Kapitel 11 - Fakultät für Mathematik, TU Dortmund

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Kapitel 11— Beweisführung
Kapitel 11— Beweisführung
Mathematischer Vorkurs – TU Dortmund
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Kapitel 11— Beweisführung
Grundsätzlich: ein mathematischer Satz ist eine Aussage der Form wenn
”
. . . gilt, dann gilt . . .“, d.h. aus gewissen Aussagen - den sog.
Voraussetzungen - wird eine andere Aussage - die sog. Behauptung logisch deduziert.
Bezeichnung dieses Vorganges: Beweis.
Kurzschreibweise: A =) B, A: Voraussetzung, B: Behauptung,
Bezeichnung: Implikation
Aufgabe des Beweises: Nachweis der Gültigkeit einer Implikation mit
Mitteln der Logik (und nur diesen)
A =) B und B =) A: A () B Äquivalenz von Aussagen. 2
Aussagen: Hin- und Rückrichtung.
Zum Nachweis einer Implikation gibt es verschiedene Mechanismen, wir
nennen sie Beweisprinzipien, auch Beweismethoden.
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Direkter Beweis:
Bei dieser Beweisform versuchen wir, aus einer Voraussetzung A durch
eine Kette von Implikationen eine Behauptung B nachzuweisen:
A =) A1 ,
A1 =) A2 ,
...,
An
1
=) An ,
An =) B.
Kurz schreiben wir dafür: A =) A1 =) . . . =) An =) B.
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Kapitel 11— Beweisführung
Beispiel: Teilbarkeitsregel für n = 3:
A: 3 ist Teiler der Quersumme q einer Zahl n 2
n.
Die Zahl n bestehe aus den m + 1 Zi↵ern am am
=) B: 3 ist Teiler von
1 . . . a1 a0 .
Dann ist
n = a0 + 10 · a1 + 100 · a2 + . . . + 10m · am
= (a0 + a1 + a2 + . . . + am ) + 9 · a1 + 99 · a2 + . . . (10m 1) ·am ,
|
{z
}
| {z }
=q
|
{z m Neunen }
=s
also ist n Summe aus der eigenen Quersumme q und einer durch 3
teilbaren Restsumme s.
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Kapitel 11— Beweisführung
A: 3 ist Teiler der Quersumme q einer Zahl n = q + s 2
+
A1 : n ist Summe zweier durch 3 teilbarer Zahlen
+
B: 3 ist Teiler von n.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass man viel Arbeit in die Umformulierung der
Ausgangsaussage(n) A steckt. Die Beweiskette als solche kann dann (wie
hier) recht kurz sein.
Aufgabe: Welche Modifikationen sind notwendig, um die Teilbarkeitsregel
für die Zahl 9 zu beweisen?
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Kapitel 11— Beweisführung
Beweis durch Kontraposition
Man nutzt zum Beweis der Implikation A =) B eine äquivalente
Formulierung aus: Ist die Aussage B nicht richtig, dann kann A auch nicht
richtig sein. Kurz schreiben wir: ¬B =) ¬A. ¬“ heißt dabei Negation.
”
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Kapitel 11— Beweisführung
Wir behaupten, dass für eine Zahl p 2
gilt:
A : p2 ist eine gerade Zahl =) B : p ist eine gerade Zahl.
Beweis: Wir zeigen ¬B =) ¬A:
=)
=)
¬B : p ist eine ungerade Zahl
A1 : Es ex. eine Zahl n 2
A2 : p2 = 4n2
so, dass gilt: p = 2n
4n + 1 = 2m + 1, m = 2n2
=) ¬A : p2 ist eine ungerade Zahl
1
2n 2
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Kapitel 11— Beweisführung
Wir behaupten, dass für beliebige Zahlen x, y 2
gilt:
A : x2 + y 2 = 0 () B : x = 0 ^ y = 0.
