bzw. nicht zulassen, müssen
rechtzeitig vom Pathologen erkannt werden (z. B. intraduktales Karzinom, Fettgewebe, Mikrokalk).
Abb. 2. A zeigt eine Patientin nach einfacher zentraler Resektion
rechts direkt nach adjuvanter Radiatio. B zeigt eine erweiterte
zentrale Resektion links mit horizontaler Narbe. C zeigt eine
Patientin nach modifizierter zentraler Resektion nach Hall
Findlay links. Man sieht den günstigen Narbenverlauf und die
gute Symmetrie. D demonstriert eine Patientin nach zentraler
Resektion rechts und Batwing-Verschiebelappen-Technik
4.4. Chirurgie der regionalen Lymphknotenstationen
Die Bedeutung des regionalen Lymphknotenstatus für
die lokale Tumorkontrolle einerseits sowie für die Prog­
nose der Tumorerkrankung andererseits ist unumstritten.
Historisch bewegte sich die Chirurgie der regionalen
Lymphknoten Ende des 19. Jahrhunderts von der Entfernung ausschließlich klinisch suspekter Befunde bis
zur Ausräumung der axillären, supraklavikulären und
parasternalen Lymphknotenstationen bei allen Patientinnen mit einem Mammakarzinom.
Heute spielt die Differentialtherapie des regionalen
Lymphabflusses eine zentrale Rolle der Chirurgischen
Onkologie des Mammakarzinoms, wobei die diagnostischen Aspekte durchaus im Vordergrund stehen.
4.4.1. Sentinel-Lymphnode-Biopsie (SLNB)
Obwohl die axilläre Lymphknotendissektion nach
wie vor zum Standard in der Therapie des Mammakarzinoms zählt, besteht seit Jahren großes wissenschaftliches Interesse darin, die Wertigkeit dieser
mutilierenden Operation einzugrenzen. Hauptaugenmerk wurde dabei auf die Entwicklung der Biopsie des
Sentinel-Lymphknotens oder Wächterlymphknotens
gelegt. Es handelt sich dabei um denjenigen Lymphknoten, der die Hauptverantwortung für die Drainage
des Tumorgebietes trägt. Sie dient als eine der innovativsten und interessantesten Entwicklungen in der
chirurgischen Onkologie einem exakten Tumorstaging
und hat Einfluss auf das gesamte onkologische Therapiekonzept. Die wissenschaftlichen Arbeiten auf diesem Gebiet haben nicht nur eine standardisierte Technik der Detektion und histologischen Aufarbeitung des
Sentinel-Lymphknotens entwickelt, sondern die Rolle
der lymphonodalen Metastasierung überhaupt neu betrachtet.
Bei negativem Nodalstatus ist eine axilläre Dissektion ohne Vorteil für die Patientin. Vielmehr ist die
postoperative Morbidität unnötig und führt zu einer
deutlichen Erhöhung der gesamten therapiebedingten
Morbidität in der Behandlung des primären Mammakarzinoms. Das Ziel der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie besteht somit darin, solchen Patientinnen, die nicht
von einer axillären Dissektion profitieren, diesen Eingriff auch zu ersparen. Dabei ist die Vorhersagegenauigkeit der histologischen Untersuchung des SentinelLymphknotens für den gesamten Nodalstatus von
Bedeutung. Diese ist zum Einen durch die Sicherheit
der Detektionsmethode bedingt. Weiterhin ist es dabei
auch möglich, diesen einen Lymphknoten einer wesentlich subtileren und aufwändigeren histologischen
Untersuchung zu unterziehen als im Falle eines Axillapräparates mit etwa 20 Lymphknoten.
Zur Durchführung einer alleinigen SLNB müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
•
•
•
•
•
•
•
Tumorgröße bis einschließlich 2 cm
Ausschluss von Multifokalität bzw. Multizentrizität
Keine klinisch oder bildgebend auffälligen axillären Lymphknoten
Möglichkeit der pathohistologische Schnellschnittdiagnostik
Nuklearmedizinischer Arbeitsplatz bei Durchführung der Radionuklidmethode
Aufklärung und Einwilligung der Patientin
Nachweis der technischen Qualitätskontrolle im
eigenen Bereich
Technisch bestehen prinzipiell zwei Möglichkeiten der
Darstellung des Wächterlymphknotens, die auch miteinander kombiniert werden können.
4.4.1.1. Radionuklidmethode
Für die Aufnahme von Partikeln in die Lymphbahnen
und deren Abtransport in den ersten drainierenden
Lymphknoten ist eine Partikelgröße von weniger als
80 nm optimal. Das für die Sentinel-LymphknotenDetektion verwendete Eiweißkolloid 99mTc-Nanocoll
mit einer Partikelgröße von etwa 40 nm hat sich in der
Praxis bestens bewährt.
Zur Darstellung des Sentinel-Lymphknotens wird am
Vortag der geplanten Operation die Injektion des Radionuklids (1 ml = 100 MBq 99mTc) entweder peritumoral bei gut tastbarem Tumor oder periareolär bei
nicht tastbarem Tumor in 4–6 Depots injiziert. Dabei
sollte im Falle einer peritumoralen Injektion die spätere Schnittführung der definitiven Operation Berücksichtigung finden, um die potentiell tumorzellkontaminierten Injektionskanäle mit entfernen zu können.
Die intratumorale Injektion ist unbedingt zu vermeiden. Eine fünfminütige Massage des Applikationsortes wird empfohlen, hat aber keine Verbesserung der
Detektionsrate gezeigt. Am Operationstag, etwa 17–18
Stunden nach Applikation des Radionuklids erfolgt
dann eine Szintigrafie des Lymphabflussgebietes in
zwei Ebenen zur Darstellung des Sentinel-Lymphknotens (s. Abb. 1, Lymphszintigrafie).
Aus logistischen Gründen empfiehlt es sich, die Operation vor allem dann, wenn ein brusterhaltendes Operationsverfahren geplant ist, mit der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie zu beginnen, um die Zeitverzögerung
durch die histologische Schnellschnittuntersuchung
zu kompensieren.
