Strahlentherapie - Institut für Physik

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Strahlentherapie
Johannes Gutenberg Universität Mainz
Fortgeschrittenen Praktikum Physik – Seminar, Sommersemester 2010
Referentin: Claudia Mann, Betreuerin: Miriam Fritsch
17. Mai 2010
1. Strahlentherapie und Strahlenschäden
Unter dem Begriff der Strahlentherapie versteht man die Behandlung von Krebserkrankungen mit
ionisierender hochenergetischer Strahlung. Dazu zählt man vor allem Gamma-, Röntgenbremsstrahlung und Elektronen, seit der Mitte des letzten Jahrhunderts auch Protonen und schwere Ionen.
Dabei zählt man Behandlungen mit Mikrowellen- oder Wärmestrahlen, Licht- und UV-Therapie sowie
Ultraschallwellen nicht zur Strahlentherapie.
Krebs besteht aus einzelnen Tumorzellen, welche durch drei Faktoren entstehen können: zum einen
durch Strahlung(z.B. Hauttumore durch zu langes und zu intensives Sonnenbaden), zum anderen
aber auch durch Chemikalien (z.B. Tabakrauch).
Aktuelle Zahlen zu Krebs in Deutschland:
Einen weiteren Faktor stellen die spontanen
Mutationen.
2006: 426.800 Krebskranke
Eine Tumorzelle zeichnet sich durch drei
Hauptmerkmale aus: unkontrollierte Zellteilung,
kein selbstinduzierter Zelltod und sie entgeht dem
Immunsystem. Desweitern können auch noch
andere Charakteristiken auftreten, wie beispielsweise eine eigene Blutversorgung und/oder Metastasierungen.
für 2010 erwartet: rund 450.000 Neuerkrankungen
2006: 210.930 Krebstote
(vgl. im selben Zeitraum 358.953 Menschen
an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorben)
für 2010: etwa 1,45 Mio Menschen mit
Krebserkrankung erwartet, d.h. Diagnose der
Erkrankung erfolgte in den letzten 5 Jahren
In der DNA befindet sich die Erbinformation ,
welche alle Vorgänge in der Zelle regelt. Die
Bestrahlung erfolgt mit geladenen Teilchen oder Photonen. Somit können Schäden an der DNA
entstehen, wie zum Beispiel Einzel- und Doppelstrangbrüche, Basenschäden (Basenverlust oder
-austausch), intramolekulare Vernetzungen oder Anlagerung von Proteinen von außen. Diese
Schäden sind alle reparierbar, auch von der Tumorzelle. Dieser Vorgang des Reparierens beginnt
direkt nach der Bestrahlung. Somit ergibt sich das große Ziel der Strahlentherapie: die größtmögliche
Schädigung der Tumorzellen und die größtmögliche Schonung des gesunden Gewebes.
Eine weitere Schädigung der DNA sind die sogenannten „bulky lesions“. Dies sind denaturierte
Zonen, in denen viele DNA-Schäden gleichzeitig auftreten. Dies erschwert die Reparatur, oder macht
sie gar unmöglich. Sie nehmen mit höherer Ionisationsdichte zu, wie beispielsweise bei Protonen und
schweren Ionen.
Um das gesunde Gewebe größtmöglich zu schonen,
nutzt man die Methode der Fraktionierung. Man gibt
dabei dem Gewebe, egal ob Tumor- oder gesundes
Gewebe, die Möglichkeit die Schäden zu reparieren.
