Pathophysiologie für Ernährungswissenschaftler

Werbung
Skript zur Vorlesung
Pathophysiologie für
Ernährungswissenschaftler
Universitätsklinikum Gießen
Vorwort
Sehr geehrte Studierende der Ernährungswissenschaften,
anbei finden Sie die letzte Version des Skriptes "Pathophysiologie für Ernährungswissenschaftler" noch im alten Format. Möglicherweise ergeben sich durch die Neustrukturierung
des Studiengangs Änderungen, die dann von den neuen (und alten) Dozenten
vorgenommen werden können. Da die Inhalte prüfungsrelevant sind, ist es günstig, dass sie
von den gegenwärtigen Prüfern akzeptiert sind. Damit ist dieses Skript bis auf weiteres die
Grundlage insbesondere der schriftlichen Prüfungen im Fach Pathophysiologie.
Skripte sind natürlich nie perfekt und sollten auch mit der Zeit an neuere Entwicklungen
angepasst werden. Wenn Sie Vorschläge und Verbesserungs-wünsche haben wenden Sie
sich an
Prof. Dr. Dr. N. Katz
Direktor
Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie
Gaffkystr. 11c
oder
Prof. Dr. Thomas Linn
Med. Klinik und Poliklinik 3
Rodthohl 6
Gießen, den 18.02.2003
Seite
1
VORWORT
1
1. DER LIPIDSTOFFWECHSEL
7
1.1 Aufnahme, Synthese, Funktionen, Ausscheidung
8
1.2 Der Transport der Lipide
9
1.3 Abnormale Lipoproteine
11
1.4 Elektrophorese
12
1.5 Die Frederickson-Einteilung der Hyperlipoproteinämien
12
1.6 Folgen der HLP
• Lipidablagerungen im Gewebe
• Mikrozirkulationsstörungen
14
14
14
1.7 Therapie bei hohem LDL-/IDL-Spiegel
14
1.8 Diättherapie bei HLP
14
1.9 Dyslipoproteinämie
15
1.10 Nierensteine (Harnsteine) & Gicht
15
1.11 Nierensteine
• Symptome der Harnleitersteine und Nierenkolik
• Arten der Nierensteine
• Therapie der Nephrolithiasis
16
17
17
18
1.12 Hyperurikämie und Gicht
• Pathogenese
• Entzündungs (reaktion)
• Primäre Hyperurikämie
• Sekundäre Hyperurikämie (5%)
• Hyperurikämie
• Renale Harnsäureausscheidung:
• Klinik und Therapie der Hyperurikämie
19
20
20
21
21
21
21
22
1.13 Arteriosklerose
23
1.14 WHO-Definition
23
1.15 Risikofaktoren der Atherosklerose
• Reversible Faktoren:
• Teilweise reversible Faktoren:
• Nichtreversible Faktoren:
• Andere mögliche Faktoren:
24
24
24
24
24
1.16 Regulation des Cholesterinstoffwechsels
25
1.17 Pathomechanismus
26
1.18 SMC (Smooth Muscle Cell)
28
Seite
2
1.19 Krankheitsbilder der Atherosklerose (eingeteilt nach Arealen)
• AS der Koronararterien = Koronare Herzkrankheit (KHK)
• AS der Gehirn-versorgenden Arterien = Cerebralsklerose
• AS der Becken- und Beinarterien = Arterielle Verschlußkrankheit (AVK)
28
28
29
29
1.19 Therapie der Atherosklerose
• Beseitigung der Risikofaktoren
• Behandlung der Erkrankung
29
29
29
2. KOHLENHYDRATSTOFFWECHSEL UND DIABETES MELLITUS
32
2.1 Kohlenhydratstoffwechsel
• Insulin
• Insulinwirkung I
• Insulinwirkung II
• Synthese
• Sekretionssteuerung
• Formen des Insulins
32
32
33
34
34
35
35
2.2 Diabetes mellitus
36
2.3 Typen des Diabetes mellitus
• WHO: Klassifikation Diabetes (1985)
• Typ 1 Diabetes
• Pathogenese des Typ 1 Diabetes
• Typ 2 Diabetes
• Pathogenese Typ 2a
• Pathogenese Typ 2b
37
37
38
39
40
40
40
2.4 Diagnose des Diabetes mellitus
• Harnglucosebestimmung
• HbA1c
46
46
47
2.5 Diabetische Spätschäden
• Makroangiopathie
• Mikroangiopathie
• Neuropathie
48
48
48
50
2.6 Koma bei Diabetes
51
2.7 Therapieformen
• Diät
• Unterstützung von Muskelarbeit, Ausdauersport
• Tabletten
• Insulin
52
52
52
53
53
2.8 Der diabetische Fuß
53
3 PROTEIN- UND AMINOSÄURESTOFFWECHSEL
54
3.1 Protein-Umsatz
54
3.2 Eiweiß-/N-Bilanz
55
3.3 Eiweiß-Restriktion
55
3.4 Verteilung der Körperproteine
56
Seite
3
3.5 Funktionen der Proteine
56
3.6 Störungen des Proteinstoffwechsels
• A: Protein-Mangel
• B: Störung der Serumprotein-Zusammensetzung
• C: Genetische Defekte im Abbau der AS
57
57
57
61
4. VERDAUUNG
64
4.1 Definitionen
• Normaler Stuhlgang
• Obstipation
• Diarrhoe
64
64
64
64
4.2 Ursachen der Obstipation
• Funktionell
• Organisch
65
65
65
4.3 Therapie der Obstipation
66
4.4 Diarrhoe
• Maldigestion
• Malabsorption
• Magenteilresektion
67
68
68
71
4.5 Chronische entzündliche Darmerkrankungen
• Einheimische Sprue
• Morbus Crohn
• Colitis Ulcerosa
71
71
71
72
5. LEBER UND ALKOHOL
75
5.1 Funktionen der Leber
• Regulation des Energiestoffwechsels
• Baustoffwechsel
• Entgiftung
76
76
76
76
5.2 Leberversagen
• Glucose-Homoiostase
• Aminosäure-Homoiostase und Degradation
• Lipidstoffwechsel
• Die Cholesterinsynthese und -ausscheidung
• Die Gallensäurensynthese und -ausscheidung
• Hormonsynthese
• Entgiftung
• Leberversagen
76
77
77
78
78
78
79
79
79
5.3 Erkrankungen der Leber
• Leberzirrhose = chronische Leberinsuffizienz
• Folgen
• KH-Stoffwechsel
• AS-Stoffwechsel und Harnstoffsynthese
• Synthese und Sekretion von Proteinen
• Entgiftung und Abbau
79
79
81
83
84
85
86
5.4 Störungen des Leberstoffwechsels durch Alkohol
• Erhöhung des NADH/NAD+-Quotienten
86
87
Seite
4
• Bildung von Acetaldehyd
88
6. DIE NIERE
89
6.1 Funktionen der Niere
• Ausscheidung
• Regulation
• Hormonsynthese
89
89
89
89
6.2 Die Harnbildung
90
6.3 Die Clearance
92
6.4 Blutdruckregelung durch die Niere
94
6.5 Chronische Niereninsuffizienz (CNI)
• Ursachen
• Symptome
• Ernährungsrelevante Probleme
• Stadien der CNI
• Therapie der CNI
95
95
95
96
96
97
6.6 Akutes Nierenversagen (ANV)
• Ursachen
• Verlauf
• Therapie
98
98
98
98
6.7 Nephrotisches Syndrom
98
7. OSTEOPOROSE
100
7.1 Vitamin D
• Funktionen
100
100
7.2 Hormone des Ca-Stoffwechsels
100
7.3 Osteoporose
• Stadien
• Therapie
101
101
101
8. PARENTERALE ERNÄHRUNG UND SONDENKOST
103
8.1 Parenterale Ernährung
103
8.2 Inhaltsstoffe der Nährlösungen
103
8.3 Probleme bei der parenteralen Ernährung
104
8.4 Sondenkost
105
8.5 Probleme bei Sondenkost
107
8.6 Vitamine
107
8.7 Spurenelemente
108
Seite
5
9. SCHILDDRÜSE
110
9.1 Anatomie
110
9.2 Biosynthese der Hormone
• Regulation
110
110
9.3 T3 und T4
111
9.4 Diagnostik
• TRH-Test
• Immunometrischer Assay
• TBG-Plasmakonzentration
112
112
113
113
9.5 Erkrankungen
• Euthyreote Schilddrüsenvergrößerung
• Hyperthyreose - Morbus Basedow
• Hypothyreose
114
114
115
117
10. EßSTÖRUNGEN
119
10.1 Adipositas
119
10.2 Magersucht
• Anorexia Nervosa
• Bulimia nervosa
119
119
120
Seite
6
1. Der Lipidstoffwechsel
Seite
7
1.1 Aufnahme, Synthese, Funktionen, Ausscheidung
Die Lipide der menschlichen Nahrung lassen sich in drei Gruppen einteilen:
1. Triglyceride
2. Phosphatide und Sphingolipide
3. Steroide
Die Zufuhr von Lipiden liegt bei einem Energieanteil von durchschnittlich 40-50%, das
entspricht ca.150g/d . Die DGE empfiehlt, maximal 30 Energieprozente in Form von Lipiden
aufzunehmen.
Mit dieser überhöhten Lipidversorgung korreliert eine übermäßige Zufuhr von Cholesterin
(~560 mg/d). Cholesterin wird sowohl aus der Nahrung (tierische Lebensmittel) resorbiert als
auch endogen synthetisiert. Praktisch alle Körperzellen sind zur Cholesterinsynthese
befähigt. Der Hauptanteil der Neusynthese von ca.1g/d findet im Darm (ca.400 mg) und in
der Leber (ca.600 mg) statt. Cholesterin hat im Organismus wichtige Aufgaben zu erfüllen:
• Es ist Bestandteil der Zellmembran und reguliert deren Stabilität und Fluidität.
• In der Nebenniere und den Keimdrüsen werden aus Cholesterin die Steroidhormone
synthetisiert.
• Es dient als Vitamin D-Vorstufe.
• In der Leber wird es zu den primären Gallensäuren umgebaut.
• Es ist Bestandteil der Plasma-Lipoproteine.
Die Ausscheidung erfolgt über
• den Darm als neutrale Steroide oder Gallensäuren
• den Harn als Abbauprodukte der Steroidhormone,
• die Haut als Cholesterin und Squalen, v.a. über die Talgdrüsen.
Normalerweise stehen Aufnahme und endogene Produktion mit der Ausscheidung im Gleichgewicht. Verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung Aufnahme und Produktion, so
kommt es zur Hypercholesterinämie.
Seite
8
1.2 Der Transport der Lipide
Triglyceride, Phospholipide und
Cholesterin (frei und verestert) werden
im Blut als Bestandteil von Lipoproteinen
transportiert. Diese enthalten immer alle
4 Lipidklassen (allerdings in
unterschiedlichem Ausmaß) und einen
Proteinanteil, das Apoprotein.
Die Triglyceride und Cholesterinester
befinden sich im Kern der kugelförmigen
Teilchen, die anderen Substanzen sind
amphipolar und machen die Hülle aus.
Sie orientieren sich mit ihren
hydrophoben Polen nach innen, mit den
hydrophilen (Hydroxylgruppen) nach
außen.
Die Lipoproteine werden nach ihrer
Zusammensetzung in verschiedene
Klassen eingeteilt und haben im
Stoffwechsel unterschiedliche Aufgaben.
Triglyceridreiche Lipoproteine besitzen den größten Lipidkern und den geringsten
Proteinanteil. Dies verleiht ihnen das geringste spezifische Gewicht und den größten
Partikelradius. Ihre Akkumulation führt zu einer Trübung des Serums.
Seite
9
Die Chylomikronen sind die größten Lipoproteine. Sie entstehen in den Mucosazellen des
Darms und dienen dem Transport der resorbierten Nahrungslipide, v.a. der Triglyceride, die
auch ihren größten Anteil ausmachen. Sie versorgen aus dem Darm das Energiebedürfnis
der Zellen und die Speicher.
Die VLDL (Very Low Density Lipoproteins) werden von der Leber gebildet und dienen der
Umverteilung. Sie transportieren v.a. in der Leber synthetisierte Triglyceride, aber auch
Cholesterin und Cholesterinester von der Leber in andere Organe.
Die Lipoproteinlipase an der Oberfläche der Endothelzellen baut die Triglyceride der VLDL
und Chylomikronen zu Glycerin und freien Fettsäuren ab. Durch diesen Vorgang werden die
Chylomikronen in sog. Remnants, die VLDL in IDL (Intermediate Density Lipoproteins) und
weiter in LDL (Low Density Lipoproteins) umgewandelt. Diese Lipoproteine sind mit
Cholesterinestern angereichert. Die Remnants werden von der Leberzelle über spezifische
Rezeptoren aufgenommen und in den Lysosomen abgebaut.
Die LDL werden praktisch in alle extrahepatischen Zellen aufgenommen und beliefern sie mit
Cholesterin. LDL wird zu 80% über den LDL-Rezeptor in die Zelle aufgenommen. Das
Apoprotein wird abgespalten, Cholesterinester werden durch saure Lipase hydrolysiert und
das freie Cholesterin ins Cytoplasma abgegeben. Freies Cholesterin hemmt nun in der Zelle
die Synthese der HMG-CoA-Reduktase (HMG-CoA = 3-Hydroxy-3-methyl-glutaryl-CoA), die
den limitierenden Schritt der endogenen Cholesterinsynthese katalysiert, und aktiviert die
Acyl-CoA-Cholesterinacyl-Transferase (ACAT), die das Cholesterin mit freien Fettsäuren
verestert. Auch die Synthese neuer LDL-Rezeptoren und die Funktion der bereits
vorhandenen wird durch freies Cholesterin gehemmt, so daß die Überladung der Zelle mit
Cholesterin verhindert wird.
20% der Aufnahme in die Zelle erfolgt über den Scavenger-Pathway und ist von der Zelle
nicht kontrollierbar. Die einströmende Menge ist allein von der Plasma-Konzentration
abhängig. Auch fehlt hier die negative Rückkopplung zur Rezeptorsynthese und zur
Synthese der HMG-CoA-Reduktase.
Über diesen Scavenger-Pathway werden beim Gesunden bevorzugt glycosiliertes und
oxidiertes LDL aufgenommen. Er spielt vor allem beim genetischen Defekt des LDLRezeptors eine große Rolle. Als Folge des Defekts steigt die LDL-Plasmakonzentration an
und der Scavenger-Pathway wird vermehrt genutzt. Die Zellen mit einer hohen
Aufnahmekapazität über Scavenger (wie Makrophagen) nehmen zu viel LDL auf, werden zu
Schaumzellen und können sogar platzen.
Die HDL (High Density Lipoproteins) sind besonders reich an Apoproteinen. Sie werden
direkt von den Mukosazellen des Darms und von den Leberzellen gebildet und modifiziert
durch Kontkt mit Chylomikronen und VLDL. Sie transportieren Cholesterin aus den Zellen zur
Leber, wo es über die Galle ausgeschieden wird.
Seite
10
1.3 Abnormale Lipoproteine
Lp(a) ist das atherogenste Lipoprotein. Es stammt aus der Leber und ist eine Untervariante
des LDL. 1-5% aller Menschen haben eine genetisch bedingte vermehrte Konzentration
dieses Lipoproteins. Unter den Betroffenen treten Herzinfarkte häufig schon zwischen dem
30. und 50. Lebensjahr auf. Die Lp(a) können allenfalls gering therapiert werden.
Das IDL heißt auch flotierendes Lipoprotein und kommt normalerweise im Organismus nur in
sehr kleinen Mengen vor. Es entsteht als Zwischenstufe bei der Umwandlung von VLDL in
LDL. 50% des entstandenen IDL werden direkt über spezifische Rezeptoren in die Leber
aufgenommen und dort metabolisiert.
LPX tritt mit hoher diagnostischer Spezifität bei Stau des Gallenabflusses (Cholestase) auf.
Es entsteht im Blut bei hohen Konzentrationen an Gallensäuren, die durch die Cholestase
auftreten.
Seite
11
1.4 Elektrophorese
Man kann die einzelnen
Lipoproteine aufgrund ihres
Verhaltens mittels
Elektrophorese trennen. Es
ergibt sich ein typisches Muster,
wobei sich die HDL in der aFraktion, die VLDL in der prä-ßFraktion und die LDL in der ßFraktion finden . Die
Chylomikronen wandern nicht im
elektrischen Feld.
1.5 Die Frederickson-Einteilung der Hyperlipoproteinämien
Sind eine oder mehrere Lipoproteinfraktionen im Serum erhöht, so spricht man von einer
Hyperlipoproteinämie (HLP). Man unterscheidet zunächst zwei Formen:
Bei der primären HLP liegt eine genetische Ursache vor, die sekundäre HLP ist die Folge
einer anderen Grunderkrankung, z.B. Übergewicht, Diabetes mellitus, Pankreatitis,
Adipositas, Alkoholismus, Hyperurikämie, Leber-und Nierenerkrankungen, Hypothyreose etc.
Seite
12
Nach Art des hauptsächlich
vermehrten Lipoproteins
unterscheidet man nach
Frederickson und Levy die Typen IV. Die Typen IIa, IIb und IV machen
ca. 95% aller HLP aus.
Die primäre HLP Typ I stellt einen
Defekt der Lipoproteinlipase dar, so
daß der Abbau der Chylomikronen
verlangsamt ist. Die Fließeigenschaft
des Blutes ist beeinträchtigt, das
Plasma ist milchig-trüb und rahmt
leicht auf. Das Atheroskleroserisiko
ist gering. Es kommt zu
Durchblutungsstörungen in Darm
und Pankreas, was zu Koliken und
Pankreatitis führen kann. Nach
fettreicher Nahrung ist der Gehalt der
Chylomikronen im Serum besonders
stark erhöht, es handelt sich also um
eine lipidinduzierte HLP.
Bei den primären HLP IIa und IIb liegt ein LDL-Rezeptordefekt vor, so daß die LDL nur über
den Scavenger-Pathway in die Zellen aufgenommen werden. Beim Typ IIa sind die
Triglyceridkonzentrationen normal, das Cholesterin stark erhöht, das Serum ist klar. Es
kommt zu Cholesterin-Ablagerungen in den Geweben, Xanthelasmen, Xanthomen der
Achillessehne etc.
Beim Typ IIb findet ein Rückstau bis zu den VLDL statt, so daß auch die Triglyceride erhöht
sind. Das Plasma ist klar bis trüb. Beide Typen sind mit einem hohen Atheroskleroserisiko
verknüpft.
Beim Typ III wird ein abnormes Apoprotein E gebildet. Apoprotein E ist für die schnelle
Elimination der IDL aus der Blutbahn wichtig, so daß hier vor allem die IDL erhöht sind. Es
bilden sich Handlinien- und Druckstellen-Xanthome. Auch dabei ist das Atheroskleroserisiko
sehr hoch.
Beim Typ IV ist eine Anreicherung von VLDL festzustellen, das vermehrt gebildet wird. (Z.B.
bei Diabetes: Lipolyse wird nicht genügend gehemmt, da zu wenig Insulin vorhanden ist.)
Dieser Typ tritt v.a. nach KH-reicher Nahrung auf. Deshalb handelt es sich hierbei um eine
KH-induzierte HLP. Das Plasma ist trüb und milchig. Das Atheroskleroserisiko ist deutlich
erhöht.
Typ V stellt gewissermaßen eine Kombination der Typen I und IV dar, ist sowohl lipid-als
auch KH-induziert. VLDL und Chylomikronen sind erhöht, das Plasma ist trüb und milchig
und rahmt wegen seines Gehaltes an Chylomikronen auf. Es besteht kein erhöhtes
Atheroskleroserisiko.
Seite
13
Übersicht über die Typen der HLP nach Frederickson
1.6 Folgen der HLP
Lipidablagerungen im Gewebe
intra-/extrazellulär
A: Haut: Xanthome (intraz.)
Sehnen: Xanthome (intraz.)
Cornea: Arcus lipoides (extraz.)
B: Gefäßintima: Atherom (intraz., bei Zellzerfall auch extraz.)
Mikrozirkulationsstörungen
A:
B:
Abdominalkoliken
Pankreatitis
1.7 Therapie bei hohem LDL-/IDL-Spiegel
1. Beseitigung der Grunderkrankung bei sekundärer HLP, zusätzlich Diät und Medikamente
(s.u.)
2. Bei primärer HLP: Senkung des Cholesterinspiegels direkt
-cholesterinarme Diät (wenig tierische Produkte)
-Cholesterin-Resorption senken
+faserreiche Kost (so wird die Ausscheidung generell erhöht, damit auch die des
Cholesterins)
+Cholestyramin, Cholestipol etc ( Anionen-Tauscher, binden Gallensalze im Darm und
verstärken so die Cholesterinausscheidung)
+Sitosterin bildet mit Cholesterin nicht-resorbierbare Komplexe
- Hemmung der Hormon-sensitiven Lipase durch Nicotinsäure
- Beschleunigung des VLDL- und LDL-Metabolismus: Fibrate
- Hemmung der HMG-CoA-Reduktase: Mevinolin (lebertoxische Nebenwirkungen)
- LDL-Apherese (Blutreinigungsverfahren)
1.8 Diättherapie bei HLP
Typ I
Die Senkung der Chylomikronenbildung ist das erste Prinzip. Die Zufuhr von
langkettigen Fettsäuren muß auf ca. 25g/d reduziert werden, die entstehende
Energielücke kann durch Zusatz von MCT-Fetten geschlossen werden
(mittelkettige Fettsäuren werden nicht in Chylomikronen transportiert). Bei
abdominellen Beschwerden sollte auf eine geeignete Lebensmittelauswahl
geachtet werden.
Typ IIa
Die Zufuhr von Nahrungscholesterin sollte eingeschränkt werden. Eine
Einschränkung der Fettzufuhr und eine Modifizierung in Richtung v.a. der
Seite
14
Monoensäuren ist sinnvoll. Eine erhöhte Zufuhr von Ballaststoffen in einem
praktikablen Rahmen hat direkt keinen Einfluß.
Typ IIb/III
Die Vorschriften zur Ernährung bei Typ IIa und IV sind zu beachten.
Typ IV
Das Körpergewicht muß normalisiert werden, die Zufuhr von leichtresorbierbaren
KH und Alkohol sind einzuschränken.
Typ V
Sowohl die Energie-, als auch die Fett- und KH-Zufuhr muß eingeschränkt
werden.
1.9 Dyslipoproteinämie
Ein erhöhtes Risiko für coronare Herzerkrankungen kann allerdings auch vorliegen, wenn
keine HLP vorliegt, aber die Zusammensetzung der Lipoproteine verändert ist
(Dyslipoproteinämie). Gefährlich ist hierbei ein vermindertes HDL- bei erhöhtem LDLCholesterin.
1.10 Nierensteine (Harnsteine) & Gicht
Substanzen, die schlecht löslich sind und im Urin hoch konzentriert werden, bilden Kristalle,
wenn ihre kritische Übersättigungsgrenze überschritten wird. Aggregation solcher Kristalle
führt zu Harnsteinen, die u.U. den Harnabfluß gefährden. Sie bestehen meist aus Calciumoxalat, seltener aus Harnsäure oder Cystin. Der Harn enthält Substanzen, die die Löslichkeit
und die kritische Übersättigungsgrenze erhöhen sowie die Kristallaggregation hemmen
Seite
15
1.11 Nierensteine
Die Nierensteine bilden sich oft in den Nierenkelchen oder im Nierenbecken. Ausgußsteine
füllen das gesamte Nierenbecken aus. Da der Harn nicht mehr abfließen kann, kommt es zu
einem Rückstau bis ins Nierenparenchym. Harn ist ein guter Nährboden für Bakterien. Sie
werden mit dem Blut antransportiert oder es kann eine ascendierende Infektion von der
Harnröhre in die Niere entstehen (Schmierinfektion). Gerade, wenn der Harnfluß fehlt, bieten
sich für Bakterien gute Möglichkeiten, in der Harnröhre aufzusteigen.
Die Steine werden durch den Harn transportiert. Gelegentlich können sie aufgrund ihrer
Größe den Ureter nicht passieren (Harnleiterstein). Sie können aber auch bis in die Blase
Seite
16
transportiert oder mit dem Urin ausgeschieden werden. Man kann sie entfernen, indem man
sie herauszieht oder durch Ultraschall zertrümmert.
Ein charakteristisches Symptom ist die Steinkolik. Eine Kolik ist durch einen Schmerz
charakterisiert, der langsam ansteigt, eine Spitze erreicht und dann wieder abfällt. Diese
Schmerzen werden dadurch hervorgerufen, daß ein muskuläres Hohlorgan (hier: die Blase,
der Ureter) einen Fremdkörper vertreiben will. In diesem Fall wird in der glatten Muskulatur
ein Tonus aufgebaut, der dann die Schmerzen verursacht.
Symptome der Harnleitersteine und Nierenkolik
•
•
•
•
Schmerzen (Kolik)
Blut im Urin
Aufstau (Hydronephrose)
Infektion (Pyelonephritis)
Arten der Nierensteine
Die Steine haben unterschiedliche Zusammensetzung. Häufigster Bestandteil ist Calcium
(80%).
Calcium-Oxalat:
Calcium-Phosphat:
Harnsäuresteine:
Struvitsteine:
Cystin-Steine:
60%
20%
5-10%
10-15%
ca.1%
Obwohl die Cystinsteine die seltenste Form der Nierensteine darstellen, kennt man ihre
Ursachen mit am Besten. Sie entstehen bei Cystinurie, einem genetischen Defekt eines
intestinalen und nephralen Transportsystems für dibasische Aminosäuren. Davon sind also
Cystin, Ornithin, Lysin und Arginin (einfach zu merken:COLA) betroffen. Bei diesen
Menschen wird Cystin nicht aus dem Darm aufgenommen, sondern aus Methionin
synthetisiert. Da die Ausscheidung gehemmt ist, bilden sich Ablagerungen in Form der
Cystinsteine. Die Cystinurie stellt einen angeborenen Defekt dar, deshalb tritt diese Form der
Nierensteine bereits bei jungen Menschen auf; das Durchschnittsalter beträgt 28 Jahre. Bei
den anderen Arten der Nierensteine sind die betroffenen Menschen meist bereits älter als 50
Jahre.