Über einen 1 bis 2 cm großen Hautschnitt zwischen
vorderer und hinterer Axillarlinie in der Nähe des
durch den Nuklearmediziner auf der Haut der Patientin
10
markierten Aktivitätsmaximums erfolgt je nach Lokalisation des Sentinel-Lymphknotens##### zunächst
die Darstellung des lateralen Randes des M. pectoralis major oder des ventralen Randes des M. latissimus
dorsi. Mit Hilfe einer chirurgischen Gammasonde kann
dann der Sentinel-Lymphknoten eindeutig detektiert
werden. Zu beachten ist hier vor allem bei einem axillanahen Tumorsitz ein potentieller Überstrahlungseffekt des Radionukliddepots im Bereich des Tumors (s.
Abb. 2, Gammasonde in situ).
Nach Exstirpation des Sentinel-Lymphknotens wird
dessen Strahlungsintensität ex vivo und überlagerungsfrei gemessen. Eine zusätzliche Kontrolle der
Axilla entweder als Negativkontrolle oder zum Auffinden eines eventuellen zweiten Sentinel-Lymphknotens ist zu empfehlen.
Im Falle eines Nachweises einer Metastase in der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik wird dann in gleicher Sitzung die axilläre Lymphknotendissektion im
Zusammenhang mit der Operation des Primärtumors
durchgeführt. Bei negativem Schnellschnittergebnis
wird entsprechend auf die Axilladissektion verzichtet, wenn die Befundkonstellation des Primärtumors
dies zulässt. Sollte dann allerdings bei der definitiven
histologischen Untersuchung der Parafinschnitte konventionell eine metastatische Infiltration nachgewiesen werden, ist die axilläre Dissektion sekundär durchzuführen.
4.4.1.2. Farbstoffmethode
Der Vorteil der Farbstoffmethode besteht darin, dass
die dafür notwendige Injektion unmittelbar präoperativ bei bereits eingeleiteter Narkose und ohne großen technischen Aufwand durchgeführt werden kann.
Dadurch wird der gesamte Ablauf für den Patienten
komfortabler. Die Grundlage dafür besteht in dem wesentlich schnelleren Transport des Farbstoffes gegenüber dem Radionuklid. Allerdings dient sie nicht dem
Nachweis alternativer Lymphabflüsse, insbesondere
den parasternalen Lymphknoten.
Die Injektion erfolgt streng subdermal periareolär.
Nach Massage des Injektionsgebietes über 5 Minuten
wird der Hautschnitt wiederum zwischen vorderer und
hinterer Axillarlinie durchgeführt und eine gefärbte
Lymphbahn aufgesucht. Bei der Verfolgung derselben
gelingt es, den Sentinel-Lymphknoten zu detektieren
und anschließend zu entfernen. Die histologische Aufarbeitung setzt sich dann analog zur Radionuklidmethode fort (s. Abb. 3, Foto Lymphknoten blau).
Eine Kombination beider Methoden ist möglich. Primär erhöht sie aber die Detektionsrate bei erfahrenen
Operateuren nur unwesentlich. Allerdings kann die
Farbstoffmethode bei fehlendem Nachweis eines radionuklidspeichernden Lymphknotens die Detektionsrate verbessern.
4.4.2. Parasternale Exploration
Die Konsequenz der parasternalen Exploration hinsichtlich der Bestimmung des Nodalstatus zur Festlegung adjuvanter Therapien in Form einer adjuvanten
Chemotherapie und/oder einer Bestrahlung des parasternalen Lymphabflussgebietes wird weiterhin kontrovers diskutiert. Ein parasternales Lymphknotenrezidiv
ist in den wenigsten Fällen als eigenständiges lokoregionäres Geschehen zu betrachten, sondern vielmehr
die erste Manifestation der systemischen Erkrankung
(Cranenbroek, 2005). Bei negativem axillären Nodalstatus und Metastasennachweis im parasternalen
Sentinel-Lymphknoten wird jedoch ein „Upstaging“
erreicht, was in dieser Subgruppe einen Einfluss auf
die adjuvante Therapie hat (Leidenius, 2006).
4.4.2.1. Technik
Zur Anwendung kann hier nur die Radionuklidmethode kommen. Mit Hilfe der chirurgischen Gammasonde
wird das parasternale Lymphabflussgebiet wiederum
in der Nähe der durch den Nuklearmediziner auf der
Haut markierten Region untersucht und der Ort der
maximalen Aktivitätsanreicherung aufgesucht. Anschließend erfolgt entweder durch das Operationsgebiet bei der Mastektomie oder durch eine Zusatzinzision bei brusterhaltenden Operationsverfahren die Spaltung der Pektoralismuskulatur in Faserrichtung und
das Darstellen von zwei aufeinanderfolgenden Rippen
an ihrer Knorpel-Knochengrenze. Der Rippenknorpel
wird dann subperiostal durchtrennt und auf einer Länge von etwa 1 cm reseziert. Danach erfolgt die Darstellung der A. mamaria interna mit dem umgebenen
Fett- und Lymphgewebe. Hier kann nun mit Hilfe der
Gammasonde der Sentinel-Lymphknoten detektiert
und exstirpiert werden. Dabei ist darauf zu achten,
dass die unmittelbar darunter befindliche Pleura parietalis nicht verletzt wird.
Nach Adaptation des Periostes und Drainage des Operationsgebietes kann die gespaltene Pektoralismuskulatur locker adaptiert werden. Postoperativ ist eine
Röntgenaufnahme zum Ausschluss eines Pneumothorax unbedingt zu empfehlen.
11
4.4.3. Axilladissektion
Um das Ziel der axillären Lymphknotendissektion in
Form eines Stagings im Falle der fehlenden Indikation
zur Sentinel-Lymphknoten-Biopsie sowie der lokalen
Tumorkontrolle zu erreichen, ist die Entfernung und
histologische Präparation von mindestens 10 Lymphknoten der Level 1 und 2 erforderlich. Sollten durch
das präoperative Staging suspekte Lymphknoten im
Bereich des Level 3 auffallen, ist der Eingriff dahingehend auszuweiten.
