Heft 17 - Heteropteron

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HETEROPTERON
Mitteilungsblatt der
Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer Heteropterologen
Heft Nr. 17 - Köln, Dezember 2003 ISSN 1432-3761
INHALT
Einleitende Bemerkungen des Herausgebers .................................................................................................................. 1
Teilnehmer am 29. Treffen der ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER HETEROPTEROLOGEN in Ausserberg /Wallis
vom 22.-24.08.2003 ................................................................................................................................................ 2
K. VOIGT: 29. Treffen der ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER HETEROPTEROLOGEN vom 22.-24.08.2003 im Wallis 3
Einladung zum 30. Treffen der ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER HETEROPTEROLOGEN ...................................... 5
3. Europäischer Hemiptera-Kongreß in Sankt Petersburg .............................................................................................. 6
H. BLÖCHLINGER: Einführung zum „Gastgeberkanton“ Wallis ...................................................................................... 7
R. HECKMANN: Zum Erforschungsstand der Wanzenfauna des Wallis .......................................................................... 9
S. RIETSCHEL: Zur Ausbreitung von Arocatus longiceps STÅL, 1872 (Lygaeidae) in Mitteleuropa – neue Nachweise
am Ober- und Hochrhein ....................................................................................................................................... 12
W. RABITSCH: Vorarbeiten zur Erstellung einer kritischen Check-Liste der Wanzen Österreichs ............................... 17
K. VOIGT: Ein bedenklicher Insektensammler .............................................................................................................. 19
H.J. HOFFMANN: Weitere Fundorte der Neoozoe Stephanitis takeyai in Westdeutschland (Hemiptera-Heteroptera:
Tingidae) ................................................................................................................................................................ 21
H.J. HOFFMANN: Zur Ausbreitung der Platanengitterwanze Corythucha ciliata in Köln – Jahresbericht 2003
(Hemiptera-Heteroptera: Tingidae) ....................................................................................................................... 23
P. KOTT: Probleme bei der Zucht von Holotrichius tenebrosus BURM. ....................................................................... 25
H.J. HOFFMANN: Ein Massenvorkommen von Arocatus longiceps in der Schweiz ...................................................... 27
M. GOSSNER: Berichtigung betr. Cremnocephalus ............................................................................................................ 28
Kleinere Fundmeldungen .............................................................................................................................................. 28
Änderungen zum Adressenverzeichnis Mitteleuropäischer Heteropterologen ............................................................. 28
W. GRUSCHWITZ & W. KLEINSTEUBER: Heteroptera: Neu- und Wiederfunde in Sachsen-Anhalt - 1. Nachtrag zum
Verzeichnis der Wanzen Deutschlands (Stand: 31.12.2003) ................................................................................. 29
Wanzenliteratur: Neuerscheinungen ............................................................................................................................. 30
H.J. HOFFMANN: Heteropterologische Kuriosa 1: NENA und die Wanze ...................................................................... 31
H.J. HOFFMANN: Heteropterologische Kuriosa 2: Rückkehr der Bettwanzen ............................................................... 32
H.J. HOFFMANN: Heteropterologische Kuriosa 3: Unsterbliche Wanzen ..................................................................... 34
Einleitende Bemerkungen des Herausgebers
Das vorliegende Heft bringt die Berichte zu den Referaten auf dem diesjährigen
Heteropterologentreffen im Wallis, wie üblich die Literatur-Neuerscheinungen und
Adreßänderungen, außerdem einige neue Fundmeldungen zu Neozoen unter den Wanzen und zum Schmunzeln an den Feiertagen – einige heteropterologische Kuriosa.
Zum Jahreswechsel sei allen Heteropterologen, allen Kollegen und Lesern wieder alles
Gute, allerbeste Gesundheit und auch in 2004 jede Menge interessanter Wanzen gewünscht.
H.J. Hoffmann
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HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Teilnehmer am 29. Treffen der ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER
HETEROPTEROLOGEN in Ausserberg /Wallis vom 22.-24.08.2003
BLÖCHLINGER, H. und ♀V.
DOROW, W. und ♀
HECKMANN, R. und ♀ und 1 Lv.
HEISS, E. und ♀
HOFFMANN, H.J.
KALLENBORN, H. und ♀ und 2 Lv.
KOCH, F. und ♀
LIEBENOW, K. und ♀
NAWRATIL, J.
RABITSCH, W.
REMANE, R.
RIEGER, CHR. und ♀U.
RIETSCHEL, S. und ♀H.
SCHARMANN, K.-H. und ♀
(SCHARMANN, A. und ♀ und Lv.)
SIMON, H. und ♂L.
STRAUSS, G. und ♀G.
VOIGT, K. und ♀F.
WACHMANN, E.
WIPRÄCHTIGER, P.
Kurzfristige Absagen und herzliche Grüße an die Teilnehmer lagen vor von BILLEN, W.
(Lörrach), BÜTTNER, R. (Erlangen), ENGELMANN, H.-D. (Rietschen), FARACI, F. (Bardolino),
KOTHE, T. (München), KOTT, P. (Pulheim), MORKEL, C. (Giessen), PÉRICART, J. (Montereau),
SCHÖNITZER, K. (München), WERNER, D. (Köln), WELTI, P. (Basel), WYNIGER, D. (Basel).
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29. Treffen der ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER
HETEROPTEROLOGEN vom 22.-24.08 2003 im Wallis
KLAUS VOIGT
Das 29. Treffen der ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER HETEROPTEROLOGEN fand
zum ersten Mal in der Schweiz statt. RALF HECKMANN hatte nach Visp-Ausserberg in ein
gemütliches Walliser Hotel eingeladen, das nahe zu interessanten Exkursionsgebieten lag.
Rund 20 Wanzenforscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kamen vom 22.–24.
August 2003 dort zusammen. Sonniges und warmes Wetter lud zu Wanderungen und
Exkursionen vom Talgrund bis in den alpinen Bereich ein.
Die An- und Abreise der Teilnehmer erfolgte z.T. mit dem Zug bis direkt vor das Hotel durch
den Lötschberg-Tunnel, z.T. schon Tage vorher mit dem Auto über Bern, Thun und die
Autoverladung durch den Lötschberg-Tunnel oder über Zürich, Luzern und den Grimselpass
und bot jeweils Gelegenheit, kleinere Aufsammlungen auf Walliser Boden zu tätigen.
Ausserberg liegt im Rhône-Tal an der Lötschberg-Südrampe auf etwa 930 m ü. M., 6
km NW von Visp, mitten im besten Sammelgebiet. Andere ausgezeichnete Exkursionsgebiete
befinden sich in maximal 20 km Entfernung (Pfynwald, Visperterminen, Steppenheidegebiete
von Gampel-Jeizinen, Leuk usw.). Auch ist man schnell auf über 2.000 m und kann
Hochalpinarten nachstellen!
Ausserberg eignet sich ebenfalls als Ausgangsbasis für einen längeren SammelAufenthalt, was ja auch von einigen Teilnehmern genutzt wurde, um die vielfältigen Biotope
des Wallis zu untersuchen. Von diesen wurde schwerpunktmäßig im Pfynwald mit
Rottensand, bei der Moosalp oberhalb Stalden, in Gebieten am Mattmarksee, am Riffelberg
bei Zermatt, um Ausserberg, am Grimselpass, am Rhône-Gletscher sowie bei Sion gesammelt.
Hierbei konnten Alydus rupestris, Aradus mirus, Bothrostethus annulipes, Coranus griseus,
Coriomeris alpinus, Hallodapus suturalis, Phimodera lapponica, Psacasta exanthematica
und Rhynocoris erythropus nachgewiesen werden. Dadurch wurden einige Lücken in der
Kenntnis der Walliser Wanzenfauna geschlossen und auch zumindest 2 Neunachweise für die
Schweizer Fauna getätigt.
Schon am Freitagabend wurde jeder neu Eintreffende mit großem „Hallo“ und Fragen
nach dem Ergehen begrüßt. Man erzählte im kleinen Kreis private und entomologische
Höhepunkte des vergangenen Jahres. Auf einen Ansturm der Schweizer Heteropterologen
wartete man allerdings vergebens. Immerhin zwei Vertreter waren unserer Einladung gefolgt.
Am Samstagmorgen begrüßte RALF HECKMANN, der die Tagung exzellent vorbereitet
hatte, alle inzwischen eingetroffenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer und führte in das
Vortragsprogramm ein.
1. H. BLÖCHLINGER (Frauenfeld) gab einen ausgezeichneten Überblick zur Geschichte und der
naturkundlichen Gliederung des Wallis. In seinem Vortrag spürte man die Liebe zu seiner
Wahlheimat Wallis, aber auch seine sachkundlichen Kenntnisse der Region.
2. R. HECKMANN (Konstanz) gab anschließend einen Überblick über den Kenntnisstand der
Wanzenfauna des Wallis, wo bisher 361 Arten gefunden wurden. Er gab seiner Hoffnung
Ausdruck, daß durch die Tagung einige Neunachweise gelingen mögen.
3. S. RIETSCHEL (Karlsruhe) sprach über den Komplex Arocatus longiceps / A. roeseli. Er teilte
Beobachtungen zur Ausbreitung, Biologie und Farbvariationen der beiden Arten mit.
4. W. RABITSCH (Wien) gab einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Wanzenfauna
Österreichs. Unterstützt durch computer-animierte Darstellungen sprach er zur Geschichte der
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österreichischen Wanzenforschung, zu Auswirkungen durch geopolitische Grenzänderungen,
offenbar gewordene Fehldeterminationen, sowie taxonomische Veränderungen. Er hat für
Österreich 906 Wanzenarten ermittelt (zum Vergleich: Deutschland 865 Arten, Schweiz 760
Arten). Mit einem Ausblick auf rezent expansive Arten und Neobiota schloß er seinen
informativen und anschaulichen Vortrag.
5. K. VOIGT (Ettlingen) berichtete über das Ergebnis einer Untersuchung einer sogenannten
„Schnakenlampe“. Er stellte dar, daß nur etwa 5 % der getöteten Insekten Mücken waren. Die
Mehrzahl waren nützliche oder indifferente Insekten, wie Schmetterlinge, Käfer und
Hymenopteren. Er forderte ein Verbot dieser Lampen.
6...E. WACHMANN (Berlin) gab eine Übersicht über die Vorbereitungen zu den neuen HeteropterenBänden des „DAHL“. Wie bekannt ist, sollen drei reichhaltig illustrierte Bände alsbald
erscheinen.
7. H.-J. HOFFMANN (Köln) wies auf das endlich für Anfang 2004 geplante Erscheinen des letzten
Bandes der „Entomofauna Germanica“ mit dem Wanzenteil hin und erläuterte kurz den
Sachstand.
8. Kurzmitteilungen:
a) Europäischer Kongreß über Hemiptera in St. Petersburg vom 08.-11.06.2004 (K. VOIGT).
b) Rote Listen in Hessen (W. DOROW)
Der sonnig heiße Nachmittag war den Exkursionen vorbehalten. Als Ziel wurde die
Felsensteppe zwischen Gampel und Jeizinen gewählt. Mit der Seilbahn ging es vom Parkplatz
Gampel (634 m) nach Jeizinen (1.526 m). Ein Teil der Exkursionsteilnehmer blieb auf den
alpinen Matten und Gebüschen im Bereich von Jeizinen und kehrte mit der Seilbahn wieder
zurück nach Gampel, wobei selbst in 1.600 m Höhe noch Staria lunata, Tingis crispata und
Xanthochilus quadratus gekäschert wurden. Die Hartgesotteneren sammelten sich in der Hitze
den Wanderweg entlang zurück nach Gampel. Auf dem Abstieg wurde von einigen
Teilnehmern Aelia rostrata, Camptopus lateralis, Carpocoris pudicus, Chorosoma schillingii,
Dichrooscytus valesianus, Loxocnemis dentator, Odontotarsus pupureolineatus und
Syromastes rhombeus gefangen, nur um einige der in Deutschland nicht oder nur sehr selten
vorkommenden Arten zu nennen. Aufgrund der langanhaltenden großen Trockenheit war
allerdings die Ausbeute nicht ganz so ergiebig wie erhofft. Trotzdem fand vermutlich jeder
Teilnehmer einige für ihn interessante Arten.
Koordinaten:
Jeizinen (7°43’10’’E/46°19’40’’N)
Gampel-Seilbahn-Basisstation (7°44’15’E/46°18’50’’N)
Der Wanderweg befindet sich zwischen den beiden Koordinaten.
Das gemütliche Beisammensein am Abend betonte wieder das freundschaftliche
Miteinander. Dabei konnten auch die mitgereisten Frauen von ihrer interessanten Tour in das
historische Sion erzählen. – Am nächsten Morgen sprachen alle RALF HECKMANN ihren
herzlichen Dank für die Gestaltung der Tagung aus, und an Herrn HERMANN und Frau VRENI
BLÖCHLINGER erging ein herzliches Dankeschön, die Tagung wäre ohne ihre Mithilfe bei
weitem nicht so erfolgreich ausgefallen.