Calcium-Steine treten am häufigsten auf. Ursache ist meist eine Hyperkalzurie durch
endokrine Störungen oder gesteigerte Freisetzung aus Knochen. Ihre Bildung wird nicht
wesentlich durch die Calcium-Zufuhr mit der Nahrung beeinflußt, dennoch gibt es diätetische
Empfehlungen. Hierbei gelten für fast alle Steinarten gleiche Verhaltensmaßnahmen. Vor
allem die Zufuhr an tierischem Protein und Natrium sollte reduziert werden.
Seite
17
Therapie der Nephrolithiasis
akut
• Spasmolytika (BuscopanR, BaralginR)
• Schlingenextraktion
• Operation
• Lithotrypsie (Ultraschall-Zerstörung)
chronisch (Prophylaxe)
• Flüssigkeitszufuhr (es sollten 2 l Urin pro Tag produziert werden)
• Reduktion von Natrium, Oxalsäure (Schokolade, Spinat, Rhabarber, schwarzer Tee)
• Verminderung von tierischem Eiweiß
• Alkalisierung des Urin-pH (Citronensäure- oder Bicarbonat-Salze, verbessert die
Löslichkeit aller Steine außer der Infektsteine)
• Calciumhaltige Steine: Thiazide (vermehrte Ca-Rückresorption), Allopurinol
(Xanthinoxidasehemmer)
• Infekt (Struvit-)steine: Antibiotika, Harnansäuerung auf pH<6 (L-Methionin), ggf. Operation
• Harnsäuresteine: purinarme Kost, Allopurinol, Alkalisierung auf pH 6.2-6.8 (Uralyt-UR)
• Cystinsteine: Alkalisierung auf pH>7.4, massive Flüsssigkeitszufuhr (4 l Urin pro Tag),
evtl. D-Penicillamin (NW!)
Seite
18
1.12 Hyperurikämie und Gicht
Aus purinreicher Kost entsteht im Stoffwechsel über die Xanthinoxidase die Harnsäure. Ist
ein erhöhter Harnsäurespiegel im Blut feststellbar, spricht man von einer Hyperurikämie.
Seite
19
Das Auftreten von Gicht in einer Population ist umso häufiger, je höher die Serumharnsäurekonzentration ist. Einfluß haben aber auch andere Faktoren wie Alter, Gewicht, Cholesterinspiegel und Alkoholkonsum. Deshalb kann Gicht auch ohne Hyperurikämie entstehen, bzw.
eine Hyperurikämie ohne Gicht verlaufen.
Es sind drei Stadien unterscheidbar:
1) Hyperurikämie ohne Symptome
2) akuter Gichtanfall
3) chronische Gicht
Pathogenese
Im akuten Gichtanfall weist das betroffene Gelenk die typischen Entzündungszeichen
(Erwärmung, Rötung, Schmerz) auf. Der Anfall verläuft in einer Kettenreaktion. Zunächst
kommt es zu einem Ausfall von Harnsäurekristallen in den Gelenkhäuten, die wie ein Filter
wirken. Durch niedrige Temperaturen, niedrigen pH-Wert (6.4) und schlechte Durchblutung
wird dieser Vorgang begünstigt. Diese Einflußfaktoren bedingen sich auch gegenseitig: wenn
die Durchblutung schlecht ist, können die Schlacken nicht abtransportiert werden, was eine
Senkung des pH-Wertes zur Folge hat; auch Entzündungen bewirken einen Abfall des pHWertes. Deshalb tritt Gicht meist zuerst an den Akren = Enden des Körpers auf, z.B. an der
großen Zehe.
Um die Harnsäurekristalle wieder aus den Gelenkhäuten zu entfernen, wandern Leukocyten
ein und phagocytieren sie. Doch oft werden die Membranen der entstehenden
Phagolysosomen von den Kristallen zerrissen und lysosomale Enzyme können austreten. So
kommt es im umgebenden Gewebe zu Schädigungen und Entzündungen. Auch die von den
Phagocyten freigesetzten Leukotriene und Prostaglandine fördern Entzündungsreaktionen.
Die dadurch bedingte Erniedrigung des pH-Wertes führt zu einer verstärkten Ausfällung von
Harnsäure. Dies kann durch eine Verminderung der Purinzufuhr und Alkoholkarenz
unterbrochen werden.
Die Harnsäure wandert auch in die Niere, wo sich Nierensteine bilden und es zu einem
Ausfall im Parenchym kommt. Das Nierenbecken ist im Vergleich zur Rinde schlecht
durchblutet. Außerdem passiert die Harnsäure ständig den Tubulusapparat, so daß in dieser
Region viel davon zurück ins Parenchym diffundiert. Dadurch steigt hier die HarnsäureKonzentration, womit die Bedingungen für eine Entzündung gegeben sind (Pyelonephritis =
Nierenbeckenentzündung). Chronische Gicht endet meist mit einer Niereninsuffizienz.
Entzündungs (reaktion)
Wichtiger Mechanismus des Körpers zur Beseitigung von Gewebsschäden und deren
Ursachen.
Ursachen:
Trauma (Operation, Verletzung)
Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen)
Immunreaktionen (Allergie, Autoimmunität)
Stoffwechselendprodukte (Harnsäure)
Symptome:
Rubor
Rötung
Calor
Überwärmung
Tumor
Schwellung
Dolor
Schmerzen
Functio laesa gestörte Funktion
Mediatoren:
Leukocyten: Granulocyten (neutrophil, eosinophil, basophil)
Monocyten
Lymphocyten
Eicosanoide (Prostaglandine, Leukotriene), Tumor- Nekrose-Faktor
(TNF), Interleukine, Immunglobuline, Complementsystem
Seite
20
Primäre Hyperurikämie
verminderte renale Ausscheidung (95-98%)
gesteigerte Synthese (1-2%), z.B. Lesch-Nyhan-Syndrom
Begleiterkrankungen: Hypertonie (40-80%), Adipositas (70%), Diabetes mellitus (10-25%),
Fettleber (60-90%), Hyperlipoproteinämie (40-100%)
Sekundäre Hyperurikämie (5%)
vermehrte Produktion:
Polyzythämie, CML(chronisch-myelotische Leukämie), OMF (Osteomyelofibrose)
Hämolytische Anämie
Zytostase/Radiatio mal. Tumoren
Zuckeraustauschstoffe (Fructose, Sorbit, Xylit)
Fasten/Nulldiät (+Azidose)
verminderte Ausscheidung:
chronische Niereninsuffizienz
Medikamente (z.B. Diuretika. Salizylate)
Vergiftungen (Blei, Cadmium, Beryllium)
Hyperparathyreoidismus
Alkohol, Laktatazidose
dekompensierte Herzinsuffizienz
Das Lesch-Nyhan-Syndrom stellt einen Mangel des Enzyms HGPT dar. Dadurch kommt es
zu verminderten intrazellulären Konzentrationen von AMP und GMP. Außerdem entfällt die
Hemmung der Adenosin-Phospho-Ribosyl-transferase (APRT). Es kommt zu einer etwa
20fach erhöhten de novo-Purinsynthese. Diese Krankheit wird x-chromosomal rezessiv
vererbt.
Hyperurikämie
Harnsäure i. S. Normalwerte
empfohlene obere Grenzwerte
Männer
3,6-8,2 mg%
7,0 mg%
Frauen
2,3-6,1 mg%
6,0 mg%
(ein Serumwert von 6,4 mg% entspricht dem Löslichkeitsprodukt von Natriumurat in
Plasmawasser bei 37°C, d.h. Gichtanfälle unterhalb dieses Wertes unwahrscheinlich =
sinnvoller Grenzwert)
Harnsäure i.S. (mg%) 6,0-6,9
Gichtarthritis:
Prävalenz
1,8%
Inzidenz (%/Jahr)
0,1%
Nierensteinanamnese
7,0-7,9
>9,0
11,8%
0,5%
12,7%
36%
4,9%
40%
Renale Harnsäureausscheidung:
Harnsäure-Clearance:
Glomerulum:
Proximaler Tubulus:
Distaler Tubulus:
Beim Gichtkranken:
8-10 ml/min (6-12% der glomerulär filtrierten Harnsäuremenge
erscheinen im Urin).
vollständige Filtration
nahezu vollständige Rückresorption
Sekretion und teilweise Rückresorption
Störung der tubulären Sekretion
In 95% der Fälle handelt es sich um primäre Gicht, d.h. einer chronisch verlaufenden
erblichen Störung des Purinstoffwechsels. Sie ist charakterisiert durch eine Erhöhung des
Uratgesamtpools. Normalerweise beträgt er ~1g, bei Gichtkranken kann er auf bis zu 30g
ansteigen. Das Transportsystem, das hier eine Rolle spielt, ist weitgehend unbekannt.
Seite
21
Sekundäre Gicht ist nicht direkt genetisch bedingt. Sie tritt z.B. im Zusammenhang mit
Zuständen auf, in denen ein verstärkter Abbau von Zellen stattfindet (z.B.Tumor), weil dann
auch kernhaltiges Material anfällt, bei dessen Abbau Purine frei werden. Ursache kann auch
eine verminderte Harnsäureausscheidung durch chronische Nierenerkrankungen oder
bestimmte Arzneimittel sein.
Klinik und Therapie der Hyperurikämie
Seite
22
1.13 Arteriosklerose
1.14 WHO-Definition
Arteriosklerose/Atherosklerose ist eine variable Kombination von Veränderungen der Intima,
bestehend aus herdförmiger Ansammlung von Fettsubstanzen, komplexen Kohlenhydraten,
Blut und Blutbestandteilen, Bindegewebe und Calciumablagerungen, verbunden mit
Veränderungen der Arterienmedia.
Lokalisation
Intima der Arterien, kurz hinter Verzweigungen (Turbulenzen!)
Art der Veränderung
herdförmige Verdickung (Plaque)
Bestandteile
Fette, Wasser (Ödem)
Zellen (Monocyten, Thrombocyten, glatte Muskelzellen,
Endothelzellen)
Bindegewebsgrundsubstanz, Blut, Calcium
Betroffen
größere bis mittlere Arterien:
Aorta und periphere Arterien der unteren Extremitäten: Arterielle Verschlußkrankheit
Arteria carotis zum ZNS: Zerebralsklerose
Coronarien (Herzkranzgefäße): Coronarsklerose
Seite
23
1.15 Risikofaktoren der Atherosklerose
Die Risikofaktoren für Atherosklerose lassen sich nach zwei Schemen einteilen:
a) nach der Ordnung: Risikofaktoren erster Ordnung sind bedeutsamer als die der 2.
Ordnung
b) nach Reversibilität
Reversible Faktoren:
• Zigarettenrauchen (1.Ordnung)
• Arterielle Hypertonie (1.Ordnung)
• Adipositas
•
Teilweise reversible Faktoren:
• Hyperlipoproteinämie, quantitativ (1.Ordnung)
• Dyslipoproteinämie, qualitativ (1.Ordnung)
• Diabetes mellitus
•
Nichtreversible Faktoren:
• Alter (bei Männern ab dem 20. Lj.)
• Männliches Geschlecht
• Genetische Faktoren
•
Andere mögliche Faktoren:
• Physische Inaktivität
• Stress (evtl. über blutdrucksteigernde Wirkung), Persönlichkeitstyp
Seite
24
1.16 Regulation des Cholesterinstoffwechsels
Die Aufnahme von Cholesterin über den LDL- Rezeptor
• hemmt die Ausbildung neuer LDL-Rezeptoren
• aktiviert die Cholesterin-Acyl-Transferase
• hemmt die Cholesterin-Neubildung
Bei Aufnahme über den Scavenger-Way ist eine Überladung der Zelle möglich, in der Zelle
bilden sich Fettröpfchen. Löst man zur Untersuchung das Fett heraus, bleiben
bienenwabenartige Löcher zurück: daher die Bezeichnung “Schaumzelle”. (Siehe auch
Kapitel “Lipidstoffwechsel”.)
Ist LDL oxidiert, acetyliert oder Neuraminsäure abgespalten, so bezeichnet man es als
modifiziertes LDL. Dieses kann nicht an Apo B binden und wird daher nur über den
Scavenger Rezeptor aufgenommen, ist also besonders atherogen.
Seite
25
1.17 Pathomechanismus
Hier spielen 4 verschiedene Zellarten eine Rolle:
1. Endothelzellen
2. Thrombocyten
3. Monocyt des Blutes, der zum Makrophagen des Gewebes wird
4. Muskelzellen (normale glatte oder transformierte)
Durch Hypertonie, O2-Mangel, mechanische Reize etc. kann es zu Läsionen des Endothels
kommen.
• Über diese Lücke wandern Monocyten in die Intima ein und bilden Mediatoren (Leukotrien
= LT B4, phänotyp-verändernden Faktor PMF und makrophage-derived growth factor
MDGF). Damit stimulieren sie sich selbst zur Umwandlung zu Makrophagen.
• Der von den Makrophagen abgegebene PMF wirkt auf die glatte Muskelzelle (1). Sie
verliert ihre Kontraktilität und synthetisiert Kollagen, was zu einer
Bindegewebsvermehrung führt. Die Elastica Interna wird durchbrochen, die Muskelzellen
wachsen aus der Media heraus in die Intima, unterstützt durch PDGF (platelet-derived
growth factor, 2) und MDGF (3).
Seite
26
• Auch in die Gefäßwand eingewanderte Leukocyten stimulieren über Wachstumsfaktoren
am Ort der Schädigung vermehrt auftretende Bindegewebszellen, die in gesteigertem
Maß Grundsubstanz synthetisieren.
• Aufgrund der Läsion wird die Permeabilität für Makromoleküle gesteigert. LDL wandern
ein und können von Makrophagen, die viele Scavenger-Rezeptoren haben, aufgenommen
werden. Sie entwickeln sich so zu Schaumzellen. Da die LDL in der Intima auch schnell
modifiziert werden, wird dieser Vorgang noch beschleunigt. Die Akkumulation von Lipiden
führt schließlich zum sog. atherosklerotischen Plaque, in dem sich die Schaumzellen
anreichern (“fatty streaks”).
• Calcium wird verstärkt eingelagert, da aus LDL vermehrt Fettsäuren freigesetzt werden.
Diese binden das Ca2+ und Wasser (“Verkalkung”).
• Um den Endotheldefekt zu verschließen, lagern sich Thrombocyten an, die sich selbst
über Thromboxan (TX A2) aktivieren. Es kann passieren, daß sie sich überstimulieren und
so das Gefäß verstopfen. So ein Thrombus ist der Hauptausgangspunkt für einen akuten
Myokardinfarkt.
Die Endothelzellen bilden Prostaglandin (PG I2). Dies wirkt anti-aggregatorisch und antikoagulatorisch und verhindert normalerweise eine zu heftige Anlagerung der
Thrombocyten.
• Die Verdickung der Arterienwand sowie die Bildung von Thromben können das
Gefäßlumen völlig verschließen. Thromben, die sich von größeren Gefäßen ablösen,
verursachen den Verschluß kleinerer Gefäße in der Peripherie.
Seite
27
1.18 SMC (Smooth Muscle Cell)
1.19 Krankheitsbilder der Atherosklerose (eingeteilt nach Arealen)
AS der Koronararterien = Koronare Herzkrankheit (KHK)
a) Angina pectoris (intermittierender Blutmangel mit Schmerz): hier ist noch keine Nekrose
vorhanden; auf Verabreichung von Nitropräparaten, die NO (den wichtigsten
gefäßerweiternden Faktor endogener Art) freisetzen, läßt der Schmerz nach
b) Herzinfarkt (Myokardnekrose durch Arterienverschluß): Beseitigung des Schmerzes durch
Medikamente kaum möglich, nicht reversibel
• Vorderwandinfarkt (Ramus interventrikularis anterior der linken Koronararterie)
• Seitenwandinfarkt (Ramus circumflexus der linken Koronararterie)
• Hinterwandinfarkt (rechte Koronararterie)
c) Herzinsuffizienz (sukzessiver Untergang kleiner Myokardareale und deren Ersatz durch
Bindegewebe): kontraktiles Gewebe fehlt
Seite
28
AS der Gehirn-versorgenden Arterien = Cerebralsklerose
a) Transitorische ischämische1 Attacken (TIA; Dauer ≤ 24h): Patient ist bewußtlos, kann sich
an nichts mehr erinnern, evtl. Lähmungserscheinungen etc.
b) Prolongierter reversibler ischämischer Insult (PRIND; Dauer 1 Tag bis 1 Woche)
c) Progredienter Hirninsult (seltenere Form des Schlaganfalls, Blutung ins Gehirn, gleiche
Symptome)
AS der Becken- und Beinarterien = Arterielle Verschlußkrankheit (AVK)
(Stadium I: ohne Syptome)
a) Claudicatio intermittens (Stadium II): Schmerz in den Beinen tritt nach Belastung auf,
verschwindet bei Erholung wieder, je nach O2-VersorgungÆSchaufensterguckerKrankheit
b) Ruheschmerzen (Stadium III): Sauerstoffversorgung reicht selbst in Ruhe nicht mehr aus
c) Nekrosen/ Gangrän (Stadium IV): das Bein stirbt bereits ab
Je nach betroffenen Arterien unterscheidet man den Becken-, Oberschenkel- und
Unterschenkeltyp.
1.19 Therapie der Atherosklerose
Beseitigung der Risikofaktoren
Hypercholesterinämie
• Gewichtsnormalisierung
• Cholesterin runter, P/S-Quotient hoch
• EPA (zwei Fischmahlzeiten pro Woche)
Hypertonie
• Gewichtsnormalisierung
• Kochsalzrestriktion
• Medikamente: ß-Blocker, Diuretika, Ca2+-Antagonisten, ACEAngiotensin Converting Enzyme, s. Kapitel „Niere“)
Inhibitoren (ACE =
Zigarettenrauchen
einstellen, insbesondere bei Einnahme hormoneller Antikonzeptiva
Diabetes mellitus
• Gewichtsnormalisierung
• strenge Einstellung (HbA1c), nicht bei alten Patienten
Behandlung der Erkrankung
• Training (besonders bei AVK; Kollateralen-Bildung!)
• Durchblutungsfördernde Medikamente (besonders bei KHK, weniger bei AVK, sinnlos bei
CS)
• Antikoagulantien, Fibrinolyse (besonders bei Verschlüssen)
• Perkutane transluminale (coronare) Angioplastie [PT(C)A; besonders bei KHK und AVK]
• Operation: Bypass, Endarteriektomie
Bypass am Herz: ACVB = aorto-coronarer Venenbypass
LIMA = left internal mammarial artery
1
durch mangelnde Blutversorgung hervorgerufen
Seite
29
Die antiaggregatorische Wirkung der Eicosapentaensäure beruht auf der Bildung der Serie 3
Prostaglandine. TX A3 hat keine Wirkung, PG I3 wirkt wie PG I2 (vgl. “Pathomechanismus”).
Seite
30
Seefische enthalten also viel Lipide, davon sind ca.10% Eicosapentaensäure. Das ist ein viel
höherer Prozentsatz als bei allen anderen Lipiden pflanzlicher oder tierischer Herkunft.
Seite
31
2. Kohlenhydratstoffwechsel und Diabetes mellitus
2.1 Kohlenhydratstoffwechsel
Kohlenhydrate sind der größte mit der Nahrung zugeführte Energielieferant. Für sämtliche
Stoffwechselvorgänge dient Glucose als wichtigster Energieträger. Der Blutglucosespiegel
beträgt normalerweise 70-120 mg% (das entspricht 3,9-6,7 mmol/l).
Die meisten Organe können neben Glucose auch Ketonkörper und freie Fettsäuren als
Energielieferanten nutzen. Erythrocyten und Nierenmark sind jedoch absolut
glucoseabhängig. Sie bauen Glucose anaerob zu Lactat ab, das dann in der Leber zur
Gluconeogenese genutzt wird.
Auch das ZNS ist unter normalen Bedingungen auf die kontinuierliche Zufuhr von Glucose
angewiesen. Der Glucoseverbrauch des menschlichen Gehirns beträgt etwa 144 g/d. Bei
einem plötzlichen Abfall des Blutglucosespiegels kommt es deshalb zur Hypoglycämie. Unter
längerfristigen Hungerbedingungen kann das Gehirn seinen Energiebedarf jedoch zum Teil
durch Verstoffwechselung von Ketonkörpern decken.
Der Kohlenhydratstoffwechsel wird über Hormone gesteuert. Eine senkende Wirkung auf die
Blutglucosekonzentration kommt dabei dem Insulin zu, da dieses u.a. die Aufnahme durch
die Zelle steigert. Glucagon, STH (Somatotropes Hormon) und Glucocorticoide fördern
hingegen die Glucosefreisetzung und bewirken so eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels.
Insulin und Glucagon werden im Pankreas gebildet, Insulin in den B-Zellen (ca.80% des
Inselorgans), Glucagon in den A-Zellen. Auch Somatostatin, das regulierend auf die Bildung
von STH in der Adenohypophyse wirkt, wird in der Bauchspeicheldrüse produziert. Die
Glucocorticoide werden in der Nebennierenrinde gebildet.
Insulin
Insulin beeinflußt sowohl den Kohlenhydrat- als auch den Eiweiß- und Lipidstoffwechsel. Es
besteht aus 2 Peptidketten, die über 2 Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Die AKette besteht aus 21 Aminosäuren, die B-Kette aus 30.
Aufbau des menschlichen Insulins
Zur Therapie wird heute überwiegend Humaninsulin verwendet, früher benutzte man auch
Rinder- und Schweineinsulin. Diese unterscheiden sich nur gering vom Humaninsulin, und
ihre Funktion ist weitgehen identisch. Es gibt zwei Sorten, das U40 und U100 Insulin. U100
bedeutet, daß sich 100 Einheiten Insulin in einem ml Lösung befinden. Dieser Typ wird
häufiger verwendet.
Seite
32
Insulinwirkung I
Seite
33
Insulinwirkung II
Glycogensynthese
Fett-Synthese
Hemmung des Eiweiß-Abbaus
Glucosetransport
Aminosäuretransport
Lipolyse
Leber
+
+
+
ø
ø
ø
Muskel
+
ø
+
+
+
-
Fettgewebe
+
+
+
+
+
-
Synthese
Insulin wird auf zwei Weisen hergestellt:
a) gentechnisch durch Colibakterien
b) chemisch, indem man Insulin aus Rinder- bzw. Schweineorganen isoliert und die
abweichenden Aminosäuren austauscht.
In den B-Zellen der Bauchspeicheldrüse wird zunächst das einkettige Präproinsulin
hergestellt. Es setzt sich aus Präpeptid, B-Kette, C-Peptid und A-Kette zusammen. Das
Präpeptid dient als Signalpeptid. Nach der Biosynthese des Präproinsulins an den
Ribosomen des rauhen ER ist es für die Einschleusung der Peptidkette in das Lumen des
ER verantwortlich. Dabei wird es selber abgespalten und bleibt im Cytosol zurück. Durch
Abspaltung des C-Peptids entsteht Insulin. Dementsprechend wird das C-Peptid äquimolar
zu Insulin abgegeben und wird zur Messung der endogenen Insulin-Sekretion verwendet.
Das Insulin wird in Granula gespeichert. Man kann
zwei Phasen der Insulinsekretion unterscheiden,
wenn man das Pankreas isoliert und mit
Glucoselösung (300mg/dl) perfundiert. In der frühen
Phase kommt es zu einer schnellen, plötzlichen
Abgabe ins Blut. Dabei werden sämtliche
Speichergranula entleert. Es folgt ein Abfall für ca.5
Minuten, dann setzt die Spätphase ein, in der frisch
produziertes Insulin ausgeschüttet wird. Diese Phase
hält etwa 20 Minuten an (bei ständigem weiteren
Glucosereiz), dann ist eine Erschöpfung der Synthese festzustellen.
Seite
34
Sekretionssteuerung
Stimulierend wirken
• Zucker (Glucose, Mannose)
• Hormone (STH, ACTH, Glucagon)
• Medikamente (Sulfonylharnstoffe)
• Aminosäuren (Arginin)
• Enterohormone (GIP, VIP, GLP-1)
Hemmend wirken
• 2-Desoxyglucose
• Medikamente (Diazoxid)
• Hormone (Adrenalin, Insulin)
Glucose stellt den wichtigsten Stimulator der
Sekretion dar. Antagonisten des Insulins sind
Somatostatin, Catecholamine und Glucagon. Durch
ihre antagonistische Wirkung treiben sie indirekt den
Blutzucker in die Höhe und wirken
dementsprechend wieder stimulierend auf die
Insulinausschüttung, so daß sich ein Gleichgewicht
einstellen kann.
1. Insulin bildet mit den hochspezifischen,
membranständigen Rezeptoren einen InsulinRezeptor-Komplex. Es aktiviert dabei als first
messenger einen Überträger, der die Aufnahme von
z.B.Glucose in die Zelle und die dort stattfindende
Umwandlung in die speicherfähige Form fördert.
2. Glucagon fungiert ebenfalls als first messenger.
Wie Insulin beeinflußt es den Zellstoffwechsel über
einen Überträger. Es stimuliert die Adenylatcyclase,
die für die Bildung von cAMP aus ATP
verantwortlich ist.
Bei Bildung von Insulin-Rezeptor-Komplexen
werden in einigen Geweben (Leber, Fettgewebe)
die durch Glucagon stimulierten Überträger durch
einen dritten Überträger gehemmt. Dadurch wird
auch die Bildung des für die Gluconeogenese
wichtigen cAMP gehemmt.