Retrospektive Analysen haben gezeigt, dass eine geringere Anzahl von untersuchten Lymphknoten zu
einem Understaging mit nachfolgendem Undertreatment führt, was sich in einer höheren Lokalrezidivrate
und in einer schlechteren Prognose ausdrückt (Salama, 2005; Weir, 2002).
Andererseits konnte gezeigt werden, dass bei Patientinnen im Alter von 60 Jahren und älter bei klinisch
negativem axillärem Lymphknotenstatus und der
Indikation zur adjuvanten Hormontherapie der Verzicht auf eine Axilladissektion gleiche Ergebnisse bei
besserer Lebensqualität erreicht (International Breast
Cancer Study Group, 2006). (s. Abb. 4, Anatomie der
Axilla mit Level 1–3).
Im Rahmen einer Mastektomie oder eines brusterhaltenden Operationsverfahrens im Sinne einer sektororientierenden Resektion im oberen äußeren Quadranten
sollte die Axilladissektion monobloc über den vorbestehenden Zugang erfolgen. In allen anderen Fällen
ist der Zugang über eine separate Hautinzision bogenförmig parallel zum lateralen Rand des M. pectoralis
major beginnend und quer zu hinteren Axillarlinie
verlaufend optimal.
In jedem Falle beginnt man mit der Darstellung der
muskulären Begrenzung der Axilla: Dies sind die lateralen Ränder der Pektoralismuskulatur und der ventrale Rand des M. latissimus dorsi. Im Weiteren wird die
V. axillaris dargestellt. Dabei ist darauf zu achten, dass
die Lymphbahnen oberhalb der Vene geschont werden.
Dadurch kann das Risiko eines postoperativen Lymphödems des Armes gesenkt werden. Weitere Strukturen,
die unbedingt eine Beachtung finden müssen, sind das
thorakodorsale Gefäß-Nerven-Bündel, der N. thoracicus longus, das interpektorale Gefäß-Nerven-Bündel
sowie die Nn. intercostobrachiales. Eine Verletzung
dieser Strukturen führt zu einer deutlichen Erhöhung
der therapiebedingten Morbidität (Abb. 5, Op-Situs bei
Z. n. Axilladissektion).
Nach Abschluss der Operation ist das Operationsgebiet
mit einer Redondrainage zu versorgen. Die Hautnaht
sollte unbedingt in einer subkutanen oder subderma-
len Nahttechnik erfolgen, da überstehende Fadenenden zu Hautirritationen führen können.
Eine nicht seltene frühpostoperative Komplikation
der Axilladissektion ist das Serom. Langzeitdrainagen
oder häufige Punktionen erhöhen das Infektionsrisiko
und verlängern die Krankenhausverweildauer. Manifeste Infektionen verzögern wiederum den Beginn adjuvanter Therapien bzw. rufen dabei erneute Komplikationen hervor.
Zur Vermeidung solcher Serome ist in erster Linie eine
subtile Präparationstechnik erforderlich, wobei im
Verlauf von Lymphbahnen das Gewebe nur zwischen
Ligaturen durchtrennt werden sollte.
4.5. Chirurgie der Fernmetastasen
Die Behandlung des primär oder sekundär metastasierten Mammakarzinoms ist vordergründig systemisch
im Sinne eine Chemo-, Hormon- und/oder Immuntherapie, da die Metastasierung in der Regel diffus auftritt und mehrere Organe oder Organsysteme betreffen
kann.
Das Auftreten von solitären ossären, viszeralen oder
zerebralen Absiedlungen ist eher eine Seltenheit und
bedarf individuell abgestimmter Therapiekonzepte.
Im Vordergrund der Metastasenchirurgie steht die Beseitigung der klinischen Symptomatik oder das Verhindern einer vorprogrammierten Komplikation zur
Verbesserung der Lebensqualität. Die Chirurgie ist dabei Bestandteil eines interdisziplinären Vorgehens.
4.5.1. Ossäre Metastasen
Die alleinige ossäre Manifestation der systemischen
Mammakarzinomerkrankung geht insgesamt mit einer besseren Prognose als die viszerale Metastasierung
einher und lässt sich vor allem bei hormonrezeptorpositiven Tumoren über Jahre bei angemessener Lebensqualität chronifizieren.
Chirurgisch relevant werden die Knochenmetastasen
vor allem dann, wenn pathologische Frakturen drohen oder bereits eingetreten sind. Hier ist unter Berücksichtung der günstigeren Gesamtprognose und
der teilweise erheblichen klinischen Beschwerden eine
definitive Therapie anzustreben. Das bedeutet auch, im
Falle von solitären össären Läsionen eine R0-Situation zu erreichen, um einem lokalen Metastasenrezidiv
vorzubeugen.
Im Bereich der langen Röhrenknochen erfolgt nach
Metastasenresektion ein Ersatz durch eine Tumorendo-
12
prothese. Damit kann bei vollständiger Tumorentfernung ein gutes funktionelles Ergebnis erreicht werden.
Die Anwendung von Osteosynthesen### ohne Resektion der Metastase bleibt ausschließlich solchen Fällen
vorbehalten, in denen die Prognose durch Organmetastasen erheblich schlechter ist. Zusätzlich kann eine
lokale Strahlentherapie zur Schmerzlinderung beitragen. Dabei können durch komplikationsärmere Eingriffe gute palliative Ergebnisse erzielt werden.
Bei osteolytischen Metastasen im Bereich der Wirbelsäule dienen die chirurgischen Maßnahmen der Stabilisierung und der Entlastung des Spinalkanals. Eine
R0-Situation ist hier kaum zu erreichen. Die Strahlentherapie kann dabei konsolidierend eingesetzt werden.
Bei fehlenden chirurgischen Optionen ist die alleinige
Strahlentherapie sinnvoll, um eine angemessene Pallia­
tion zu erreichen (s. Abb. 6, Knochenmetastase – Endoprothese).