Während einige sich auf den weiten Weg nach Hause machten, blieben andere noch vor
Ort, um weitere interessante Exkursionsgebiete aufzusuchen und alpine Spezialitäten
aufzufinden.
Auch die 29. Tagung der AG mitteleuropäischer Heteropterologen war ein besonderes
Erlebnis und reiht sich gut in die Reihe der vorangegangenen Tagungen ein.
Herzlichen Dank an R. HECKMANN und H.J. HOFFMANN für Ergänzungen zu diesem Bericht.
Anschrift des Autors:
Klaus Voigt, Forellenweg 4, D-76275 ETTLINGEN
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Einladung zum 30. Treffen der
ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER HETEROPTEROLOGEN
Liebe Wanzerinnen und Wanzerer,
das 30. Treffen der ARBEITSGRUPPE MITTELEUROPÄISCHER HETEROPTEROLOGEN findet, wie in
Ausserberg besprochen,
in Schlüchtern (Osthessen) vom 27.-29.08.2004
statt. Hierzu lade ich Sie hiermit herzlich ein. Für die Tagung und die Unterkunft habe ich das
Hotel Stadt Schlüchtern (Breitenbacher Str. 5, Tel. 06661/74788-0) gebucht. Das Hotel hat 30
Doppelzimmer, die auch als Einzelzimmer vermietet werden können. Das Einzelzimmer
kostet 39 € und das Doppelzimmer 63 € pro Nacht. Wer nähere Informationen über das Hotel
haben möchte, kann im Internet unter www.hotel-stadt-schluechtern.de nachschauen.
Die Anmeldung zur Tagung sollte bis zum 15. April 2004 an meine Privatadresse erfolgen.
Dies ist per Telefon (06661/64 84), Fax (06661/91 75 91) oder e-mail ([email protected]) möglich. Damit alle in einer Tagungsstätte unterkommen können, wäre ich für eine
Mitteilung dankbar, wer im Bedarfsfall auch mit einem Doppelzimmer einverstanden wäre.
Schlüchtern liegt an der Bahnstrecke Fulda-Frankfurt am Main (ca. 30 km bis Fulda, ca. 80
km bis Frankfurt) und ist sowohl mit der Bahn als auch mit dem Auto (A 66, Abfahrt
Schlüchtern Nord oder Süd) bequem zu erreichen. Naturräumlich liegt es an der Schnittstelle
von Vogelsberg, Spessart und Rhön und wird deshalb auch als Bergwinkelstadt bezeichnet.
Die Umgebung ist sehr reich strukturiert und weist ca. 1.000 ha Naturschutzgebiete auf, die
vor allem zum Schutz von Kalkmagerrasen, aber auch von Feuchtgebieten und Wäldern
ausgewiesen wurden.
Vorläufiges Programm:
Freitag, den 27.08.: Anreise, abends geselliges Beisammensein mit Abendessen
Samstag, den 28.08.: vormittags Vorträge, nachmittags Exkursion
Sonntag, den 29.08.: vormittags Vorträge und /oder allg. Diskussion, Mittagessen,
nachmittags Abreise, ggf. weitere Exkursion
Über Ihre Teilnahme sowie über die Meldung eines Vortrages würde ich mich sehr freuen. Als
Medien stehen zur Verfügung: Diaprojektor, Overheadprojektor und Beamer.
Weitere Informationen werden in einem zweiten Rundschreiben zugesandt.
In Erwartung auf ein schönes Treffen
Ihr
Günter Bornholdt
Anschrift:
Dr. Günter Bornholdt, Ziegenbergweg 1, D-36381 SCHLÜCHTERN
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3. Europäischer Hemiptera-Kongreß in Sankt Petersburg
Das Zoologische Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften lädt zum 3.
Europäischen Hemiptera Kongreß nach Sankt Petersburg ein. Er findet
vom 08. bis 11. Juni 2004 in Sankt Petersburg
im Hotel LDM statt. Alle, die sich mit Heteropteren oder Homopteren beschäftigen, sind
herzlich zur Teilnahme eingeladen.
Nähere Angaben zum Kongreß und zu den Anmeldeformalitäten findet man auf der
web-site: http://www.zin.ru/conferences/ehc3. Dort sind auch die bereits angekündigten
Vortragsthemen verzeichnet. Da die Einladungsformalitäten langdauernd sind, sollte man sich
alsbald zu einer Teilnahme beim Zoologischen Institut anmelden. Der Anmeldeschluß war
schon auf 01.12.2003 festgesetzt. Es werden Anmeldungen (bis Januar) noch gerne
angenommen.
Dieser Kongreß richtet sich speziell an die europäischen Kollegen. Doch werden auch
einige außereuropäische Kollegen teilnehmen (lt. Referentenliste). Man sollte diesen
Europäischen Kongreß nicht mit dem Internationalen Heteropterologen-Kongreß vom Jahr
2002, der alle vier Jahre stattfindet, verwechseln. Dieser wird erst wieder im Jahre 2006, dann
in Amsterdam stattfinden.
Anschrift des Verfassers:
Klaus Voigt, Forellenweg 4, D-76275 ETTLINGEN
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Einführung zum „Gastgeberkanton“Wallis
HERMANN BLÖCHLINGER
Die Gesamtfläche des Kantons beträgt 5.231 km2, wovon die Hälfte nicht
landwirtschaftlich genutzt wird. Seit 1815 gehört das Wallis als Kanton der Schweiz an, zuvor
waren die Einwohner Jahrhunderte lang Untertanen des Bischofs von Sitten (Sion).
Typisch für das Oberwallis ist das Walliserhaus oder Gotthardhaus, ein Blockbau aus
Holz mit angefügtem gemauertem Küchenteil, oft nur als Stockwerkeigentum. Die
charakteristisch auf Holzbeinen mit „Maus-Steinplatten“ stehenden Speicher dienten zur
Aufbewahrung von Korn, Mehl, Käse, Fleisch und Wertsachen, die Stadel zur Lagerung der
Heugarben.
Die Erbfolge im Wallis („Blätzli“) führte zu immer kleiner werdenden Feldern und
damit zu großer Armut und Abwanderung.
Erreichbar ist das Wallis durch zwei Bahntunnels, den Simplon- (19,8 km) und den
Lötschberg-Tunnel (14,6 km), und einen Straßentunnel, den Großen St. Bernhard (5,8 km).
Wegen der vielen Pässe, z.B. Großer St. Bernhard (2.469 m ü.M.), Simplon, Grimsel,
Furka, Nufenen u.a. wird das Wallis auch als Passkanton bezeichnet. Da sich hier viele
4.000er, darunter das Matterhorn und der höchste Berg der Schweiz, die Dufourspitze (4.634
m) befinden, wird das Wallis auch als Bergkanton bezeichnet. Ebenso befinden sich die
bekanntesten und größten Gletscher der Schweiz im Wallis: Großer Aletschgletscher mit einer
maximalen Ausdehnung von 100 km2 und einer Länge von 22 km, der Gornergletscher bei
Zermatt, der Fieschergletscher, der Rhonegletscher und andere mehr.
Die bekanntesten Stauseen sind der Grande Dixence (4 km2 Fläche, 2.364 m ü.M. und
einer Tiefe von 227 m) mit einer der höchsten Staumauern der Welt, welche an der Basis 200
m dick ist, sowie der Mauvoisin und der Mattmarksee.
Die Wettervorhersagen gestalten sich relativ schwierig und gehören im nachhinein zur
Südschweiz, Westschweiz oder zur Alpennordseite. Die lokalen Unterschiede in den
Niederschlägen sind gewaltig und schwanken zwischen 406 cm/Jahr (Monte Moro) und 55
cm/Jahr (Grächen).
Die Rekordtrockenheit verzeichnete Sierre im Jahre 1921 mit 24,5 cm/Jahr. Die
südexponierten Hänge des Rhonetals (Steppenheidegebiete) sind extrem trocken-heiß und
wurden traditionell, um bewirtschaftet zu werden, durch Suonen, Holzkänneln und Gräben
bewässert. Insgesamt werden etwa 25% der Kantonsfläche bewässert, heute verlaufen die
Bewässerungskanäle oft in Stollen. Es gibt 2.000 km Hauptkanäle und 25.000 km kleinere
Wasserleitungen.
Wegen dieser klimatischen Vielfalt und ihren Besonderheiten, so befindet sich z.B. der
höchstgelegene Weinberg Europas (Visperterminen) im Oberwallis, war das Wallis
traditionell sehr attraktiv für Entomologen.
Die besten Sammelgebiete des Oberwallis sind:
- Steppenheiden und offener Kiefernwald oberhalb Leuk: wegen des Waldbrandes
in der Vorwoche nicht begehbar
- Pfynwald und Rottensand: größter Kiefernwald Europas, Steppenheide
- Felsensteppe Jeizinen: mit der Seilbahn vom Parkplatz Gampel nach Jeizinen
(1.526m), Sammelgebiete oberhalb des Dorfes sowie bds. des Wanderwegs zurück
nach Gampel (634 m)
- Eggerberg: zu Fuß von Ausserberg („Basislager“) über Fischersbiel, Pleischchumma,
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Abi, Laldner Suon, Eggerberg, zurück evtl. mit Bahn
- Leiggern: von Ausserberg-Telwald nach Leiggern, Leiggeralp, Rigga und zurück
Anschrift des Autors:
Hermann Blöchlinger, Naturmuseum Frauenfeld, Thurgau, Schweiz
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Zum Erforschungsstand der Wanzenfauna des Wallis
RALF HECKMANN
Die im Vortrag von H. BLÖCHLINGER erwähnte klimatische Vielfalt des Wallis spiegelt
sich wieder in der Insektenfauna. Daher war das Wallis seit über 200 Jahren nicht nur für
Schweizer Entomologen und Arachnologen sehr attraktiv (z.B. Vorkommen der Sägeschrecke
und einer Skorpionsart!).
Die aus der Literatur bekannte Wanzenfauna des Wallis stellt ein illustres Mosaik von
Arten mit überwiegend boreo-montaner, pontischer und mediterraner Verbreitung dar. Im
folgenden werden einige Besonderheiten aufgelistet:
Boreo-montane und alpine Arten:
Arctocorisa carinata (C.R. SAHLBERG, 1819)
Horwathia lineolata (A. COSTA, 1862)
Systellonotus alpinus (FREY-GESSNER, 1871)
Nithecus jacobaeae (SCHILLING, 1829)
Geocoris lapponicus ZETTERSTEDT, 1838
Trapezonotus desertus SEIDENSTÜCKER, 1951
Alydus rupestris FIEBER, 1861
Coriomeris alpinus (HORVßTH, 1895)
Ulmicola spinipes (FALLÉN, 1807)
Eurydema rotundicollis (DOHRN, 1860)
Mediterrane und pontische Arten:
Leptopus marmoratus (GOEZE, 1778)
Tingis auriculata (A. COSTA, 1847)
Deraeocoris serenus DOUGLAS & SCOTT, 1868
Deraeocoris punctulatus (FALLÉN, 1807)
Excentricus planicornis (HERR.-SCHAEFFER, 1835)
Capsodes flavomarginatus (DONOVAN, 1798)
Plagiorrhamma suturalis (HERR.-SCHAEFFER, 1839)
Lygaeosoma sardeum (SPINOLA, 1837)
Melanocoryphus albomaculatus (GOEZE, 1778)
Spilostethus pandurus (SCOPOLI, 1763)
Macroplax fasciata (HERRICH-SCHAEFFER, 1835)
Heterogaster affinis Herrich-Schaeffer, 1835
Plinthisus minutissimus FIEBER, 1864
Stygnocoris similis WAGNER, 1953
Raglius confusus (REUTER, 1886)
Raglius pineti (HERRICH-SCHAEFFER, 1835)
Emblethis proximus SEIDENSTÜCKER, 1967
Gonianotus marginepunctatus (WOLFF, 1804)
Pyrrhocoris marginatus (KOLENATI, 1845)
Ceraleptus obtusus (BRULLE, 1839)
Loxocnemis dentator (FABRICIUS, 1794)
Bothrostethus annulipes (COSTA, 1847)
Coriomeris hirticornis (FABRICIUS, 1794)
Camptopus lateralis (GERMAR, 1817)
Psacasta exanthematica (SCOPOLI, 1763)
Aelia rostrata BOHEMAN, 1852
Neottiglossa lineolata (MULSANT & REY, 1852)
Carpocoris pudicus (PODA, 1761)
Holcogaster fibulata GERMAR, 1831
Eurydema ventralis KOLENATI, 1846
Picromerus conformis (HERRICH-SCHAEFFER, 1841)
Sonstige Besonderheiten:
Saldula nobilis (HORVßTH, 1884)
Saldula pilosella (THOMSON, 1871)
Dicyphus cerutti WAGNER, 1946
Fragliche Arten:
Nabis (Nabis) persimilis REUTER, 1890: Die in PÉRICART (1987) erfolgte Synonymisierung mit N. alpinus
bezieht sich evtl. eher auf N. punctatus!