3. Unter Einfluß von Insulin wird über einen nicht näher bekannten second messenger
außerdem die Phosphodiesterase (PDE) aktiviert, die cAMP zu AMP abbaut.
Formen des Insulins
Es gibt 2 Formen des Insulins: Einmal das schnell wirkende Normalinsulin und das
Verzögerungsinsulin, das Protamin oder Zinkkomplexe enthält. Es gibt auch chemisch
Seite
35
veränderte Insulinanaloge, die bereits nach 5 Minuten oder über 24 Stunden wirksam
werden.
Bei der konventionellen Insulintherapie wird zweimal täglich eine Gabe von Normal- und
Verzögerungsinsulin gespritzt. Bei einer intensivierten Therapie wird zu jeder Mahlzeit
Normal- und über Nacht reines Verzögerungsinsulin gespritzt.
2.2 Diabetes mellitus
Der Diabetes mellitus ist eine der häufigsten und bedeutendsten Stoffwechselstörungen und
beruht auf einem Insulinmangel. Dabei unterscheidet man zwischen absolutem und relativem
Insulinmangel.
Ein absoluter Insulinmangel liegt lediglich dann vor, wenn die Bauchspeicheldrüse nicht
mehr in der Lage ist, Insulin zu produzieren (1). Ein relativer Insulinmangel ist zunächst dann
gegeben, wenn die Insulinsynthese zu gering (1) oder die Sekretion gestört ist (2). Dies kann
u.a. durch einen Defekt der (noch hypothetischen) Glucose-Rezeptoren der B-Zellen
hervorgerufen werden.
Relativer Insulinmangel tritt auch dann auf, wenn die Zahl der Insulinrezeptoren am
Erfolgsorgan vermindert ist oder ein Rezeptorendefekt besteht (3). Außerdem kann es im
Körper zu einem vermehrten Abbau des Insulins kommen (4) oder die Wirkung durch
Antikörper oder Antagonisten vermindert werden.
Man versucht, Diabetes bereits in einer Frühphase zu erfassen. Man kann Menschen
bestimmen, die genetisch bedingt ein hohes Risiko haben, Diabetes zu bekommen. Ist der
Vater beispielsweise ein Typ 1 Diabetiker, so besteht bei dem Kind eine Wahrscheinlichkeit
von 6%, Diabetes Typ 1 zu bekommen. Ist der Diabetes des Vaters allerdings bereits in
jungen Jahren aufgetreten, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf 8%. Zeigt das Kind eine
positive Reaktion auf ICA (Islet-Cell-Antibodies), so ist sein Risiko auf 30% erhöht.
Seite
36
Man kann auch den intravenösen Glucosetoleranztest durchführen. Dabei werden 0.5g
Glucose pro kg Körpergewicht injiziert, dann die Insulinsekretion gemessen. Dabei ist nur die
erste Phase bedeutsam. Fällt sie vollständig aus, oder liegt sie unter der 10. Perzentile der
Normalbevölkerung, so besteht für die betreffende Person eine Wahrscheinlichkeit von 80%,
in den nächsten 5 Jahren Typ 1 zu bekommen, da die B-Zellen kurz vor der Zerstörung
stehen. In diesem Fall kann man beispielsweise Nicotinamid anwenden; es wirkt als
Radikalfänger und schont so die B-Zellen.
2.3 Typen des Diabetes mellitus
WHO: Klassifikation Diabetes (1985)
1.
1.1
1.2
1.2.1
1.2.2
1.3
1.4
2.
3.
Manifester DM
IDDM (Typ 1, Insulin-Dependent DM, insulinpflichtig)
NIDDM (Typ 2, Non-Insulin-Dependent DM, nicht insulinpflichtig)
ohne Adipositas
mit Adipositas
MRDM (Malnutrition Related DM)
weitere Formen (z.B. chronische Pankreatitis)
IGT (pathologische Glucosetoleranz)
GDM (Gestationsdiabetes, Schwangerschaftsdiabetes)
Seite
37
Inselzellantikörper, zelluläre Immunphänomene
Die Linie stellt den zunehmenden Verlust an Inselzellmasse dar.
Die B-Zellen werden durch eine unbekannte Initialläsion (z.B. Virus) geschädigt. Eine
Autoimmunerkrankung entsteht allerdings erst, wenn die Umweltbedingungen und die
genetischen Voraussetzungen gegeben sind.
Zu einer klinischen Manifestation kommt es erst, wenn >90% der Inselzellen zerstört sind; ab
hier wird Insulin gegeben. Dies führt zu einer individuellen Erholung (Remission), die ab und
zu ausreichen kann, um den Stoffwechsel für einige Zeit aufrecht zu erhalten, so daß keine
Insulingaben nötig sind.
Typ 1 Diabetes
(10-15% der DM-Fälle in USA/Europa)
Typ 1 ist der typische Insulinmangeldiabetes; früher sprach man von juvenilem Diabetes, da
er bereits im Jugendalter (bis ca.25 Jahre) auftritt. Er entsteht in den meisten Fällen durch
Autoimmunprozesse. Dabei sind sowohl humorale (Antikörper) als auch zelluläre
(zytotoxische Lymphocyten, Makrophagen) Faktoren beteiligt. Ursache sind wahrscheinlich
Slow Virus Infekte, bei denen die für die B-Zellen toxischen Lymphocyten nicht ausgeschaltet
wurden. Diese Art von Diabetes tritt auch als polyendokrines Syndrom auf, d.h. auch
Nebenniere und Schilddrüse werden geschädigt.
Seite
38
Pathogenese des Typ 1 Diabetes
Die MHC ( Major Histocompatibility Complex) sind Moleküle auf der Membran von
Leukocyten, die zwischen körpereigen und -fremd unterscheiden. Davon gibt es 3 Klassen,
die alle auf dem Chromosom 6 lokalisiert sind. Bestimmte MHC-Gene sind mit einer
erhöhten Empfänglichkeit für das Auftreten eines Typ 1 Diabetes assoziiert. Dies betrifft
besonders die Gene der Klasse II. Es besteht eine bevorzugte Verbindung des
Diabetesrisikos mit den Allelen DR3 und/oder DR4. Die Assoziation von DR4 mit dem Allel
DQB1 und DQA1 weist eine besonders enge Beziehung zum Typ 1 Diabetes auf. Bei der
durch das Gen DQB1 codierten DQ-ß-Kette ist das in Position 57 befindliche Aspartat gegen
neutrale Aminosäuren ausgetauscht, in der DQ- -Kette befindet sich in Position 52 Arginin.
Entscheidend hierbei ist also die
Konformationsänderung des von den DQ-a- und DQ-ß-Ketten gebildeten Klasse-II-MHCProteins.
Beim Typ 1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Die im Blut auftretenden
Inselzellantikörper sind ein guter Marker für die Autoimmunität, aber die eigentlich
schädigenden Zellen sind Makrophagen und T-Lymphocyten.
Zuerst tauchen in den Langerhansschen Inseln Makrophagen auf, vermutlich vermittelt durch
vermehrte Expression von MHC Klasse II-Molekülen auf den Endothelzellen und ICAM-1
(=Adhäsionsprotein, wird bei allen Entzündungsvorgängen eingesetzt). Diese prozessieren
phagocytierte B-Zell-Eiweiße (putatives Antigen), präsentieren sie auf ihrer Oberfläche den
T-Helferzellen und aktivieren sie so. Die T-Helferzellen ihrerseits geben die Information
weiter an cytotoxische T-Zellen, die die endokrinen B-Zellen nun angreifen. Außerdem
aktivieren die T-Helferzellen die B-Lymphocyten, die Inselzellantikörper bilden (nicht
zelltoxisch).
Es gibt zwei Formen der T-Helferzellen (Th’s):
Einerseits die Th1 (diese Zellen könnte man als bad guys bezeichnen); sie produzieren IFN
(Interferon g) und IL2 (Interleukin 2), die die cytotoxischen T-Zellen stimulieren und so
letztendlich zur Zerstörung der insulinproduzierenden B-Zellen führen.IFN ist zusammen mit
IL1 direkt zytotoxisch für die B-Zellen.
IFN und IL2 hemmen außerdem die Th2 (die die good guys darstellen). Sie produzieren IL4
und IL10, die die Autoimmunprozesse und die cytotoxischen Zellen hemmen.
Seite
39
Typ 2 Diabetes
Die Vorstufe des Typ 2 ist das metabolische Syndrom, das gemeinsame Auftreten von
• Hypertonie
• Diabetes
• Übergewicht
• Hyperlipidämie
Die gemeinsame Ursache ist eine Insulinresistenz. Insulin beeinflußt die Na/K-Pumpe in der
Niere,und bewirkt so eine vermehrte Natrium-Rückresorption, die das Blutvolumen und damit
den Blutdruck erhöht. Da Insulin ein anaboles Hormon darstellt, führt ein hoher InsulinSpiegel direkt zu Übergewicht und Hyperlipidämie.
Typ 2-Diabetes ist also im wesentlichen genetisch bedingt. Hier finden wir zwei Erscheinungsformen:
Der Typ 2a tritt vorwiegend bei Normal- und Untergewichtigen auf. Es kommt dabei zu einer
Sekretionsstarre. 80% der Typ 2-Patienten leiden jedoch unter dem Typ 2b. Die
Hauptursache für diesen Diabetes ist eine Adipositas (Fettsucht).
Pathogenese Typ 2a
(ca.15% der DM-Fälle in USA/Europa)
Hier ist der grundlegende Mechanismus eine gestörte Insulinsekretion, d.h. die B-Zellen sind
noch vorhanden.
Glucose, bestimmte Aminosäuren und gastrointestinale Hormone stimulieren das Pankreas.
Der Typ 2a stellt eine Blindheit der B-Zellen gegenüber Glucose dar, d.h. sie reagieren nur
noch auf andere Stimuli. Dadurch wird weniger Insulin und sehr viel Glucagon gebildet (da
Insulin kaum noch seinen hemmenden Einfluß auf die Glucagon-Bildung ausüben kann).
Die Langerhansschen Inseln haben eine spezifische Art der Durchblutung: Das Blut tritt von
außen ein, wandert auf dem schnellsten Wege zum Kern und zweigt sich von hier nach
außen auf. Da die A-Zellen am äußeren Rand der Inseln liegen und die B-Zellen innen,
werden die B-Zellen also zuerst mit Blut versorgt. Dabei nimmt das Blut Insulin auf und
gelangt im nächsten Schritt zu den A-Zellen. Hier regelt der Insulin-Gehalt des Blutes die
Glucagon-Sekretion. Durch die hohe Glucagon-Sekretion wird die Glucose-Produktion der
Leber angekurbelt, doch die peripheren Gewebe werden trotzdem nicht ausreichend
versorgt, da Insulin für die Aufnahme in die Zelle fehlt.
Möglicherweise handelt es sich beim Typ 2a zusätzlich auch um eine Störung im ZNS. Das
Inselorgan steht unter Kontrolle des N.Vagus. Dieser könnte die Hyperglucagonämie
verstärken.
Pathogenese Typ 2b
(ca.50% der DM-Fälle in USA/Europa)
Beim Typ 2b handelt es sich um eine Insulinresistenz. Deshalb verwendet man hierbei die
Hyperinsulinämie als Marker.
Der Insulinrezeptor besteht aus 2a- und 2ß- Untereinheiten; die ß-Einheiten sind in der
Membran verankert, die a-Einheiten ihnen über Disulfidbrücken angeschlossen.
Seite
40
Die intrazellulären Anteile haben Tyrosinkinaseaktivität, d.h. sie können Phosphat von ATP
auf die OH-Gruppe von Tyrosinresten in Proteinen übertragen. Dies ist nötig, damit Insulin
seine Wirkung ausüben kann. Die Phosphorylierung setzt Mediatoren (Serin-ThreoninKinasen) in Gang, die für die Bildung von Glucose-Kanälen und deren Translokation
verantwortlich sind.
Bei den Postrezeptorvorgängen können die verschiedensten Störungen auftreten, die dann
den Typ 2b ausmachen.
Seite
41
Bei Hyperglycämie kann es zu einer Herabsetzung der Insulinrezeptoren kommen. Das ist
darauf zurückzuführen, daß zunächst aufgrund eines hohen Blutglucosespiegels vermehrt
Insulin produziert wird. Dadurch entsteht ein Mißverhältnis zwischen Insulin und den
Rezeptoren. Da die Zelle nur begrenzt Glucose aufnehmen und umsetzen kann, wird die
Zahl der Insulinrezeptoren herabgesetzt. Diesen Vorgang bezeichnet man als DownRegulation. Sie führt zunächst zu einer weiteren Vermehrung der Insulinproduktion, bis das
Pankreas mit der Insulinproduktion überfordert ist und diese herabsetzt.
Der Gestationsdiabetes stellt meist eine frühe Form des Typ 2 dar.
Während der Schwangerschaft kommt es zu einer vermehrten Produktion von Hormonen,
die die Insulinwirkung hemmen (HPL, Östrogene, Progesteron, Glucocorticoide...).
Charakteristisch beim Gestationsdiabetes ist, daß die Symptome nach der Entbindung
zunächst einmal verschwinden. Das Risiko der Mutter, später Diabetes zu bekommen, ist
aber deutlich erhöht.
Bei Kaukasiern ist das Risiko gering; innerhalb der nächsten 5 Jahre nach der Entbindung
tritt er nur bei 10% erneut auf; in Asien ist er kaum verbreitet.
Die gestörte Glucosetoleranz besteht bei 3-5% der Bevölkerung der westlichen
Industrieländer und ist mit einem erhöhten Diabetes-Risiko assoziiert. Sie besteht, wenn 2
Stunden nach einer oralen Belastung mit 75g Glucose ein Blutzuckerspiegel von 140-200
mg/dl festzustellen ist. Wird in diesem Fall das Verhalten nicht geändert, so besteht eine
Wahrscheinlichkeit von 30%, Typ 2 zu bekommen. Dieses Risiko steigt allerdings bei
Vorliegen anderer Risikofaktoren.
Für den MRDM sind verschiedene Nahrungstoxine (z.B.die Nitrosamine im Maniok), die die
B-Zellen angreifen, sowie Eiweißmangel verantwortlich. Die chronische Pankreatitis wird z.B.
durch zu hohen Alkoholkonsum hervorgerufen. Dabei wird zuerst das exokrine, später auch
das endokrine Pankreas geschädigt.
Seite
42
Normalzustand
Typ-2a-Diabetes
Seite
43
Substratfluß
Im nüchternen Zustand werden 70% der Glucose von nicht-insulinabhängigen Geweben
aufgenommen. Die Abbildungen 1-4 zeigen den Substratfluß während der
Glucoseabsorption, Postabsorption und bei postabsorptiver Bewegung (S.25,Skript).
Die nach der Nahrungsaufnahme absorbierte Glucose wird teilweise direkt als
Energielieferant genutzt, zum Teil jedoch in Glycogen umgewandelt. Während die im ZNS
direkt zugeführte Glucose unter aeroben Bedingungen abgebaut wird, erfolgt der Abbau in
den Erythrocyten anaerob. Dabei entsteht Lactat, das über den Blutkreislauf in die Leber
gelangt und dort zur Gluconeogenese genutzt werden kann.
In der Leber und in der Muskulatur wird die Glucose in die speicherfähige Form Glycogen
überführt. Glycogen ist im Gegensatz zu Glucose nicht osmotisch aktiv und entzieht dem
Körper somit kein Wasser.
Die überschüssige Glucose wird in Triglyceride umgebaut und im Fettgewebe gespeichert.
Abb.2 zeigt den Substratfluß bei kurzzeitigem Hungerzustand, wie er z.B. über Nacht eintritt.
In einer solchen Phase werden Gehirn und Erythrocyten von der Leber mit Glucose (aus der
Gluconeogenese) versorgt. Als Ausgangssubstrat dienen dabei das in der Leber
gespeicherte Glycogen, Aminosäuren, Glycerol und Lactat. Das Muskelgewebe setzt in
dieser Zeit Aminosäuren frei. Der Energiebedarf von Leber und Muskulatur wird durch
Fettsäuren gedeckt, die aus den Triglyceriden des Fettgewebes stammen. Bei der
Verbrennung der Fettsäuren entsteht, wie beim aeroben Glucoseabbau, CO2.
Seite
44
In Abb.3 ist der Substratfluß nach längerfristiger Nahrungskarenz dargestellt. Da nach
längerem Hungern die Glycogenspeicher der Leber aufgebraucht sind (nach etwa 1-2
Tagen), kann nur noch über die Verstoffwechselung von Aminosäuren, Glycerol und Lactat
Glucose synthetisiert werden. Zusätzlich kommt es zur Glucosefreisetzung durch die Niere.
Die gebildete Glucose reicht jedoch nicht zur vollständigen Energieversorgung von
Erythrocyten und ZNS (vollständig glucoseabhängig) aus. Das Gehirn stellt sich unter diesen
Bedingungen teilweise auf die Verstoffwechselung von Ketonkörpern ein. Außerdem wird die
Seite
45
Glucose im Gehirn vermehrt anaerob abgebaut, was zur Freisetzung von Lactat führt und
der Leber als Substrat zur Gluconeogenese dient.
Bei ausreichender Triglyceridspeicherung kann der Mensch bis zu 50 Tage ohne
Nahrungszufuhr überleben.
Kommt es während des kurzzeitigen Hungerzustandes zu körperlicher Aktivität (Abb.4), setzt
verstärkt die Verstoffwechselung von Glycogen, Aminosäuren, Glycerol und Lactat ein. In
diesem Fall wird auch das Muskelglycogen freigesetzt und vermehrt Fettsäuren im Muskel
umgesetzt. Muskelglycogen wird nur für den Eigenbedarf des Muskels zur Verfügung
gestellt. Die Glucosezufuhr für Erythrocyten und ZNS sowie der Fettsäureabbau in der Leber
entsprechen den Stofwechselvorgängen des normalen kurzfristigen Hungerzustandes. Im
Muskel kommt es in erster Linie zum aeroben Abbau der Energieträger. Teilweise erfolgt der
Abbau der Glucose jedoch anaerob, was wiederum zur Bildung von Lactat führt. Glucose ist
der einzige Brennstoff, der von der Skelettmuskulatur unter anaeroben Bedingungen genutzt
werden kann.
2.4 Diagnose des Diabetes mellitus
Harnglucosebestimmung
Kommt es im Serum zu Glucosewerten von 150-180 mg/dl (9,4-10,0 mmol/l) wird die
Nierenschwelle überschritten. Es kommt dann zur Ausscheidung von Glucose über den Harn
(Glucosurie). Die Glucosurie tritt dann ein, wenn das Ultrafiltrat des Glomerulum mehr
Glucose enthält als im Tubulussystem rückresorbiert werden kann (max. Rückresorption =
350 mg Glucose/min.).
Die Harnzuckerbestimmung wird nur angewandt, um erhöhte Zuckerwerte festzustellen.
Erhöhte Harnglucosekonzentrationen können auch Folge eines renalen Diabetes sein.
Darunter versteht man eine Störung der Tubulusrückresorption, die meist mit anderen
Störungen einhergeht.
Seite
46
HbA1c
Die Abb.22 zeigt die Varianten des humanen Hämoglobins und die prozentualen Anteile der
Varianten beim Gesunden.
Diese Abbildung stellt die Biosyntheseschritte des HbA1c dar. Die Bindung ist irreversibel,
sobald die Aldiminform in die Ketoaminform übergegangen ist (AMADORI- Umlagerung).
Da die Bildung des HbA1c mit der Blutglucosekonzentration korreliert, ist sie ein genauerer
Parameter zur Diagnose der diabetischen Stoffwechsellage als die Blutglucosekonzentration
und das Auftreten von Glucose im Harn. Diese beiden geben lediglich Auskunft darüber, ob
eine erhöhte Belastung in den letzten Stunden vorlag oder nicht. Sie vermitteln ungenaue
Anhaltsdaten. Die Bestimmung der HbA1c-Werte erlaubt eine retrospektive Beurteilung der
diabetischen Stoffwechsellage während der letzten 4-6 Wochen.
Abbildung: Hb-Auftrennung mittels HPLC
HbA1c
<7%
gut
oder < Mittelwert + 2 SD (Standardabw.)
7-8%
akzeptabel
< Mittelwert + 4 SD
>8%
inakzeptabel
> Mittelwert + 4 SD
(für TypII-Diabetes nach Gries, 1985)
mittlerer Blutzucker = 33,3 x HbA1c - 86 (lineare Regression nach Nathan, 1984)
Seite
47
2.5 Diabetische Spätschäden
Weniger als 1% der Diabetiker sterben an der primären Stoffwechselstörung und durch
Insulinmangel verursachte Folgesymptome. Den Krankheitsverlauf bestimmen vor allem
vaskuläre (d.h.die Blutgefäße betreffende) Komplikationen. Ihr Auftreten und der
Komplikationsgrad sind u.a. von der Dauer des Diabetes und der Stoffwechsellage des
Diabetikers abhängig. Selbst bei guter Einstellung lassen sich Angiopathien
(arteriosklerotische Gefäßveränderungen) nicht völlig vermeiden.
Betreffen sie die größeren Gefäße, spricht man von einer Makroangiopathie. Bei der
Mikroangiopahtie treten die Schäden v.a. in den Endabschnitten, also den kleineren
Gefäßen, auf.
Makroangiopathie
Die Makroangiopathie entspricht dem morphologischen und klinischen Krankheitsbild des
Nichtdiabetikers. Sie tritt beim Diabetiker jedoch häufiger und zumeist früher auf.
Die sekundäre Hyperlipoproteinamie ist beim unbehandelten Diabetes mellitus durch 2
Faktoren bedingt:
1. Die Aktivität der Fettgewebs-Lipoprotein-Lipase ist erniedrigt. Dieses Enzym wirkt v.a. in
den Kapillarendothelzellen und an der Plasmamembran der extrahepatischen Gewebe.
Es katalysiert die Spaltung von Triglyceriden. Die Erniedrigung der Aktivität wird
vermutlich durch den Insulinmangel ausgelöst, da sie sich bei Gabe von Sulfonylharnstoff
oder Insulin normalisiert.
2. Aufgrund des herrschenden Energiemangels kommt es beim Diabetes mellitus zur
exzessiven Fettgewebsmobilisation, so daß die Leber ständig unter einem erhöhten
Fettsäureangebot steht. Dies begünstigt die Triglyceridsynthese und Abgabe von VLDL in
das Blut.
Mikroangiopathie
Die Mikroangiopathie ist gekennzeichnet durch eine Verdickung v.a. der Basalmembran und
der Intima. Die Verdickung verlängert die Diffusionsstrecke zwischen Erythrocyten und
Körperzellen, so daß der O2-Transport erschwert ist. Sie manifestiert sich überwiegend an
der Netzhaut, der Niere und peripheren Nerven. (Komplikationen treten nicht in den
Seite
48
Geweben mit Insulin-abhängigem Glucose-Transport auf.) Häufige Folge nach langjährigem
Verlauf ist die diabetische Nephropathie, die durch eine Albuminurie gekennzeichnet ist.
Parallel dazu entwickelt sich meist eine Retinopathie.
Dabei werden folgende Stadien durchlaufen:
1. Venenerweiterung im Hintergrund des Auges, auch Blutungen
2. Harte Exudate = Narben entstehen
3. Proliferative Retinopathie = Neubildung von Gefäßen, um die minderdurchbluteten
Gebiete zu versorgen. Die neuen Gefäße sind meist instabil und reißen leicht.
4. Glaskörperblutung, Blindheit
Der Mechanismus der Entstehung der Mikroangiopathie ist noch nicht vollständig geklärt.
Eine zenrale Bedeutung kommt dabei einer gesteigerten nichtenzymatischen Glycosylierung
von Proteinen zu. Dabei reagiert der reduzierende Zucker Glucose mit freien Aminogruppen
(z.B. des Lysins). Die entstehenden AGE’s (Advanced Glycosylation End Products)
schädigen den Körper auf vielfältige Weise. V.a. intrazellulär treten Querverbindungen von
Matrixproteinen auf, was Funktionsänderungen zur Folge hat. Typ IV Kollagen und Laminin
beispielsweise können nicht weiter abgebaut werden und akkumulieren im Körper.
• Glycosyliertes Hämoglobin zeigt eine erhöhte 02-Bindungs- und verminderte O2Dissoziationsfähigkeit; dadurch sind bei Diabetikern Heilungsvorgänge verlangsamt
• Glycosylierte LDL werden schlechter abgebaut als normale
• Glykierung von Albumin erhöht seine Durchtrittsrate durch die Glomerulummembran
• Glykierung von Faktor VIII erhöht die Plättchenaggregationsneigung
• Bei Glykierung von Leuko- und Lymphocytenmembranen werden Immunreaktionen
gestört, Glykierung von Immunglobulinen vermindert deren Bindungsfähigkeit
• Glucose wird durch Aldosereduktase in Sorbitol umgewandelt. So kommt es zu einer
Anhäufung von Sorbit in Zellen, deren Membran für Glucose frei durchlässig ist. Die
Seite
49
erhöhte Konzentration führt über seinen osmotischen Effekt zu Verquellungen (resultiert
z.B. in einem diabetischen Katarakt)
• In Glomerulus, Retina und Nerv ist die Sorbitolakkumulation mit einer Abnahme des
zellulären Myoinositols assoziiert. Myoinositol reguliert die Na/K-ATPase, die wiederum
das Zellmembranpotential aufrechterhält (kann zu eingeschränkter Nervenleitfähigkeit
führen)
• Kollagen-gebundene AGE’s inaktivieren Stickoxid, das einen entspannenden Einfluß auf
glatte Muskelzellen hat und daher blutdrucksenkend wirkt
Neuropathie
Die häufigste Komplikation ist die diabetische Neuropathie; sie tritt bei 60-90% der Diabetiker
auf. Es gibt 3 Formen , wovon 2 auf eine Mikroangiopathie zurückzuführen sind.