4.5.2. Viszerale Metastasen
Viszerale Metastasen entstehen auf hämatogenem
Wege und finden sich hauptsächlich in Lunge und Leber. Eine Mitbeteiligung der serösen Häute ist möglich,
kann aber auch eigenständig auftreten. Insgesamt ist
das Entstehen viszeraler Metastasen immer mit einer
schlechten Prognose vergesellschaftet.
Die pulmonale Metastasierung ist in der Regel diffus.
Eine klinische Symptomatik ist erst bei einem weit
fortgeschrittenen Metastasenwachstum zu erwarten.
Eine chirurgische Behandlung ist nicht sinnvoll.
Anders ist die Situation beim Auftreten eines malignen Pleuraergusses, dessen Ursache immer eine
Pleurakarzinose ist. Diese entsteht durch eine lymphogene Metastasierung und tritt oft ohne Metastasen des
Lungenparenchyms auf. Er kann sich einseitig oder
beidseitig manifestieren. Die klinische Symptomatik
ist oft eindrucksvoll und für die Patientinnen oft mit
einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität
verbunden. Regelmäßiges Wiederauftreten der Ergüsse nach Punktionen geben dieser Maßnahme lediglich
eine diagnostische Berechtigung.
Zur symptomatischen Behandlung der Pleurakarzinose stehen zwei effektive Maßnahmen zur Verfügung.
Zum Einen kann mit einer chemischen Pleurodese
mit Mitoxantrone einen effektive lokale Kontrolle des
Pleuraergusses erreicht werden, ohne dabei wesentliche systemische Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen
(Barbetakis, 2004).
Eine weitere chirurgische Option besteht in einer videoassistierten thorakoskopischen Talkumpleurodese
(Gasparri, 2006). Der Vorteil dieser Methode besteht in
der Möglichkeit, nochmals Tumormaterial zur Bestimmung von therapierelevanten immunhistologischen
Parametern wie z. B. den HER2-Status zu gewinnen.
Bei einem malignen Pleuraerguss als einzige metastatische Manifestation eines hormonrezeptorpositiven
Mammakarzinoms können somit durchaus gute Langzeitergebnisse erzielt werden.
Die chirurgische Behandlung von Lebermetastasen
stellt beim Mammakarzinom ebenfalls keine absolute
Indikation dar, da hier gleichsam wie bei der pulmonalen Metastasierung eine multiple bis diffuse Manifestation anzutreffen ist. Liegen allerdings solitäre
oder singuläre Läsionen vor, so kann eine Resektion
mit dem Ziel eine R0-Situation zu erreichen durchaus
einen therapeutischen Gewinn für die Patientinnen
erbringen. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch der
sichere Ausschluss einer extrahepatischen Tumormanifestation. So können durch Lebermetastasenresektionen durchaus Patientenkollektive ein Gesamtüberleben von über 20 % und ein 5-Jahres krankheitsfreies
Überleben von 16 % erreichen (Sakamoto, 2005).
Weitere lokale Behandlungsmöglichkeiten sind die laparoskopische Radiofrequenzablation oder eine Chemoembolisation (Li, 2005; Berber, 2005).
4.5.3. Thoraxwandmetastasierung
Eine intrakutane oder subdermale Metastasierung im
Bereich der Thoraxwand ist häufig einer chirurgischen
Therapie nicht mehr zugänglich, da ausgedehnte Resektionen mit zum Teil sehr aufwändigen plastischen
Deckungen keine lokale R0-Situation erreichen lassen. Oftmals ist bei diesen Patientinnen wegen immer
wieder auftretenden lokalen Rezidiven eine mehrfache
chirurgische und/oder strahlentherapeutische Behandlung vorausgegangen, so dass dahingehend keine weiteren Behandlungsoptionen bestehen. Allerdings stellt
die Photodynamische Therapie eine sinnvolle Methode
dar, die gute klinische Ergebnisse bei geringer Morbidität erwarten lässt (Cuenca, 2004). Das Prinzip dieser
Therapie besteht in der selektiven Anreicherung von
Photosensibilisatoren im Tumorgewebe. Durch eine
Laserlichtexposition kommt es zu Ausbildung zytotoxischer Radikale, die über vaskuläre Reaktionen zur
Tumorhypoxie und damit zum Zelltod führt. Hinsichtlich der Nebenwirkungen ist zu beachten, dass die
mit Photosensibilisatoren behandelten Patientinnen
bei Sonnenlichtexposition Hautschädigungen erleiden können. Daher sind unter der Therapie besondere
Schutzmaßnahmen zu beachten.
Das lokale Thoraxwandrezidiv stellt für die chirur-
13
gischen Optionen eine besondere Herausforderung
dar. Infiltration von Thoraxmuskulatur und Rippen
machen oft einen ausgedehnten Eingriff erforderlich,
der unter Umständen bei Infiltration von Pleura und
Lungen auch viszerale Resektionen mit einschließen
kann. Zur Deckung des dabei entstandenen Defektes
sind plastische Rekonstruktionen mit freien oder gestielten myokutanen Lappen notwendig. In der Planung solcher Eingriffe sollte jedoch mit hinreichender
Sicherheit eine Fernmetastasierung ausgeschlossen
werden. Auch muss die funktionelle Operabilität der
Patientin sorgfältig überprüft werden, so dass die Voraussetzungen bestehen, postoperative Ventilationsstörungen durch einen Verlust von Atemhilfsmuskulatur
und unter Umständen auch von Lungenparenchym zu
kompensieren.
4.5.4. Zerebrale Metastasen
Hirnmetastasen treten in etwa 10 bis 15 % der metastasierten Mammakarzinome auf und stellen eine ernsthafte Spätkomplikation der systemischen Erkrankung
dar. Dabei zeigen Patientinnen mit Karzinomen, die
eine HER2-Überexpression aufweisen und mit Trastuzumab behandelt werden, eine höhere Rate an ZNSMetastasen (Yau, 2006).