Salda morio ZETTERSTEDT, 1838 ist wahrscheinlich im Jura gefangen (DETHIER & PÉRICART 1990).
Rhynocoris cuspidatus RIBAUT, 1921 ist wahrscheinlich mit R. iracundus verwechselt worden.
Viele „Allerweltsarten“ wurden noch nicht publiziert, da vor allem in den „guten
Biotopen“ gesammelt wurde; so fehlen in der bisherigen Liste z.B. Tingis cardui, Anthocoris
nemorum, A. nemoralis, A. confusus, Heterorius-Arten, Temnostethus-Arten, Adelphocoris
seticornis, Lygus wagneri, Halticus apterus und Acanthosoma haemorrhoidale!
In der Literatur finden sich über 20 Arbeiten zur Wanzenfauna dieses Kantons. Die
Angaben der unten stehenden 16 Zitate sind inzwischen ausgewertet. Keine Angaben zu
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HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Wanzenfunden im Wallis finden sich im Standardwerk über die Schweizer Wanzenfauna in
welchem nur die Weichwanzen bearbeitet wurden (MEYER-DÜR, 1843).
Die Erforschung der Wanzenfauna des Wallis gliedert sich grob in 4 Phasen:
1. FREY-GESSNER, E. (1862-1871) publiziert 163 Arten.
2. CERUTTI, N. (1937-1939) meldet zusammen mit einem Nachtrag von SIMONET, J.
(1949) insgesamt 94 Arten.
3. DETHIER, M. et al. (1977-1990) weisen insgesamt 163 Arten nach.
4. WITSCHI, F. & ZETTEL, J. (2002) finden allein im Rottensand 104 Arten!
Die 4. Phase stellt den Beginn einer ökologisch ausgerichteten Untersuchung
verschiedener Biotope des Wallis durch Diplomarbeiten des Zoologischen Instituts der
Universität Bern dar, in welchen auch die Wanzenfauna untersucht wurde (C. ZURBRÜGG, in
Vorb.).
Insgesamt sind durch diese Arbeiten bisher 351 Arten publiziert worden, davon sind 67
Arten Lygaeiden (19%). Dieser hohe Prozentsatz unterstreicht den xerothermen Charakter der
untersuchten Biotope.
Von den publizierten Angaben konnte ich bisher alle Funde von WITSCHI & ZETTEL
(2002) überprüfen. Zusätzliche eigene Funde bestätigen ältere Nachweise, ebenso Exemplare
in der Wanzensammlung der ETH Zürich (Coll. J.P. WOLFF). PÉRICART bestätigt weitere 20
Arten, JANSSON und WROBLEWSKI jeweils 1 Art.
Bisher sind damit 147 Arten durch Belege bestätigt. An die Teilnehmer wurde eine
provisorische Liste mit 361 Arten verteilt.
Es steht noch einiges an Literaturauswertung an: eine weitere Arbeit von FREY-GESSNER
sowie die Angaben der entsprechenden Bände der Faune de Françe von PÉRICART.
Weiterhin befindet sich sehr viel Material aus dem Wallis in der Coll. J.P. WOLFF
(ETHZH), welches ebenfalls aufgearbeitet werden sollte.
Sinn der Tagung war vor allem, Lücken in der Kenntnis der Wanzenfauna des Wallis zu
füllen; und somit ergeht nochmals die Bitte, mir die Artenlisten der Wanzenfunde der
Teilnehmer zukommen zu lassen, um nach Abschluss aller Arbeiten eine verbindliche, durch
Nachweise bestätigte Checkliste der Heteropteren des Wallis zu erstellen und zu publizieren.
LITERATUR (bisher eingearbeitet!)
CERUTTI, N. (1937a): Captures intéressantes d’Hémiptères du Valais. - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 17, 30-32.
-,- (1937b): Captures intéressantes d’Hémiptères du Valais (2e liste). - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 17, 168-172.
-,- (1939a): Captures intéressantes d’Hémiptères du Valais (3e liste) et description d’espèces nouvelles. - Mitt.
Schweiz. ent. Ges. 17, 443-449.
-,- (1939b): Présentation de quelques Hémiptères du Valais. - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 17, 582-583.
-,- (1939c): Hémiptères du Valais (4e liste). - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 17, 611-616.
DELARZE, R. & DETHIER, M. (1988): La faune des pelouses steppiques valaisannes et ses relations avec le tapis
végétal. III. Les Hétéroptères. - Bull. Soc. Vaud. Sc. Nat. 79, 49-59.
DETHIER, M. & MATTHEY, W. (1977): Contribution à la connaissnance des Hétéroptères aquatiques des Suisse. Revue suisse Zool. 84, 583-591.
-,- & DELARZE, R. (1984): Hétéroptères nouveaux ou intéressants pour la faune suisse. - Mitt. Schweiz. ent. Ges.
57, 123-128.
-,- & PERICART, J. (1988): Les Hétéroptères Nabidae de Suisse. - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 61, 157-166.
-,- & PERICART, J. (1990): Les Hétéroptères Leptodomorpha de Suisse. - Mitt. Schweiz. ent. Ges. 63, 33-42.
FREY-GESSNER, E. (1864-1866): Verzeichnis der schweizerischen Insekten. 1. Hemiptera. - Mitt. Schweiz. ent.
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HETEROPTERON Heft 17 / 2003
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65-86.
Anschrift des Autors:
Dipl.-Biol. Ralf Heckmann, St Gebhard-Str. 11, D-78467 KONSTANZ
12
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Zur Ausbreitung von Arocatus longiceps STÅL, 1872 (Lygaeidae)
in Mitteleuropa – neue Nachweise am Ober- und Hochrhein
SIEGFRIED RIETSCHEL
Arocatus longiceps STÅL, 1872, eine von Italien bis zum Kaspischen Meer und Israel
verbreitete Lygaeine (Verbreitungskarte in PÉRICART 1998: 172), ist ein progressiver Neubürger
in Mitteleuropa. Seine Einwanderung über Österreich dokumentierten zunächst ADLBAUER &
FRIES (1996) durch Funde in der südlichen Steiermark. Die weitere Ausbreitung der Art bis nach
Wien meldete RABITSCH (1998). Sie dürfte spätestens 1997 erfolgt sein, wie auch eigene Funde in
zahlreichen Anlagen und Parks der Wiener Innenstadt nahe legen. In Tschechien wurde Arocatus
longiceps inzwischen ebenfalls gefunden (STEHLÍK & HRADIL 2000). Auch dort muß die Art
spätestens Ende der 1990er-Jahre eingewandert sein. Die Funde stammen aus Prag (12.02.1999)
sowie aus Lednice und Bøeclav in Mähren (29.12.1999).
Die Verbreitung von Arocatus longiceps in Süddeutschland
Den ersten Nachweis von Arocatus longiceps für Deutschland und Baden-Württemberg hat
RIEGER (1997: 43, Abb. 7) bekannt gemacht. Es handelte sich um fünf Tiere, die am 15.12.1996
im Stadtzentrum von Heilbronn unter der Borke einer Platane gesammelt worden waren. Am
30.10.1997 fand RIETSCHEL (1998) die Art bei Weil am Rhein auf deutschem und schweizer
Gebiet im Bereich der Autobahnraststätte zahlreich unter Platanenborke. Mittlerweile ist die Art
verschiedentlich auch im Basler Stadtgebiet nachgewiesen (u.a. VOIGT mdl. Mitt.).
So kann es jetzt kaum überraschen, daß die Ausbreitung von Arocatus longiceps
fortschreitet, was zahlreiche Nachweise aus jüngster Zeit belegen: Im Stadtgebiet von Karlsruhe
ist die Art spätestens 2001 aufgetaucht, wie ein Einzel-Nachweis von VOIGT vom März 2002
belegt. Seit dem Winter 2002/2003 ist sie in größerer Anzahl an verschiedenen innerstädtischen
Platanen-Standorten zu finden, und sie breitet sich weiter aus: An mehreren Platanen (u.a. im
Nymphengarten und Schloßbezirk), die in den vergangenen Jahren regelmäßig kontrolliert
wurden, ließ sie sich erstmals und in größerer Zahl im Oktober 2003 nachweisen. Die Tiere
verbergen sich einzeln, paarweise oder in kleinen Gruppen von 5-10 Exemplaren unter den
Borkenschuppen, mitunter direkt neben den örtlich massenhaften Ansammlungen von
Corythucha ciliata. So ist sie inzwischen allgemein im Stadtgebiet verbreitet, auch an
Lokalitäten, an denen der Verf. in den letzten Jahren zwar immer wieder einzelne A. roeseli, in
keinem Fall jedoch A. longiceps unter Platanenborke fand. Beide Arocatus-Arten kommen nun im
Winterquartier gelegentlich gemeinsam vor, A. roeseli allerdings nur vereinzelt. An älteren
Funden aus dem Raum Karlsruhe des hier im Stadtgebiet eher seltenen A. roeseli nennt
HECKMANN (1996: 87) lediglich ein Exemplar. Es befindet sich in der Sammlung des Karlsruher
Naturkundemuseums (Ettlingen, leg. NOWOTNY, 14.04.1950).
Für Esslingen und Nürtingen erbrachte RIEGER im Februar 2003 Nachweise von A.
longiceps, teils in Gemeinschaft mit A. roeseli (frdl. Mitt.). Er teilte weiterhin mit, dass A.
longiceps wohl im gesamten mittleren Neckarraum vorhanden sei.
Aus dem Gebiet des Hochrheins bis zum Bodensee übermittelte HECKMANN dem Verf. für
den Winter 2002/2003 Vorkommen von A. longiceps im Ortszentrum von Waldshut (08.12.02)
und im Citybereich von Konstanz am Rheinufer (16.02.03). Für die Fundstelle in Konstanz ist
festzuhalten, dass sich an dieser in den vorhergehenden Jahren A. longiceps ebenfalls nicht
nachweisen ließ, also recht jung eingewandert sein muß. HECKMANN fand die Art außerdem in
Kehl am Rhein (09.02.03). Aus der Innenstadt von Mannheim legte VOIGT dem Verf. ein
einzelnes Exemplar von vor, das er am 26.03.01 sammelte. Im März 2003 konnte G. RIETSCHEL
zahlreiche A. longiceps in Mannheim sammeln; MORKEL (2002) nennt hingegen aus dem Jahr
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
13
1998 nur A. roeseli von Mannheim. Am Oberrhein kommt, über Karlsruhe und Mannheim nach
Norden hinaus, A. longiceps seit 1997 auch in Rheinland-Pfalz vor (Landau, SIMON 2002: 1405,
inzwischen bis nach Guntersblum, mdl. Mitt.).
Das Überwinterungsquartier im Stammbereich von Platanen teilen sich die Arocatus-Arten
mit zahlreichen anderen Wanzen-Arten, die nicht oder nicht vorwiegend auf Platanen leben.
Unter diesen fällt häufig Scoloposthetus pictus (SCHILLING, 1829) auf, der besonders im untersten
Stammbereich von Platanen unter der Rinde verbreitet ist, zumal wenn die Bäume in mit Efeu
durchwachsenen Rabatten stehen, d.h. in recht trockener Umgebung. Schon HÜEBER (1891: 276)
beschrieb den Lebensraum dieser Art u.a. sehr treffend als „... am Fuße der Bäume in sandigen
Gegenden unter Moos und unter losen Rinden ...“. Funde aus angeschwemmtem Genist und die
Angabe bei WAGNER (1966: 160 „... an Ufern und an anderen feuchten Orten ...“) haben dazu
geführt, daß S. pictus in der Literatur häufig feuchte Lebensräume zugewiesen werden. So spricht
HOFFMANN (1998: 14) bei den Funden, die er in Frankfurt unter Platanenrinde machte, von einem
„untypischen Fundort“ und MORKEL (2000: 3) nennt Sc. pictus eine als „hydrophil geltende“ Art.
Der Verf. hält die Art keineswegs für feuchtigkeitsliebend, nachdem er sie überwiegend an sehr
trockenen Standorten im Detritus antraf. Schon in den 50er- und 60er-Jahren fand er sie in
Frankfurt stets am Fuß von Platanen unter der Borke, 1997/98 sogar auf dem damals öden
„Grünstreifen“ der SENCKENBERG-Anlage.