1) Symmetrische sensible Neuropathie: Hierbei tritt in Ruhe ein vermindertes Schmerz-,
Temperatur- und Berührungsempfinden auf. Es kommt zu “Ameisenlaufen” an den
Beinen, meist den Unterschenkeln.
2) Neuropathie des autonomen Nervensystems: Diese Neuropathie ist weniger häufig und
kann in vielen unterschiedlichen Formen auftreten.
• Herz-Kreislauf-Symptome, die Herzfrequenz ist variabilitätsvermindert, es kann zu
Narkosezwischenfällen kommen
• Gastrointestinale autonome Neuropathie: Atonie der glatten Muskulatur des
Darmbereichs, postprandiale Hyperglycämie, Verstopfung
• Urogenitale Neuropathie: führt bei Männern zu Impotenz, bei Frauen zur
Überlaufblase (die Muskeln sind unterversorgt und daher zu schwach,
Urinretention ist begünstigend für Infektionen)
• Autonome Neuropathie der Sudomotorik: Sudomotorneurone innervieren die
Schweißdrüsen; verstärkte Schweißsekretion in der oberen Körperhälfte, in der
unteren dagegen eine verminderte; Pupilleninnervation beeinträchtigt, daher
schlechte Einstellung auf unterschiedliche Lichtverhältnisse
3) Diabetische Mononeuropathie: nur ein Nerv ist betroffen, meist ein Gesichtsnerv; es
handelt sich um eine Makroangiopathie des versorgenden Gefäßes
Seite
50
2.6 Koma bei Diabetes
Beim Diabetes mellitus kann es verursacht durch Unter- oder Überzuckerung zu
Stoffwechselentgleisungen kommen. Eine Unterzuckerung führt zum hypoglycämischen
Schock (Coma hypoglycämicum), eine Überzuckerung zum Coma diabeticum.
Eine Hypoglycämie kann durch Steigerung der Insulindosis ohne Anpassung der
Kohlenhydratzufuhr, durch Reduzierung der Kohlenhydratzufuhr ohne Anpassung der
Insulindosis oder durch gesteigerte körperliche Aktivität ohne vorherige Anpassung der
Kohlenhydrataufnahme ausgelöst werden.
Schockgefahr besteht, wenn die Blutglucosekonzentration unter 60 mg% (=3,3 mmol) sinkt.
Der Glucosemangel wirkt sich insbesondere auf das Nervensystem aus. Kommt es zum
Auftreten von Voranzeichen eines Schocks (Herzklopfen, Reizbarkeit..), kann durch
Einnahme von Zucker oder Traubenzucker vorgebeugt werden. Befindet sich der Patient
bereits im Koma, so muß die Kohlenhydratzufuhr intravenös erfolgen.
Beim Coma diabeticum unterscheidet man zwischen
• ketoazidotischem
• nicht azidotischem (hyperosmolarem)
• lactazidotischem Koma.
Das ketoazidotische Koma basiert auf einem absoluten Insulinmangel und tritt deshalb fast
nur bei Typ 1 Diabetikern auf. Es kommt zur verstärkten Lipolyse und somit zur Ketogenese.
Bei normaler Stoffwechsellage würden die entstehenden Ketonkörper dem Fettsäureabbau
zugeführt. Jetzt wird aber Acetacetat in die Blutgefäße abgegeben und führt zur
metabolischen Azidose. Der Körper wirkt dieser Azidose auf zweierlei Weise entgegen:
1. Acetacetat wird zu Aceton und CO2 abgebaut. CO2 wird vermehrt abgeatmet
(Hyperventilation)
2. Durch Abgabe von Na+- und K+-Ionen wird die Ionenbilanz ausgeglichen. Es kommt zur
Diurese, was einen Wasser- und Ionenverlust bedeutet.
Das nicht azidotische, hyperosmolare Koma tritt vorwiegend beim Typ 2 auf. Es ist
charakterisiert durch stark erhöhte Blutglucosewerte (>600mg/dl). Dieser Anstieg bewirkt
eine Glucosurie, da die Nierenschwelle überschritten wird; gleichzeitig wird vermehrt Wasser
ausgeschieden. Zusätzlich kommt es durch den erhöhten osmotischen Druck zur
Dehydratation der Zellen, was wiederum zur Hypervolämie (Plasmaexpansion) führt.
Hypervolämie hemmt die Aldosteronausschüttung. Da Aldosteron die Na-Rückresorption in
Seite
51
der Niere induziert, kommt es unter Hemmung dieses Hormons zu einem Natriumverlust.
Glucosurie und NaCl-Verlust wirken sich wiederum osmotisch auf den Wasserhaushalt aus;
dem Körper wird durch Polyurie Wasser entzogen; der Hypervolämie folgt eine Hypovolämie.
Bei fortschreitender Zelldehydratation kommt es zum Koma.
Ursache des laktazidotischen Koma ist fast immer eine Zirkulationsstörung im Bereich der
peripheren Gewebe und wird vorwiegend durch Kreislaufinsuffizienz ausgelöst. Es wird
außerdem durch die Behandlung mit Biguaniden begünstigt, die Zusammenhänge sind
jedoch nicht geklärt. Beim laktazidotischen Koma sinkt der Blut-pH unter 7,25 durch
Erhöhung des Laktat-Spiegels, ohne daß die Glucosekonzentration erhöht ist.
Die Gefahr eines Coma Diabeticum ist bei Streßzuständen, wie starke körperliche
Anstrengung, Infektionskrankheiten, operativen Eingriffen etc besonders groß. Da die
unmittelbare Folge des Koma die Dehydratation ist, besteht die Behandlung in Wasser- und
Elektrolytzufuhr, sowie in der Gabe von Insulin zur Förderung des Glucoseabbaus.
Außerdem führt man Bicarbonate zur Normalisierung des pH-Wertes zu.
2.7 Therapieformen
Diät
• KH-Anteil >50%, möglichst langsam resorbierbar
• der Patient muß lernen, die Broteinheiten und seinen Insulinbedarf pro BE zu schätzen
(1BE = 12g KH)
Unterstützung von Muskelarbeit, Ausdauersport
(führt zu Up-Regulation; allein dadurch kann der Insulinbedarf bis zu 80% absinken!)
Seite
52
Tabletten
• Sulfonylharnstoffe zur Förderung der Insulinsekretion (Typ 2a)
• Biguanide zur Steigerung der nicht Insulin-abhängigen KH-Aufnahme (Typ 2b) in Muskel
und Fettgewebe
• Acarbose zur Verzögerung der enteralen KH-Aufnahme = Hemmer der a-Glucosidase
Insulin
2.8 Der diabetische Fuß
Seite
53
3 Protein- und Aminosäurestoffwechsel
Mit der Nahrung aufgenommene Proteine werden in Aminosäuren gespalten, die durch die
Mucosazellen ins Pfortaderblut absorbiert werden und so in alle Zellen gelangen,
hauptsächlich in Leber und Niere. Sie sind die Hauptorgane des Proteinstoffwechsels.
Die metabolischen Reaktionen der AS können grob in drei Kategorien eingeteilt werden:
1. Freie AS aus dem Pool werden zur Bildung von Körpereiweiß verwandt, wobei gleichzeitig
Körpereiweiß wieder zu AS abgebaut wird.
2. Weitere freie AS aus dem Pool werden oxidativ desaminiert oder transaminiert und so in
a-Ketosäuren überführt. Durch oxidative Decarboxylierug entstehen daraus FettsäureCoA-Thioester, die entweder zur Energiegewinnung zu CO2 und H2O oxidiert oder in
Ketonkörper, Fettsäuren oder Glucose umgewandelt werden.
Die NH2-Gruppe bzw. das NH3 (freigesetzt durch die oxidative Desaminierung) muß
entgiftet werden (neurotoxisch bei erhöhter Konzentration), indem es als Harnstoff (in der
Leber synthetisiert aus NH3 und CO2) über den Urin ausgeschieden wird. (Dies geschieht
mit 90% des NH3. Die restlichen 10% gelangen direkt als NH4+ in den Urin.)
3. Einige AS werden für die Synthese anderer stickstoffhaltiger Verbindungen, wie
Purinbasen, Kreatin, Adrenalin u.a. verwendet, die letztlich auch ausgeschieden werden.
Zusätzlich werden nicht essentielle AS mit Hilfe der Aminogruppen anderer AS
synthetisiert.
3.1 Protein-Umsatz
Mit gemischter Nahrung werden in Deutschland ca.100 g Nahrungsprotein (=16 g N) aufgenommen (die WHO-Empfehlung liegt bei 0,75 g/kg KG), was 125 g AS entspricht. Die
Gewichtszunahme resultiert aus der H2O-Anlagerung bei der Hydrolyse im Darm. Sie
gelangen in den AS-Pool, in dem sich auch die freigesetzten AS aus dem Abbau des
Körpereiweißes befinden. Pro Tag werden ca. 400 g Körpereiweiß abgebaut.
Im Idealfall findet genausoviel Neusynthese aus dem AS-Pool wie Abbau statt; dann befindet
sich der Körper im Stickstoff-Gleichgewicht. Die restlichen 125 g AS werden umgebaut in
Seite
54
Glucose (glucoplastische AS) oder Ketonkörper (ketoplastische AS) oder werden abgebaut
(s.o.). Der Ammoniak wird hauptsächlich als Harnstoff entgiftet; knapp 10% des NH3 werden
direkt über die Niere als NH4+ eliminiert.
3.2 Eiweiß-/N-Bilanz
NB = Normalbilanz bei einer
bei uns üblichen Zufuhr
EM = endogenes Minimum
BM = Bilanzminimum
Der Stickstoff der Nahrung
ist fast vollständig
Proteinstickstoff. Nur zu
einem geringen Teil stammt
er aus Nucleinsäuren,
Aminozuckern etc. Deshalb
wird zur Beurteilung des Proteinstoffwechsels anstelle der kaum meßbaren Proteinbilanz die
befriedigend meßbare N-Bilanz herangezogen.
Da ca.1/6 des Proteins aus N aufgebaut ist, entsprechen 100 g Protein 16 g N.
Durch die Stickstoffbilanz kann ermittelt werden, inwieweit der Proteinbedarf des Körpers
gedeckt ist:
aufgenommene Menge - ausgeschiedene Menge im Kot = N-Bilanz
Die N-Ausscheidung mit dem Fäces beträgt beim gesunden Erwachsenen maximal 2g/24 h.
Sie ist vergleichsweise gering, ist meßtechnich schwer zu bestimmen und wird daher
vernachlässigt.
Ist die Zufuhr an Eiweiß bzw.N größer als der Abbau von Eiweiß bzw. die Ausscheidung von
N, so bedeutet dies Anabolismus, also Wachstum. Eiweiß wird im Körper neu gebildet.
Dieser Zustand liegt z.B. bei Kindern vor, im Erwachsenenalter kaum (nur in
Genesungsphasen).
Ist die Zufuhr geringer als der Abbau, liegt ein Katabolismus vor, der längerfristig zur
Kachexie (Auszehrung) führt. 2-3 kg Protein kann ohne Gefahr bei Hunger abgebaut werden,
darüber ist es gefährlich.
Im Bereich oberhalb von 4g entsprechen sich Zufuhr und Ausscheidung. Bei dem
Bilanzminimum von 4g (24g Protein) ist die Bilanz minimal noch erhalten. Bei einer
geringeren Zufuhr übersteigen Abbau und Ausscheidung die Zufuhr: die Zufuhr kann auf 0
absinken, die Ausscheidung aber nicht; sie bleibt ungefähr bei 3g N/24 h.
3.3 Eiweiß-Restriktion
Eine gezielte Reduktion der Eiweißzufuhr ist nötig, wenn AS-Stoffwechsel oder
Harnstoffsynthese gestört sind oder die Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen vermindert
ist. Ein Anstieg des Ammoniak-Spiegels sollte verhindert werden, da er toxisch wirkt. Die
Eiweiß-Restriktion kann das Fortschreiten des Krankheitsprozesses erheblich verzögern. Sie
wird angewandt bei
1.
Niereninsuffizienz
2.
Störung der Harnstoffsynthese
a)
erworben: z.B. durch Leberzirrhose
b)
genetisch: geringer als 1:10.000
3.
Störung des AS-Stoffwechsels: erblich, relativ selten (ca. 1:5 000 - 1:10 000)
Seite
55
Bei der eiweißarmen Diät sind drei Punkte zu beachten:
1. Das Bilanz-Minimum darf nicht unterschritten werden
2. Der Bedarf an essentiellen AS muß trotzdem optimal gedeckt sein
3. Eventuell zusätzliche Zufuhr von a-Ketosäuren (da sie Ammoniak aufnehmen können, so
daß die Entgiftungsmechanismen entlastet werden)
3.4 Verteilung der Körperproteine
intrazellulär
interstitiell
intravasal
Urin
% Gesamtprotein
94
2
4
-
%H2O
66
27
7
-
Prot.Konz (g/dl)
15-25
0,2-2
6-8
<10mg/dl
3.5 Funktionen der Proteine
1. als Struktur
2. zur Bewegung
3. Katalyse (als Enzyme)
zellulär
Tubulin, Aktin u. a. ->
Cytoskelettbildung
Aktin, Myosin -> an
Muskelkontraktionen beteiligt
(in allen Zellen Bewegungen,
z.B.Cytoplasmaströmungen
möglich, da Aktin und Myosin
überall vorhanden sind)
a) strukturgebunden (d.h. an
Membranen verankert, z.B. bei
der Atmungskette)
b) löslich (-> größerer Anteil
der Enzyme, z.B. bei
Hydrolyse, AS-Abbau)
4. Transport
Membranenzyme mit
Transportfunktion
Hämoglobin
5. als Puffer
Hämoglobin (puffert in
Erythrocyten die bei der COBindung freiwerdenden HIonen ab)
-
6. Infektabwehr
extrazellulär
Kollagen, Elastin, Laminin ->
liegen in der
Bindegewebsgrundsubstanz
zur Strukturerhaltung
-
a) strukturgebunden (d.h. an
Lipoproteine assoziiert/LCAT)
b) löslich (-> Sekretenzyme zur
Blutgerinnung, in der Leber
gebildet
-> Überlauf: Zellen gehen
zugrunde, geben Enzyme ins
Plasma ab, z.B. CK, GOT,
GPT, Amylase)
Albumin (transportiert FS,
Schilddrüsenhormone...)
Transferrin (Eisen)
Transcortin (Steroidhormone
der NNR)
Haptoglobin
Albumin (bindet und
neuteralisiert Protonen)
spezifisch: Immunglobuline
unspezifisch:
Komplementfaktoren (gelöste
Stoffe
Akut-Phase-Proteine: a-1Antitrypsin, Haptoglobin,
Coeruloplasmin, C-reaktives
Protein
Seite
56
7. Signalvermittler
Hormon-Rezeptoren
Coeruloplasmin, C-reaktives
Protein
Peptidhormone (z.B. Insulin,
wirkt aber nur, wenn zellulär
andere Proteine als
Rezeptoren vorhanden sind)
3.6 Störungen des Proteinstoffwechsels
A: Protein-Mangel
(quantitativ)
Ursachen:
1. verminderte Zufuhr
2. gestiegene Verluste
a) Niere: bei Proteinurie können bis zu 40g ausgeschieden werden
b) verminderte Resorption bei Darmerkrankungen
c) Wunden geben ein sehr proteinreiches Sekret ab
3. gestiegener Abbau (extreme Stoffwechselsteigerung: T3, T4,
Katecholamine)
Folgen:
1)
kurzfristig: endogener Proteinabbau sinkt auf 25 g/Tag
2) langfristig:Verlust von > 1-2 kg von 6-12 kg Gesamtkörpereiweiß führt zu
folgenden Krankheitssymptomen:
2.1) beim TRANSPORT:
Wasserretention
in Gewebe = Ödeme
in Körperhöhlen = Ascites
2.2) STRUKTUR, BEWEGUNG, KATALYSE
Leber, Niere, Muskelabbau (führt zu Herzversagen)
2.3) ABWEHR
Infektionsrisiko steigt
B: Störung der Serumprotein-Zusammensetzung
(qualitativ/quantitativ)
Seite
57
Abbildung A
Abbildung A zeigt die normale Konstellation der Serumeiweiße. Albumin ist ein monoklonales
Protein und zeigt deshalb eine einheitliche Zacke. In allen anderen Fraktionen sind mehrere
Proteinarten enthalten.
Abbildung B zeigt die Veränderungen des Serumeiweißbildes bei Erkrankungen. Bei einer
akuten Entzündung sind die a1 und a2 Fraktion erhöht; bei einer chronischen Entzündung
fallen sie wieder ab, aber durch die produzierten Immunglobuline steigt die g-Fraktion.
Bei einer Zirrhose ist die Albuminsynthese der Leber und damit auch die Konzentration im
Serum verringert. Auch hier steigen die Globuline (Antikörper gegen Hepatitis-Virus).
Das nephrotische Syndrom ist durch einen starken Abfall des Serumalbumins
gekennzeichnet. Da das Filterorgan Niere gestört ist, werden auch Proteine mit dem Urin
ausgeschieden. Albumin ist davon wegen seiner geringen Größe als erstes betroffen. a2Makroglobulin dagegen ist groß und kann die Niere nicht passieren, was zu einem Rückstau
führt.
Bei der monoklonalen Gammopathie zeigt sich eine spezifische Erhöhung der Ig’s. Es
handelt sich hierbei um einen Tumor, bei dem eine einzelne Zelle entartet und sich vermehrt.
Jede der Tochterzellen bildet das gleiche Ig monoklonals Immunglobulin).
Seite
58
n).
Abbildung B
Seite
59
Bei a1-Antitrypsin-Mangel werden die Elastasen des Gewebes nicht genug blockiert. Dabei
wird z.B. das elastische Gerüst der Lunge geschädigt, ein passives Zusammenziehen
funktioniert nicht mehr.
Morbus Wilson: Durch verminderte Cu-Ausscheidung in die Galle und den niedrigen
Coeruloplasminspiegel kommt es zu Cu-Ablagerung in Leber und Hirn, was zu Leberzirrhose
und Intelligenz-Defekten führt.
Seite
60
C: Genetische Defekte im Abbau der AS
1.Phenylketonurie (Brenztraubensäureschwachsinn, PKU)
Die Phenylketonurie tritt mit einer Häufigkeit von 1: 10.000 auf und ist damit die häufigste
AS-Stoffwechselstörung. Sie wird rezessiv vererbt. Es handelt sich hierbei um einen Defekt
der Metabolisierung des Phenylalanins. Die häufigste Störung ist die der PhenylalaninHydroxylase (1) in der Leber.
Phenylalanin wird also nicht in Tyrosin umgewandelt und stattdessen von der Transaminase,
die normalerweise Tyrosin umsetzt, als Substrat verwendet. Dabei entstehen Phenyl- und
Hydroxyphenylacetat. Diese beiden Metaboliten wirken im Laufe von Monaten hirntoxisch.
Ihr vermehrtes Auftreten im Urin hat der Krankheit ihren Namen gegeben.
Durch diesen Defekt wird Tyrosin, woraus normalerweise Dopachinon und Katecholamine
hergestellt werden, zur essentiellen AS. Dopachinon ist eine Vorstufe des Melanins, so daß
die betroffenen Kinder eine verminderte Pigmentierung zeigen. Durch die fehlenden
Neurotransmitter lassen die erlernten Eigenschaften des Säuglings nach (die Kinder sind
“blond, blöd und blauäugig”); ab ca. einem Jahr zeigt er Krämpfe und stirbt ohne Behandlung
im Alter von 5-6 Jahren.
Eine frühzeitige Diagnose bei Neugeborenen ist wichtig, um sofort die Erährung umzustellen
und die erst später in Erscheinung tretenden schweren Schäden zu vermeiden. Deshalb
führt man den mikrobiologischen Hemmtest nach Guthrie durch .
Hierbei handelt es sich um eine Bakterienkultur (Bacillus subtilis) auf einer Pappkarte, die
durch Thienylalanin gehemmt wird. Durch Zugabe von phenylalaninreichem Blut beginnt sie
zu wachsen. Je stärker die Präzipitationssichel ausgeprägt ist, desto höher ist die
Konzentration des Phenylalanins im Blut.
Der Test kann erst nach dem 5. Lebenstag durchgeführt werden, da der Fötus intrauterin von
der Mutter versorgt wird und sie somit auch das beim Fötus anfallende Phenylalanin mit
abbaut. Erst postnatal kann es daher akkumulieren.
Ist der Guthrie-Hemmtest positiv, so muß nicht eine PKU vorliegen. Es kann sich auch um
eine transiente PKU bzw. eine Hyperphenylalaninämie ohne PKU handeln, die auf eine zu
hohe Zufuhr in den ersten Tagen zurückzuführen ist.
Die Therapie besteht in einer Kost, in der alle essentiellen AS in ausreichender Menge
enthalten sind, der Gehalt an Phenylalanin aber dem individuellen Bedarf des Kindes
angepaßt ist. Es gibt spezielle Lebensmittel, aus denen Phenylalanin durch Adsorption an
Kohle vollständig entfernt wurde und denen Fette, KH und Mineralstoffe zugesetzt wurden.
2. Ahornsirupkrankheit (Verzweigtketten-Ketonurie)
Die verzweigtkettigen AS Valin, Leucin und Isoleucin werden im Gegensatz zu den übrigen
essentiellen AS vorwiegend in peripheren Organen (Skelettmuskulatur, Niere...) abgebaut.
Seite
61
Der erste Abbauschritt besteht in einer Transaminierung zu den entsprechenden
Ketosäuren. Bei der Ahornsirupkrankheit liegt ein Defekt der dehydrierenden
Decarboxylierung aller drei Ketosäuren vor (Schritt 2).
Die Aminosäuren selbst bzw. ihre Metaboliten werden vermehrt mit dem Harn
ausgeschieden und verleihen ihm einen Geruch von Ahornsirup (ähnlich Maggi). Außerdem
tritt in Plasma und Urin die ungewöhnliche AS Alloisoleucin auf.
Eine frühe Diagnose und entsprechende Diät sind auch hier ausgesprochen wichtig. Ohne
Therapie kommt es zu schweren zentralnervösen Schädigungen, die bereits in den ersten
Lebenswochen zum Tod führen können.
Seite
62
Abbauwege der verzweigtkettigen Aminosäuren
Seite
63
4. Verdauung
Die Bilanz wird ermittelt durch eine Magensonde und 24-h-Sammelurin. Es ist wichtig, sie bei
parenteraler Ernährung zu beachten. Bei Darmoperationen, Anus praeter etc muß eine
andere Flüssigkeitsbilanz zugrunde gelegt werden. Je nach fehlendem oder erkranktem
Organ muß berechnet werden, wieviel Flüssigkeit mehr oder weniger zugeführt werden
sollte.
4.1 Definitionen
Normaler Stuhlgang
Frequenz:
Gewicht:
Konsistenz:
3 x täglich bis 3 x wöchentlich
100-200 g/d
breiig, geformt
Obstipation
Frequenz:
< 3 x wöchentlich
Gewicht:
< 50 g/d
Der Begriff Obstipation umfaßt folgende auf den Stuhlgang bezogene Beschwerden:
- zu selten, zu hart, zu wenig und zu unregelmäßig
Diarrhoe
Frequenz:
Gewicht:
Konsistenz:
akut:
chronisch:
>3x täglich
> 250 g/d durch erhöhten Flüssigkeitsanteil
ungeformt, flüssig (> 80% Wasser)
< 2 Wochen (z.B. bei Cholera, Salmonellen...)
> 2 Wochen (bei Darmerkrankungen)
Seite
64
4.2 Ursachen der Obstipation
Funktionell
1. Bewegungsmangel: Bewegung aktiviert den Sympathicus, wodurch vorerst die
Darmmotorik gehemmt wird; gegenreflektorisch wird aber der Parasympathikus aktiviert,
der einen fördernden Einfluß auf die Darmmotorik ausübt
2. Ballaststoffmangel: Wasser kann nicht gebunden werden und führt zu erhöhtem
intraluminalem Druck. Unter ballaststoffreicher Nahrung hingegen kommt es zu einem
hohen Wasserbindungsvermögen. Dieses hat einen voluminösen Stuhl sowie einen
geringeren intraluminalen Druck zur Folge. Je größer das Stuhlvolumen, desto geringer
der Druck in der Darmwand.
3. Psychogen: chronisch unwillkürliche Unterdrückung des Stuhlreflexes, z.B. durch Streß.
Wird der Defäkationsreiz öfter unterdrückt, so wird dieser Reflex abgeschwächt. Dies hat
zur Folge, daß der Darminhalt über längere Zeit nicht entleert wird; es kommt zu
Wasserverlust und Obstipation.
4. Colon irritabile: hierbei treten Diarrhoe und Obstipation im Wechsel auf, zusammen mit
Schmerzen im Bauchbereich. Meist führt man eine Sonographie durch, wobei man die
Fläche des Magens durch Ultraschall bestimmt und daraus das Volumen schätzt. Man
verabreicht einen Trunk, durch den man dann messen kann, wie schnell sich der Magen
ausdehnt bzw. wieder zusammenzieht, was die Passagezeit bedingt. Beim Colon irritabile
ist die Propulsion stark verzögert.
Organisch
Darmerkrankungen
1. Kolonkarzinom (Dickdarmkrebs)
Das Karzinom geht von der Schleimhaut aus und wächst nach innen, was schließlich zu
einem Verschluß des Darmlumens führt. Es treten Diarrhoe und Obstipation im Wechsel
auf, Teerstühle, Blutabgang mit dem Stuhl, Schwächegefühl und Blutarmut.
2. Divertikulitis
Es handelt sich hierbei um säckchenförmige Ausstülpungen der Colonwand, die
vorwiegend im Bereich des Colon sigmoideum zu finden sind. Die Ursache der
Divertikulitis ist Ballaststoffmangel. Er führt zu einem hohen intrakolischen Druck, der
bewirkt, daß sich die Dickdarmschleimhaut zwischen den Gefäßen im weichen
Bindegewebe nach außen drückt. In diesen Ausstülpungen kann sich Stuhl ansammeln.