Im Vordergrund der klinischen Symptomatik steht die
Entwicklung eines Hirndrucks. Dieser kann sich durch
ein plötzliches Krampfleiden oder durch entsprechende
neurologische Defizite bemerkbar machen. Oft ist aber
auch eine psychiatrische Symptomatik auffällig, die
ohne fachärztliches Konsil häufig zu Fehldiagnosen
führt. Die Prognose ist insgesamt sehr schlecht. Die
mittlere Überlebenszeit bei rein symptomatischer Therapie beträgt fünf Wochen.
Da die Vielfalt der möglichen ZNS-Manifestationen
von solitären Metastasen bis zu diffuser zerebraler und
meningealer Metastasierung im Zusammenhang mit
einer ausgedehnten viszeralen Metastasierung reicht,
ist eine generelle Therapieempfehlung nicht möglich.
Bei multiplen und zentralen Lokalisationen stehen
antiödematöse und allenfalls strahlentherapeutische
Maßnahmen mit palliativer Zielstellung im Vordergrund der Therapie.
Handelt es sich aber um solitäre Hirnmetastasen als
Erstmanifestation der systemischen Erkrankung, so ist
eine neurochirurgische Therapie mit nachfolgender
Strahlentherapie angezeigt (Saisho, 2005; Kirsch,
2005).
4.6. Chirurgie des primär metastasierten
­Mammakarzinoms
Die chirurgische Behandlung des primär metastasierten Mammakarzinoms hat keine kurative Zielstellung.
Die Indikation ist daher streng zu stellen und richtet
sich vordergründig auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Da diese durch den Primärtumor in der Regel
nicht beeinträchtig ist, sollten sich alle chirurgischen
Aktivitäten, wie beim sekundär metastasierten Mammakarzinom, auf solche Metastasen konzentrieren,
deren Symptomatik chirurgisch günstig beeinflusst
werden kann.
Der Primärtumor erlangt dann eine chirurgische Rele­
vanz, wenn er zu Symptomen führt. Das ist in der Regel
bei weit fortgeschrittenen Karzinomen der Fall, wenn
eine Exulzeration oder Brustwandinfiltration vorliegt.
Hier können chirurgische Maßnahmen durchaus eine
Verbesserung der Lebensqualität erreichen. Die Indikationsstellung ist jedoch immer individuell zu überlegen.
5. Adjuvante Konzepte
Neben dem Osteosarkom ist es das Mammakarzinom,
welches hinsichtlich seiner Prognose in den letzten
Jahrzehnten durch die Einführung und Entwicklung
adjuvanter Therapiekonzepte eine enorme Verbesserung erfahren hat. Durch die Nutzung der molekularbiologischen Forschung und Biotechnologie und dem
Bestreben der raschen Einführung von neuen Therapieansätzen ist eine weitere Verbesserung der Situation zu erhoffen.
Als adjuvante Therapien bezeichnet man solche Behandlungen, die nach einer durch die chirurgische
Operation erreichten vollständigen Tumorentfernung einschließlich der vorhandenen lokoregionären
Lymphknotenmetastasen im Sinne einer R0-Situation
zusätzlich zum Einsatz kommen. Im Falle eines zurückgebliebenen Tumorrestes lokal mikroskopisch (R1)
oder makroskopisch (R2) sowie beim Vorliegen von
Fernmetastasen ist jegliche zusätzliche Therapie nicht
im adjuvanten Sinne.
Analog zur adjuvanten Therapie besteht die Möglichkeit des Einsatzes zusätzlicher Behandlungen vor einer
geplanten chirurgischen Operation. Somit handelt es
sich um ein neoadjuvantes Konzept.
Im Folgenden soll auf die Möglichkeiten und Konzepte
eingegangen werden, ohne diese bis ins Detail zu erläutern. Für die Erarbeitung der einzelnen und individuellen Therapiekonzepte ist für den chirurgischen
14
Onkologen ein interdisziplinäres Tumorkonsil mit Vertretern der Medizinischen Onkologie, Radioonkologie
Radiodiagnostik und Psychoonkologie erforderlich.
5.1. Chemotherapie/Hormontherapie
Grundlage für die Indikationsstellung zur adjuvanten
Chemotherapie ist die Einschätzung des Risikos für das
Auftreten eines Rezidivs oder Metastasen. Diese Risikoabschätzung erfolgt auf der Grundlage prognostisch
relevanter histomorphologischer Tumorparameter sowie biologischer Charakteristika der betroffenen Patientin.
Die internationale Konsensus-Konferenz in St. Gallen
hat grundsätzliche Empfehlungen zur adjuvanten
Therapie erarbeitet. Diese wurden in regelmäßigen
Abständen, letztmalig im Februar 2005 aktualisiert
(Goldhirsch, 2005).
Hierbei wurde eine wesentliche Veränderung im Algorithmus der Indikationsstellung für die adjuvante
Therapie erarbeitet. Dabei wurden für die Kriterien
der Hormonempfindlichkeit jetzt drei unterschiedliche
Gruppen gebildet:
•
hormonempfindlich: immunhistologisch Östrogen- und/oder Progesteron­rezeptor mindestens
10 % positiv;
•
fraglich hormonempfindlich: immunhistologisch
zwischen 1 und 10 % positiv;
•
hormonunempfindlich: beide Rezeptoren negativ, d. h. 0 %.
Des Weiteren wurden pathohistologische Parameter
wie HER2-Status, Gefäß- und Lymphbahneinbrüche
berücksichtigt und eine Hochrisikogruppe eingeführt.
Einen Überblick geben die Tabellen 1 und 2.
Als Standardkombination für die adjuvante Chemotherapie wird eine Anthrazyklin-haltige Therapie mit
5-Fluorouracil, Epirubicin (oder Doxorubicin) und
Zyklophosphamid (FEC, FAC). Zahlreiche Studien zur
Untersuchung der Wirksamkeit anderer Kombinationen bei nodal positiven oder nodal negativen Patientinnen könnten möglicherweise andere Therapieempfehlungen erwarten lassen.
Eine adjuvante Hormontherapie sollte niemals während einer Chemotherapie angewandt werden, da sich
beide Wirkungsmechanismen negativ beeinflussen.