Arocatus longiceps versus Arocatus roeseli
Arocatus longiceps und A. roeseli lassen sich zunächst im Freiland auf Anhieb leicht
erkennen und problemlos vorläufig unterscheiden. A. longiceps ist in der Regel braunrot,
unterseits meist gelblichweiß bis ocker mit undeutlich begrenzter, schwärzlicher Zeichnung,
meist gelbbraunen Fühlern und Beinen und vergleichsweise klein; A. roeseli ist in der Regel
markant rot mit klar begrenzter schwarzer Zeichnung, schwarzen Fühlern und Beinen und
vergleichsweise groß. Die zweifelsfreie Trennung der beiden Arten anhand sicherer Merkmale
fällt jedoch erheblich schwerer, weshalb man die von RABITSCH 1998 ausführlich diskutierten
Bestimmungsmerkmale (Verhältnis Kopflänge zu Scheitelbreite, Färbung, Länge des Rostrums
usw.) stets sehr kritisch an einer ganzen Serie gegenüberstellen sollte. Vergleicht man die
mitteleuropäischen A. longiceps mit Exemplaren aus dem östlichen Mittelmeergebiet, erscheint
ohnehin eine gründliche Revision der Gattung anhand eines umfangreichen Materials
wünschenswert. Nicht ohne Grund hat sich PICCO (1920) durch die variierenden Merkmale in
Morphologie und Färbung dazu verleiten lassen, fünf Varianten von A. longiceps mit eigenen
Namen zu belegen (s. STICHEL (1957: 82), der auch bei A. roeseli Varianten in gleicher Anzahl
unterscheidet). Die Varianten beider Arten sind nach PÉRICART (1998: 168, 171) ohne
taxonomischen Wert.
Arocatus roeseli galt früher als selten (GÜNTHER 1981, RIEGER & STRAUSS 1992,
HOFFMANN 1998). Einzelne Exemplare finden sich aber in SW-Deutschland immer wieder
überwinternd unter Rindenschuppen von Platanen. Auch lassen sich die Tiere bis zum Oktober
mitunter zahlreich von Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) und gelegentlich Grau-Erle (A. incana)
klopfen. Erlen scheinen in Mitteleuropa die ursprünglichen Wirtspflanzen zu sein.
Wahrscheinlich nutzen die an Platanen überwinternden Exemplare auch Platanen als
Wirtspflanze. Darauf hat schon CARAYON (1986) hingewiesen. HOFFMANN berichtet (1998), daß
er im Winter im Labor beobachtete, wie A. roeseli nachts Platanenzweige besaugte. Zeitweise
Massenauftreten von A. roeseli, wie sie CARAYON (1986) und HOFFMANN (1998) im Jahr 1997
beobachteten, haben wahrscheinlich ihren Grund in ganz natürlichen Fluktuationen einer
Population, die unter günstigem Klima ihre Nahrungspflanze in einer weitgehenden Monokultur
vorfindet – hier als Platanen-Alleen in Innenstädten. Das Frankfurter Massenvorkommen von A.
roeseli, von dem HOFFMANN berichtete, war übrigens 1997/98 bereits wieder
zusammengebrochen. In den Folgejahren war A. roeseli nur noch vereinzelt an Platanen der
14
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Frankfurter Innenstadt zu finden. Sie ließ sich übrigens in den 50er und 60er Jahren, als dort der
Verf. und EDMUND E. WOLFRAM sammelten, in Frankfurt nicht nachweisen und scheint sehr
selten gewesen zu sein. GULDE (1921: 370) nennt zwar neben Funden aus der Umgebung
Frankfurts auch einen alten Fund von C. V. HEYDEN als „Frankfurt, Mitte Februar unter
Eichenrinde“, macht jedoch für diesen keine weiteren Angaben.
Für A. longiceps scheinen nun ähnliche ökologische Voraussetzungen zu gelten wie für A.
roeseli. Die Art neigt ebenfalls zu Massenentwicklungen dort, wo an klimabegünstigten
Standorten zahlreiche Platanen angepflanzt sind. Ihre Vermehrungsrate ist offenbar sehr groß und
wahrscheinlich fehlen Freßfeinde. Die Tiere sind außerordentlich lebhaft und werden, falls man
sie in der Winterruhe stört, bei Temperaturen um 0° C bereits munter. Sie können sehr gut
fliegen, was zu einer schnellen Ausbreitung beiträgt, aber wohl nicht allein für die Verbreitung
auf große Distanz und das Überschreiten der Alpen verantwortlich sein kann.
Die Ausbreitung von Arocatus longiceps
Die Einwanderung von Arocatus longiceps in Mitteleuropa fand und findet vermutlich auf
zwei Wegen statt, wie die publizierten Daten sowie die neuen Nachweise am Rhein, Hochrhein
(HECKMANN), in Karlsruhe (RIETSCHEL, VOIGT) und in Rheinland-Pfalz (SIMON) nahe legen. Sie
sind hier mit den auf das Jahr vor der Überwinterung extrapolierten Jahreszahlen des spätesten
wahrscheinlichen Auftretens markiert:
1 Steiermark/Graz (1995, ADLBAUER & FRIES) – Wien, Nieder- und Oberösterreich (1997,
RABITSCH) – Prag und Mähren (1999, STEHLÍK & HRADIL).
Die Herkunft dieser Populationen könnte in den Balkanländern bzw. Griechenland
liegen. Der Holotypus von A. longiceps stammt aus Griechenland (PÉRICART 1998: 170).
2 Dreiländereck Basel/Weil (1997, RIETSCHEL) – Hochrhein bis Bodensee (2002,
HECKMANN) – Kehl am Rhein (2002, HECKMANN) – Karlsruhe (2001, VOIGT,
RIETSCHEL) Mannheim (2000, VOIGT) – Rheinland-Pfalz (2002, SIMON) – punktuelle
Vorkommen im mittleren Neckarraum (1995 Heilbronn, RIEGER; 2002 Esslingen u.
Nürtingen
RIEGER).
Die Herkunft dieser Populationen könnte ihren Ursprung in Norditalien haben, von wo
bei PÉRICART (1998: 173) u.a. die Fundorte Gardasee (HEISS), Padua und Verona (DIOLI)
verzeichnet sind.
Zwar sind die örtlichen Nachweise inzwischen auf gezielte Nachsuche durch Sammler
zurückzuführen und bezeichnen nicht das früheste bzw. erste Auftreten vor Ort, aber es steht
außer Zweifel, daß Arocatus longiceps an den meisten Orten vor 1995 bzw. 1998 noch nicht
aufzufinden war. Das Ausbreitungsmuster der Art und ihr plötzliches Erscheinen an vielen Orten
macht unterschiedliche Szenarien denkbar:
Auf der einen Seite läßt sich die deutliche Erwärmung des mitteleuropäischen Klimas im
ausgehenden 20. Jahrhundert ins Feld führen, mit der das Auftreten zahlreicher Neubürger gerade
bei den Insekten in Verbindung gebracht wird. Eine solche Ausbreitung findet in der Regel nicht
kontinuierlich in kleinen Schritten statt, sondern in Schüben, die durch klimatisch besonders
begünstigende Jahre gefördert werden. In diesem Zusammenhang scheint bemerkenswert, daß
1997 das Massenauftreten von A. roeseli in Frankfurt am Main (HOFFMANN 1998) mit einer
großen Zahl von registrierten Erstnachweisen von A. longiceps zeitlich etwa zusammenfällt.
Massenentwicklung löst ja bei vielen Tierarten Wanderungen und somit einen Schub in der
Ausbreitung aus. Lagen klimatisch 1997 für die zwei Arocatus-Arten optimale Bedingungen für
eine starke Vermehrung, evtl. mit besonders günstigen Überwinterungsbedingungen im Winter
1996/97 vor? War bis zu dieser Zeit A. longiceps auf Platanen bereits sporadisch weiter verbreitet
und hat sich, ebenso wie A. roeseli, 1997 besonders stark vermehrt, wodurch der „Boom“ in den
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
15
Nachweisen erklärbar wird?
Oder sind Zweifel an einer ausschließlich aktiven, natürlichen Ausbreitung von Arocatus
longiceps brechtigt? Es könnte sein, daß bei dieser Art anthropogene Einflüsse vornehmlich
durch eine Verschleppung mittels Verkehrsmitteln, eine wichtige Rolle spielen. Dafür spräche
u.a., daß die Vorkommen bis jetzt auf verkehrsreiche Orte beschränkt sind und teils isoliert
liegen. Zweifellos hat dies damit zu tun, daß Arocatus longiceps wohl vorwiegend auf jenen
Platanen lebt, deren Borke dann auch als Winterquartier dient. PÉRICART (1998) gibt außerdem
Acer, Castanea, Carpinus und Tilia als Wirtsbäume an. So besteht zwar die Möglichkeit, daß sich
die Art auch über Siedlungen und mit Platanen bepflanzte Areale hinaus ausbreitet. Doch
schaffen Platanen in Anlagen und Alleen sicherlich die besten Voraussetzungen für eine erste
Ansiedlung und Ausbreitung, bis hin zu Massenvorkommen. Platanen sind im 17. Jahrhundert aus
Nordamerika (Platanus occidentalis L.) und dem Balkan und östlichen Mittelmeergebiet (P.
orientalis L.) in mitteleuropäische Parks und Gärten eingeführt worden. Seit dem 18. Jahrhundert
spielen sie in Süddeutschland als Alleebäume eine Rolle, meist als Bastard der beiden genannten
Arten (P. hybrida BROT.). Da Platanen an vielen Orten in großer Zahl als Schattenspender auf
Park- und Rastplätzen sowie an Bahnhöfen angepflanzt sind, bieten sich die dort vorübergehend
abgestellten Fahrzeuge ungezielt Insekten als Transportmittel an. Das gilt insbesondere für Tiere,
die sich auch außerhalb der Diapause gerne in Ritzen verstecken wie z.B. Arocatus oder auch
Orsillus, die dann ggf. in den Planen von Lastkraftwagen über große Distanzen verschleppt
werden können. Verschiedentlich konnte der Verf. in den 80er-Jahren im Rhônetal Corythucha
ciliata von Fahrzeugen absammeln. Bei Corythucha liegt nahe, dass sie (auch) über den Straßenund Eisenbahnverkehr über die Burgundische Pforte in das Oberrheingebiet eingeschleppt wurde.
Bei Arocatus longiceps wäre u.U. eine Verschleppung als Blinder Passagier über die Alpen in
Betracht zu ziehen.
Unabhängig vom Ausbreitungsmechanismus – sei er anthropogen beeinflusst oder nicht –
bietet sicherlich neben der Nahrung zunächst das örtliche Klima die wichtigste Voraussetzung für
eine dauerhafte Ansiedlung der Art. Man sollte allerdings aus der Tatsache der Einwanderung
wärmeliebender Arten in Städte keine voreiligen Rückschlüsse auf generelle Klimaänderungen
ziehen. Zunächst ist die Ansiedlung im innerstädtischen Bereich lediglich ein Hinweis auf ein
begünstigendes Klima in der Stadt bzw. im Ballungsraum menschlicher Siedlungen, in dem für
Arocatus zudem eine ursprünglich nicht heimische Wirtspflanze häufig als Park- und
Straßenbaum angepflanzt ist. Am Beispiel von Corytucha ciliata wird jetzt bereits erkennbar,
dass in Deutschland eine Ausbreitung dieser Art über die klimabegünstigten Innenbereiche von
Städten hinaus bisher kaum oder nur sehr langsam erfolgt. Es bleibt abzuwarten, ob die
Ausbreitung von A. longiceps in Zukunft hierzu Parallelen aufweist.
Arocatus longiceps ist im Winterquartier unter Borkenschuppen von Platanen leicht
nachzuweisen. Die Art bietet sich somit sehr gut als Beispiel eines sich in Mitteleuropa
offenkundig schnell ausbreitenden Neubürgers an. Es wäre deshalb von großem Interesse, wenn
an möglichst vielen Orten jährlich zwischen Oktober und März überprüft würde, ob vor Ort eine
Population von A. longiceps vorhanden ist und, wenn ja, wie sie sich weiterentwickelt. Dabei läßt
sich auch die weitere Ausbreitung von Corytucha ciliata dokumentieren. Diesbezügliche
Meldungen nimmt der Autor gerne entgegen.
Dank: Für Hinweise und Material danke ich sehr herzlich den Kollegen Dipl. Biol. RALF
HECKMANN, Prof. Dr. GEORG PHILIPPI, Dr. CHRISTIAN RIEGER, Dr. GERHARD RIETSCHEL, Dipl. Biol.
HELGA SIMON und Rektor i.R. KLAUS VOIGT.
Literatur
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Deutschlands 54, 6 + 235 S., 149 Abb.; Jena.