(=: O↵enbar ist für x = y = 0 auch x2 + y 2 = 0.
=): Statt A =) B zeigen wir: ¬B =) ¬A. Dann gilt:
¬B : x 6= 0 _ y 6= 0. Ist x 6= 0, dann ist x2 > 0. Ist y 6= 0, dann ist y 2 > 0.
In beiden Fällen ist x2 + y 2 > 0, also x2 + y 2 6= 0, was gerade Aussage ¬A
entspricht.
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Widerspruchsbeweis, indirekter Beweis“
Prinzip eines Widerspruchsbeweises zum Nachweis von A =) B:
Annahme: Aussage A gilt, aber die Aussage B nicht. Daraus folgert man
so lange weitere Aussagen, bis man auf eine Aussage stößt, von der man
definitiv weiß, dass sie falsch ist (0 > 1, 1 = 0 etc.)
Da die Voraussetzung A richtig war, kann somit die zweite Voraussetzung
¬B nicht richtig gewesen sein, also gilt sowohl A als auch B.
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Kapitel 11— Beweisführung
p
Wir behaupten: B: 2 ist nicht rational,
d.h. es existieren keine
p
teilerfremden Zahlen p, q 2 mit 2 = p/q, d.h.
A : p, q sind beliebige teilerfremde Zahlen aus
=) B :
p p
6= 2
q
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Kapitel 11— Beweisführung
Wir nehmen an, es gelten A und ¬B, also:
p
A ^ ¬B :
2 = p/q mit teilerfremden Zahlen p, q 2
=)
A1 : p 2 = 2 q 2
=)
A2 : p2 ist eine gerade Zahl
=)
A3 : p ist eine gerade Zahl, p = 2 · m, m 2
=)
A4 : p2 = 4 · m2
=)
A5 : p 2 = 4 · k = 2 · q 2 , q 2 = 2 · k
=)
A6 : q 2 ist eine gerade Zahl
=)
A7 : q ist eine gerade Zahl, q = 2 · m̃, m̃ 2
=)
A8 : p und q sind durch 2 teilbar, also nicht teilerfremd!
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Kapitel 12— Vollständige Induktion
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Wir betrachten Aussagen A(n), d.h. Aussagen, die von einer Zahl n 2 N
abhängen, wie etwa:
1
2
3
n3 n ist für alle n 2 N durch 3 teilbar.
Pn
n (n+1)
, n 2 N.
k=1 k =
2
(1 + x)n
(1 + x)n , R 3 x
1, n 2 N0 .
Für jedes zugelassene n liefert A(n) stets eine andere Aussage.
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Überlegung
Nehmen wir an, A(n) erweise sich als richtig für irgendein (erstes)
n0 2 N0 . Kann man dann allgemein mit einer unserer bekannten
Beweismethoden zeigen, dass die Aussage A(n) stets die Aussage
A(n + 1) impliziert, so hätten wir insgesamt folgende Implikationskette:
A(n0 ) =) A(n0 + 1) =) A(n0 + 2) =) . . .
Also gilt die Aussage A(n) für alle natürlichen Zahlen
n0 , n0 + 1, n0 + 2, . . ..
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Beweisprinzip
Prinzip der vollständigen Induktion
1 Induktionsanfang, Induktionsverankerung:
Es gibt ein n0 2 N0 so, dass A(n0 ) wahr ist
2 Induktionsvoraussetzung:
Annahme: A(n) ist wahr (n n0 )
3 Induktionsschluss:
Zeige: A(n) =) A(n + 1)
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Warum ist ein solches formales Beweisverfahren überhaupt wichtig?
(1) Betrachten wir den Ausdruck n2 + n + 41 (n 2 N0 ) und notieren die
Ergebnisse für n = 0, . . . , 35:
n
n2 + n + 41
0
41
1
43
2
47
3
53
4
61
5
71
6
83
7
97
29
911
...
...