Der Divertikelhals, der im Bereich der Muskelschicht liegt, wird durch die Muskulatur
eingeengt. Da die Divertikel selbst keine Muskulatur besitzen, ist eine selbständige
Entleerung nicht möglich. Durch die lange Verweildauer des Darminhalts in den
Divertikeln besteht die Gefahr einer Entzündung. Kann der Körper sie nicht begrenzen, ist
eine Operation nötig. Im schlimmsten Fall kommt es zur Perforation der Divertikel, was zu
einer Peritonitis (Bauchfellentzündung) und lokaler Abszeßbildung führt. Die Divertikulitis
ist mit Schmerzen und Fieber verbunden.
Therapie
Erkennen der Divertikel (durch Röntgenuntersuchung, Endoskopie..), Erhöhung der
zugeführten Ballaststoffe, Regulierung der Stuhlfrequenz...
3. Ileus (Darmverschluß):
a) mechanischer Ileus:
Verlegung des Darmlumens (z.B. durch Tumoren, Fremdkörper...)
b) paralytischer Ileus:
Lähmung, die Darmperistaltik ist aufgehoben (z.B.durch Sepsis)
Seite
65
medikamentös
Viele Arzneimittel wirken direkt oder durch ihre Nebenwirkungen auf den Darm
• Opiate
• Antazida: säurehemmend; sie enthalten beispielsweise AlHCO3, das bei zu geringer
Flüssigkeitszufuhr ausfallen kann
• Diuretika: wassertreibend, so daß weniger Flüssigkeit im Darm vorhanden ist
• Psychopharmaka: starke vegetative Nebenwirkungen, behindern die Darmmotorik
• Eisen-Präparate: bilden Ausfällungen, wenn zu wenig Flüssigkeit zugeführt wird
• Laxantien: stuhltreibend; schädigen das autonome Nervensystem und wirken in der
Phase des Absetzens verstopfend
endokrin/metabolisch
(immer mit anderen charakteristischen Symptomen vergesellschaftet)
• Hypothyreose: Grundumsatzverminderung, Myopathie (Muskelschwäche), beides führt zu
einer verminderten Propulsionskraft im Darm
• Hypercalcämie
• Schwangerschaft: hier sind die Ursachen v.a. mechanisch, da der Druck im Bauch steigt
• Amyloidose (Zellschäden durch Ablagerung von ß2-Mikroglobulin in Leber, Gefäßen etc.)
• Porphyrie (angeborene oder erworbene Störung des Bilirubinstoffwechsels)
neurologisch
• ZNS-Erkrankungen (Meningitis, Atherosklerose)
• Rückenmarkserkrankungen: Aktivität des autonomen Nervensystems in Darm ist
unterbrochen, verminderte Sendefrequenz vom Rückenmark; der Eigenimpulsgeber ist
langsamer als das Rückenmark, v.a. der Dickdarm ist betroffen.
4.3 Therapie der Obstipation
organische Ursachen:
funktionelle Ursachen:
Therapie des Grundleidens
Aufklärung (Reflex einüben)
körperliche Bewegung (Sport)
Ballaststoffe
Verbot von Laxantien
Seite
66
Circulus vitiosus bei Obstipation
4.4 Diarrhoe
Ergänzung zu Tabelle 6-14.
Laktulose, Mannit, Sorbit, Citrat, Antazida wirken wasserziehend.
Gastrinom
sitzt in den endokrinen Zellen des Magens und Dünndarms, produziert
Hormone, die die Sekretion von Wasser anregen.
Karzinoide
können beispielsweise Hormone produzieren, die zu einer gesteigerten
Aktivität des Nervensystems und einer Hypermotilität führen. Parasiten
können ähnliche Stoffe absondern
Toxine
steigern die transzelluläre Sekretion von Cl-
Seite
67
VIPom
Leckflux
Lymphom
Tumor der Pankreasinselzellen, der VIP (vasoactive intestinal peptide)
produziert; dies führt im Endeffekt zu einer Cl--Sekretion und so zur Diarrhoe.
Schleimhautdefekte, Wasser aus dem Interstitium hat freien Zugang zum
Darmlumen
Wucherung des Lymphgewebes
Maldigestion
Störungen des enteralen enzymatischen Abbaus von Kohlenhydraten, Proteinen und Lipiden
z.B. bei Pankreasinsuffizienz oder Erkrankung der Galle ableitenden Wege; es findet kein
ausreichender Aufschluß der Nahrung statt, so daß die Dünndarmschleimhaut ihre Arbeit
nicht verrichten kann.
Malabsorption
Mangelhafte epitheliale Resorption von Nährstoffen, Ionen und/oder Vitaminen aus dem
Darm, entweder durch Fehlen einzelner epithelialer Transportmechanismen oder durch
Verlust resorptiver Epithelfläche.
Seite
68
Je nach Ort der Erkrankung treten spezifische Mängel auf.
Seite
69
Biliäre Insuffizienz: Fettstühle, oft als Diarrhoe interpretiert.
Seite
70
Magenteilresektion
Bei der Resektion nach Billroth I werden das
Antrum und Teile des Korpus entfernt und eine
physiologische Passage mit verringertem
Volumen hergestellt. Nach Billroth II wird keine
physiologische Passage erzeugt, sondern ein
Ende endet blind. Hier kommt es oft zu einer
Stumpfgastritis. Gallensäuren werden durch die
bakterielle Überwucherung in großer Menge
dekonjugiert und so inaktiviert. Sie können auch
laxierend wirken.
Durch fehlendes Reservoir des Magens ist die
Verweildauer verkürzt. Es kommt zu einer
raschen Entleerung ins Jejunum, wodurch
dieses plötzlich überdehnt wird und infolge der
Hyperosmolarität des Speisebreis dem Plasma
größere Flüssigkeitsmengen entzogen werden
(Dumping Syndrom). Die
Kohlenhydrataufnahmezeit ist geringer; bei
gleichbleibender Insulin- (VIP-, GIP-) Sekretion kommt es gehäuft zu Hypoglycämien.
4.5 Chronische entzündliche Darmerkrankungen
Einheimische Sprue
(auch als Zöliakie bezeichnet; da dieser Begriff aber auch auf andere Krankheiten
angewandt wird, sollte man ihn vermeiden. Besser: Glutenenteropathie)
Bei der Sprue handelt es sich um eine Glutenenteropathie. Es liegt nicht, wie früher
vermutet, eine Enzymdefekt vor, sondern eine Unverträglichkeitsreaktion gegen das
Getreideproteingemisch Gluten. Es werden Antikörper gegen Glutenabbauprodukte gebildet,
die eine Entzündung in der Dünndarmschleimhaut hervorrufen. Wie bei den meisten
Entzündungen, wird dadurch die resorptive Fähigkeit der Dünndarmzellen zerstört.
Symptome sind Diarrhoe, Gewichtsabnahme, abdominelle Beschwerden und Blähsucht.
Außerdem treten eine Reihe von Mangelerscheinungen als Folge der Malabsorption auf.
Morbus Crohn
Morbus Crohn (granulomatöse Colitis2, Ileitis regionalis, Colitis Crohn) ist eine chronische
Entzündung einzelner Segmente des Dünn- und/oder Dickdarms. Jeder Darmabschnitt kann
betroffen sein, zu 90% ist es jedoch das distale Ileum.Zwischen Dünn- und Dickdarm besteht
ein Ventilmechanismus; hier tritt Morbus Crohn am häufigsten auf.Durch die Entzündung
wird das Ventil zerstört, so daß der Bolus vom Dickdarm zurück in den Dünndarm fließen
kann. Alle Schichten der Darmwand, evtl. auch Mesenterium und Lymphgewebe sind
betroffen. Es bilden sich Geschwüre und Fisteln (unphysiologische Verbindungen zwischen
Organen, können auch durch die Haut brechen), die tief in die Submucosa und Muskulatur
eindringen. Wenn auch das Bauchfell vom Entzündungsprozeß betroffen ist, kommt es zu
schlimmen Schmerzen.
Nach dem Entzündungsschub beruhigt sich das System wieder, bei Regeneration der
Entzündung bildet sich eine Narbe durch eingesetztes Bindegewebe. Dieses Bindegewebe
2
Die granulomatöse Colitis ist der M.Crohn des Dickdarms. Die Bildung von Granulomen ist eine
spezifische Abwehrform des Immunsystems, die auch bei mikrobiell hervorgerufenen Colitiden auftritt.
Seite
71
hat konstringierende Eigenschaften, so daß sich der Darm irreversibel verkürzt. Durch
diesen Narbenzug oder Schwellungen kommt es zu Stenosen (Verengungen des
Darmlumens).
Symptome: abdominelle Beschwerden, Diarrhoe, Gewichtsabnahme, Fieberschübe. Auch
hier findet man oft Zeichen einer Unterversorgung mit essentiellen Nährstoffen als Folge
einer unzureichenden Zufuhr (Appetitlosigkeit, Erbrechen, Angst vor dem Essen...) aber
auch gestörter Resorption. Morbus Crohn tritt im Alter von 15-25 Jahren auf und kommt bei
Männern und Frauen gleich häufig vor. Die Ursachen sind noch unbekannt.
Colitis Ulcerosa
Die Colitis Ulcerosa (chronische Entzündung der Colonschleimhaut) kann sowohl das
gesamte als auch nur bestimmte Abschnitte des Organs befallen, wobei das Rectum immer
mit angegriffen ist. Die Ursache der Colitis Ulcerosa ist unbekannt. Man nimmt an, daß
Autoimmunmechanismen und Streß die Erkrankung auslösen. Die Krankheit tritt in jedem
Lebensalter auf. Am häufigsten ist der Beginn zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Das
Verhältnis Männer : Frauen beträgt 1.3 : 1.
Das Hauptsymptom sind unter krampfartigen Schmerzen abgesetzte, blutschleimige Stühle.
Hierdurch bedingte Blut-, Mineralstoff- und Wasserverluste führen zu Anämie,
Hypoproteinämie und Störungen des Elektrolythaushalts. Bei Colitis Ulcerosa kommt es zu
Entzündungen von Mucosa und Submucosa mit Geschwürbildung.
Seite
72
bei C: +
A
B
C
(bei C: +)
Seite
73
Unterschiede zwischen Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn
Beginn
Rektale Blutung
Massive Blutung
Häufigste Lokalisation
segmentale Lokalisation
Stenosebildung
Innere Fisteln
Anorektale Fisteln
Perianale Abszesse
als Erstsymptom
Tox. Colondilatation
Karzinomrisiko
Colitis Ulcerosa
allmählich/akut
regelmäßig
3%
Rektum mit kont. Ausbr. nach
prox.
sehr ungewöhnlich
selten
ungewöhnlich
relativ selten
3-4%
sehr ungewöhnlich
2-10%
erhöht
Morbus Crohn
allmählich
relativ selten
ungewöhnlich
Ileokolitis, segmentale Kolitis
häufig
sehr häufig
häufig
sehr häufig
20-25%
25%
< 1%
gering
Colondilatation: toxische Erweiterung des Dickdarms durch Versagen der neuromuskulären
Einheit. Die Toxine legen Nerven zeitweise lahm, so daß die glatten Muskelzellen keinen
Tonus mehr haben. Bei Morbus Crohn geschieht das selten, da es sich hier meist um eine
kleinere Entzündungsfläche handelt.
Die Stärke des Schubs korreliert negativ mit dem Körpergewicht; je stärker der Schub, umso
mehr Blutverlust tritt auf.
Seite
74
5. Leber und Alkohol
Symptome bei Leberschädigung
Die Leber ist das zentrale Organ des Intermediärstoffwechsels. Sie synthetisiert AS,
Gallensalze, Cholesterin, Phospholipide und Proteine, baut AS ab und speichert Nährstoffe
(Glycogen, Vitamin A). Außerdem hat sie eine wichtige Funktion bei der Entgiftung und
Ausscheidung körpereigener und -fremder Substanzen.
Durch die Produktion der Gallenflüssigkeit ist sie die größte exokrine Drüse des Körpers.
Seite
75
Bei Leberschädigung treten folgende Symptome auf (vgl. vorhergehende Seite):
- der Patient wird psychisch auffällig: desorientiert, schwer ansprechbar, Muskelzuckungen:
hepatische Encephalopathie
- Hautveränderungen: gelb (Bilirubin wird in der Haut abgelagert)
- kleine Gefäßerweiterungen: spider nevi = Lebersternchen
- verminderte Körperbehaarung: Gynäkomastie (Brustwachstum mit Feminisierung)
- Erweiterung kleinster Gefäße in der Hand und Zunge: nicht isoliert sichtbar, aber
Handflächen und Zunge sind knallrot
- Blutergüsse: Blutungen in der Haut, die nicht schnell resorbiert werden
- Vermehrung des Bauchumfangs (Ascites)
Die genauen Ursachen für diese Symptome werden im Folgenden besprochen.
5.1 Funktionen der Leber
Regulation des Energiestoffwechsels
1. Glucose-Homoiostase:
Glycogen-Synthese (≤150g, 10% der Leber, 25g/h)
Glycogenolyse (≤20g/h)
Gluconeogenese (≤5g/h)
Steuerung: Ins, Ggn
2. AS-Homoiostase und Degradation
NH3-Entgiftung (ca 15g/dÆ30g Hst/d)
HCO3-- Elimination: (pH-Regulation)
3. Lipidstoffwechsel:
GlcÆFS
ASÆFS, KK
FSÆKK
FSÆTGÆVLDL
Baustoffwechsel
1. Proteinsynthese und -sekretion:
40% der synthetisierten Proteine: Plasmaprotein =
Albumin 10-20 g/d; HWZ: 14 d
Fibrinogen 1-2 g/d; HWZ: 4 d
Gerinnungsfaktoren II, V, VII, X; HWZ: h-d
Transportproteine: Thyroxin-bindendes Globulin,
Coeruloplasmin, Transferrin...
Cholinesterase (CHE)
LCAT
2. Cholesterin-Synthese /-Ausscheidung
Gallensäuren-Synthese/-Ausscheidung
3. Hormonsynthese z.B. Somatomedin
Entgiftung
Oxidation,Reduktion, Hydroxylierung:
Steroidhormone, Fremdstoffe
Glucuronidierung:
Bilirubin..
Sulfatierung:
Steroidhormone
Degradation:
Hormone (Peptidhormon, T3, T4...), Bakterientoxine
Hst-Synthese:
s.o.
5.2 Leberversagen
Akut:
Chronisch:
selten, z.B. Vergiftung (CCl4, Knollenblätterpilz)
Sepsis
Akute schwerste Hepatitis
häufig Ausfall von >2/3 Lebergewebe bei
Leberzirrhose:
nach Hepatitis
Seite
76
autoimmunologisch:
Speichererkrankungen:
bei chron. Alkoholabusus
bei chron. Gallestau
Primär biliäre Zirrhose (P.b.C.)
Fe2+, Cu2+
Glucose-Homoiostase
Das vom Verdauungstrakt zurückströmende venöse Blut sammelt sich in der Pfortader, die
es zur Leber führt. Nach Aufteilung in ein Kapillarsystem verläßt das Blut die Leber wieder
über die Lebervene. Diese mündet in die untere Hohlvene. Mit dem Pfortaderblut werden
sämtliche resorbierten Nährstoffe (abgesehen von den wenigen, die auf dem Lymphweg
transportiert werden) und auch die im Darm produzierten und resorbierten Toxine zur Leber
transportiert. Die so zur Leber gelangenden Nährstoffe werden zum Teil schon beim ersten
Durchgang durch das Organ eliminiert und in den Stoffwechsel eingeschleust. Das gleiche
gilt für die insbesondere beim bakteriellen Eiweißabbau im Darm anfallenden Toxine.
Bei der Verdauung von Polysacchariden entsteht vor allem Glucose, die vom Darmepithel
resorbiert wird und zur Leber gelangt, die sie unter ATP-Verbrauch zu Glucose-6-Phosphat
phosphoryliert. Dieses kann in Glucose-1-Phosphat umgewandelt und zur GlycogenSynthese verwendet werden oder zu Acetyl-CoA verstoffwechselt und in Form von VLDL
exportiert werden. Glycogen als hydrophile Substanz kann nur zusammen mit Wasser in der
Zelle gelagert werden und enthält nur 1-2 kcal/g. Fett ist hydrophob und daher besser als
Speichersubstanz geeignet.
Die Fähigkeit der Leber und der Muskulatur, Glycogen zu speichern, ist im Vergleich zur
Energiespeicherung im Fettgewebe relativ gering. In Extremfällen kann 10% der Leber aus
Glycogen bestehen. Entsprechend dieser geringen Speichermenge sind die
Glycogenspeicher bei Nahrungskarenz schnell aufgebraucht; das Muskelglycogen wird
vorwiegend bei körperlicher Aktivität mobilisiert.
Beim ersten Durchgang durch die Leber werden dem Pfortaderblut nur ca.10% der Glucose
entzogen, aber ein großer Teil wird aus den peripheren Geweben wieder in Form von Lactat,
Pyruvat und Alanin an die Leber zurückgeliefert und dort wieder in Glucose oder Glycogen
umgewandelt (Gluconeogenese bzw. Glucogenese). Die Synthesegeschwindigkeit bei der
Gluconeogenese beträgt 5g/h. Das entspricht der Menge, die die absolut
glucoseabhängigen Organe benötigen.
Welcher Weg eingeschlagen wird, ist hormonell gesteuert.
Nach Aufnahme einer KH-reichen Mahlzeit sind Glucose- und Insulinkonzentration im
Pfortaderblut erhöht, die Glucagonkonzentration gegenüber dem Zustand vor der Mahlzeit
erniedrigt. Insulin erhöht die Speicherung in Form von Glycogen, wobei gleichzeitig die
Gluconeogenese gehemmt wird.
Nach kurzfristigem Hungerzustand (z.B. morgens vor dem Frühstück) sind die
Konzentrationen von Glucose und Insulin im Pfortaderblut stark abgefallen, während die
Glucagonkonzentration angestiegen ist. In diesem Fall gibt die Leber vermehrt Glucose ab
(erhöhter Glycogenabbau, vermehrte Gluconeogenese, verminderter Glucoseabbau).
Hinter der Leber liegt also eine komplett andere Blutzusammensetzung vor als in der
Pfortader. Die Leber scheidet endogene Metaboliten/ Abbauprodukte in den Darm aus.
Aminosäure-Homoiostase und Degradation
(s. auch Kapitel “Protein- und AS-Stoffwechsel”)
Die Nahrungsproteine werden im Darm zu freien AS gespalten, in dieser Form zur Leber
transportiert und dort entweder verstoffwechselt oder weiter im Körper verteilt. (Aromatische
AS werden in der Leber abgebaut, verzweigtkettige überwiegend in der Muskulatur.)
Seite
77
Eine Eiweißspeicherung in der Leber erfolgt nicht. Liegen aber Proteinmangelbedingungen
vor, kommt es, bevor der Eiweißgehalt anderer Organe oder des Plasmas abnimmt, schnell
zu einer Mobilisation von Proteinen in der Leber.
Sind die Gewebeproteine in normaler Menge vorhanden, werden zusätzlich aufgenommene
AS für die Gewinnung metabolischer Energie verwendet oder in Fett bzw. Glycogen
umgebaut und in dieser Form gespeichert. Die Aminogruppen, die bei diesem Prozeß frei
werden, werden letztlich zu Ammoniumionen umgewandelt, die über den Harnstoffzyklus in
Harnstoff eingebaut und über den Urin ausgeschieden werden.
Lipidstoffwechsel
(s. auch Kapitel “Lipidstoffwechsel”)
Die Aufgabe der Leber im Fettstoffwechsel besteht darin, Fettsäuren aus dem Plasma
aufzunehmen, zu reverestern und in Form von Triglyceriden, an Lipoproteine gebunden,
wieder ans Blut abzugeben, Fettsäuren zu metabolisieren und zu synthetisieren.
Ausgangssubstanz ist dabei das beim Abbau von KH und AS anfallende Acetyl-CoA. Eine
hohe Kohlenhydratzufuhr steigert, eine hohe Fettzufuhr senkt die Neubildungsrate.
In der Leber können Acetyl-CoA-Einheiten auch zu Acetoacetyl-CoA kondensiert und zu
Ketonkörpern umgewandelt werden. Diese dienen anderen Geweben, im Hunger vor allem
dem Gehirn, als Energiequelle.
Des weiteren wird in der Leber das Enzym LCAT (Lecithin-Cholesterin-Acyl-Transferase)
synthetisiert. Es katalysiert die Übertragung eines Fettsäureesters aus der ß-Position des
Lecithins auf Cholesterin unter Bildung von Cholesterinestern. Es ist auch für die
Veresterung von Cholesterin in den Plasmalipoproteinen verantwortlich. Bei schweren
Leberschäden mit eingeschränkter Proteinsynthese ist die Aktivität der LCAT im Blut
erniedrigt; es kommt so zu einem Abfall der Cholesterinester im Blutserum (Estersturz).
Die Cholesterinsynthese und -ausscheidung
(s. auch Kapitel “Lipidstoffwechsel”)
Die Leber ist auch im Hinblick auf das Cholesterin das zentrale Stoffwechselorgan. Sie ist
der Hauptort der Synthese, das Zentrum für den Abbau und die Ausscheidung mit der Galle.
Leber und Dünndarm geben HDL an die Blutbahn ab, die in den verschiedenen Geweben
des Körpers Cholesterin aufnehmen und zur Leber transportieren. Hier dient Cholesterin als
Ausgangssubstanz für die Gallensäurensynthese. Das Cholesterin zirkuliert im Organismus
zwischen Darm und Leber über den sog. enterohepatischen Kreislauf. Täglich werden etwa
2g Cholesterin mit der Galle aus der Leber in den Darm sezerniert. Nur 1/4 davon wird mit
dem Fäzes ausgeschieden; der Rest wird reabsorbiert und gelangt über das
Pfortadersystem oder durch die Lymphe, an Chylomikronen gebunden, zurück zur Leber.
Die Gallensäurensynthese und -ausscheidung
Die Gallenflüssigkeit wird von den Leberzellen sezerniert, in der Gallenblase
zwischengelagert und bei Bedarf ins Duodenum abgegeben. Pro Tag werden vom
Erwachsenen maximal 1-1,2 l Gallenflüssigkeit produziert.
Neben Wasser und Elektrolyten enthält die Lebergalle hauptsächlich Gallensalze,
Cholesterin, Phospholipide, Steroide sowie Ausscheidungsprodukte wie Bilirubin und viele
Fremdstoffe. Sie ist isoton und hat eine ähnliche Elektrolytzusammensetzung wie das
Plasma. Ihr pH-Wert ist neutral bis leicht alkalisch.
Gallensäuren werden in der Leber aus Cholesterin gebildet, mit Taurin und Glycin konjugiert
und in die Galle sezerniert. Durch die Konjugation sind die Moleküle auf ihrer AS-Seite stark
polar, was die Wasserlöslichkeit fördert, während das Steroidgerüst lipophil ist. So können
sie als Detergentien für Lipide dienen. Die in der Leber gebildeten primären Gallensäuren
Cholsäure und Chenodesoxycholsäure werden im Dünn- und Dickdarm teilweise zu
sekundären Gallensäuren umgewandelt (Desoxycholsäure, Lithocholsäure...). Ca. 90% der
Seite
78
Gallensäuren werden im distalen Ileum fast vollständig resorbiert und im Pfortaderblut
gebunden an HDL und Albumin zur Leber zurücktransportiert. Dort werden sie von
Hepatocyten aufgenommen und erneut in die Galle abgegeben. Bei einem Ausfall des
Ileums, dem alleinigen Resorptionsort der Gallensäuren, kommt es zu einer Unterbrechung
des enterohepatischen Kreislaufs. Die einsetzende unphysiologisch hohe
Gallensalzausscheidung führt zu einer Poolverringerung und einer Beeinträchtigung der
Fettverdauung und -resorption.
Das Bilirubin stammt hauptsächlich aus dem Hämoglobinabbau in den Zellen des
retikuloendothelialen Systems von Milz, Leber und Knochenmark. Der Hämring des
Hämoglobins wird abgespalten und geöffnet, wodurch Biliverdin entsteht, das anschließend
in Bilirubin umgewandelt wird. Es wird an Albumin gebunden in die Leber transportiert, dort
zu wasserlöslichen Mono- und Diglucuroniden konjugiert und über die Galle ausgeschieden.
Hormonsynthese
Das Wachstumshormon Somatotropin steuert des Skelettwachstum und andere
Stoffwechselprozesse. Seine Wirkungen löst es z.T. über die Bildung wachstumsfördernder
Faktoren in der Leber, der Somatomedine, aus. Das wichtigste Somatomedin ist
Somatomedin C. Es stimuliert in allen Körperzellen die Zellteilung über eine Vermehrung der
Proteinsynthese. Außerdem hemmt Somatomedin C die Somatotropin-Freisetzung im
Hypophysenvorderlappen.
Entgiftung
Viele Stoffe müssen erst im Entgiftungsstoffwechsel von Leber und Niere metabolisch
aufgearbeitet werden, ehe sie ausgeschieden werden können. Wasserunlösliche
Substanzen werden in eine wasserlösliche Form überführt, was ihre Ausscheidung über
Galle und Urin ermöglicht.
Dies geschieht über Oxidation, Reduktion und Hydroxylierung, Koppelung an Glucuronsäure,
Sulfat und Gluthathion.
Außerdem findet in der Leber der Abbau von Alkohol statt (s.u.).