Anschrift des Autors:
Prof. Dr. Siegfried Rietschel, Waldrebenweg 6, D-76149 KARLSRUHE. –
e-mail: [email protected]
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
17
Vorarbeiten zur Erstellung einer kritischen Check-Liste der Wanzen
Österreichs
WOLFGANG RABITSCH
Die Geschichte der Wanzenerforschung in Österreich nach CARL VON LINNÉ beginnt mit
NIKOLAUS PODA VON NEUHAUS (1723-1798), der in seiner "Insecta Musei Graecensis" im
Jahre 1761 mehrere Wanzen aus der Grazer Umgebung erwähnt und neu beschreibt, von
denen vier auch heute noch gültig sind: Rhynocoris iracundus (PODA, 1761), Palomena
viridissima (PODA, 1761), Carpocoris pudicus (PODA, 1761) und Rhaphigaster nebulosa
(PODA, 1761). Obwohl sich seither mehrere Entomologen mit Wanzen in Österreich
beschäftigt haben, wurde bislang noch keine Liste der in Österreich vorkommenden Arten
publiziert. Im Auftrag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wird nun erstmals
eine Checkliste der Wanzen Österreichs erstellt. Dazu wurden unsichere oder zweifelhafte
Angaben durch kritische Bearbeitung der Original-Literaturangaben und der Original-Belege
in verschiedenen Museen und Sammlungen überprüft (zusammenfassende Darstellung bei
RABITSCH 2003a).
Unsichere, zweifelhafte oder irrtümliche Angaben können verschiedene Ursachen haben
(z.B. geopolitische Änderungen, taxonomische Änderungen, Fehldeterminationen). Die
bewegte Geschichte Österreichs hat zu mehrfachen geopolitischen Änderungen geführt, die
bei der Auswertung historischer Literaturangaben zu berücksichtigen sind. So wird z.B. Tingis
marrubii VALLOT von PÉRICART (1983) anhand eines historischen Exemplares aus Feldsberg
in Niederösterreich gemeldet. Diese Meldung wird im Katalog der Paläarktischen
Heteropteren (PÉRICART & GOLUB 1996) und im Verzeichnis der mitteleuropäischen Wanzen
(GÜNTHER & SCHUSTER 2000) für Österreich übernommen. Allerdings liegt Feldsberg (das
heutige Valtice) seit Ende des 1. Weltkrieges in der Tschechischen Republik.
Von den sechs im Katalog (KERZHNER & JOSIFOV 1999) und im Verzeichnis (GÜNTHER
& SCHUSTER 2000) für Österreich genannten Arten der Gattung Megalocoleus REUTER
kommen nur drei mit Sicherheit in Österreich vor: M. exsanguis (H.-S.), M. molliculus
(FALL.) und M. tanaceti (FALL.). Die drei übrigen Arten sind aus unterschiedlichen Gründen
aus einer kritischen Liste der Wanzen Österreich zu streichen (M. confusus WAGNER taxonomische Änderung; M. hungaricus WAGNER - geopolitische Änderung; M. mellae
(REUTER) - Verwechslung).
Die meisten der in jüngerer Zeit erstmals in Österreich festgestellten Arten sind
mediterraner Herkunft. Allerdings handelt es sich nur bei wenigen Arten um eine (vermutete)
natürliche Arealerweiterung (z.B. Amblytylus macedonicus), die meisten Arten wurden bisher
übersehen (z.B. Psallus anaemicus) oder gelangen durch direkte oder indirekte anthropogene
Unterstützung ("Neozoen") nach Österreich (z.B. Oxycarenus lavaterae). Das Auftreten
weiterer Wanzen-Neozoen ist zu erwarten, z.B. für die im Jahr 2000 von Nordamerika nach
Norditalien (Lombardei und Piemont) verschleppte, an Eichen lebende Corythucha arcuata
(Tingidae).
Mit Ausnahme von Kärnten gibt es für Österreich keine Bundesländer-Checklisten. Eine
erste Zusammenstellung der verfügbaren Daten (Abb. 1) zeigt die höchsten Artenzahlen für
die pannonisch beeinflußten Bundesländer Niederösterreich, Wien und Burgenland.
Bemerkenswert sind die über 500 Wanzenarten innerhalb des Bundeslandes Wien, wo auf nur
0,5% der österreichischen Landesfläche rund 55% der Wanzenarten Österreichs vorkommen
(vgl. RABITSCH 2003b).
18
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Abb. 1. Wanzenartenzahlen für die österreichischen Bundesländer (Stand: August 2003) und angrenzende
Regionen.
Eine erste Bilanz ergibt insgesamt 906 für Österreich bekannte Wanzenarten (Stand:
August 2003). In dieser Zahl sind 19 Arten enthalten, die bisher noch nicht durch einen
überprüften Beleg verifiziert werden konnten. Diese Arten kommen aber aufgrund der
bekannten Verbreitung und besiedelten Lebensräume mit großer Wahrscheinlichkeit in
Österreich vor. Abzüglich dieser unbestätigten Arten sind 887 Wanzenarten für Österreich
bekannt. Wie der Vergleich mit den umliegenden Regionen zeigt, bedingt die besondere
geographische Lage Österreichs zwischen Alpen und pannonischer Steppenlandschaft - wie
auch für andere Tiergruppen bekannt - einen außergewöhnlichen Artenreichtum, um dessen
Schutz wir uns alle weiterhin und verstärkt bemühen sollten.
Literatur
GÜNTHER, H. & SCHUSTER, G. (2000): Verzeichnis der Wanzen Mitteleuropas (Insecta: Heteroptera) (2.
überarbeitete Fassung). - Mitt. internat. entomol. Ver. Supplement VII, 1-69.
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Catalogue of the Heteroptera of the Palaearctic Region. - Vol. 2, 3-78, Netherlands Entomological Society,
Amsterdam.
RABITSCH, W. (2003a): Annotations to a check-list of the Heteroptera of Austria. - Ann. Nat. Hist. Mus. Wien,
im Druck.
-,- (2003b): Beitrag zur Kenntnis der Wanzenfauna von Wien (Insecta, Heteroptera). - Linzer biol. Beitr., im
Druck.
Anschrift des Autors:
Dr. Wolfgang Rabitsch, Institut für Zoologie der Universität Wien, Althanstraße 14, A-1090
Wien, Österreich,
e-mail: [email protected], http://mailbox.univie.ac.at/wolfgang.rabitsch
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
19
Ein bedenklicher Insektensammler
KLAUS VOIGT
Zusammenfassung:
Der Bodensatz einer sog. „Schnakenlampe“ zeigte, daß sie unselektiv vorwiegend Schmetterlinge und
Käfer fängt. Es könnte aber sein, daß Mücken fast vollständig verbrennen. Die Verwendung solcher Lampen ist
abzulehnen.
Abstract:
In the bottom of a „lamp against midges“ there were mainly parts of Lepidoptera and Coleoptera. Perhaps
midges are totally burned. These lamps catch insects unselectively. They are not recommended.
Vor einigen Wochen ergab sich die Gelegenheit, die elektrische „Schnakenlampe“ eines
Bekannten zu inspizieren. Viele Abende lang leuchtete sie im Mai und Juni auf dem Balkon,
um die lästigen Schnaken zu vertreiben. Mit ihrem hellen gedämpften Licht lockte sie die
stechlustigen Mücken an, die dem Lichte zustrebten. Vor der Leuchtröhre ist allerdings eine
Heizwendel angebracht. Sie tötet durch ihre Hitze die anfliegenden Quälgeister ab. So kann
der Betreiber in Ruhe und unbelästigt auf dem Balkon sitzen und den Abend genießen.
Ich konnte den „Bodensatz“ dieser Schnakenlampe untersuchen. Ein Wirrwarr von
verbrannten und verstümmelten Insekten lag vor mir. In der Regel waren nur noch einzelne
Insektenteile, die der Verbrennung entgangen waren, vorhanden. Fast kein Tier blieb
vollständig erhalten. Schon der erste Blick zeigte, daß die Schmetterlingsreste überwogen.
Beim Auslesen bestätigte sich, daß diese „Schnakenlampe“ ihren Namen zu unrecht trug. Nur
etwa 5 % der Insekten waren Schnaken (= Mücken). Die übrigen Insektenleichen gehörten zu
verschiedenen Insektenordnungen. Ich schätzte, daß die verschiedenen Insektenteile zu etwa
200-300 Insekten gehörten. Folgende (ca.) Zahlen verdeutlichen, was sich angesammelt hatte.
Die Reste ließen folgende Gruppen zuordnen:
etwa :
100 großen Nachfalter
5 Tagfalter
30 Kleinschmetterlinge (‚Motten‘)
10 Wespen
5 große Erdschnaken
10 Florfliegen
10 Weichkäfer
20 Kleinkäfer
10 Fliegen
10 Mücken
und keine Wanze!!!
Die obige Aufstellung zeigt deutlich, daß diese Lampe ihre Aufgabe, Schnaken (=
Mücken) zu fangen und abzutöten, nicht erfüllt. Ihr Anteil am Bodensatz war viel zu gering.
Man kann allerdings nicht ausschließen, daß diese Lampe mehr Schnaken angelockt hat, als
sich Spuren im Bodensatz gefunden haben. Da Mücken einen relativ zarten Körperbau haben,
läßt sich nicht ausschließen, daß sie bei Berührung der Heizwendel fast vollständig
verbrannten und nur die Reste der größeren und robusteren Insekten sich am Boden
angesammelt haben .
Die obige (unvollständige) Artenzusammenstellung beweist, daß diese Lampe nicht
selektiv fängt. Die hohe Anzahl von harmlosen, nützlichen, aber nachtaktiven
20
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Schmetterlingen, Käfern, Florfliegen, u.a.m. verbietet geradezu ihre Verwendung. Diese
Lampe macht keinen Unterschied zwischen nützlichen und schädlichen, zwischen häufigen
und sehr seltenen Fluginsekten. Sie ist deshalb strickt abzulehnen.
Die zahlreichen sonstigen künstlichen Lichtquellen locken zwar ebenfalls unselektiv
Insekten an, doch werden sie im allgemeinen dabei nicht systematisch abgetötet. Viele Städte
und Gemeinden sind schon dazu übergegangen, die starken weißstrahlenden Straßenlampen
durch gelbe Quecksilberdampflampen, die insektenfreundlich sind, zu ersetzen.
Ein Entomologe, der derart wahllos Insekten sammelte, wie es diese Schnakenlampe tut,
würde bestraft werden. Selbst wenn ein Entomologe ab und zu Lichtfang betreibt, so
entnimmt er dabei nur eine sehr geringe Anzahl der anfliegenden Insekten. Danach löscht er
seine Lampe, damit die durch das Licht angelockten „Fremdinsekten“ wieder entweichen
können.
Solche unselektiven „Schnakenlampen“ sollten generell verboten werden, da sie den
angestrebten Zweck, nur Schnaken zu töten, nicht erfüllen. Sie töten eine große Anzahl
nützlicher und harmloser Insekten und tragen zur Verarmung unserer Insektenwelt bei.
Mir ist nicht bekannt, ob selektive „Schnakenlampen“ auf dem Markt angeboten werden.
Ich möchte zum Schluß noch anmerken, daß mein Bekannter, als er das Fangergebnis seiner
Lampe hörte, diese abschaltete und nicht mehr weiter betrieb.
Anschrift des Verfassers:
Klaus Voigt, Forellenweg 4, D-76275 ETTLINGEN.
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
21
Weitere Fundorte der Neozoe Stephanitis takeyai in Westdeutschland
(Hemiptera-Heteroptera: Tingidae)
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Seitdem im Juni 2003 die neozoische Art Stephanitis takaeyai erstmals in Deutschland
nachgewiesen wurde (HOFFMANN 2003), mehren sich die Fundmeldungen. Gemeldet wurden
zwischenzeitlich Funde aus Niedersachsen und Bremen (HOMMES, WESTHOFF & MELBER 2003).
Aber auch in NRW scheint die Art weiter verbreitet zu sein als zunächst angenommen. So konnte
WERNER mir freundlicherweise eine Fundmeldung aus einem privaten Vorgarten mit älterem
Pieris japonica-Pflanzenbestand in Bergisch Gladbach-Refrath mitteilen.
Ich selbst konnte in der Zwischenzeit die Art im Japanischen Garten im Nordpark in
Düsseldorf am 23.09.2003 ebenfalls an Pieris japonica-Pflanzen in starker Population
beobachten. Da diese Einrichtung 1975 angepflanzt wurde, kann auch hier – wie schon früher für
den Japanischen Garten in Bonn diskutiert (HOFFMANN 2003) – nicht ausgeschlossen werden, daß
die Einschleppung bereits bei der Anpflanzung erfolgt ist. Anläßlich des Westdeutschen
Entomologentages am 22.11.03 im anschließenden Aquazoo und LÖBBECKE-Museum im
Düsseldorfer Nordpark konnten mehrere Heteropterologen ebenfalls dort an mehreren Stellen
noch Imagines sammeln.
Auch an der Fundstelle in Bonn konnten noch am 15.10.2003 vereinzelt Imagines und
Larven an Blättern in Bodennähe abgesammelt werden.