Dabei haben die beiden Gewebearten unterschiedliche
„Geschwindigkeiten“, mit denen die Reparatur von statten
geht. Das gesunde Gewebe kann sich schneller
reparieren. Dies sieht man auch in der nebenstehenden
Abbildung. Bei einmaliger Bestrahlung (schwarze
gestrichelte Linie) werden beide Gewebearten
Schema des Prinzips der Fraktionierung
gleichermaßen geschädigt. Fraktioniert man jetzt die
Gesamtdosis von 60-70 Gray auf 30-40 Einzeldosen zu je 2 Gray, so sieht man, dass sich das
Tumorgewebe (rote gestrichelte Linie) wesentlich schlechter erholt, als das gesunde Gewebe (blaue
gestrichelte Linie). Gegenüber der einmaligen Bestrahlung mit voller Dosis, sinkt bei der
Fraktionierung die Überlebensrate der Tumorzelle, während sie für die gesunden Zellen wesentlich
höher ist.
Als Maß für die Ionisationsdichte benutzt man den Linear Energy Transfer (LET). Dieser ist ein Maß
für die an einem Punkt der Teilchenbahn absorbierte Dosis, und entspricht somit der Bethe-BlochFormel.
Vergleicht man nun die unterschiedlichen Strahlungsarten
(siehe nebenstehende Abbildung), so sieht man, dass
jede Strahlenart eine unterschiedliche Tiefen-DosisVerteilung besitzt. Die Photonen (gelbe Linie) weisen
einen exponentiellen Abfall auf, während die Ne-Atome
und Protonen einen Bragg-Peak haben. Dabei ist die
aufgetragene Wassertiefe mit der Eindringtiefe in das
Gewebe vergleichbar, da eine menschliche Zelle
größtenteils aus Wasser besteht.
In der Strahlentherapie unterscheidet man zwei Arten der
Strahlenwirkung. Bei der direkten Strahlenwirkung
werden DNA-Teile direkt ionisiert. Die Schäden entstehen
durch DNA-Radikale. Jedoch spielt die direkte
Strahlenwirkung eine untergeordnete Rolle. Die indirekte
Strahlenwirkung passiert häufiger und beruht auf der Radiolyse von Wasser. Bei der Radiolyse von
Wasser entstehen entweder durch Ionisation oder durch Anregung der Wassermoleküle
Wasserradikale. Wasser ist in jeder menschlichen Zelle in dem Zellplasma, zusammen mit Proteinen
vorhanden, sodass die DNA direkt von einer Hydrathülle umgeben ist.
2. Elektronen- und Gammastrahlen
Die geschichtliche Entwicklung der Strahlentherapie beginnt 1895 mit der Entdeckung der
Röntgenstrahlen durch Conrad Wilhelm Röntgen. Schon ein Jahr später gingen in ganz Europa und
den USA hunderte Röntgenapparate in Betrieb. 1897 wurde dann bereits in einer Wiener MedizinFachzeitschrift ein Artikel über die erste erfolgreiche Therapie mit Strahlen veröffentlicht. Jedoch
wurde auch schnell deutlich, welche Nebenwirkungen wie Haarausfall und Hautentzündungen
auftreten. Somit wurde 1904 von dem US-Amerikaner William Herbert Rollins ein erstes Buch über
Strahlenfolgen veröffentlicht. Zwischen 1945 und 1960 würden dann fast überall die Röntgenröhren
durch 60Co- und 137Cs-Quellen ersetzt. Ab 1970 standen dann Linearbeschleuniger für die Medizin zur
Verfügung und ersetzten bald daraufhin alle Co- und Cs-Strahler. Zu Beginn des Jahres 2000 gingen
dann auch in Deutschland die letzten Kobaltkanonen außer Betrieb.
Die Linearbeschleuniger in der Medizin besitzen ein
Vakuumrohr, welches ungefähr 1,5m lang ist, und
produzieren Elektronen oder Photonen im
Energiebereich von 3 - 20 MeV. Mit Hilfe der
nebenstehenden Abbildung wird nun ein
Linearbeschleuniger der Medizin erklärt.