35
1301
Das Ergebnis ist stets eine Primzahl. Wir vermuten, dass der Ausdruck für
alle n 2 N0 eine Primzahl ergibt und formulieren die Aussage:
Für n 2 N0 liefert der Ausdruck n2 + n + 41 stets eine Primzahl!
Aber: Die Aussage ist falsch. Tatsächlich liefert n2 + n + 41 nur für
n = 0, . . . , 39 eine Primzahl. Für n = 40 ist 402 + 40 + 41 = 412 , also
keine Primzahl. Für n = 41 ist die Teilbarkeit durch 41 ohnehin klar!
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(2) Die Behauptung, dass der Ausdruck 2p 1 1 für Primzahlen p nicht
durch p2 teilbar ist, bestätigte sich tatsächlich schnell für p < 1000. Erst
für p = 1093 erweist sie sich als falsch!
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Wir behaupten, es gilt für alle n 2 N:
n
X
k=
k=1
Induktionsanfang: O↵enbar ist A(1) wahr:
n(n + 1)
.
2
P1
k=1 k
! 1·2
2 .
=1=
Wir setzen nun A(n) als wahr voraus (Induktionsvoraussetzung). Dann
ist zu zeigen (Induktionsschluss):
A(n + 1) ist wahr, d.h.
n+1
X
k=1
k=
(n + 1)(n + 2)
.
2
Dies beweisen wir nun unter Verwendung von A(n):
n+1
X
k=1
k =n+1+
n
X
k=1
A(n)
n(n + 1)
=
2
⇣n
⌘
(n + 1)
+1
=
2
k = n+1+
(n + 1)(n + 2)
.
2
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Bemerkung
(1) Technisch betrachtet liegt die Kunst“ des Beweisverfahrens darin, die
”
zu beweisende Aussage A(n + 1) so umzuformulieren, dass die
Voraussetzung A(n) angewendet werden
Pn+1kann. Einfach fällt dies
Pnim Falle
von Aussagen über Summen, da in k=1 (·) stets die Summe k=1 (·)
enthalten ist, auf die dann die Voraussetzung angewendet wird. Im
allgemeinen Fall muss man in die Umformulierung von A(n + 1) u. U. viel
Arbeit hineinstecken, damit A(n) angewendet werden kann.
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Bemerkung
(2) Beim Induktionsanfang handelt es sich häufig um eine Trivialität, und
die eigentliche Rechen- und gedankliche, kreative Leistung steckt im
Induktionsschluss. Der Induktionsanfang ist dennoch sehr wichtig und darf
nicht vergessen werden, sonst ist es möglich, falsche Aussagen zu
beweisen“.
”
Beispiel
A(n): Jede natürliche Zahl ist gleich ihrem Nachfolger, d.h. n = n + 1
(Beh.)
!
Induktionsschluss: A(n): n = n + 1 =) A(n + 1): n + 1 = n + 2.
Aus n = n + 1 erhält man durch Addition von 1 auf jeder Seite
A(n + 1) :
n + 1 = n + 2.
Aber: A(1), d.h. die Aussage 1 = 1 + 1, ist (zum Glück) nicht nachweisbar!
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Beispiel
Die (häufig benutzte) Bernoullische Ungleichung lautet:
(1 + x)n
1 + n · x,
I-Anfang: Für n = 0 ist (1 + x)0 = 1
1, n 2 N0 .
x
1 + 0 · x.
I-Schluss: z.z.: A(n) =) A(n + 1) : (1 + x)n+1
(1 + x)n+1 = (1 + x)n (1 + x)
x
1
(1 + n · x) (1 + x)
= 1 + (n + 1) · x + n
· x}2
| {z
0
1 + (n + 1) · x.
1 + (n + 1) · x.
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Behauptung: Für n 2 N ist der Ausdruck n3 n stets durch 3 teilbar.