Angeregt durch ein Einzeltier nebst Blatt, das Herr O. WINK (Student), mit der Notiz „
Botanischer Garten“ (= Flora Köln) im Zoologischen Institut Köln am 29.10.2003 einlieferte,
konnte ich bei Nachsuche auch im Forstbotanischen Garten der Stadt Köln an den sehr
zahlreichen, z.T. über mannshohen Pieris japonica-Sträuchern am 02.11.2003 auf Anhieb das
Schadbild feststellen und zahlreiche Einzeltiere auf den Blattunterseiten auffinden. Der
Forstbotanische Garten wurde 1964 angelegt und weist - nach Gebieten, Themen oder Baumarten
in jeweils größeren Individuenzahlen geordnet - einen sehr abwechslungsreichen Pflanzenbestand
auf. Im japanischen Teil, aber auch an verschiedenen Wegen sind zahlreiche Pieris japonicaSträucher angepflanzt, die überwiegend befallen sind.
Beinahe sieht es so aus, daß man nach einem Erstfund oft eine Art überall entdeckt, wenn
man nur dorthin gelangt: So konnte ich anläßlich der jahreszeitlich bedingten Friedhofsbesuche
am 06.12.03 St. takeyai auch in Mülheim-Ruhr (Friedhof Mülheim-Ruhr-Dümpten) und Essen
(Essen, Südwest-Friedhof) auf div. Gräbern in Mengen an Pieris japonica absammeln. Auch in
der Gruga in Essen (1929 angelegt, 1965 grundlegend neu gestaltet), die mir als ein sehr
ergiebiger Fundort von St. oberti und(!) St. rhododendri bekannt war, konnten am gleichen Tag
auf den dort angepflanzten Pieris japonica-Sträuchern trotz der späten Jahreszeit (bisher ohne
stärkere Frosttage!) zahllose Imagines, aber keine Larven mehr gesammelt werden, vereinzelte
Tiere auch auf benachbarten Rhododendron-Blättern. Die Rhododendren selbst weisen an diesem
Standort die typischen Schadbilder von Rhododendron-Wanzen auf, Tiere dieser Arten konnten
allerdings nicht mehr gefunden werden. Nach der Veröffentlichung von HOMMES et al. (2003)
existiert also neben Bremen und Braunschweig weiter im Norden speziell im Köln-Bonner Raum
ein starker überregionaler Befallsherd durchgehend vom Ruhrgebiet (Essen, Mülheim) über
Düsseldorf und Köln bis Bonn.
In wie weit auch am Oberrhein die Art bereits vorkommt, bleibt abzuwarten, nachdem
HECKMANN im Gespräch eine Fundmeldung in Aussicht stellte.
Nachdem bereits BAUFELD von der Biol. Bundesanstalt Kleinmachnow (2002) um Meldung
von Vorkommen bat, und nunmehr seitens HOMMES et al. (2003) zumindest sofortige
22
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Bekämpfungsmaßnahmen empfohlen werden, ist zu überprüfen, ob angesichts des zahlreichen
und massiven Auftretens der Art in N- und W-Deutschland eine Wiederausrottung überhaupt
noch möglich ist. Fund-Meldungen erscheinen natürlich im Hinblick auf faunistische und
ökologische Aussagen und Verfolgen einer evtl. Ausbreitung wünschenswert. Im Hinblick auf
eine – mir aussichtslos erscheinende - Bekämpfung eines als Neozoon aufgetretenen Schädlings
an ebenfalls eingeführten Zierpflanzen – ohne irgendeine besondere wirtschaftliche Bedeutung
für Ernährung o.ä. – stellt sich die Frage, in wie weit - außer Einfuhrkontrollen beim Handel mit
der Wirtspflanze Pieris japonica - Bekämpfungsmaßnahmen (ggf. sogar von Öffentlicher Hand,
also mit Steuergeldern initiiert) überhaupt zu verantworten sind. Eine Gefahr für einheimische
Pflanzen ist nicht zu erkennen. Selbst das Übergreifen der Art auf Rhododendren (s.o.) ist in
Frage zu stellen. Zweifelsohne finden sich Tiere auch an üblicherweise benachbart angepflanzten
Strauch- und Baum-Arten. Ob aber dort eine längerfristige Entwicklung – mit Schäden an den
Pflanzen - möglich ist, muß erst noch geprüft werden. Und an eine Bekämpfung z.B. der
Rhododendronschädlinge aus der Gruppe der Wanzen (Stephanitis rhododendri und St. oberti)
und Zikaden (Graphocephala fennahi) denkt ja m.W. auch seit langem kein Amt mehr.
In der Arbeit von HOMMES et al. (2003) finden sich im übrigen sehr gute Farbfotos von den
mit Stephanitis takeyai evt. gemeinsam vorkommenden bzw. zu verwechselnden RhododendronGitterwanzen St. oberti und St. rhododendri (Larvenabbildung leider nur von St. rhododendri).
Literatur
BAUFELD, P. (2002): Die Andromedanetzwanze (Stephanitis takeyai) – ein neuer Schädling an Ziergehölzen. –
Nachrichtenbl. Deutscher Pflanzenschutzd. Stuttgart 54, 318-319.
HOFFMANN, H.J. (2003): Die Gitterwanze Stephanitis takeyai DRAKE & MAA, 1955 neu für Deutschland
(Hemiptera-Heteroptera, Tingidae). – Heteropteron H. 16, 20-23.
HOMMES, M, WESTHOFF, J. & MELBER, A. (2003): Andromeda-Netzwanze, Stephanitis takeyai DRAKE & MAA
(Heteroptera: Tingidae) erstmals für Deutschland nachgewiesen. – Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd. 55,
174-177.
Anschrift des Autors:
Dr. H.J. Hoffmann, Zoologisches Institut der Universität, Weyertal 119, D-50931 KÖLN
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
23
Zur Ausbreitung der Platanengitterwanze Corythucha ciliata in Köln –
Jahresbericht 2003 (Hemiptera-Heteroptera: Tingidae)
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Ende 2002 konnte die als Neozoe in Deutschland seit 1983 vorkommende Art Corythucha
ciliata, die Platanengitterwanze erstmalig in Köln in sehr starker Populationsdichte am
Bundesbahnhof Köln –Deutz nachgewiesen werden. (Ein Kölner Einzelfund aus 2001 konnte
nicht zugeordnet werden. Aber auch am vorgenannten Standort ist die Art mit ziemlicher
Sicherheit zumindest schon in den vorangegangenen Jahren eingeschleppt worden.)
Durch die für den Autor günstige Lage des Befallsherdes bietet sich letzterer zur
Beobachtung der zu erwartenden lokalen Ausbreitung an. Soweit möglich soll daher jeweils am
Ende einer Vegetationsperiode über den Ausbreitungsstand berichtet werden.
Am 15.10.2003 wurden die 4 bereits in der Arbeit von 2003 genannten Platanen in KölnDeutz überprüft, mit dem Ergebnis, daß die Blattschäden wieder für ein sehr starkes Vorkommen
der Art sprechen. Auf den Blättern fanden sich nur noch vereinzelte Larvengruppen und fast keine
adulten Einzeltiere mehr. Unter den Rindenschuppen konnten wieder - in gleicher Stärke wie
2002 – unzählige überwinternde Individuen nachgewiesen werden.
Eine Überprüfung von abseits stehenden, 2002 noch nicht befallenen Bäumen ergab auch in
diesem Jahr noch keine sichtbaren Blattschäden. Allerdings konnten unter den Rindenschuppen
zahlreicher benachbarter Platanen (s. Abb. 1) regelmäßig und zahlreich einzeln überwinternde
Wanzen nachgewiesen werden. Die Entfernung vom Ursprungs-Befallsherd betrug max. 150 m.
(s. Abb. 1). Auf jenseits der Bundesbahntrasse stehenden Platanen fanden sich noch keine Tiere.
Aus dem sonstigen Stadtgebiet von Köln konnten weder durch eigene Beobachtung noch
durch Hinweise aus der Bevölkerung Infektionsherde festgestellt werden.
PS. Der von mir im HETEROPTERON H. 15 gebrachte Beitrag (HOFFMANN 2003a) wurde zwischenzeitlich in
einer nur leicht abgewandelten Form in den Entomologischen Nachrichten und Berichten (HOFFMANN 2003b)
veröffentlicht, um das Vorkommen einem breiteren Beobachter-Kreis und nicht nur den Heteropterologen
bekannt zu machen.
Literatur
HOFFMANN, H.J. (2003b,a): Die Platanengitterwanze Corythucha ciliata (SAY, 1872) erreicht den Niederrhein
(Heteroptera). – Entomologische Nachrichten und Berichte 47, 67-70 + Umschlagfotos
bzw. Heteropteron H. 15, 25-30.
Anschrift des Autors:
Dr. H.J. Hoffmann, Zoologisches Institut der Universität, Weyertal 119, D-50931 KÖLN
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HETEROPTERON Heft 17 / 2003
-
+
Abb. 1: Luftaufnahme Bundesbahnhof Köln-Deutz mit Umgebung: links der Rhein.
*** Platanen mit Erstbefall, +++ Platanen mit überwinternden Einzeltieren von Corythucha ciliata,
--- Platanen ohne Befund
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
25
Probleme bei der Zucht von Holotrichius tenebrosus BURM.
PETER KOTT
Der Aufbau einer Zucht beginnt mit der Paarung adulter Tiere. Und genau hier liegen
die Probleme bei Holotrichius tenebrosus:
In den Jahren 2002 und 2003 habe ich 47 Paarungsversuche durchgeführt. Davon
führten fünf am Ende wirklich zu einer Kopulation.
2002 paarten sich ♂ 76/01 und ♀ 67/01 sowie ♂ 71/01 und ♀ 87/01. Das ♀ 67/01 legte
vom 15.06.02 bis zum 21.07.02 insgesamt 276 Eier und das ♀ 87/01 legte vom 13.06.02 bis
zum 16.08.02 insgesamt 375 Eier. In beiden Fällen waren alle Eier unbefruchtet und
entwickelten sich nicht.
2003 paarten sich ♂ A0/03 und ♀ 40/01, ♂ K5/03 und ♀ K4/03 sowie ♂A3/03 und ♀
16/01. ♀ 16/01 und ♀ K4/03 legten bis zu ihrem Tod keine Eier. ♀ 40/01 legte insgesamt 15
unbefruchtete Eier.
Die mit K und A bezeichneten adulten Tiere stammen aus der Natur, die anderen sind in
meiner Zucht aus Eiern hervorgegangen, die von Wildfängen stammen.
Weshalb die Eier unbefruchtet blieben ist unklar. Bei Zuchtversuchen mit anderen
Heteropteren (Nabiden und Reduviiden) traten solche Probleme nicht auf.
Der größte Teil der Paarungsversuche, nämlich 30, führte durch Desinteresse der Partner
aneinander nicht zur Kopulation. Manchmal liefen das Männchen oder das Weibchen,
manchmal auch beide gleichzeitig beim Zusammentreffen voreinander weg. Meistens jedoch
liefen die Männchen davon. Manchmal trafen sich die Tiere so als wäre der Partner ein toter
Gegenstand, über den man hinwegklettert oder an dem man achtlos vorbeigeht. Und
manchmal drohten das Männchen oder das Weibchen dem jeweiligen Partner durch Anheben
der Vorderbeine.
Aber 12 der 47 Paarungsversuche endeten in wilden Kämpfen, bei denen ich mehrmals
einschritt, um die Männchen zu retten. Denn in vier Fällen waren die sowohl langflügeligen
wie kurzflügeligen Männchen blitzartig vom Weibchen gestochen worden und sofort tot. Sie
wurden anschließend wie eine Beute ausgesaugt. Solch ein Kannibalismus unter adulten
Tieren ist mir bisher nicht bekannt gewesen. Offensichtlich fehlte den Männchen das Signal
„Paarungspartner“. Bei Spinnen kennt man so etwas. Hier entwickeln die Männchen spezielle
Signale, um der Verwechslung als Beute zu entgehen. Möglicherweise braucht Holotrichius
tenebrosus mehr Platz im Zuchtgefäß, damit das Männchen sein artspezifisches
Annäherungsverhalten entwickeln kann.
Auch von Gottesanbeterinnen kennt man dieses Verhalten, das hier als „sexueller
Kannibalismus“ bezeichnet wird (HEVERS & LISKE 1991, S. 26). Bei den Männchen ist ein
spezielles Werbeverhalten zu beobachten, um nicht als Beute zu enden.
Bei Holotrichius tenebrosus konnte ich bis jetzt noch kein Verhaltensmuster bei den
Männchen erkennen, das einem speziellen Werbeverhalten entspricht. Allerdings zeigen die
Weibchen bei der Paarung ein Verhalten, das bei Spinnen als „Paarungsstarre“ bekannt ist
(BELLMANN 2001, S. 24), denn sie bleiben während der ganzen Paarung in einem thanatoseähnlichen Zustand. Sobald sie sich bewegen, wird das Ende der Paarung herbeigeführt.