Die Durchführung dieser Behandlung ist abhängig
vom Menopausestatus der Patientin.
Bei prämenopausalen Frauen ist neben der antiöstrogenen Therapie mit Tamoxifen die Ovarialfunktion zu
beachten. Ist diese anamnestisch nicht zu eruieren,
z. B. bei einem Z. n. Hysterektomie, müssen die Serumhormonspiegel bestimmt werden.
Die Hemmung der Ovarialfunktion durch GnRH-Analoga sollte für 2 Jahre durchgeführt werden und ist
gegenüber der Radiomenolyse oder einer Ovarektomie
mit weniger Nebenwirkungen verbunden bzw. weniger invasiv. Diese Therapie ist nicht notwendig, wenn
durch eine adjuvante Chemotherapie die Ovarialfunktion dauerhaft zum Erliegen kommt.
Bei postmenopausalen Frauen ist in der First-lineTherapie Tamoxifen das Präparat der Wahl. Inwieweit
Aromataseinhibitoren überlegen sind wird in zahlreichen Studien untersucht. Eine Alternative zum Tamoxifen besteht dann, wenn ein Progress der Erkrankung vorliegt oder die Nebenwirkungen wie Thrombosen/Embolien oder Endometriumhyperplasien zum
Therapieabbruch führen.
5.2. Strahlentherapie
Die adjuvante Strahlentherapie ist ein fester Bestandteil im multimodalen Behandlungskonzept mit primär
kurativer Zielstellung vor allem beim frühen Mammakarzinom. Aber auch beim lokal fortgeschrittenen und
inflammatorischen Karzinom dient sie der lokalen Tumorkontrolle. Die Indikation und der Bestrahlungsumfang sowie die zeitliche Abfolge muss im Rahmen der
interdisziplinären Therapieplanung festgelegt werden.
Eine absolute Indikation zur adjuvanten Strahlentherapie der Restbrustdrüse ist nach brusterhaltenden
Operationen wegen eines invasiven Mammakarzinoms
gegeben. Dadurch kann das Risiko für das Auftreten
eines lokalen Rezidivs deutlich gesenkt werden, was
letztendlich einen positiven Einfluss auf das Gesamt­
überleben hat (Early Breast Cancer Trialist Collaborative Group, 2000). Die Voraussetzung ist jedoch das
Vorliegen einer R0-Situation.
Nach eine fraktionierten Bestrahlung der Restbrustdrüse kann eine lokale Dosisaufsättigung im Sinne
eines Boostes auf das Tumorbett die lokale Rezidivrate
weiter senken. Dazu ist es wichtig, dass der Operateur dieses Tumorbett intraoperativ mittels Metallklips
markiert.
Bei einem Zustand nach Mastektomie ist in der Regel
keine adjuvante Strahlentherapie erforderlich. Unter
einer bestimmten Befundkonstellation kann sie aber
der lokalen Tumorkontrolle dienen und damit auch die
Heilungsaussichten verbessern. Die Indikation ist gegeben bei:
•
großen Tumoren pT3/4,
•
4 oder mehr befallene axilläre Lymphknoten.
15
Die Wertigkeit der Strahlentherapie der regionären
Lymphabflussgebiete ist noch nicht hinreichend belegt. Bei einem ausgedehnten Lymphknotenbefall
der Axilla bis ins Level 3 mit kapselüberscheitendem
Wachstum und einer Lymphangiosis carcinomatosa
erscheint sie durchaus vernünftig. Allerdings ist bei
der Indikationsstellung zu berücksichtigen, dass die
Morbidität der Axilladissektion durch die Strahlentherapie weiter erhöht wird.
Hinsichtlich der zeitlichen Abfolge kann eine postoperative Strahlentherapie nach 4 bis 6 Wochen beginnen
und kann parallel zur Hormontherapie durchgeführt
werden. Wenn allerdings eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt wird, ist die Strahlentherapie nach
Abschluss derselben einzuleiten.
Beim Vorliegen eines DCIS ist die Indikation zur postoperativen Strahlentherapie nach einer BET in Abhängigkeit von histomorphologischen Malignitätskriterien
zu stellen. Hilfreich ist hier der Van Nuys-Index. Die
dort eingehenden Befunde mit deren Wertigkeit sind
in der Tabelle 3 zusammengefasst.
Dementsprechend ist nach BET und einem Van NuysIndex von 5 bis 7 die Indikation zur postoperativen
Strahlentherapie gegeben.
5.1. Immuntherapie
Für die Immuntherapie des Mammakarzinoms steht
der monoklonale Antikörper Trastuzumab##### in
solchen Fällen zur Verfügung, in denen die Tumorzellen eine HER-2-neu Überexpression zeigen. Im Falle
des metastasierten Mammakarzinoms hat sich diese
Behandlung bereits bewährt, so dass nun auch die Zulassung für adjuvante Therapien vorliegt. Die Kombination mit unterschiedlichen adjuvanten Chemotherapien wird in zahlreichen Studien untersucht.
6. Das inflammatorische Mammakarzinom
Das inflammatorische Mammakarzinom stellt eine
be­son­dere klinische Verlaufsform dar, die durch eine
sehr schlechte Prognose gekennzeichnet ist und etwa
in einer Häufigkeit von 2 % auftritt. Durch eine Infiltration der Haut durch den Tumor kommt es zur einer Lymphangiosis carcinomatosa. Dies drückt sich in
einer erysipeloiden Hautrötung aus und ist in erster
Linie eine klinische Diagnose. Bei fehlendem Nachweis
eines invasiven Tumors ist allerdings eine histologische Sicherung zu erzielen. In der Regel genügt dazu
eine kleine Hautexzision. In der TNM-Klassifikation
wird dies als T4d bzw. bei histologischer Sicherung als
pT4d klassifiziert.
Eine primäre Operation ist nicht sinnvoll, da aufgrund
der flächenhaften Tumorausdehnung in der Regel keine sichere R0-Situation erreicht werden kann und damit ein lokales Rezidiv vorprogrammiert ist.