Leberversagen
• akut: Die akute Hepatitis umfaßt alle hepatozellulären Erkrankungen, die mit einer akuten
Entzündung der Leber einhergehen. Auslöser für eine Hepatitis können Viren, Bakterien,
Alkohol, Arzneimittel (Halotan), oder Gifte (CCl4 = Tetrachlorkohlenstoff, z.B. in
Fleckenwasser, a-Amanithin: Gift der Knollenblätterpilze) etc. sein
• chronisch: häufig kommt es bei Leberzirrhose zum Ausfall von mehr als 2/3 des
Lebergewebes, z.B. nach chronischer Hepatitis.
Als chronische Hepatitis bezeichnet man eine langsam fortschreitende Entzündung der
Leber, die mit einem ständigen Untergang von Leberzellen einhergeht und deren Ursache
unbekannt ist. Die Symptome sind unspezifisch. Im Serum kommt es insbesondere zu
einer g-Globulinvermehrung und einer Erhöhung der GOT- und GPT-Aktivität als Hinweis
auf einen Untergang von Leberzellen.
Zirrhose: chronische Entzündung, narbige Veränderung
5.3 Erkrankungen der Leber
Leberzirrhose = chronische Leberinsuffizienz
Die Leber ist aus Leberläppchen von 1-2 mm Durchmesser aufgebaut, die auf Querschnitten
durch das Lebergewebe annähernd sechseckig erscheinen. Die menschliche Leber setzt
sich aus 50 000 bis 100 000 solcher Läppchen zusammen, die durch schwach ausgebildete
Bindegewebszüge voneinander getrennt sind. An den Stellen, an denen mehrere Läppchen
Seite
79
mit ihren Kanten zusammenstoßen, verdichtet sich das Bindegewebe zu kleinen Dreiecken
und bildet die sog. periportalen Felder. In diesen verlaufen die Äste der Pfortader, der
Leberarterie und der intrahepatischen Gallengänge. Im Läppchenzentrum liegt die Vena
centralis; auf dem Weg vom portalen Dreieck zu der zentralen Vene passiert das Blut über
ein radiäres Kapillarnetz die Leberzellen
Alkoholbedingt oder posthepatitisch kommt es zu Einzelzellnekrosen (Schädigung bzw.
Untergang der Leberzelle). Diese lösen durch Chemotaxis eine Einwanderung von
Granulocyten, Lymphocyten und Makrophagen aus. Die von den Makrophagen und
Lymphocyten abgegebenen Lymphokine stimulieren die Bildung von Myofibroblasten und die
Proliferation eingewanderter Fibroblasten. Diese beiden Zelltypen synthetisieren vermehrt
Kollagen (v.a. Typ I, III, IV und V).
Die vermehrte Bildung von Bindegewebe (Fibrose) schnürt die Leberläppchen ein; da sie
weiter in die Richtung regenerieren, in die sie weggedrängt werden, wird ihre Struktur
nachhaltig geschädigt. Durch die entstehende Narbe fließt kein Blut. An den Stellen, die für
das Blut noch durchlässig sind, wird die Diffusionsstrecke zur Zentralvene immer länger, was
zu einem weiteren Absterben von Lebergewebe führt. Die Leber vernarbt durch und durch
und schrumpft schließlich bis auf 1/5 ihrer ursprünglichen Größe zusammen.
Seite
80
Folgen
1. Parenchymuntergang und -verlust Æ Funktionsverminderung
2. Bindegewebseinschnürung : führt zu
a)Minderperfusion Æ O2 Ø Æ weitere Nekrosen
b)portaler Hypertension Æ Umgehungskreislauf
c)Gallestau Æ perikapilläre Entzündung Æ Bindegewebsnarbe↑
Durch den behinderten Blutfluß steigt der Druck in der Pfortader, so daß es zu erhöhter
Diffusion in den Kapillaren des Bauchraumes kommt. Blutwasser wird in die freie
Bauchhöhle abgedrückt und ein Wasserbauch entsteht (Ascites).
Die durch Parenchymschädigung hervorgerufene verminderte Albuminsynthese der Leber
hat den gleichen Effekt. Der kolloidosmotische Druck des Plasmas sinkt und damit auch die
Reabsorption von Wasser aus dem Extravasalraum.
Seite
81
Seite
82
KH-Stoffwechsel
Hepatogener Diabetes
Da die Glucosehomöostase des Körpers vorwiegend durch die Leber reguliert wird, tritt bei
Patienten mit chronischer Lebererkrankung trotz erhöhter Seruminsulinkonzentration oft eine
gestörte Glucosetoleranz oder manifester Diabetes mellitus auf.
Charakteristisch ist, daß Insulingaben zu keinem drastischen Abfall des Blutglucosespiegels
führen, weil das Zielorgan Leber nicht auf Insulin mit normaler Glycogensynthese reagiert.
Da der Patient keine Speicher anlegen kann, kommt es zu einer postprandialen Hyper- und
Nüchternhypoglycämie.
Seite
83
Die bei Lebererkrankungen gestörte Gluconeogenese verstärkt eine Hypoglycämie und führt
außerdem zu einem erhöhten Lactatspiegel.
Da Galactose nur in der Leber in Glucose umgewandelt werden kann, wird der GlucoseAnstieg im Serum nach einer Galactose-Gabe als Parameter für die Leberfunktion genutzt
(40 g Galactose Æ <30 mg Glucose/dl Serum nach 90 Minuten). Die Umsetzung der
Galactose ist allerdings interindividuell sehr unterschiedlich und daher kein guter Parameter
für die Leberfunktion insgesamt. Veränderungen des Zustands eines Patienten lassen sich
aber gut ablesen.
AS-Stoffwechsel und Harnstoffsynthese
Störungen des AS-Stoffwechsels und der NH3-Entgiftung führen typischerweise zur
hepatischen Encephalopathie.
a) Störung des Abbaus aromatischer AS
Aromatische AS wie Phe, Tyr und Trp werden bevorzugt in der Leber, verzweigte AS wie
Leu, Ile und Val bevorzugt im Muskel abgebaut. Bei Leberschädigung steigen Phe, Tyr und
Trp im Serum an. Ile, Leu und Val sind normal bis erniedrigt. Dadurch wird über das
Transportsystem im ZNS vermehrt Phe und Tyr aufgenommen. Phe hemmt die Umwandlung
von Tyr zu Noradrenalin. Stattdessen wird aus Tyr der pathologische Neurotransmitter
Octopamin gebildet (s.Abb.1).
b) Trp wirkt in pathologisch hohen Konzentrationen somnolent (daher wird es auch als
mildes Schlafmittel benutzt).
c) Durch Störung der Harnstoffsynthese steigt NH4+ an.
Bei durchschnittlicher Zufuhr von 100 g Nahrungsprotein/d wird 16 g NH3/d gebildet, das
hauptsächlich durch Harnstoffsynthese entgiftet wird.
100 g Protein Æ 16 g NH3 Æ 1 g NH4+ im Urin...
Æ 30 g Harnstoff aus Leber über Niere
In der Frühphase einer Leberzirrhose wird der Verlust von Lebergewebe durch Steigerung
der Aktivität des verbliebenen Parenchyms kompensiert. Ammoniak im Blut steigt erst noch
oraler Belastung mit 5 g NH4+Ac an.
Vorsicht: Bei Leberzirrhose kann darauf eine hepatische Encephalopathie ausgelöst werden!
Im Spätstadium ist dann Ammoniak auch ohne Belastung erhöht..
Dies hat dann zur Folge:
1) Hemmung des GABA(g - Aminobuttersäure)-abhängigen Chloridtransports an
synaptischen Membranen (s.Abb.2).
2) Intrazelluläre Anreicherung von NH4+ durch höhere H+-Konzentration in der Zelle. NH3
tritt durch die zellmembran hindurch, NH4+ jedoch nicht. Dadurch kommt es zu
vermehrter Bildung von Glutamin und a-Ketoglutaramid, die die Neurotransmission vor
allem über GABA hemmen.
Abb. 2
Abb. 1
Seite
84
Die Toxizität von Ammoniak ist zunächst durch den Verlust an Lebergewebe bedingt; sie
wird jedoch verstärkt durch:
• Alkalose: Im Blut liegt bevorzugt NH3 vor, das in die Zellen eindringt und wegen des dort
niedrigeren pH zu NH4+ umgewandelt wird. Da NH4+nicht durch Membranen diffundieren
kann, wird es intrazellulär angereichert.
Die Alkalose beruht auf einer verminderten HCO3--Elimination in der Harnstoffsynthese.
Weiterhin beruht sie auf:
• Hyperaldosteronismus: Aldosteron wird vermindert in der Leber abgebaut. Durch erhöhtes
Aldosteron wird im Blut Na+ ansteigen und K+ abfallen. Damit K+ nicht lebenskritisch
abfällt, wird es aus den Zellen ins Blutplasma nachgeliefert. Im Tausch wird H+ in die Zelle
transportiert und bindet dort NH3 als NH4+.
• Gesteigerte Glutaminase-Aktivität: K-Mangel aktiviert die Glutaminase der Niere, die dann
vermehrt NH4+ aus Glutamin freisetzt.
• Perihepatische Umgehungskreisläufe leiten das sich vor der Leber stauende Pfortaderblut
an der Leber vorbei. Der Stau ist durch Verminderung des intrahepatischen Blutflusses
aufgrund bindegewebigen Umbaus bedingt. Umgehungskreisläufe (Shunts) senken zwar
den Pfortaderdruck, leiten aber das Blut ohne hepatische Entgiftung in die Hohlvene. Der
wichtigste Umgehungskreislauf führt von der Pfortader über die Magenvene und die
Oesophagusvenen in die Hohlvene.
Die Venen erweitern sich zu Oesophagusvarizen, die rupturieren können, was
lebensgefährliche Blutungen zur Folge hat.
• Vermehrte Ammoniakbildung im Darm: Blut aus Oesophagusvarizenblutung ist schwer
verdaulich und gelangt nur teilweise verdaut ins Colon. Dort bauen Bakterien das Protein
unter Freisetzung von NH3 ab. Dies verstärkt (typischerweise wenige Tage nach der
Blutung) die hepatische Encephalopathie.
Weitere weniger wichtige und gefährliche Umgehungskreisläufe verwenden
a) periumbilikale Venen, die normalerweise nach der Geburt nicht mehr benötigt werden.
erkennbar sind diese an Venenerweiterungen auf der Bauchdecke (Caput medusae).
b) perianale Venen, die zu Hämorrhoiden erweitert werden.
Die hepatische Encephalopathie äußert sich in folgenden Symptomen:
Stadium 1:
Hypomimie, Persönlichkeitsveränderungen, Desorientiertheit, Schreib- und
Sprachstörungen
Stadium 2:
Schlagender Tremor = Flapping Tremor
Stadium 3:
Unruhe, Aggressivität
Stadium 4:
Koma hepaticum mit Foetor hepaticus (fauliger Geruch der Atemluft von
zerfallendem Lebergewebe)
Synthese und Sekretion von Proteinen
Bei akutem Leberversagen fallen nach wenigen Stunden die in der Leber gebildeten
Gerinnungsfaktoren ab, da ihre Halbwertszeit kurz ist. Albumin und Cholinesterase bleiben
wegen ihrer Halbwertszeit von 12-14 Tagen noch mehrere Tage im Normbereich.
Bei chronischem Leberversagen wird in der Frühphase der Ausfall von Lebergewebe durch
das übrige Gewebe kompensiert; in der Spätphase kommt es zum Abfall von Albumin im
Blutserum mit der Folge verminderter Wasserbindung im Gefäßsystem und Ödem- bzw.
Ascitesbildung.
Weiterhin fallen Gerinnungsfaktoren ab, was zur Blutungsneigung führt (u.a. Oesophagusvarizen).
Seite
85
Ascites wird bedingt durch
1. Portale Hypertension
2. Albuminmangel
3. Hyperaldosteronismus durch verminderten Aldosteronabbau in der Leber, was zu Na- und
H2O-Retention führt. Durch Rückstau von Blut in die Milz kommt es zu Splenomegalie
(Vergrößerung der Milz) und beschleunigtem Abbau von Blutzellen (Erythrocyten und
Thrombocyten) in der Milz.
Entgiftung und Abbau
a) gestörte Harnstoffsynthese s.o.
b) verminderte Bilirubin-Glucuronidierung und -Ausscheidung mit Folge von Gelbsucht
(Ikterus) durch Bilirubin-Ablagerung u.a. in der Haut und den Skleren des Auges.
c) verminderter Steroidhormonabbau: der Östrogenspiegel erhöht sich, was zu einer
Feminisierung (Brust, Behaarung, Testesatrophie) führt. Der erhöhte Aldosteronspiegel
hat o.g. Folgen.
d) nur noch unzureichender Fremdstoffmetabolismus, verminderter Medikamentenabbau.
5.4 Störungen des Leberstoffwechsels durch Alkohol
Alkohol wird zu mehr als 90% in der Leber abgebaut, wobei als Abbauwege
• die Alkoholdehydrogenase (ADH),
• das mikrosomale ethanoloxidierende System (MEOS) und
• die Katalase
zur Verfügung stehen. Normalerweise erfolgt der Alkoholabbau fast ausschließlich über die
ADH. Erst bei chronischem Alkoholkonsum spielt der Abbau über das MEOS eine
wesentliche Rolle.
Seite
86
Frauen sollten nicht mehr als 30 g, Männer nicht mehr als 60 g Alkohol/d zu sich nehmen
(0,5 l Bier = 20 g Alkohol), da sonst die Gefahr einer chronischen Leberschädigung drastisch
zunimmt.
80% des Alkoholabbaus laufen über die ADH. Hiervon liegen drei Isoenzyme vor (ADH1-3),
wobei das ADH3 besonders aktiv ist. Es kommt bevorzugt bei Japanern vor, bei denen die
rasche Bildung von Acetaldehyd zu Flush und Übelkeit führen kann.
Intoxikationen können über verschiedene Mechanismen erfolgen:
Erhöhung des NADH/NAD+-Quotienten
Alkoholabbau über die ADH liefert NADH, welches in der Atmungskette unter Bildung von
ATP oxidiert werden kann. Übersteigt die NADH-Bildung den zellulären ATP-Bedarf, so
kommt es zu einer Erhöhung des NADH/NAD+-Quotienten, wodurch andere NADHabhängige Reaktionen beeinflußt werden:
a) Pyruvat wird vermindert oxidiert und somit vermehrt Laktat gebildet, was in einer LacAcidose resultieren kann.
Die gesteigerte Ketonkörpersynthese aus Acetyl-CoA führt über die Bildung von ßHydroxybutyrat zu einer Ketoacidose.
Lactat und ß-Hydroxybutyrat vermindern kompetitiv die Harnsäuresekretion im
Nierentubulus, wodurch es zum Gichtanfall kommen kann.
Lactat hemmt außerdem die Prolinoxidase, so daß die Fibrose verstärkt wird.
b) NADH hemmt die Glycolyse auf der Ebene der GADPH.
Seite
87
c) NADH hemmt die Gluconeogenese aus Lactat, da Lactat nicht zu Pyruvat umgesetzt wird.
So kommt es zu einer Hypoglycämie.
Bildung von Acetaldehyd
Der entstehende Acetaldehyd
• führt zu Gefäßerweiterung (Flush, Säufernase)
• deinduziert die mitochondriale Aldehyddehydrogenase und hemmt dadurch den eigenen
Abbau
• zerstört die Mitochondrien (Ort des Acetaldehydabbaus!) und Mikrotubuli
• bildet Gluthathion, das als GSH nicht mehr für die Reduktion und Entgiftung zur
Verfügung steht: die Radikalprotektion ist vermindert
Die vermehrte Bildung von Acetyl-CoA führt zu einer gesteigerten FS-Synthese, während
gleichzeitig der FS-Abbau durch ß-Oxidation infolge des erhöhten NADH/NAD+-Quotienten
gehemmt ist. Aufgrund der erhöhten NADH-Konzentration wird vermehrt L-Glycerin-3Phosphat aus Dihydroxyacetonphosphat bereitgestellt, so daß auch die Triglyceridsynthese
gesteigert ist. Wegen der Schädigung des mikrotubulären Zytoskeletts ist die Sekretion in
Form von Lipoproteinen jedoch gestört, so daß diese in den Leberparenchymzellen
akkumulieren. Es bildet sich eine Fettleber.
Seite
88
6. Die Niere
Die Niere ist ein paarig angelegtes, bohnenförmiges Organ. Sie wird versorgt von einem
großen arteriellen Gefäß, entsorgt von Urether und Nierenvene. Sie ist eins der
bestdurchblutetsten Organe: Sie erhält 20% dessen, was das Herz pro Minute ausstößt.
Durchblutung:
1 l/min
Primärharn:
120 l/d
Endharn:
1,2 l/d
Jede Niere hat in ihrer konkaven Seite eine Vertiefung (Hilus), durch den die Nierenarterie,
die Nierenvene, Lymphgefäße und Nerven ein- bzw. austreten. Hier ist auch die
Austrittsstelle des Urethers aus dem Nierenbecken, über den der gesammelte Urin der
Harnblase zugeleitet wird.
Die Niere ist unterteilt in Rinde, Mark und Becken und von einer derben bindegewebigen
Kapsel überzogen. In der Rinde befinden sich die Nephrone, in denen die Harnbildung
stattfindet. Ein Nephron besteht aus dem runden Nierenkörperchen (Filtration des
Primärharns), in das ein Knäuel von Blutkapillaren, der Glomerulus, eingestülpt ist und einem
dort entspringenden Tubulus. Jede Niere besitzt mehr als 1 Million solcher Nephrone.
Das Mark ist durch Säulen der Rindensubstanz in pyramidenförmige Lappen unterteilt, deren
Spitzen zum Zentrum hin konvergieren. Diese Spitzen (Nierenpapillen) sind von
schlauchförmigen Nierenkelchen überzogen. Sie fangen den fertigen Harn auf und leiten ihn
in das Nierenbecken.
Von der Harnblase wird der Urin über die Harnröhre abgeleitet. Harnleiter, Blase und
Harnröhre verändern den Harn nicht mehr.
6.1 Funktionen der Niere
Ausscheidung
Stoffwechselendprodukte
Körperfremde Substanzen
(z.B. Medikamente)
Regulation
Elektrolyt-/ Wasserhaushalt/Blutdruck
Säure-/Base-Haushalt
Hormonsynthese
1,25- Dihydroxycholecalciferol
Renin
Erythropoietin
Die Aufgabe der Niere besteht in erster Linie in der Konstanthaltung der Zusammensetzung
der extrazellulären Flüssigkeit. Sie dient der Ausscheidung wasserlöslicher, nicht
proteingebundener Substanzen.
Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin stellen die harnpflichtigen Stoffwechselendprodukte dar.
(Kreatinin wird in dem Umfang ausgeschieden, wie Muskulatur im Körper vorhanden ist, da
Kreatinphosphat als kurzfristiger Energiespeicher dient. Es reicht z.B. aus, um den
Energiebedarf für einen 100m-Lauf zu decken; bei einem 200m-Lauf setzt dagegen
Lactatbildung ein.)
Körperfremde Substanzen führen oft zu einer Verfärbung des Harns (rote Bete) oder zu
Geruchsveränderungen (Antibiotika).
Die Regulation des Säure-Basen-Gleichgewichts erfolgt über die Ausscheidung von
Protonen bzw. Bicarbonat. Allerdings ist die Niere für die Säureregulation nur sekundär
wichtig; die größere Bedeutung hat hier die Lunge.
Seite
89
Die Niere stellt durch die Hormonproduktion auch ein endokrines Organ dar.
1,25-Dihxydroxycholecalciferol führt zu vermehrter Ca- Rückresorption in der Niere, erhöhter
Resorption im Darm und Knochenabbau. Ein Mangel führt zu Rachitis.
Renin wirkt blutdrucksteigernd und damit einer Hypotonie entgegen.
Erythropoietin beschleunigt den Reifungsprozeß der Erythrocytenvorstufen im Knochenmark,
so daß eine Niereninsuffizienz mit einer Anämie einhergeht.
6.2 Die Harnbildung
Die Harnbildung beginnt im Glomerulus (1). Hier wird durch den Blutdruck in den Kapillaren
aus dem durchfließenden Blutplasma der Primärharn abgepreßt.
Die Glomeruluskapillaren sind von einem Kelchsystem umgeben, der Bowman’schen
Kapsel. Zwischen Kapillarlumen und dem Innenraum der Bowman’schen Kapsel liegt eine
Trennschicht aus Kapillarendothel, Basalmembran und Epithel der Bowman’schen Kapsel,
die die Filtrationsbarriere darstellt. Die Durchlässigkeit ist durch Porengröße und
Wandladung bestimmt. Frei filtriert werden nur Stoffe, deren Molekülradius kleiner als 1,6-1,8
nm ist. Makromoleküle und Blutzellen werden also zurückgehalten. Bei Molekülen mit einem
Radius von <4,4 nm ist die Filtraion ladungsabhängig, was auf die fixen negativen
Wandladungen des Filters zurückzuführen ist. Die Plasmaproteine haben eine Größe von
Seite
90
60000-1 Million Dalton, der Primärharn ist also extrem eiweißarm. Andere Proteine ( bis ca
60000 MG) werden teilweise wieder rückresorbiert.
Elektrolytkonzentration im Serum Gesunder
Elektrolyt
mmol/l
Natrium
135,0-155,0
Kalium
3,5-5,5
Kalzium
2,0-2,75
Chlorid
97,0-108,0
Phosphat
0,8-1,5
mg%
310,0-357,0
17,0-22,0
8,0-12,0
355,0-380
2,5-4,2
Der Primärharn entspricht in seiner Zusammensetzung weitgehend dem Plasmawasser.
Entlang des Tubulusrohrs (2) werden nun noch sowohl Substanzen in den Harn
hineinsezerniert als auch rückresorbiert.
Der proximale Tubulus ist mit einem dichten Bürstensaum besetzt, so daß hier große Salzund Wassermengen resorbiert werden können. Die Tubuluszellen haben besonders viele
Mitochondrien, die das für die Na-K-Pumpe benötigte ATP produzieren.
Das Ultrafiltrat enthält ca 145 mmol/l Natriumionen und als begleitende Anionen v.a. Chlorid
und Bicarbonat. Dazu kommen etwa 5 mmol/l Glucose und AS, sowie K+, Ca2+ usw. Die
Resorption dieser Stoffe erfolgt gekoppelt an die des Na+ aktiv über eine Reihe von Carriern.
Der Na+-Einstrom in die Zelle ist dabei passiv.
Über einen Na-H-Austausch-Carrier wird für jedes resorbierte Na+- ein H+-Ion aktiv
sezerniert. Dies wird fast ausschließlich dazu verwendet, filtriertes Bicarbonat zu resorbieren.
Da bei diesen Transportprozessen v.a. positive Ladungen in die Zelle geschleust werden,
wird nun ein Teil des filtrierten Chlorids passiv nachgezogen. Durch die Resorption all dieser
gelösten Stoffe kommt es zu einem osmotischen Wasserstrom, der wiederum andere gelöste
Stoffe passiv mitreißen kann (Solvent drag).
AS und Glucose werden relativ vollständig rückresorbiert (sofern der Glucose-Spiegel nicht
übernormal erhöht ist). Harnsäure und Harnstoff werden passiv vollständig rückresorbiert
und erst in einem zweiten Schritt wieder sezerniert.
Im proximalen Tubulus sind Carrier vorhanden, die organische Säuren und Basen aktiv ins
Tubuluslumen sezernieren. Diese Mechanismen sind sehr effektiv, so daß eine rasche
Ausscheidung von Gift- und Abfallstoffen möglich ist. Hier erfolgt auch die Ausscheidung der
Harnsäure. Da für Harnsäure, Milchsäure und Ketonkörper die gleichen
Transportmechanismen gelten, kann Gicht auftreten, wenn zu viel Milchsäure und
Ketonkörper im Blut vorliegen.
Die anschließende Henle-Schleife, die von der Rinde ins Mark und wieder zurück zieht, dient
der Konzentrierung des Harns. Vor allem im absteigenden Schleifenschenkel zieht das
umgebende hypertone Milieu osmotisch Wasser. Das Blut hat also bei Verlassen der Niere
nur sehr wenig an Volumen verloren. Die Harnkonzentrierung findet im Gegenstromprinzip
statt. Im dicken aufsteigenden Teil der Schleife, der wasserundurchlässig ist, werden ca.
30% des filtrierten NaCl resorbiert, und zwar mit Hilfe eines aktiven Kotransportsystems.
Dabei werden ein Natriumion, ein Kaliumion und zwei Chloridionen gemeinsam in die Zelle
geschleust. In diesem dicken, aufsteigenden Schleifenschenkel wird auch bevorzugt
Magnesium resorbiert.
Im distalen Konvolut, dem Verbindungsstück und Sammelrohr (3) wird die Wasser- und Na+Rückresorption durch Hormone und andere Signale an den Bedarf angepaßt. Große
Bedeutung kommt hier dem Aldosteron-Angiotensin-Renin-System (s.u.) zu. Je nach
Zustand des Organismus (Alkalose/Acidose) werden H+ sezerniert oder resorbiert. Hier
Seite
91
kommt es auch zu einer Abgabe von Kalium in den Harn, was einen lebenswichtigen
Vorgang darstellt.
Transportprozesse im Nephron
Lokalisation
proximaler
Tubulus
Henlesche
Schleife
distaler Tubulus
und Sammelrohr
Aktive
Resorption
Sekretion
Aminosäuren,
(p-AminoProteine,
Hippursäure,
Glucose, Na+, K+,
Penicillin)
2+
2+
Ca , Mg ,
HCO3-,
Phosphat, Sulfat
Passive
Resorption
Sekretion
Harnstoff, Cl ,
NH3
H2O
H2O
Na+, K+, Ca2+, Cl-
H+
Harnstoff, Na+,
H2O
Harnstoff, Na+,
Cl+
H , NH3
6.3 Die Clearance
Die renale Clearance ist ein Maß für die Elimination eines Stoffes aus dem Blutplasma bei
der Nierenpassage, stellt also ein Maß für die Klärfunktion der Niere dar. Der ClearanceWert gibt den Teil des renalen Plasmaflusses an, der pro Minute von dem betreffenden Stoff
völlig befreit wird.