Über Hinweise, die mir bei der Erklärung oder Beseitigung der beiden Probleme helfen
könnten, würde ich mich sehr freuen.
Literatur
BELLMANN, H. (2001): Kosmos-Atlas Spinnentiere Europas. – Stuttgart., 304 S..
26
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
HEVERS, J. & LISKE, E. (1991): Lauernde Gefahr. Das Leben der Gottesanbeterinnen. – Staatl. Naturhistorisches
Museum Braunschweig (Hrsg.), 67 S.
Anschrift des Autors:
Peter Kott, Am Theuspfad 38, D-50 259 PULHEIM
Betr.: Holotrichius tenebrosus BURM.
Um über die Verbreitung genauere Aussagen machen zu können, bin ich auf die Mitarbeit von
Kollegen angewiesen. Vielleicht hat der eine oder andere in seiner Sammlung Holotrichius
tenebrosus BURM. stecken und kann mir die Fundangaben mitteilen.
Informationen bitte an:
Peter Kott
Am Theuspfad 38
D-50 259 PULHEIM
Abb.1: Holotrichius tenebrosus BURM., ♂ (oben) und ♀ (unten)
(Fotos: P. KOTT)
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
27
Ein Massenvorkommen von Arocatus in der Schweiz
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Anläßlich des Beitrags von RIETSCHEL im vorliegenden Heft erinnerte ich mich an ein
unfertiges Manuskript, das seit längerem in meinem PC auf die Endfassung wartete. Hier nun eine
Ergänzung zu dem vorgenannten Beitrag.
RIETSCHEL berichtete im HETEROPTERON H. 4 / 1998 von einem Vorkommen der Art
Arocatus longiceps STAL, zusammen mit A. roeseli SCHILLING in Weil am Rhein als Nachweis
für Deutschland und zumindest im Grenzgebiet der Schweiz. Es war daher zu erwarten, daß
nach den zahlreichen Nachweisen der erstgenannten Art aus Österreich A. longiceps auch in
der Schweiz häufiger auftreten würde. Anläßlich der Entomologentagung in Basel
(3-Ländertagung der DGaaE, SEG und OEG mit der SIIEC, vom 14.-19.03.99) habe ich daher
die ortsansässigen Platanen untersucht und wurde bereits nach wenigen Minuten in der
Innenstadt an der ersten Platane mit 6 Individuen von Arocatus spec. fündig. Es folgte eine
längere Durststrecke, bis ich schließlich im Innenhof des Kollegiengebäudes der Universität
auf einer der beiden dort stehenden, sehr großen/alten Platanen weitere Tiere sammeln konnte.
Da die Art auf den ersten Blick recht zahlreich vorkam, versuchte ich eine grobe
Häufigkeits-Abschätzung. Unter den Borkenschuppen von ca. 1 m2 Stamm (der ja nur ± zur
Hälfte mit losen Schuppen bedeckt war) überwinternde Tiere ließ ich in einen Plastikbeutel
"rieseln". [Schließlich will man ja vor den Augen von theoretisch 500 Entomologen und div.
Universitätsmitarbeitern nicht unnötig viel Aufsehen erregen! Glauben doch immer wieder
vor allem Laien, daß das Entfernen der losen Borkenstücke die Platanen schädigt oder ihnen
zumindest "weh tut"!] Dabei flogen, trotz des relativ frühlingshaft-kühlen Wetters etliche
Tiere weg, andere fielen neben den Beutel, so daß die wirkliche Zahl noch deutlich höher
gelegen hat. Trotzdem konnte ich später ca. 1.000 Individuen von 1 rn2 Rinden-Oberfläche, in
Körperhöhe auf der S-Seite des Baumes gelegen, auszählen.
Es ist bekannt, daß Neozoen (d.h. Tiere, die nach 1492 durch (in)direkte Mithilfe des
Menschen in ein Gebiet eingeschleppt wurden) oder Arealerweiterer (die z.B. durch
Klimaänderungen ihre Verbreitungsgrenze ausdehnen konnten) anfangs in neubesiedelten
Gebieten zu Massenvorkommen neigen, wobei bei vielen Arten später ein Rückgang der
Befallsstärke zu beobachten ist. Häufig fehlen dann Zahlen aus der Vergangenheit: Evtl.
vorhandene Tagebuchaufzeichnungen überleben selten den Sammler, werden noch seltener
später ausgewertet, und auch Belegexemplare in einer Sammlung geben in der Regel keinen
Aufschluß über die jeweilige Häufigkeit zum Zeitpunkt des Aufsammelns. Daher sollten viel
öfter Kurzmitteilungen veröffentlich werden, da nur sie mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit später berücksichtigt werden. - Und noch viel sinnloser sind die üblichen,
beiläufig hingestreuten mündlichen Bemerkungen freundlicher Kollegen, daß man die Art
„auch überall, und zwar schon seit viel längerer Zeit“ beobachtet/gesammelt hat. Das
umfangreiche, eingesammelte Material aus Basel erlaubte die Überprüfung des
Determinationsmerkmals, das RABITSCH (1998) für das österreichische Vorkommen angibt:
das Verhältnis Kopfmediane-Länge zu Zwischenaugenbreite lag praktisch bei allen
vermessenen Individuen bei 1,2, bei Material von Frankfurt von A. roeseli bei 1,1, so daß es
sich in Basel z.T., und zwar bei ca. 2/3 - um eine Population von A. longiceps handelte. Eine
kleinere Anzahl von Tieren entspricht entsprechend den Kriterien von RIETSCHEL A. roeseli,
d.h. rot mit schwarzer Zeichnung, schwarzen Beinen und Antennen. Allerdings gibt es auch
eine größere Zahl gelbbrauner Tiere mit schwarzen Beinen und Antennen, sowie roter Tiere
mit gelbbraunen Beinen und Antennen, für die die Merkmale von RIETSCHEL in der Praxis
28
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
zumindest nicht greifen. Auch die Angaben von RIETSCHEL mit der Zahl 1,4-1,5 bedürfen
einer Überprüfung. Die Farbmerkmale bei meinem Material von Frankfurt waren dagegen
klarer: Die Tiere von A. roeseli (s. Massenvorkommen in Frankfurt/Main 1997 (HOFFMANN
1998); auch im Winter 1998 bestätigt) waren deutlich rot mit schwarzer Zeichnung.
Literatur
s. im Artikel von RIETSCHEL in diesem Heft
Anschrift des Autors:
Dr. H.J. Hoffmann, Zoologisches Institut der Universität, Weyertal 119, D-50931 KÖLN
Berichtigung betr. Cremnocephalus
MARTIN GOSSNER
Aufgrund der falschen Genitalzeichnungen in WAGNER, durch die auch ein Kollege bei der
Nachbestimmung auf die falsche Fährte kam, ist der Fund von Cremnocephalus albolineatus, der
in meinem Beitrag im Heteropteron H. 15 erwähnt ist, in Wirklichkeit Cremnocephalus alpestris.
Anschrift des Autors:
Dipl. Biol. MARTIN GOSSNER, Lehrstuhl für Landnutzungsplanung und Naturschutz, Fakultät
Wissenschaftszentrum Weihenstephan / TU München, Am Hochanger 13, D-85354 FREISING
Kleinere Fundmeldungen
In den Jahren nach einer gründlicheren Bearbeitung eines Gebietes werden oft einzelne
Funde gemacht, die dann üblicherweise nicht mehr zugeordnet und/oder veröffentlicht
werden. Sie sollten daher – zumindest vorläufig - möglichst schriftlich festgehalten werden.
Acalypta carinata und Bathysolen nubilus Neufunde für das Niederrhein-Gebiet (s. Bearbeitung
von HOFFMANN 1998, 1999): je 1 Ex. Rees/N’rhein, Grietherbusch, Reeser Bruch 19.21.08.03, leg. M. SCHLENDER
Gonocerus juniperi (19.10.03), Gonocerus acuteangulatus (05.05.03), Aellopus atratus
(04.05.03), Eurygaster maura (18.05.03) Neufunde für den Bausenberg/Niederzissen
(Brohl), leg./fot. W. MÜLLER (s. Bearbeitung von HOFFMANN 1975, 1982)
Corythucha ciliata, Stephanitis takeyai (Meldung HOFFMANN 2002/2003). Bathysolen nubilus,
Botrostethus annulipes, Syromastes rhombeus (Meldung KOTT 1998), Coptosoma
scutellatum (Meldung WERNER 1998) Neufunde für Köln (s. Bearbeitung von HOFFMANN
1992, 1996)
Änderungen zum Adressenverzeichnis Mitteleuropäischer Heteropterologen
PETER GÖRICKE, Fasanenweg 6, D-39179 EBENDORF
THOMAS MARTSCHEI, Feldstr. 3, D-17498 JARNSHAGEN, Tel. priv. 038333/88460, dienstl.
03834/507029 oder 0170/3410987
M. MÜNCH ♂ u. D. VOGEL ♀, Dittersdorfer Str. 123, D-09122 CHEMNITZ
KATARINA SUEHLO, Stephanstr. 4, D-10559 BERLIN, Tel. 030/46065713, e-mail
[email protected]
RALPH ZANGE, Levelingstr. 108a, D-85049 INGOLSTADT
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
29
Heteroptera: Neu- und Wiederfunde in Sachsen-Anhalt
1. Nachtrag zum Verzeichnis der Wanzen Deutschlands (Stand: 31.12.2003)
WOLFGANG GRUSCHWITZ & WOLFGANG KLEINSTEUBER
Verzeichnisse sind meist schon mit dem Erscheinen revisionsbedürftig. Das trifft auch
für das Verzeichnis der Wanzen Deutschlands (HOFFMANN & MELBER 2003) zu. Hier vor
allem deshalb, da von der Abgabe der Länderliste von Sachsen-Anhalt bis zur
Veröffentlichung über zwei Jahre vergangen sind.
In der nachstehenden Tabelle sind alle uns bekannt gewordenen Ergänzungen erfaßt.
Wenn für eine Art mehrere Funddaten vorliegen, ist das jeweils letzte angegeben.
EFG
Taxon
-Nr.
9 Micronecta griseola
11 Micronecta poweri
39 Sigara fossarum
58 Microvelia buenoi
89 Saldula orthochila
92 Saldula pilosella
129 Dictyonota fuliginosa
220 Dichrooscytus gustavi
273 Lygus adspersus
339 Strongylocoris atrocoeruleus
342 Strongylocoris niger
544 Orius vicinus
639 Metopoplax ditomoides
ohne Metopoplax fuscinervis
785 Geotomus elongatus
789 Canthophorus impressus
Status Status MTB
Ort
alt
neu
-Nr.
ohne
+
4735 Nebra
ohne
+
4433 Wippra
+
4437 Halle
ohne
+
4538 Halle
+
4229 Schierke
ohne
+
4135 Hecklingen
+
4131 Blankenburg
ohne
+
4135 Staßfurt
ohne
+
4034 Westeregeln
ohne
+
4836 Bad Kösen
*
+
4230 Königshütte
ohne
+
4135 Staßfurt
ohne
+
4135 Förderstedt
ohne
+
4135 Hecklingen
ohne
4836 Freyburg
ohne
+
4836 Größnitz
Datum
Beobachter
Quelle
28.07.2003
31.07.2003
15.09.2000
25.04.2003
09.09.2002
10.07.2002
18.06.2003
13.06.2003
06.10.2003
26.06.2002
08.07.2002
29.07.2001
18.09.2003
15.09.2003
Kleinsteuber
Kleinsteuber
Kleinsteuber
Kleinsteuber
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Gruschwitz
Coll. Kleinsteuber
Coll. Kleinsteuber
Coll. Kleinsteuber
Coll. Kleinsteuber
Coll. Gruschwitz
Gruschwitz (2003a)
Coll. Gruschwitz
Gruschwitz (2003a)
Coll. Gruschwitz
Gruschwitz (2003b)
Gruschwitz (2003b)
Gruschwitz (2003a)
Gruschwitz (2003c)
Gruschwitz (2003c)
Michalk (1938)
Coll. Gruschwitz
24.06.1999 Dietze, R.
Literatur
GRUSCHWITZ, W. (2003a): Liste der bisher um Staßfurt (Sachsen-Anhalt) nachgewiesenen Wanzen (Insecta,
Heteroptera) – 3. Nachtrag. – halophila (Staßfurt) 45, 16-17.
-,- (2003b): Erstnachweis von Strongylocoris atrocoeruleus in Sachsen-Anhalt und in Thüringen (Heteroptera,
Miridae). – Mitt. Thüringer Entomologenverband 10 (2), 12-13.