8) Elektronenkanone: Erzeugung einer
Elektronenwolke mittels Glühemission
7) Beschleunigungseinheit: Vakuumrohr, um die
Elektronen mittels hochfrequenter Schwingung
auf nahezu Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen
6) Fokus: Ort der Entstehung divergenter Strahlung
5) Strahlführungseinheit: Elektronenstrahl über
B-Felder auf Fokus zu richten (Abweichung <2%)
4) Umlenkmagnet um Elektronen mittels Magnetfeld
auf einen 2mm großen Fokus zu lenken
Typischer Linearbeschleuniger in der Medizin
3) Filterkarussell mit Streufolien für homogenes
Elektronenfeld, Filterstärken der entsprechenden Energie angepasst
2) Ionisationskammer zur Überwachung der eingestrahlten Dosis (Abweichung von 2% der
berechneten Dosis führt zur Unterbrechung der Bestrahlung)
1) Asymmetrische Blenden zur Formung von flexiblen Feldgrößen für die Bestrahlung
Dabei dienen die Streufolien zur Auffächerung des Elektronenstrahls und die Blenden zur Anpassung
dieses Strahles auf die Größe des Tumors.
Photonenstrahlen erhält man, indem man den hochenergetischen Elektronenstrahl auf ein
wassergekühltes Wolfram-Target schickt, sodass Röntgenbremsstrahlung entsteht. Die Auffächerung
des Strahls erfolgt mittels eines Ausgleichskörpers.
3. Protonen- und Schwerionentherapie
Die geschichtliche Entwicklung der Protonen- und Schwerionentherapie setzt 1954 ein, als es die
ersten Versuche gab, elektrisch betriebene Linearbeschleuniger für die Medizin zugänglich zu
machen. In dem selben Jahr wurden in Berkeley bereits Augen, genauer Netzhauttumore bestrahlt.
Das erste europäische Protonentherapie-Programm gab es zwischen 1957 und 1976 in Uppsala,
Schweden. 1984 wurden dann erstmals Augenmelanome in Europa am Forschungszentrum der PSI
mit der Anlage OPTIS durchgeführt. Heute besteht eine Zusammenarbeit zwischen dem PSI in der
Schweiz und der Rinecker-Klinik in München, wo seit 2009 Bestrahlungen durchgeführt werden. Um
1995 entstand dann das erste Protonentherapiezentrum (Klinik) in Kalifornien, das Loma Linda
University Medical Center. Gleichzeitig entstand in Chiba, Japan ein Schwerionentherapiezentrum.
Seit 2000 wird am Forschungszentrum der GSI in Darmstadt ebenfalls mit Schwerionen bestrahlt.
Ebenfalls seit 2000 werden an der GSI auch Bestrahlungen außerhalb der Augen durchgeführt. In
den letzten 10 Jahren entstand dann eine Zusammenarbeit mit dem Heidelberger-IonenTherapiezentrum (HIT), wo ebenfalls seit 2009 Bestrahlungen durchgeführt werden.
Grundriss des HIT
Anlage in Heidelberg besteht aus einem
Synchrotron und 3 Behandlungsplätzen: 2
Gantrys und ein Fixed-beam-Platz
Fixed-Beam wird zur Bestrahlung von Augenund Hirntumoren genutzt
Fixed-Beam
Synchrotron kann durch Zyklotron (z.B. am
PSI) ersetzt werden
Anlage sowohl für Protonen als auch für
schwere Ionen geeignet
Typische Protonenenergien:
Fixed-Beam: maximal 160 MeV
Gantry: maximal 250 MeV
Gantry am Hit
schematische Darstellung
System für Ionen- bzw. Protonenstrahl:
rot: Dipolmagnete; grün: Quadrupolmagnete; beides zur Strahlführung
grün: Strahlrohr
360° um Patienten drehbar
Radius von ca. 6m
Gesamtgewicht: 160t
Bestrahlungstechniken
Schwarzes Kästchen symbolisiert in etwa
den Teil, den der Patient von der gesamten
Anlage sieht.