Daher ist die Durchführung einer neoadjuvanten
Chemotherapie mit nachfolgender Mastektomie und
anschließender Strahlentherapie ein sinnvolles multi­
modales Therapiekonzept mit kurativer Zielstellung
(Ueno, 1997).
7. Das männliche Mammakarzinom
Die diagnostischen und therapeutischen Probleme des
männlichen Mammakarzinoms bestehen in der Seltenheit dieser Tumorerkrankung. Es macht etwa 1,5 %
aller bösartigen Erkrankungen des Mannes und etwa
1 % aller Mammakarzinome aus. Außerhalb von Zent­
ren bestehen daher keine Erfahrungen im Management
dieser Erkrankung.
Ätiologische Faktoren des männlichen Mammakarzinoms sind noch weitgehend unbekannt. Auffällig ist
ein gehäuftes Auftreten in Kombination mit einem
erhöhten Östrogenspiegel. Die Mehrzahl der Tumoren
exprimieren Hormonrezeptoren, was auch therapeutische Relevanz besitzt.
Des Weiteren besteht in der genetischen Epidemiologie
eine wesentliche Bedeutung. So ist mit einer Mutation im BRCA2-Gen ein deutlich erhöhtes Risiko verbunden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für eine
genetische Beratung und gegebenenfalls Diagnostik in
solchen Familien, in denen männliche Mammakarzinome auftreten.
Ebenfalls genetisch bedingt ist das Mammakarzinom
beim Klinifelter-Syndrom. Hier ist das Risiko gegen­
über der gesunden männlichen Bevölkerung um das
50-Fache erhöht. Die Patienten zeigen bei einem Karyotyp 47 XXY einen eunuchoiden Habitus mit hypotrophen Tests und einer Gynäkomastie.
Klinisch besteht zunächst eine schmerzlose retromämilläre Schwellung, die oftmals keine Beachtung findet. Erst bei lokaler Ausbreitung des Tumors im Sinne
einer Infiltration der Haut mit Inflammation oder der
Brustwandmuskulatur kommt es zu einer klinischen
Symptomatik, die den Patienten zum Arzt treibt. Die
allgemeine Auffassung einer schlechteren Prognose
liegt darin begründet und hat keine tumorbiologische
Grundlage.
Hinsichtlich der Diagnostik kommen alle Verfahren
entsprechend der Indikation zur Anwendung, die sich
16
beim weiblichen Mammakarzinom bewährt haben.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich brustwandnahe Läsionen aufgrund der sehr kleinen Brustdrüse
der radiologischen Diagnostik entziehen. Somit sind
Sonografie und andere bildgebende Verfahren wie das
CT oder MRT durchaus hilfreich. In der Regel liegen
auch keinerlei Voraufnahmen zum Vergleich vor, da
keine regelmäßigen Mammografieverlaufskontrollen
durchgeführt werden.
Die chirurgische Therapie des männlichen Mammakarzinoms unterscheidet sich prinzipiell nicht von der
des weiblichen Mammakarzinoms. Allerdings ist die
Durchführung einer brusterhaltenden Therapie einerseits von geringerer Bedeutung und andererseits auch
nur sehr eingeschränkt möglich, da das Größenverhältnis zwischen Tumor und Brustdrüse dies nicht zulässt.
Die Anwendung der Sentinel-Lymphknoten-Technik
ist auch hier unbedingt zu empfehlen, um ebenfalls
unnötige axilläre Dissektionen zu vermeiden.
Die adjuvanten Therapieoptionen bestehen ebenfalls
analog zur Frau. Allerdings ist die Einschätzung des
Hormonstatus und die Wertigkeit einer antihormonellen Therapie bei positivem Rezeptorstatus noch unklar.
mer ein axilläres oder Brustwandrezidiv auszuschließen. Bei fehlendem Rezidivnachweis kann eine fachgerechte Lymphdrainage zur Besserung der Beschwerden beitragen.
Bei plastischen Rekonstruktionen im Rahmen einer
Mastektomie besteht neben der Morbidität des ablativen Eingriffs noch die Hebedefektmorbidität der zur
Rekonstruktion verwendeten Lappen. Hier kommen in
der Regel auch physiotherapeutische Maßnahmen zur
Anwendung.
Ähnlich wie bei einem Zustand nach Gliedmaßenamputation kann es auch nach einer Mastektomie
zu Phantomsensationen kommen, welche die Patientinnen sehr belasten können und auch die Akzeptanz
von plastischen Rekonstruktionen mindern. Eine sinnvolle Therapie gibt es nicht.
Die onkologische Nachsorge sollte symptomorientiert
durchgeführt werden, da eine intensive Nachsorge beschwerdefreier Patientinnen keinen Überlebensvorteil
erbringt.
Die interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft empfiehlt die Nachsorge bis zum fünften
Jahr nach Primärerkrankung und anschließend regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen (Kreienberg,
2004). Den Algorithmus zeigen die Tabellen 4 und 5.
8. Nachsorge
9. Drängende Fragen, Ziele aktueller Forschung
Die Nachsorge der Patientinnen mit einem Mammakarzinom sollte nach interdisziplinärer Abstimmung
organisiert werden, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Sie sollte in der Regel vom Operateur durchgeführt werden und dient der Erkennung und Behandlung der therapiebedingten Morbidität, der Früherkennung eines intramammären Rezidivs nach BET oder
eines Zweitkarzinoms der kontralateralen Brust und
soll die psychosoziale Rehabilitation unterstützen.
Daher müssen onkologisch versierte Ärzte, Psychoonkologen und auch Selbsthilfegruppen mit einbezogen
werden.
Hinsichtlich der therapiebedingten Morbidität sollten
die Früh- und Spätfolgen der Strahlentherapie ebenso
eine Beachtung finden wie die Nebenwirkungen einer
antihormonellen Therapie.