Oft verwendet man für diese Messung die Bearbeitung/Ausscheidung des Kreatinins, da es
ausschließlich glomerulär filtriert wird und tubulär praktisch nicht mehr verändert.
Creatinin-Clearance (ml/min) =
CreaUrin (mg%) • VolUrin (ml / d)
CreaSerum (mg%) •1440(min/ d)
Schätzformel: Creatinin-Clearance =
KG(kg) • (140 - Alter)
72 • CreaSerum (mg%)
Der Normalwert der Clearance beträgt 120 ml/min. Sinkt er auf 60 ml/min, so ist die Niere zu
50% geschädigt; bei einer Schädigung von 75% sinkt er auf 30 ml/min.
Seite
92
Substanz
Harnstoff/Kreatinin
Glucose/Harnsäure
Insulin
Myoglobin
Hämoglobin
Serumalbumin
Molare Masse
60
180
5500
17000
68000
69000
Molekülradius
(nm)
0,16
0,36
1,46
1,95
3,25
3,55
Konzentration
Filtrat
/Plasma
1,0
1,0
0,98
0,75
0,03
0,01
Wird ein Stoff bei einem einzigen Nierendurchgang vollständig eliminiert, entspricht der
Clearance-Wert dem renalen Plasmafluß. Um die Durchblutung der Niere abschätzen zu
können, verwendet man die PAH-Clearance (PAH = Paraaminohippursäure). Der Normwert
für die PAH-Clearance liegt bei 650 ml/min.
Seite
93
6.4 Blutdruckregelung durch die Niere
Auf den Gefäßschlingen des Glomerulums sitzt der
juxtaglomeruläre Apparat. Bei Abfall des Blutdrucks im Vas
afferens bilden diese Zellgruppen Renin.
Renin spaltet von dem aus der Leber stammenden Angiotensinogen das Angiotensin I ab.
Dies wird durch eine zweite Protease, das ständig vorhandene Converting Enzyme, erneut
Seite
94
gespalten, so daß das Achterpeptid Angiotensin II entsteht. Dieses Hormon hat
verschiedene Wirkungsmechanismen:
• es gehört zu den wirksamsten gefäßverengenden Substanzen und bewirkt die allgemeine
Vasokonstriktion mit Ausnahme der Herzkranzgefäße
• es führt zu einer Aldosteronfreisetzung in der NNR ‡ Rückresorption von Na, damit
osmotische Wasserretention
• über Gefäßkonstriktion Verringerung der glomerulären Filtrationsrate
• mehr Durst und Salzappetit
6.5 Chronische Niereninsuffizienz (CNI)
Die meisten Nierenerkrankungen können, unabhängig von ihrer Ursache, in einer
chronischen Niereninsuffizienz enden. Primär glomeruläre Erkrankungen sind die häufigste
Ursache. Bei der CNI handelt es sich um eine irreversible, langsam fortschreitende
Einschränkung der Nierenfunktion durch Ausfall funktionstüchtiger Nephrone. Durch den
Parenchymverlust entwickelt sich schließlich das Bild der Schrumpfniere.
Ohne weitere Einwirkung der primären schädigenden Ursache kann es zum Stillstand des
Krankheitsprozesses kommen (stationäre Nierenfunktionseinschränkung) oder durch
funktionelle Überlastung der Restnephrone zu einer Progression.
Ursachen
•
•
•
•
•
•
Glomerulonephritis/-sklerose
Hypertonie/Nephrosklerose
Diabetes mellitus
Zystennieren
Pyelonephritis, Interstitielle Nephritis
Andere Ursachen oder unbekannt
26%
17%
15%
9%
8%
25%
Am häufigsten treten Veränderungen im Bereich des Glomerulums auf.
Die Glomerulonephritis kann durch immunpathogenetische Mechanismen entstehen.
Beispielsweise kann es 12-14 Tage nach einer Rachenentzündung zum Auftreten von Blut
im Harn kommen. Dabei wurden Antigene gegen die die Entzündung auslösenden
Streptokokken gebildet, die aber ebenfalls gegen Strukturen der Glomeruli reagieren.
Hypertonie führt über atherosklerotische Veränderung der Gefäße in der Bowman’schen
Kapsel zu einer Einschränkung der Nierenfunktion.
Bei der interstitiellen Nephritis handelt es sich um eine Nierenentzündung, bei der primär das
interstitielle Gewebe betroffen ist, später aber auch Glomeruli, Tubuli und Gefäße geschädigt
werden können.
Symptome
•
•
•
•
•
Retention harnpflichtiger Substanzen
Hypervolämie/Hypovolämie
Metabolische Acidose
Hypocalcämie/Hyperphosphatämie
Hyperparathyreoidismus/Osteomalazie
•
•
•
•
•
•
Hypertonie
Akzelerierte Atherosklerose
Neuromuskuläre Störungen (zentral, peripher)
Gastrointestinale Störungen (z.B.Gastroenteritis)
Hauterscheinungen (z.B. Juckreiz)
Hämatologische Veränderungen (Anämie, Leukopenie, Blutungsneigung)
Seite
95
Bei CNI treten typische Veränderungen der Körperflüssigkeiten auf. Übersteigt die
Natriumaufnahme die Ausscheidungskapazität, kommt es zur Wasserretention und damit zur
Hypertonie; auch Hyperkaliämie tritt häufiger auf, allerdings erst im fortgeschrittenen Stadium
(da der größte Teil tubulär sezerniert wird).
Um die Hypocalcämie zu kompensieren, wird der Knochen abgebaut, wodurch
Knochenerweichung auftritt.
Bei einer Filtrationsrate <15% der Norm tritt eine Intoxikation (Urämie) auf. Es kommt zu
Urinablagerung in der Haut, so daß diese eine grün-braune Färbung annimmt und die
Patienten urämisch riechen.
Ernährungsrelevante Probleme
1. Natrium-/Wasser-Haushalt
2. Kalium-Haushalt
3. Calcium-/Phosphat-Haushalt
4. Kalorienzufuhr
5. Eiweißzufuhr
Ödeme, Hypertonie
Hyperkaliämie
Osteopathie
Extraossäre Verkalkungen
Katabolismus
Harnstoff, Progression
Stadien der CNI
Es besteht zwar keine strenge Korrelation zwischen dem Ausmaß der Nierenschädigung
und den Symptomen, aber es lassen sich trotzdem gewisse Stadien angeben.
Kreatinin stellt einen guten Indikator für eine späte, nicht für eine frühe Funktionsänderung
dar. Erst wenn >50% der Nephrone geschädigt sind, treten Symptome auf. Die Menge des
Seite
96
Plasmas, die von Kreatinin befreit werden kann, sinkt immer mehr. Es kommt zu einem
Rückstau und somit zu einem Anstieg der Konzentration im Serum.
Therapie der CNI
- Kompensierte Retention/Präurämie: Diät, Medikamente
- Präurämie/Urämie: Dialyse, Nierentransplantation
Diät: Eiweißeinschränkung bis ca. 25-45g, sehr hochwertige Kombinationen wichtig
Biologische Wertigkeit von Proteinen und Proteingemischen:
• Vollei/Kartoffel
137
Seite
97
•
•
•
•
•
Vollei/Milch
Vollei/Weizen
Bohnen und Mais
Vollei
Kartoffel
122
118
101
100
90-100
Bei der Dialyse erfolgt ein Entzug niedermolekularer harnpflichtiger Substanzen aus dem
Blut. In der Dialyseflüssigkeit müssen also Ionen, AS und Glucose in der gleichen
Konzentration wie im Plasma vorhanden sein. Es gibt im wesentlichen zwei Formen der
Dialyse:
• Hämodialyse
• Peritonealdialyse: Dialyseflüssigkeit wird in die Bauchhöhle eingeleitet, die Dialyse findet
über das Bauchfell statt (nicht so effektiv)
Die Durchführung der Dialyse ist wöchentlich 1-3 mal nötig, wobei das Befinden mit der
Konzentration an Abfallstoffen im Blut stark schwankt.
6.6 Akutes Nierenversagen (ANV)
Ursachen
• Schock (hypovolämisch, hämorrhagisch, septisch, kardiogen)
50%
• Toxisch (Antibiotika, Kontrastmittel)
25%
• Akute schwere Nierenerkrankung
• Akute Urin-Abflußstörung
• Hämolyse, Rhabdomyolyse, Paraproteine
20%
(Hämoglobin ist ein Tetramer und wird normalerweise nicht filtriert. Bei einem
Transfusionszwischenfall beispielsweise kann es aber in die Untereinheiten zerfallen, so
filtriert werden und das Glomerulum verstopfen.)
Verlauf
1. Anurie/Oligurie (<100/<400 ml Urin/Tag)
Dauer: 2-3 Wochen
2. Polyurie (>2000 ml Urin/Tag)
Dauer: 1-3 Wochen
3. Normurie mit langsamer Normalisierung der harnpflichtigen Substanzen
Therapie
• Grundkrankheit
• Anurie/Oligurie
• Polyurie
Medikamente
Dialyse
parenterale Ernährung (35g AS, davon 60% essentiell)
ausreichende Flüssigkeitszufuhr
6.7 Nephrotisches Syndrom
Beim nephrotischen Syndrom wird die selektive Permeabilität des Glomerulums verändert.
Durch die Erkrankung wird die negative Wandladung abgeschafft und die Anzahl der Poren
vermindert. Die großen Proteine werden nun nicht mehr abgestoßen und besetzen
sozusagen die Poren, wodurch vermehrt große und weniger kleine Moleküle filtriert werden.
So kommt es zu einer Proteinurie.
Seite
98
Glomeruläre Schädigung
Eiweißverlust (Albumin ‡ Proteinurie)
Eiweißmangel (‡ Hypoproteinämie)
Eiweißsynthesesteigerung
(‡ Hyperlipoproteinämie)
verminderter onkotischer Druck/
sekundärer Hyperaldosteronismus
(‡Ödeme)
Seite
99
7. Osteoporose
7.1 Vitamin D
Ergocalciferol = Vitamin D2, Cholecalciferol = Vitamin D3
Vitamin D ist zusammen mit dem Parathormon der wichtigste Regulator für die
Kalziumhomöostase.
Unter Einwirkung von UV-Strahlung kann es in der Haut aus dem Provitamin 7Dehydrocholesterin gebildet werden. Ca 50% des benötigten Vitamin D wird so im Körper
hergestellt, der Rest muß über die Nahrung zugeführt werden.
Das intestinal resorbierte und in der Haut synthetisierte Vitamin D3 gelangt in die Leber und
wird dort zu 25-Hydroxycholecalciferol hydroxyliert. Das nicht umgewandelte Vitamin D3 wird
in der Muskulatur und im Fettgewebe gespeichert. 25-OH-D3 ist die wichtigste Transportform
des Vitamin D. In der Niere wird diese Verbindung nochmals hydroxyliert zu 1,25Dihydroxycholecalciferol. Dieser Metabolit ist die eigentliche Wirkform.
Durch bestimmte Regulationsmechanismen wird die Syntheserate dem Bedarf angepaßt.
Parathormon beispielsweise fördert die Umwandlung von 25-Hydroxycholecalciferol in 1,25Dihydroxycholecalciferol. Es wird in das Blut sezerniert und gelangt auf diese Weise zu allen
Erfolgsorganen.
Der Calcium-Bedarf liegt bei 800 mg/d, durchschnittlich aufgenommen werden 500-700 mg.
In der Schwangerschaft ist der Bedarf auf 1000-1500 mg erhöht, ebenso bei Personen mit
Osteoporose.
Vitamin D-Mangel verursacht bei Säuglingen und Kleinkindern Rachitis, bei Erwachsenen
Osteomalazie.
Funktionen
•
•
•
•
•
antirachitisch (Ca-P-Stoffwechsel gestört, Entkalkung der Knochen)
fördert den Ca- Einbau in die organische Matrix des Knochens
steigert die Ca-Aufnahme im Darm
erhöht die Ca-Rückresorption in der Niere
erhöht den Ca-Spiegel im Blut (bei Überdosierung: Ca-Abbau auch im Knochen)
7.2 Hormone des Ca-Stoffwechsels
Hormon
PTH
(aus Nebenschilddrüse)
Vitamin D
Calcitonin
(C-Zellen, Schilddrüse)
Effekt (Blut)
Ca ≠ , Ph Ø
Ca ≠ , Ph ≠
Ca Ø , Ph (+-)
Antag. des PTH
Kontrolle durch
Ca im Blut Ø
Ph Ø , PTH ≠
Ca ≠
Der wichtigste Unterschied zwischen PTH und Vitamin D besteht darin, daß Vitamin D in
physiologischen Konzentrationen die intestinale Kalziumaufnahme erhöht und PTH nicht. Als
wichtigste und stärkste Kontrollparameter bei der Bildung der Hormone wirken der Kalziumund Phosphat-Spiegel im Blut.
Seite 100
7.3 Osteoporose
Osteoporose ist die häufigste Skeletterkrankung des Menschen. Sie kann durch
Kalziummangel oder Immobilitätbegünstigt werden. Bei Osteoporose handelt es sich aber
nicht um Vitamin D-Mangel!
Zur Behandlung der Osteoporose werden sowohl Calcitonin als auch Vitamin D als
Medikamente eingesetzt.
Der Knochen stellt kein statisches Gewebe dar, sondern wird ständig ab- und umgebaut
(Bone Remodeling). Osteoklasten bauen die verknöcherte Matrix ab, während Osteoblasten
neue, Ca-arme Matrix bilden, in die dann unter Vitamin D-Einfluß Kalziumsalze eingelagert
werden.
Die Aktivität dieser Knochenzellen und damit die Skelettmasse ist allerdings abhängig vom
Lebensalter und den Sexualhormonen. Die maximale Knochenmasse ist zwischen dem 25.
und 30. Lebensjahr erreicht und nimmt anschließend etwa um 0,5-1% pro Jahr ab.
Frauen sind hierbei noch zusätzlich durch die Menopause belastet, da dann die Östrogene
als Schutzfaktor für den Knochen entfallen.
Die Frakturschwelle wird mit ca 80 Jahren erreicht.
Osteoporose unterteilt man in primäre und sekundäre Formen. Bei der primären
unterscheidet man zwei Typen:
Osteoporose Typ I ist die postmenopausale Osteoporose, die bei über 50jährigen Frauen
auftritt. Hierbei steigt die Verlustrate des Knochengewebes rasch an und betrifft v.a. die
Trabekel, also den inneren Teil des Knochens. Die Dichte des Knochens ist deshalb deutlich
vermindert (WHO: >2 Standardabweichungen unter der Altersnorm). Es kommt in erster
Linie zu Wirbelfrakturen und Zahnverlust.
Die senile Form (Osteoporose Typ II) betrifft überwiegend Frauen ab dem 70. Lebensjahr.
Hier schreiten die Verluste langsamer voran und beziehen sich v.a. auf die Corticalis. Die
Dichte des Knochens ist niedrig normal. Brüche treten im Bereich der Wirbelsäule und Hüfte
auf.
Sekundäre Osteoporose tritt z.B. bei Hyperparathyreoidismus auf. Der erhöhte Spiegel an
Parathormon beschleunigt den Knochenumsatz, wobei der Abbau den Anbau überwiegt.
Auch durch eine Cortisonbehandlung kann es zur Osteoporose kommen. Cortison wirkt antagonistisch zum Vitamin D, es hemmt die Kalziumaufnahme im Darm und stört den Anbau
des Knochens.
Stadien
Es werden fünf Stadien unterschieden:
1. Beschwerdefreiheit, Knochendichteverminderung
2. Schmerzen, normale Mobilität
3. Schmerzen mit Mobilitätseinschränkung
4. Schmerzen, Immobilität nach Knochenbruch
5. allg. Immobilität, Schmerzen, Knochenbrüche, manifeste neurolog. Probleme
(KnochendeformationÆ Druck auf periphere NervenÆ Lähmung)
Therapie
• Kalziumaufnahme erhöhen auf 1500mg (Æ Milch: 300 mg in 250 ml, Joghurt: 180 mg in
150 ml)
• draußen aufhalten, Sport
• gegen Schmerzen: physikalische Methoden (meist gehen Muskelschmerzen, Rheuma,
Bandscheibenvorfälle mit Osteoporose einher Æ Fango, Massage, Reizstrom...)
Seite 101
• Calcitoninpräparate, um die Heilung osteoporotischer Brüche zu beschleunigen
• in Europa Einsatz von Natriumfluorid: in bestimmten Konzentrationen und über einen
bestimmten Zeitraum hinweg stimulierende Wirkung auf Osteoblasten
• Bisphosphonate zur Hemmung der Osteolyse, knochenbaufördernd
Beispiel: 40jährige Frau im ersten Stadium
Als erstes sollte man erfragen, ob die betroffene Frau sich in der Menopause befindet oder
die Östrogene aus anderen Gründen erniedrigt sind. Eine frühzeitige Östrogensubstitution
kann den raschen Verlust an Knochenmasse vermindern, da die Aktivierung der
Osteoklasten vermindert wird. Da diese Präparate aber Nebenwirkungen haben, sollte man
prüfen, in welchen Fällen sie wirklich angebracht sind. Auch die anderen
Geschlechtshormone haben Einfluß auf den Zustand des Knochens. Bei Männern wird der
Abbau überwiegend durch Testosteronmangel hervorgerufen. Entscheidend sind dabei die
Wechselwirkungen der einzelnen Hormone.
Seite 102
8. Parenterale Ernährung und Sondenkost
8.1 Parenterale Ernährung
Als parenterale Ernährung bezeichnet man die Zufuhr von Nährstoffen unter Umgehung des
Verdauungstraktes direkt in die Blutbahn. Dies ist erforderlich bei Erkrankungen der
Abdominalorgane, bei postoperativen Zuständen, in denen der Gastrointestinaltrakt
vorübergehend außer Funktion gesetzt werden muß oder bei erheblichen Störungen der
Verdauung oder Resorption.
Bei dieser Art der Ernährung wird auch die Leber als Regulationsorgan umgangen. Deshalb
muß die zugeführte Nährlösung optimal zusammengesetzt sein; sie muß den Bedarf an
Energie, essentiellen Nährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und AS
decken.
8.2 Inhaltsstoffe der Nährlösungen
Kohlenhydrate
Die Kohlenhydrate haben eine große Bedeutung, da sie schnell verwertbare Energieträger
darstellen. Dafür stehen Glucose, Fructose und die Zuckeralkohole Xylit und Sorbit zur
Verfügung. Eine Deckung des Energiebedarfs allein mit diesen Kohlenhydraten ist allerdings
nicht möglich.
Fette
Über die Lipidemulsion kann man ausreichend Energie zuführen. 20%ige Fettemulsionen
werden noch toleriert, so daß hier das Problem der zu hohen Flüssigkeitszufuhr umgangen
werden kann. Es werden Triglyceride, meist Soja-Lipide verwendet.
Aminosäuren
In der Aminosäurelösung müssen alle essentiellen AS in ausreichender Menge vorhanden
sein (40-50% der AS-Lösung), daneben auch nichtessentielle als zusätzliche
Stickstoffquelle. Kinder benötigen Histidin als essentielle AS, Frühgeburten Cystein.
Dabei ist zu beachten, daß unter den Bedingungen der parenteralen Ernährung nur vier der
nichtessentiellen AS ausreichend synthetisiert werden, nämlich Asparaginsäure,
Glutaminsäure, Serin und Glycin. Je nach Vorerkrankung können spezielle AS-Gemische
verwendet werden; Leber- und Nierenkranke erhalten beispielsweise einen erhöhten Anteil
verzweigtkettiger AS.
Seite 103
Energiebilanzen
Wichtig für die exakte Dosierung ist die Erfassung des Ernährungszustands des Patienten
(da eventuell Mängel ausgeglichen werden müssen) und seines Energiebedarfs.
Der Basalbedarf entspricht dem
Energiebedarf eines gesunden Menschen.
Durch Verletzungen, Krankheiten und Streß
steigt der Kalorienbedarf erheblich an.
Erwachsene benötigen etwa 20-45 ml Wasser
pro kg Körpergewicht, Säuglinge 130-180
ml/kg. Diese Menge sollte durch die
Nährlösung nicht wesentlich überschritten
werden.
Normale Lösung bei Stoffwechselgesunden
- 50% Glucose (bei Kindern: 20%)
- 10% AS
- 10% / 20% Lipidemulsion
in der Regel:
500ml G 50%
500ml AS10%
400ml LE 20%
1400 ml
950 kcal
205 kcal
745 kcal
1900 kcal
= 50 en%
= 11 en%
= 39 en%
8.3 Probleme bei der parenteralen Ernährung
Ein 70 kg schwerer Mensch mit Sepsis hätte einen Bedarf von 3500 kcal pro Tag, was eine
“Energielücke” von 1600 kcal bedeutet. Dieser wird durch eine erhöhte Menge an
Nährlösung gedeckt. Die Konzentration läßt sich nicht erhöhen, da es schon bei den oben
angegebenen Konzentrationen zu osmotisch bedingten Venenreizungen kommen kann. Die
hohe Volumenzufuhr muß durch Medikamente kompensiert werden.
Kohlenhydrate
Bei mehrwöchiger Gabe von >400g Glucose / Tag kann sich eine Fettleber entwickeln.
Durch die hohe Zufuhr ist die Glycogenspeicherkapazität bald erschöpft; die Leber wandelt
die Glucose dann auch in Fettsäuren und Triglyceride um.
Seite 104
Die hohe Glucosekonzentration im Blut (Hyperglycämie) kann zu einem Diabetes führen. Es
muß exogen Insulin zugeführt werden.
Bei Verwendung von Zuckeraustauschstoffen kann es zum Abfall des zellulären ATP, zur
Hyperurikämie und Hyperlaktatämie kommen.
Aminosäuren
Hierbei ist die hohe Volumenzufuhr das größte Problem. Um 100g AS zuzuführen, benötigt
man einen Liter Nährlösung.
Fette
Durch Gabe der Lipidemulsion wird eine Hypertriglyceridämie hervorgerufen. Man sollte
nach dem ersten Tag mit parenteraler Fettzufuhr das Plasma untersuchen. Ist es milchig,
spricht dies für eine nicht ausreichende Fettelimination. Die Fettdosis muß dementsprechend
reduziert werden. Emulsionen mit MCT-Fetten werden schneller aus dem Blut eliminiert.
Heute wird parenterale Ernährung zunehmend mit Sondenkost kombiniert, um diese
Probleme zu umgehen.
8.4 Sondenkost
Sondenkost wird bei intakter Funktion der Verdauungs- und Resorptionsorgane eingesetzt,
wenn eine ausreichende perorale Nährstoffaufnahme nicht möglich ist.
Die Nahrung wird in flüssiger Form über eine durch Nase, Rachen und Speiseröhre in den
Magen bzw. Dünndarm eingeführte Sonde verabreicht. In seltenen Fällen werden Sonden
auch durch die Bauchdecke direkt in den Magen gelegt.
Seite 105
Die Zusammensetzung der Sondenkost richtet sich nach den Grundsätzen einer optimalen
Ernährung. Liegen Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen vor oder andere
Abweichungen des Bedarfs von der Norm, so wird die Zusmmensetzung der Kost darauf
abgestimmt. Ernährt wird entweder mit sondengängig gemachter Normalkost oder einer
industriell hergestellten bilanzierten Diät.
Selbst hergestellte Sondenkost hat sich in der Klinik nicht durchgesetzt, weil hohe
Personalkosten anfallen und die Gefahr einer bakteriellen Kontamination besteht.
Bei der nährstoffdefinierten Diät werden hochmolekulare Nahrungsmittel angeboten. Diese
Ernährungsform setzt einen funktionierenden Magen-Darm-Trakt voraus.
Die chemisch definierte Diät wird bei Vorliegen einer Malabsorption angewandt; die
Nahrungsmittel liegen hier niedermolekular vor.
Sondenkost (Inhalt pro 2000 ml)
Peptide
(g, en%)
Fett
(g, en%)
Fresubin (nährstoffdefiniert, hochmolekular)
flüssig
76 (15)
68 (30)
instant
74 (14)
16 (7)
(2100ml)
plus
76 (15)
68 (30)
750 MCT
112,5 (20)
90 (35)
(1500ml)
DFN (1600ml) 89,6 (20)
75,2 (37)
KH
(g, en%)
En.-Dichte
(kcal/ml)
Osmolarität
(mosmol/l)
276 (55)
414 (79)
1
1
350
300
276 (55)
255 (45)
1
1,5
250 (12g BS)
300
192 (43)
1,12
290
1
1
400
300
1,3
450
Survimed (chemisch definiert, niedermolekular)
OPD
90 (18)
52 (22)
300 (60)
instant
74 (14)
23 (10)
408 (76)
(2100ml)
renal
31 (6)
23 (10)
414 (84)
(1500ml)
Seite 106
8.5 Probleme bei Sondenkost
Generell ist der Sondenkost der Vorzug vor der parenteralen Ernährung zu geben, da sie
physiologischer, sicherer und einfacherer ist.
Das größte Problem hierbei ist die hohe osmotische Wirksamkeit: Die Sondenkost bindet
Wasser im Darm, wodurch eine osmotische Diarrhoe auftreten kann. Dies kann man durch
eine langsame Anpassung des Patienten an die Sondenkost verringern.
Bei zu hoher Osmolarität der Nahrung kann auch das Dumping Syndrom auftreten.
Spurenelemente und Vitamine werden sowohl den Nährlösungen als auch der Sondenkost in
Form von Konzentraten zugesetzt.