Strahlaufweitung am Beispiel von Loma Linda
Autweitung der Intensität während
der einzelnen Schritte
Anpassung des
Protonenstrahls auf die
Tumorgröße, werden immer
wieder neu hergestellt
Schaffung unterschiedlich
energetischer Protonen
mithilfe des Kammfilters
lila farbige
Flächen
entsprechen
geschonten
gesundem
Gewebe
Tiefen-Dosis-Änderung vom BraggPeak zum Spread out Bragg-Peak
Bei dieser Bestrahlungstechnik wird der Tumor in kleine Volumina eingeteilt und anschließend
scheibchenweise bestrahlt. Somit ist auch klar, dass immer neue Kompensatoren gebraucht werden.
Spot-Scanning
Das Spot-Scanning wurde in den 90er Jahren den 20. Jahrhunderts an der GSI in Darmstadt
entwickelt.
Bei dieser Technik wird der Teilchenstrahl mittels schnell steuerbarer Magnetfelder gelenkt. Die
Eindringtiefe der Teilchen wird über die Energie der Teilchen gesteuert. Bei dieser Methode wird das
Tumorvolumen in viele Schichten gleicher Tiefe zerlegt, die dann einzeln zeilenweise abgetastet
werden. Der Strahl bleibt dabei solange an einem Punkt in der Zeile, bis die berechnete Solldosis
erreicht ist. Somit ist eine präzise 3-dimensionale Abtastung möglich. Des weiteren erfolgt bei dieser
Technik eine geringe Strahlaufweitung.
4. Vergleich der Therapiearten
Vergleicht man die bis hierhin behandelten Strahlungsarten, so stellt man fest, dass Protonen, ganz
im Gegensatz zu den Photonen, eine höhere Dosis direkt im Tumor deponieren und das umliegende
Gewebe stärker schonen. Aufgrund des exponentiellen Abklangs der Photonen wird ein größerer Teil
des umliegenden gesunden Gewebes mit bestrahlt.
Die schweren Ionen haben auch einige Vorteile gegenüber den Photonen. Gegenüber den Photonen
weisen beispielsweise 12C-Ionen eine geringere seitliche Streuung auf. Desweiteren sind die Schäden
besonders effektiv am Ende ihres zurückgelegten Weges.
Somit ist auch klar, dass man die unterschiedlichen Teilchenstrahlen auch bei unterschiedlichen
Tumoren anwendet. Desweiter ist (hoffentlich) jedem bewusst, dass es noch zwei andere
medizinische Arten der Krebsbehandlung gibt: Operation und Chemotherapie. Bei der Behandlung
werden in den meisten Fällen immer mindesten zwei Therapiearten miteinander kombiniert.
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Elektronen zur Behandlung oberflächlich gelegener Tumore
Photonen zur Behandlung tiefer gelegener Tumore mit unscharfen Grenzen
Protonen und Schwerionen zur Behandlung von tiefer gelegenen Tumoren mit scharfen
Grenzen
Chemotherapie zur Behandlung von Metastasen
Operation
5. Literaturverzeichnis
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http://www.strahlentherapie-erfurt.de/physik.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Strahlantherapie
http://www.krebsinformationsdienst.de
http://www.psi.ch
http://lomalindahealth.org
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Physikalische und Strahlenbiologische Messungen zur Strahlentherapie mit Protonen, Miriam Fritsch,
Diplomarbeit, Universität Erlangen, 1996
Spot-Scanning mit Protonen: Experimentelle Resultate und Therapieplanung, Stefan Georg Scheib,
Dissertation, Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, 1993
Informationsbroschüren des PSI und der GSI zum Thema Protonentherapie
o Ionenstrahlen im Kampf gegen Krebs: Tumortherapie an der GSI, März 2006
o Errichtung einer klinischen Therapieanlage zur Krebsbehandlung mit Ionenstrahlen, Radiologische
Universitätsklinik Heidelberg, dkfz, GSI, September 1998
o Die Protonentherapie am Paul Scherer Institut, Oktober 2008
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