Die Folgen der chirurgischen Therapie bestehen im
Auftreten eines Lymphödems im Bereich der Brustwand und des ipsilateralen Armes nach Axilladissektion. Durch verbesserte Operationstechniken und die
Einführung der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie ist
die Häufigkeit jedoch deutlich zurückgegangen. Beim
späten Auftreten eines Lymphödems ist zunächst im-
Bezüglich des Screenings sind noch nicht alle Fragen
restlos geklärt. Insbesondere die Verwendung von MRI
und der digitalen Mammographie könnte eine Gesamtüberlebensverbesserung herbeiführen, welche für das
Screening noch nicht bewiesen werden konnte, denn
Vorsorge ist die beste Therapie. Die Verwendung der
neoadjuvanten Therapie konnte einen Überlebensvorteil nur für Patientinnen mit pathologisch kompletter
Remission (pCR) zeigen. Das Vorhersagen bzw. die Erhöhung der Zahl der pCR gilt als wichtiges Ziel der
Wissenschaft. Surrogate Marker, prediktive Faktoren
und neue medikamentöse Behandlungskonzepte, welche in die Apoptose der Krebszelle eingreifen, werden
hier in den nächsten 10 Jahren in der klinischen Praxis einzusetzen sein, um das neoadjuvante Konzept
auf eine größere Zahl von Patientinnen anwenden zu
können. Inwieweit die Erhöhung der brusterhaltenden
Therapie durch die neoadjuvante Therapie eine Rolle
spielt, muss in weiteren Studien untersucht werden,
da es Hinweise gibt, dass sowohl das Lokalrezidivfreie Überleben als auch das Gesamtüberleben bei
diesen Patientinnen verglichen mit mastektomierten
Patientinnen verschlechtert sein könnte. Bezüglich der
17
Sentinel-Biopsie müssen Indikationen wie Multizentrizität, neoadjuvante Therapie und Tumorgröße noch
weiter definiert werden. Im adjuvanten Bereich gilt es,
die Dauer der Antihormontherapie bzw. die sequentielle Therapie verschiedener Östrogeninhibitoren zu
erforschen. Insbesondere im premenopausalen Patientinnengut gilt es, Richtlinien der Antihormontherapiedauer in Bezug auf den Menopausenstatus zu erheben.
Der Einsatz besserer Bisphosphonate muss den Weg
in die klinische Praxis finden. Die Chemotherapien
müssen besser verträglich und gezielter anwendbar
werden. Der Einsatz der sogenannten „targeted therapy“ muss um weitere Medikamente erweitert werden.
Solche Medikamente dürften die vielversprechendsten
Ergebnisse bringen, was an Hand der am ASCO 2005
präsentierten Daten über die adjuvante Verwendung
des her2neu Antagonisten Herceptins eindrucksvoll
bewiesen werden konnte.
9.1. Benchmark
Die ausgezeichneten Forschungsergebnisse der letzten
Jahrzehnte haben die Mortalität des Mammakarzinoms
stark reduzieren können bei steigender Entdeckungsrate von immer kleineren, prognostisch günstigeren
Karzinomen. Das 5-Jahres-Gesamtüberleben sollte bei
pT1 Karzinomen bei 90 %, bei pT2 Karzinomen bei
80 % und bei pT3 Karzinomen bei 70 % liegen. Die 5Jahres-Lokalrezidivrate sollte 10 % nicht übersteigen
und liegt bei ausgewiesenen Zentren bei 3 %. Die Anzahl der synchron metastasierten Patientinnen sollte
bei etwa 10 % liegen, das 5-Jahres rezidivfreie Überleben sollte zwischen 60 % und 80 % liegen. Die Brust­
erhaltungsrate liegt derzeit bei 75 % bis 90 % und
die Anzahl der Patientinnen mit einer neoadjuvanten
Therapie sollte etwa bei 20 % liegen. Diese Leistung
ist durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachgebiete erzielt worden,
welche allerdings noch verbessert werden kann. Hier
ist besonders die Politik gefragt, da die Zentralisation der Therapie in Mammazentren und die externe
Qualitätskontrolle zur Verbesserung der Therapie eine
große Rolle spielen. Mit der Zertifizierungsinitiative
in Eu­ropa wurde der erste Schritt hin zu einer Zentralisation und einer besseren Kontrolle gelegt. Die
Guidelines der Europäischen Gesellschaft für Senologie (EUSOMA) gelten hierfür als Grundlage und sind
über das Internet frei erhältlich (http://www.eusoma.
org/doc/EusomaBUguidelinesrevisedversion06.pdf).
Kurz zusammengefasst soll ein Zentrum mindestens
150 primäre Mammakarzinomfälle pro Jahr aufweisen
können. Weiters wird auf die spezielle Ausbildung und
Weiterbildung der einzelnen Fachärzte eingegangen,
wobei der Brustchirurg mindestens 50 primäre Fälle pro
Jahr selbst operieren sollte und ein Basiswissen der rekonstruktiven Chirurgie aufweisen soll. Der Radiologe
­sollte 1000 Mammographien pro Jahr sehen. Bezüglich
des Pathologen und Onkologen werden ­ keine Zahlen
genannt, in beiden Fällen sollte einer aber zumindest
die Hälfte aller Fälle eines Zentrums pro Jahr diagnostizieren bzw. therapieren. Regelmäßige Fortbildungen
an internationalen Mammakarzinomsymposien bzw.
Kongressen sind ebenfalls Vorraussetzung. Weiters
wird auf spezielle Einrichtungen, Geräte und auf eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit mit regelmäßigen
Sitzungen hingewiesen (multidisciplinary meetings =
MDMs). Zentren sollten Patientinnen die Möglichkeit
bieten, an klinischen Studien teil zu nehmen.
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www.krebsgesellschaft.de
Deutsche Krebgesellschaft
www.senologie.org/
Deutsche Gesellschaft für Senologie
www.abcsg.at
Austrian Breast and Colorectal Study Group
www.brustambulanz.info
Brustambulanz der Abteilung für Chirurgie, Medizinische
Universität Wien
www.krebshilfe.com
Wiener Krebshilfe
www.aco-asso.at
Österreichische Gesellschaft für chirurgische Onkologie
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