8.6 Vitamine
Reservekapazität des Menschen für einige Vitamine:
Vitamin B1
4-10 Tage
Vitamin B2
2-6 Wochen
Niacin
2-6 Wochen
Vitamin B6
2-6 Wochen
Vitamin C
4-8 Wochen
Folsäure
3-4 Monate
Vitamin E
1 Jahr
Vitamin A
1-2 Jahre
Vitamin B12
3-5 Jahre
Vitamin K
Vitamin K ist ein Überbegriff für drei Substanzen: Phyllochinon (K1), Menachinon (K2) und
Menadion (K3).
Da Vitamin K ein fettlösliches Vitamin darstellt, ist zur Resorption das Beisein von Fett und
die normale Gallensekretion wichtig.
Die Gerinnungsfaktoren VII, IX, X und Prothrombin können in der Leber nur in Gegenwart
von Vitamin K hergestellt werden. Somit kommt es bei einem Mangel an Vitamin K zu einer
erhöhten Blutungsneigung.
Vitamin K ist aber ebenso nötig bei der Synthese der Proteine C und S, die die Gerinnung
hemmen.
Der tägliche Bedarf ist sehr gering, er beträgt nur 0,03-0,15 mg/kg KG. Das von den
Darmbakterien hergestellte Vitamin K trägt zur Bedarfsdeckung bei, so daß ein Mangel
selten auftritt. Er kann in der Schwangerschaft aber zu Mißbildungen führen.
Ursachen für einen Mangel
• chronische Darmerkrankungen (intakter Dünndarm ist für die Resorption wichtig)
• Neugeborene (besitzen wenig Vitamin K und davon abhängige Gerinnungsfaktoren)
• Zufuhr von Vitamin K-Antagonisten (Markumar, Sintrom zur Verhinderung der Blutgerinnselbildung als Prophylaxe und Therapie bei Thrombosen, Embolien, Herzinfarkt
etc.)
• Antibiotika (Zerstörung der Darmflora und damit der endogenen Vitamin K-Produktion)
Vitamin B12 = Cobalamin
Cobalamin ist ein wasserlösliches Vitamin, das hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln
vorkommt. Der Bedarf liegt bei etwa 1mg/Tag.
Das mit der Nahrung aufgenommene Vitamin B12 (Extrinsic Factor) verbindet sich mit dem
von der Magenschleimhaut gebildeten Intrinsic Factor zu einem Komplex, der dann im
terminalen Ileum in das Blut aufgenommen wird.
Seite 107
Vitamin B12 ist an der Nukleinsäuresynthese beteiligt und damit an der Neubildung von
Zellkernen. Außerdem ist es ein wichtiger Cofaktor für viele enzymatische Reaktionen, z.B.
die Übertragung von Methylgruppen bei der Methioninsynthese.
Der Mangelzustand kann eintreten durch
• operative Entfernung des Magens bzw. des terminalen Ileums
• schwere Ileumerkrankungen
• Fischbandwurm
• streng vegetarische Kost (B12-Spiegel im Plasma meist niedrig normal, echter Mangel nur
selten)
Bei einem Mangel kommt es zu einer Verringerung der Zellteilung im Knochenmark und
damit zur perniziösen Anämie. Die Erythrocyten sind groß und hyperchrom. Als weiteres
Symptom tritt funikuläre Myelose auf (Funiculi = Stränge des Rückenmarks).
8.7 Spurenelemente
Eisen
Verteilung im Körper
Gesamtbestand
Hämeisen
Speichereisen
Blut: Transferrin
Gewebe: Ferritin
Funktionseisen
3,5 g
2,1 g
1,0 g
(2,5 mg)
0,4 g
Funktionseisen umfaßt das Eisen in Myoglobin, Cytochromen, Katalasen, Peroxidasen etc.
Aus der Nahrung werden täglich etwa 2,5 mg Fe resorbiert (möglich ist eine Resorption bis
zu 3mg). Der Eisen-Speicher im Körper beträgt 1g, so daß eine vollständige Füllung 400
Tage in Anspruch nehmen würde.
Den größten Speicher stellt das Ferritin dar, v.a. in den retikuloendothelialen Zellen der
Leber. Dieses Eisen wird bei Bedarf zuerst abgebaut. Der tägliche Umsatz liegt bei etwa 25
mg.
Fe2+ wird oral besser resorbiert, da es auch bei pH7 resorptionsfähig ist. Fe3+ dagegen wird
nur in Magennähe im sauren Milieu resorbiert. Pflanzliche Produkte enthalten vorwiegend
Fe3+, so daß man bei vegetarischer Ernährung auf eine ausreichende Vitamin C-Zufuhr
achten sollte. Dies reduziert Fe3+ zu Fe2+ und bildet mit Eisen gut lösliche Komplexe.
Ursachen des Mangels
• Blutverlust (2 ml Blut = 1 mg Eisen) oder Blutspende
• GIT-Blutungen (M.Crohn, Colitis Ulcerosa, Divertikel...)
• Schwangerschaft (500 mg)
• vegetarische Ernährung
Prälatenter Eisenmangel (= Speichereisenmangel):
Speichereisen < 200 mg
Latenter Eisenmangel (= Transporteisenmangel):
Serumeisen < 60 mg/100ml
Manifester Eisenmangel:
Hb < 12 g/l
Seite 108
Symptome
• Mundwinkelrhagaden (Schrunden)
• Störungen des Haar- und Nagelwachstums
• Atrophie von Haut und Schleimhäuten
• Müdigkeit
• Atemnot
• Schwindel
• Kopfschmerzen
• selten Schluckstörungen
• Erythrocyten hypochrom und klein
Zink
täglicher Bedarf: 2,2 mg (WHO)
Resorption: 7%
empfohlene Aufnahme: 15 mg/d
Ursachen von Zinkmangel
• Darmerkrankungen (M.Crohn, Colitis Ulcerosa, Sprue)
• Parenterale Ernährung, Sondenkost
• (vegetarische Ernährung, Weizenkleie)
Symptome
• Akrodermatitis
• gestörte Wundheilung
• Haarausfall
• Minderwuchs
Zink ist Bestandteil vieler Metalloenzyme (DNA-, RNA-Polymerase, Carboanhydrase,
alkalische Phosphatase, Phospholipasen...) und dient der Enzymaktivierung. So hat es eine
große Bedeutung für den Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel und den Säure-BaseHaushalt.
Seite 109
9. Schilddrüse
9.1 Anatomie
Die Schilddrüse befindet sich vor der Luftröhre und umschließt diese mit zwei Seitenlappen
dicht unterhalb des Schildknorpels. Sie liegt in der Nähe der Stimmritze, so daß Aphonie
nach einer Operation möglich ist.
Durch gefäßhaltige Bindegewebsscheidewände (Septen) wird die Schilddrüse in verschieden
große Läppchenbezirke gegliedert.
Die funktionelle Einheit des Drüsengewebes ist der Follikel. Von diesen rund angeordneten
Zellanhäufungen sind etwa eine Million vorhanden. In ihrem Inneren befindet sich eine
homogene Masse, das Kolloid. Dessen Hauptbestandteil ist Thyreoglobulin, das
Speichereiweiß für die Schilddrüsenhormone. Die eigentlichen hormonbildenden
Drüsenzellen umgeben dieses Kolloid als einschichtiges Epithel.
9.2 Biosynthese der Hormone
Jodidionen werden in die Follikelzelle aus
dem Blut durch aktiven Transport gegen
ein Konzentrationsgefälle aufgenommen
(Jodination). Dieser Transport kann durch
andere Anionen (Perchlorate, Thiocyanat)
blockiert werden. Durch eine
Jodperoxidase entsteht elementares Jod,
das in die Tyrosinreste von Thyreoglobulin
eingeführt wird (Jodisation). Jetzt werden
entweder zwei Moleküle Dijodtyrosin zu
Thyroxin (T4) oder ein monojodinierter mit
einem dijodierten Tyrosylrest zu
Trijodthyronin (T3) kondensiert.
Thyreoglobulin, das T3- und T4-Reste
sowie Mono- und Dijodtyrosylreste
enthält, wird im Kolloid gespeichert.
Werden Hormone benötigt, werden sie
daraus wieder freigesetzt, indem
lysosomale Proteasen das Thyreoglobulin
abbauen.
Regulation
Neben der Regelung über das Hypothalamus-Hypophysen-System mit den Hormonen TRH
(Thyreotropin-Releasing-Hormon, Thyreoliberin) und TSH (thyreoideastimulierendes
Hormon) wird die Aktivität der Schilddrüsenhormone auch durch andere periphere
Mechanismen bestimmt. Hierzu gehören die Balance des Jodhaushalts über das Kolloid und
Seite 110
die Jodzufuhr in der Nahrung sowie die Umwandlung von T4 in der Peripherie zu T3 oder zu
rT3.
9.3 T3 und T4
Von den Schilddrüsenfollikeln werden zwei stoffwechselsteuernde Hormone abgegeben,
Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). In den parafollikulären C-Zellen wird Calcitonin
produziert.
T4 ist das Hauptprodukt der Schilddrüse und wird nur in dieser synthetisiert. Es ist biologisch
nicht sehr aktiv, wird zu 99% an Plasmaproteine gebunden und zu den Zielzellen
transportiert. Als Transportproteine dienen thyroxinbindendes Globulin (TBG, 60%),
thyroxinbindendes Präalbumin (TBPA, 30%) und Albumin (10%).
Die biologisch wirksame Form, das T3, entsteht zum größten Teil in seinen Zielzellen durch
Dejodierung. Nach Bindung an einen intranukleären T3-Rezeptor wirkt es direkt auf die
Transkription ein.
Neben dem normalen T3 wird noch ein biologisch inaktives, das sog. reverse T3 (rT3)
gebildet. Diese Form steigt bei schweren Erkrankungen und Erschöpfungszuständen stark
an.
Die Schilddrüsenhormone sind entscheidend an normalen Entwicklungsprozessen wie
Differenzierung und Wachstum beteiligt. Beim Erwachsenen greifen sie stabilisierend in alle
metabolischen Prozesse ein und haben daher Rezeptoren in nahezu allen Zellen des
Organismus.
Seite 111
Die Funktion des T3 besteht v.a. in der Beschleunigung oxidativer Stoffwechselprozesse in
den meisten Zellen. Darüber hinaus stimuliert es die RNA-Synthese und damit die
Proteinbildung. Bei Kindern fördern die Schilddrüsenhormone auch das körperliche
Wachstum und die Gehirnentwicklung.
T3 und T4 können nur in ihrer freien Form wirken. Sie unterliegen keinen zirkadianen
Rhythmen.
9.4 Diagnostik
TRH-Test
TRH ist ein sehr einfach aufgebautes
Peptidhormon. Es besteht nur aus drei
AS (Glu-His-Pro). Deshalb ist es leicht zu
synthetisieren und wird diagnostisch
eingesetzt bei dem sog. TRH-Test.
Dabei werden 200 mg TRH nasal
appliziert und nach 30 Minuten Blut
entnommen. Beim Gesunden steigt der
TSH-Spiegel an (vgl. Abb. Regelkreis).
Bei Hyperthyreose (Überfunktion)
dagegen steigt die TSH-Konzentration
nicht an. Hier liegt eine negative
Rückkopplung vor: die Hemmung durch die erhöhten Mengen an T3 und T4 kann durch das
applizierte TRH nicht aufgehoben werden.
Für eine Hypothyreose ist ein hoher TSH-Spiegel mit überschießender Stimulierbarkeit durch
TRH charakteristisch.
Seite 112
Immunometrischer Assay
Früher war es nur möglich, die
Gesamthormonmenge nachzuweisen, nicht aber
ausschließlich das freie Hormon. Heute ist eine
Bestimmung des freien Hormons über den
immunometrischen Assay möglich.
Dabei werden zwei monoklonale Antikörper
verwendet, die an unterschiedlichen Stellen des
Hormons binden. Nur wenn Bindungsstellen für
beide Antikörper vorhanden sind, liegt das richtige
Hormon vor und wird auch gezählt. So wird weder rT3 noch das proteingebundene Hormon
gemessen.
TBG-Plasmakonzentration
Auch die Bestimmung des TBG im Plasma hat diagnostischen Wert. Bei Abweichungen vom
Normwert lassen sich Rückschlüsse auf eventuelle Erkrankungen ziehen
Seite 113
9.5 Erkrankungen
Die Schilddrüsenerkrankungen werden in drei
Hauptgruppen eingeteilt:
a) Schilddrüsenvergrößerung, Struma (mit
oder ohne Funktionsstörung)
b) Schilddrüsenunterfunktion (mit latenter
oder manifester Hypothyreose)
c) Schilddrüsenüberfunktion (mit latenter
oder manifester Hyperthyreose)
Die Begriffe Hyperthyreose und Hypothyreose
bezeichnen lediglich ein pathologisch
erhöhtes bzw. erniedrigtes Angebot der
Schilddrüsenhormone an die Körperzellen.
Allerdings wird weder etwas über die
Ursachen noch über die Symptome
ausgesagt. Eine Hypothyreose kann z.B.
auch entstehen, ohne daß in der Schilddrüse
pathologische Vorgänge stattfinden (s.u.).
Euthyreote Schilddrüsenvergrößerung
Die euthyreote Schilddrüsenvergrößerung entsteht selten aufgrund genetischer Defekte
(Jodaufnahme-, Peroxidase-, Kondensationsdefekte). Häufiger ist Jodmangel die Ursache.
Die DGE empfiehlt eine Zufuhr von 200 mg/d. In der BRD liegt die durchschnittliche
Aufnahme allerdings nur bei 80 mg/d absolut.
Die Messung erfolgt über den Gehalt im 24 h-Sammelurin. Um Sammelfehlern vorzubeugen,
bezieht man den Jodgehalt auf die Menge an ausgeschiedenem Kreatinin. Der Normalwert
liegt hier bei etwa 50 mg/g Kreatinin.
Ursachen für die verminderte Jodaufnahme sind v.a. zu geringe Gehalte in den
Lebensmitteln und im Trinkwasser (v.a. in küstenfernen Regionen).
Ab einem Gehalt von <100 mg Jod tritt endemisch Struma auf. Bei ausschließlicher Verwendung von jodiertem Speisesalz könnte der Bedarf allerdings gedeckt werden. Allein
schon der Einsatz im Haushalt würde wahrscheinlich ausreichen (1 g jodiertes Salz = 20 mg
Jod).
Als Regelhormon bei allen Synthese- und Sekretionsprozessen der Schilddrüse dient TSH
aus dem Hypophysenvorderlappen. Jodmangel wirkt als unabhängiger Wachstumsfaktor auf
die Follikel.
Generell finden zwei Formen des Wachstums an den Follikelzellen statt:
1) Hyperplasie: mehr Zellen entstehen
2) Hypertrophie: die Zellen werden relativ größer
TSH und Jodmangel wirken sich auf diese zwei Arten des Wachstums unterschiedlich stark
aus.
Durch den unspezifischen Reiz des Jodmangels kommt es also vorwiegend zur Hyperplasie,
wobei alle Zellen proliferieren. Im Hinblick auf die Stimulierbarkeit durch TSH verhält sich der
Zellverband allerdings heterogen.
So kann es passieren, daß im Jodmangel nur Zellen entstehen, die sehr TSH-empfindlich
sind oder Follikel, die gar nicht auf TSH reagieren. Solche Zellen, die nicht durch TSH
stimuliert werden können und somit nicht dem körpereigenen Regulationssystem
Seite 114
unterliegen, bezeichnet man als autonom. Jodmangel ist der wichtigste Faktor bei der
Entstehung der Autonomie.
Sind mehr als 5g autonome Bezirke vorhanden, liegt eine manifeste Überfunktion vor.
Die WHO unterscheidet drei Stadien der Struma nach der Größe:
Stadium 0:
Keine Struma
Stadium 1:
Struma tastbar oder per Ultraschall festzustellen, aber nur sichtbar bei
zurückgeneigtem Kopf
Stadium 2:
bei normaler Kopfhaltung deutlich sichtbar
Stadium 3:
mechanische Komplikationen (Behinderung bei Schluckvorgang oder Atmung;
Blutstau durch Wachstum in den Brustkorb, wo große Gefäße abgedrückt
werden)
1988 wurde an einigen tausend Menschen in Deutschland eine Ultraschalluntersuchung
durchgeführt und dabei eine andere Definition festgelegt. Danach lag eine Struma bei mehr
als der dreifachen Standardabweichung über dem Mittelwert vor.
Frauen
Männer
13jährige
6jährige
18 ml
25 ml
8 ml
4 ml
Nach beiden Einteilungen liegt bei ca 30% der Bevölkerung eine Struma vor!
Hyperthyreose - Morbus Basedow
Die Hyperthyreose (Thyreotoxikose) wird durch ein überhöhtes Angebot an
Schilddrüsenhormonen hervorgerufen. Dadurch sind der Basisstoffwechsel, die
Körpertemperatur, das Herzzeitvolumen und die Herzfrequenz erhöht, die Erregbarkeit
gesteigert. Es treten v.a. vegetative Symptome auf: die Betroffenen sind meist hektisch,
nervös und dürr und essen, ohne zuzunehmen. Sie leiden unter Herzklopfen, Schlaflosigkeit,
Haarausfall und schwitzen leicht. Typisch ist ein feinschlägiger Tremor.
Mögliche Ursachen einer Hyperthyreose sind:
• eine Autoimmunerkrankung (M.Basedow)
• eine autonome Struma
• eine Überdosierung mit Schilddrüsenhormonen
• eine unkontrollierte TSH-Sekretion durch die Hypophyse
• Metastasen
Seite 115
Morbus Basedow
Morbus Basedow ist eine Autoimmunerkrankung. Die Schilddrüse wird durch Antikörper, die
gegen den TSH-Rezeptor gerichtet sind, unkontrolliert stimuliert. Hierdurch kommt es zu
einer Mehrproduktion und Sekretion von T3 und T4. Wodurch die Störung zustande kommt, ist
unzureichend geklärt.
Es treten drei Symptome auf:
- Struma
- TSH-Rezeptor-Antikörper im Plasma (bei ca 80% der Betroffenen)
- Exophthalmus (vorstehende Augen)
Die Basedow-Orbitopathie ist eine eigenständige Autoimmunerkrankung, die aber sehr
häufig gemeinsam mit M.Basedow auftritt. Zeitlich kann die Orbitopathie vor oder nach
Beginn der Hyperthyreose oder erst viel später auftreten.
Bei voller Ausprägung entwickelt sich ein Exophthalmus. Der Hauptgrund hierfür ist eine
Muskelschwellung aufgrund der durch die Antikörper hervorgerufenen Entzündung. Die
entzündliche Bindegewebsvermehrung innerhalb und außerhalb der Augenmuskeln führt zu
einer weiteren Einengung der Augenhöhle.
Man unterscheidet sechs Stadien:
Stadium I:
leichte Retraktion des Oberlids
Stadium II:
Lidschwellung, Photophobie, vermehrte Tränensekretion
Stadium III: Vorstehen des Augapfels (Zehntelmm); Entzündung wird nicht empfunden,
keine Symptome!
Stadium IV: erste Komplikationen beim Sehen (Augenmuskelblockade, Doppeltsehen)
Seite 116
Stadium V:
Stadium VI:
kleine Defekte in der Hornhaut (Austrocknen, da der Lidschluß nicht mehr
richtig funktioniert)
Sehausfälle, Schädigung des Sehnervs durch steigenden Druck in der Höhle
Autonome Struma
Die autonome Struma entwickelt sich meist nach dem oben genannten Pathomechanismus
aus dem Jodmangel. Dabei unterscheidet man je nach Art der autonomen Bezirke drei
Ausprägungen:
- umschriebener Bezirk: autonomes Adenom
- mehrere Knoten: multifokales Adenom
- nicht abgrenzbar: disseminierte Autonomie (nur 10%)
Die autonomen Bezirke raffen die vorhandenen Jodidionen an sich und produzieren
unkontrolliert Hormone, wodurch der Plasmaspiegel an T3 und T4 hoch ist. Die TSHabhängigen Bezirke werden aufgrund dieser hohen Konzentrationen immer stärker
herunterreguliert.
Therapiemöglichkeiten
- Operation (v.a. angewandt bei einzelnem Knoten)
- Tabletten: Thyreostatika (bei disseminierter Autonomie)
Peroxidasehemmer (Thiamazol)
Jod-Aufnahmehemmer (Perchlorat)
- radioaktives Jod (zerstrahlt in genügend großer Menge die Schilddrüsenzellen; da die
autonomen Bezirke fast alles Jod aufnehmen, werden auch nur sie beeinträchtigt. Diese
Methode wird auch bei Schildrüsentumoren angewandt, solange die Zellen noch genügend
differenziert sind.)
Hypothyreose
Hypothyreose umfaßt alle Zustände, die durch ein vermindertes Angebot an
Schilddrüsenhormonen hervorgerufen werden.
primär: Endorgan (Schilddrüse) ist gestört
sekundär: Störung in Hirnanhangdrüse (Hypophyse)
tertiär: Störung im Hypothalamus
Um neonatale Hypothyreosen festzustellen, wird ein Neugeborenen-Screening durchgeführt.
Am fünften Tag nach der Geburt wird der Gehalt des Blutes an TSH festgestellt. Bei
Vorliegen einer Hypothyreose ist er erhöht. Wenn dies der Fall ist, wird ein genauer
Hormontest durchgeführt.
Noch vor der 12. Lebenswoche muß mit T4-Gaben begonnen werden, da sonst die
Hirnentwicklung gefährdet ist. Ohne frühzeitige Behandlung treten auch noch weitere
Seite 117
Defekte auf wie Skelettveränderungen und eine Veränderung des neuromuskulären
Kontaktes, so daß die allgemeine Entwicklung zurückbleibt. Es kommt zum Kretinismus.
Die häufigste Ursache einer Hypothyreose im Erwachsenenalter ist der Verlust an
Schilddrüsengewebe nach einer Struma-Operation oder nach Radiojod-Behandlung.
Symptome
• Herabsetzung des Grundumsatzes
• Gewichtszunahme
• Blässe, trockene Haut
• verminderte geistige Beweglichkeit
• Kälteempfindlichkeit
Das Vollbild der Hypothyreose wird
wegen der dabei zu beobachtenden
eigentümlichen Verdickung und
Schwellung der Haut als Myxödem
bezeichnet.
Seite 118
10. Eßstörungen
10.1 Adipositas
Die Zahl der Fettsüchtigen hat während der letzten Jahrzehnte in den hochzivilisierten
Industrieländern ständig zugenommen und liegt zur Zeit (je nach Statistik und Definition) bei
30-50% der Gesamtbevölkerung.
Die Adipositas entsteht durch eine positive Energiebilanz, d.h. es wird mehr Energie
aufgenommen als verbraucht. Der Grund dafür ist die zunehmende Verringerung des
Energieverbrauchs, bedingt durch immer geringer werdende körperliche Arbeit bei
weitgehend konstanter Energiezufuhr. Die überschüssige Energie wird in Form von Fett
gespeichert.
Die Neigung, Fett zu speichern, ist allerdings individuell unterschiedlich.
Die Adipositas wird in eine endogene und eine exogene Form unterteilt.
Die endogene Form ist selten. Sie beruht z.B. auf einer Hypothyreose. Auch eine Störung im
Sättigungszentrum kann die Ursache sein, wodurch die Regulation der Nahrungsaufnahme
beeinträchtigt ist. Für endogene Faktoren spricht auch die familiäre Häufung.
Eine über dem Bedarf liegende Energiezufuhr ist nur bei der exogenen Form ersichtlich.
Hierbei sind psychische Störungen und Abweichungen vom normalen Eßverhalten beteiligt
(z.B. durch seelische Belastungen ausgelöste gesteigerte Nahrungsaufnahme). Oft spielen
auch falsche erzieherische Maßnahmen eine Rolle.
Es zeigt sich eine erhöhte Außenreizabhängigkeit, d.h. die Nahrungsaufnahme findet nicht
mehr aufgrund von Hungergefühl statt sondern Appetit entsteht durch Signale der Umwelt.
10.2 Magersucht
Für die Magersucht ist eine negative Energiebilanz und die damit einhergehende Reduktion
des Körpergewichts verantwortlich. Es kommt zu einer verringerten Nahrungszufuhr durch
- reduziertes Hungergefühl (Schädigung des Hungerzentrums = zerebrale Magersucht)
- Nahrungsmangel
- Malassimilationssyndrom
- erhöhten Energieverbrauch (z.B. durch Schilddrüsenüberfunktion)
Anorexia Nervosa
Die Anorexia nervosa entsteht aus einer psychischen Fehlhaltung. Sie tritt fast ausschließlich
bei Frauen, vorzugsweise während der Pubertät auf. Dabei kommt es zu einer hochgradigen
Abneigung gegen die Nahrung, die sogar zum Erbrechen nach dem Essen führen kann. Hier
zeigen sich fließende Übergänge zum Krankheitsbild der Bulimie.
Als Ursache wird eine Trotz- und Protestreaktion angenommen.
Merkmale
• Verlust von mindestens 25% des ursprünglichen Gewichts
• intensive Angst, dick zu werden
• sekundäre Amenorrhoe
• gesteigerte körperliche Energieentfaltung
• depressive Verstimmungen
• Körperschemastörungen (auch bei Untergewicht sieht man sich noch als zu dick an)
Seite 119
Bulimia nervosa
Auch die Patienten mit Bulimie haben Angst vor zu hohem Körpergewicht. Bei dieser
Krankheit kommt es zu Phasen exzessiver Nahrungsaufnahme (innerhalb von 1-2 Stunden
bis zu 20000 Kalorien). Die dann drohende Gewichtszunahme wird durch selbst ausgelöstes
Erbrechen bzw. Einnahme von Laxantien verhindert.
Folgen der Bulimie und Anorexie
• Schädigung des Ösophagus
• Störungen des Elektrolyt-, Säure-/Basen- und Wasserhaushalts
• Karies
• Überempfindlichkeit der Zähne
Letzte Bearbeitung ©AOS 19.02.2003 13:26:27 Uhr
Seite 120
Herunterladen