(Bem.: Es ist auch n5 n durch 5 und n7 n durch 7 teilbar. Aber die
Vermutung, für ungerades k ist nk n stets durch k teilbar, ist falsch,
denn 29 2 = 510 ist nicht durch 9 teilbar. Leibniz, 17. Jh.)
I-Anfang: Für n = 1 ist 13
1 = 0 und somit (ohne Rest) durch 3 teilbar.
I-Schluss: z.z.: A(n) =) A(n + 1) : (n + 1)3
(n + 1) ist durch 3 teilbar.
(n + 1)3
1 = (n3
(n + 1) = n3 + 3n2 + 3n + 1
n
n) + 3n2 + 3n.
Also ist gemäß Induktionsvoraussetzung (n + 1)3 (n + 1) Summe von
drei durch 3 teilbaren Ausdrücken, also durch 3 teilbar.
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Die Summe der ersten n ungeraden Zahlen ist n2 , d.h.
n
X
(2i
1) = n2 .
i=1
P1
1) = 1 = 12 .
Pn+1
I-Schluss: z.z.: A(n) =) A(n + 1) :
1) = (n + 1)2
i=1 (2i
I-Anfang: Es gilt für n = 1:
n+1
X
i=1
(2i
1) =
n
X
(2i
i=1 (2i
1) + 2(n + 1)
1 = n2 + 2n + 1 = (n + 1)2 .
i=1
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Die folgenden Aussagen sind typisch für einen Induktionsbeweis.
Beispiele 12.2 (Summen, Gleichungen)
1. Für alle n 2
2. Für alle n 2
3. Für alle n 2
4. Für alle n 2
0
gilt
n
X
k=
k=0
0
gilt
n
X
n(n + 1)
.
2
qk =
q n+1 1
.
q 1
k2 =
n(n + 1)(2n + 1)
.
6
k3 =
n2 (n + 1)2
.
4
k=0
0
gilt
n
X
k=0
0
gilt
5. Es gilt (x + y)n =
n
X
k=0
n ✓ ◆
X
n
k=0
k
xk y n
k
für alle n 2
0.
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Beispiele 12.3 (Ungleichungen)
1 eine feste reelle Zahl. Dann gilt: Für alle n 2
6. Es sei x >
(1 + x)n
1 + nx
7. Ist x 6= 0 so gilt 6. mit “>” für alle n 2
8. Es sei p
9. Es sei p
ist
2. Dann gilt: Für alle n 2
3. Dann gilt: Für alle n 2
10. Für alle n 2
11. Für alle n 2
5
ist
2.
ist pn
ist
pn
n.
n2 .
gilt 2n > n2 .
135
246
· · · 2n2n 1 
p 1
.
3n+1
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Beispiele 12.4 (Teilbarkeit)
12. 3 teilt 13n + 2 für alle n 2
13. 3 teilt
22n+1
14. 6 teilt n3
.
+ 1 für alle n 2
n für alle n 2
0.
0.
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Kapitel 12— Vollständige Induktion
Beispiele 12.5 (Ableitungen)
15. Es ist f (x) =
x
1 x.
16. Für alle n 2
0
n!
für alle n 2
(1 x)n+1
xn , dann ist f 0 (x) = nxn 1 .
Dann ist f (n) (x) =
gilt: Ist f (x) =
.
2
17. Es sei f (x) = e x . Dann gilt: Für alle n 2 0 gibt es ein Polynom
2
pn vom Grad n, so dass f (n) (x) = pn (x)e x .
1
( 1)n n!an
18. Es sei f (x) :=
. Dann ist f (n) (x) =
für alle
ax + b
(ax + b)n+1
n 2 0.
19. Es sei f (x) = sin(ax) + cos(bx). Dann ist für alle n 2 0
f (n) (x) = an sin ax + n ⇡2 + bn cos bx + n ⇡2 .
Z
x
n
20. Es sei fn (x) = x . Dann ist fn (x) dx =
fn (x) + c für alle
n+1
n 2 0.
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