-,- (2003c): Metopoplax ditomoides und Metopoplax fuscinervis – zwei für die Fauna Sachsen-Anhalts neue
Wanzen (Heteroptera, Lygaeidae). – Entomol. Mitt. Sachsen-Anhalt 11 (2), 82.
HOFFMANN, H.-J. & MELBER, A. (2003): Verzeichnis der Wanzen (Heteroptera) Deutschlands. – In:
KLAUSNITZER, B. (Hrsg.): Entomofauna Germanica 6. – Entomologische Nachrichten und Berichte Beiheft 8,
209-272.
MICHALK, O. (1938): Die Wanzen der Leipziger Tieflandbucht und der angrenzenden Gebiete. – Sitz.-ber.
Naturf. Ges. Leipzig 63 (1936-37), 15-188.
Anschrift der Autoren:
Wolfgang Gruschwitz, Sodastraße 5, D-39418 STAßFURT ( [email protected] )
Wolfgang Kleinsteuber, Hirtenweg 15, D-04425 TAUCHA ( [email protected] )
30
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Wanzenliteratur: Neuerscheinungen
AGLYAMZYANOV, R. (2003): Lygus martensis n. sp. from Nepal. – Mitt. intern. entomol. Ver. 28, 33-35.
BAUFELD, P. (2002): Die Andromedanetzwanze (Stephanitis takeyai) – ein neuer Schädling an Ziergehölzen. –
Nachrichtenbl. Deutscher Pflanzenschutzd. Stuttgart 54, 318-319.
DECKERT, J. (2003): Zum Vorkommen von Amphiareus obscuriceps (POPPIUS, 1909) (Heteroptera,
Anthocoridae) in Brandenburg. – Entomol. Nachrichten und Berichte 47, 107-108.
HECKMAN, R. (2003): Wanzenfauna des Wallis. – Referat 29. Heteropterologen-Treff Wallis 23.08.03, 16 S.
Tischvorlage.
HOFFMANN, H.J. (2003): Die Platanengitterwanze Corythucha ciliata (SAY, 1872) erreicht den Niederhein. –
Entomol. Nachrichten und Berichte 47, 67-70 + 2 Umschlag-Farbfotos.
HOMMES, M, WESTHOFF, J. & MELBER, A. (2003): Andromeda-Netzwanze, Stephanitis takeyai DRAKE & MAA
(Heteroptera: Tingidae) erstmals für Deutschland nachgewiesen. – Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd. 55,
174-177.
KLAUSNITZER, B. (2003): Ceratocombus brevipennis POPPIUS, 1910 (Het., Ceratocombidae) in Brandenburg –
eine heteropterologische Überraschung. – Entomol. Nachrichten und Berichte 47, 109-110.
MÜLLER, W. & SCHRÖDER, H. (2003): Der Bausenberg – Vulkan und Heimat seltener Pflanzen und Tiere. –
Hrsg. Verbandsgemeinde Brohltal, Koblenz 2003. (Wanzenfauna: S. 140-148)
SIMON, H. (2002): Erstes vorläufiges Verzeichnis der Wanzen (Insecta: Heteroptera) in Rheinland-Pfalz. – Fauna
Flora Rheinland-Pfalz 9, 1379-1420.
In HETEROPTERON H. 16:
ARNOLD, K. (2003): Typen-Designierung von Tinicephalus (Tinicephalus) brevipes WAGNER, 1949, var.
nigrosignatus POLENTZ, 1957. – Heteropteron H. 16, 3-4.
HOFFMANN, H.J. (2003): Deutsche Wanzennamen ??? – Vom Sinn und Unsinn von Trivialnamen. –
Heteropteron H. 16, 29-32.
HOFFMANN, H.J. (2003): Die Gitterwanze Stephanitis takeyai DRAKE & MAA, 1955 neu für Deutschland
(Hemiptera-Heteroptera, Tingidae). – Heteropteron H. 16, 20-23.
HOFFMANN, H.J. (2003): Neozoen bei Wanzen . – Heteropteron H. 16, 25-28.
KOTT, P. (2003): Bemerkenswerte Wanzenfunde aus NRW . – Heteropteron H. 16, 24.
VOIGT, K.: Bericht über das 28. Treffen der Arbeitsgruppe Mitteleuropäischer Heteropterologen in Eichstätt /
Bayern. – Heteropteron H. 16, 2.
WERNER, D.J. (2003): Die Verbreitung der Grauen Gartenwanze Rhaphigaster nebulosa (Heteroptera:
Pentatomidae) in Deutschland. – Heteropteron H. 16, 5-19.
Als sehr erfreuliche Mitteilung kann gelten, daß nach einer e-mail von Prof. Dr.
KLAUSNITZER wenige Tage vor Weihnachten der 6. (und letzte) Band der ENTOMOFAUNA
GERMANICA (zwei Jahre nach Manuskriptabgabe) noch vor Ende des Jahres 2003 gedruckt
wird und unmittelbar im Januar 2004 zur Auslieferung gelangt. Das Literaturzitat für den
Wanzen-Teil lautet:
HOFFMANN, H.-J. & MELBER, A. (2003): Verzeichnis der Wanzen (Heteroptera) Deutschlands. – In:
KLAUSNITZER, B. (Hrsg.): Entomofauna Germanica 6. – Entomologische Nachrichten und Berichte Beiheft 8,
209-272.
Auch der Beitrag zur Wanzenfauna des NSG „Ahrschleife bei Altenahr“ erschien fast
genau 10 Jahre nach Manuskriptabgabe (und Vorwegveröffentlichung im HETEROPTERON
H. 11, 2001) jetzt endlich in:
BÜCHS, W. et al.: Das Naturschutzgebiet „Ahrschleife bei Altenahr“ einschließlich
angrenzender schutzwürdiger Bereiche) – Fauna, Flora, Geologie und Landespflegeaspekte.
Teil II. – Beiträge zur Landespflege in Rheinland-Pfalz 17, 374 S., Oppenheim.
als:
HOFFMANN, H.J. & REMANE, R. (2003): 3.6 Zur Wanzenfauna (Hemiptera-Heteroptera) des Naturschutzgebietes
„Ahrschleife bei Altenahr“. –Beiträge Landespflege Rheinland-Pfalz 17, 277-300.
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
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Heteropterologische Kuriosa 1: NENA und ihre Wanze
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Wahrscheinlich hat jeder in seiner Kindheit einmal das Lied von der Kleinen Wanze, die
auf der Mauer tanzt, zelebriert. Es geht dabei um die Konzentrationsübung, bei jeder Strophe
einen Buchstaben von der Wanze und ihrem Tanz wegzulassen, bis nichts mehr davon übrig
bleibt - und man das ganze rückwärts ablaufen lassen kann. Ein nettes Kinderlied und –spiel.
Die bekannte deutsche Pop-Sängerin NENA hat dieses Lied vor einiger Zeit in ihr
Repertoire aufgenommen,. Die nicht im Handel erhältliche Promotion-CD erschien unter dem
Titel: NENA: Die Wanze, wodurch der Autor darauf aufmerksam wurde, und zeigte die
namengebende Wanze auf dem Cover (Abb. 1). Auch auf der z.Z. käuflichen CD (Titel 4 der
Audio-CD ASIN: B000023YNE: Nena: Komm lieber Mai; 1990) findet sich das Lied.,
dessen Text und Noten hier der Vollständigkeit halber folgen sollen:
Obwohl es sich in diesem Lied, wie der Text
beweist, ohnedies nur um eine kleine Wanze
handelt, schreibt die Spielregel vor, daß das
Tierchen noch weiter zu verkleinern ist, bis
zum Schluß nichts mehr davon übrigbleibt.
Beim erstenmal wird das Lied ohne
Veränderungen gesungen. Beim zweiten
Durchgang heißt es nicht mehr -Wanze- und
-tanzen-, sondern -Wanz- und -tanz-. Beim
nächstenmal fällt bei beiden Wörtern auch
das z weg, in der vierten Runde das n, in der
fünften Runde das a, in der sechsten und
letzten Runde bleiben überall da, wo vorher
-Wanze- oder -tanzen- stand, nur noch allein
die Pausen übrig. Wenn man will, kann man
die beiden Wörter anschließend Buchstabe
für Buchstabe wieder aufbauen.
Das Lied von der Wanze
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HETEROPTERON Heft 17 / 2003
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Heteropterologische Kuriosa 2:
Die Rückkehr der Bettwanzen
HETEROPTERON Heft 17 / 2003
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HETEROPTERON Heft 17 / 2003
Heteropterologische Kuriosa 3:
Unsterbliche Wanzen
HANS-JÜRGEN HOFFMANN
Daß viele Schwarzkäfer fast nicht
„tot-zu-betäuben“ sind, ist manch einem
Entomologen
schon
unangenehm
aufgefallen, wenn sich Tiere später auf der
Nadel wieder bewegten. Auch Zygaenen
oder Blutströpfchen pflegten die früher bei
Lepidopterologen üblichen Cyankaligläser
zu überleben. Wanzen sind da viel
empfindlicher oder empfindsamer, und
man hat solche Probleme in der Praxis
wohl nicht.
In der Literatur sind mir allerdings
zwei Fälle aufgestoßen, wo das etwas
anders ist. Es ist klar: es handelt sich um
dichterische Freiheit, die im ersten Fall
sogar auf echter Beobachtung beruhen
dürfte und im zweiten Fall um eine
allegorische Darstellung.
Das erste Beispiel stammt von
GOTTFRIED KELLER. Der Dichter beschreibt
in „Die Leute von Seldwyla“ (1856) im
Kapitel „Die drei gerechten Kammacher“
die letzten Stunden der im Frühjahr vom
Meister zum Weiterziehen veranlaßten
Kammacher. Einer von ihnen namens
JOBST bemerkt, frühmorgens im Bett
liegend, die Wanderschaft einer Bettwanze,
die er unbeabsichtigt im Herbst mit einem
blauen Farbrest (also nicht HERBOL oder
ALPINA WEISS!) übertüncht hat und die
sich gerade jetzt von der blauen Wand
gelöst hat und als blauer Punkt auf der
weißen Wand kriecht - für ihn ein Symbol,
daß auch er sich auf den Weg machen
solle.
Bei CAESARIUS VON HEISTERBACH (s.
STIENE 1997) liegt die Beanspruchung der
Wanze höher: hier hatte das Tier
Backtemperaturen zu überstehen, was als
Nebeneffekt offenbar zu einer Entwicklung
eines
beachtlichen
Sprungvermögens
führte. CAESARIUS VON HEISTERBACH, geb.
1180 in Köln (s. Lokalkolorit im Hinblick
auf den Autor dieses Artikels) und ca. 1240
gestorben, war Zisterzienser in einem
Kloster im Siebengebirge bei Bonn; er
verfaßte im 13. Jahrhundert relativ viele
Schriften: Predigten, Kommentare zu
Büchern und Stellen der Bibel, aber auch
historisch
orientierte
Werke
(z.B.
Lebensbeschreibung der HL. ELISABETH
VON THÜRINGEN
usw.). Sein wohl
berühmtestes Werk ist der „Dialogus
miraculorum“ als Zwiegespräch zwischen
Mönch und Novizen in 12 Büchern und
vielen Kapiteln unter bestimmten Themen
und jeweils in Form einer kurzen
Erzählung
mit
der entsprechenden
kirchlichen Moral ..., u.a. die „Wunder“.
Hierin werden exemplarische Geschichten
erzählt, die zum Nachdenken, zur
Diskussion usw. anregen sollten.
In einer der Wundergeschichten hier zur Warnung vor gleichgültigem
Umgang mit heiligen Dingen - legt ein
Priester die Hostie auf das vorgesehene
Tuch (Korporale) auf dem Altar, worauf
die Hostie wegspringt. Dieser Vorgang
wiederholt sich dreimal. Das geschah in
Buschbell / Frechen bei Köln.
Der
Priester
läßt
von
der
übergeordneten Stelle in Köln das
Phänomen untersuchen, und man stellt dort
Verunreinigung der Hostie durch eine
eingebackene (Bett-)Wanze fest. Dadurch
ist natürlich alles klar: Die Engel sorgen
für Sauberkeit in der Kirche, der Priester
schimpft mit dem Hersteller: die
zuständigen Frauen verwendeten bei der
Hostienherstellung statt selbst hergestellten
Weizenmehls offensichtlich keine sauberen
Rohstoffe oder Zutaten. Es ist klar: die
Bettwanze steht als - bekanntes - Symbol
für Ungeziefer, für Unsauberkeit.
Die entsprechenden Textstellen sind auf
den folgenden Seiten abgedruckt.
Literatur:
CAESARII HEISTERBACENSIS monachi ordinis
Cisterciensis Dialogus miraculorum. (Bearbeitet
von J. STRANGE, Köln/Bonn/Brüssel 1851)
KELLER, G. (1856): Die Leute von Seldwyla. STIENE, H.E. (1997): Wucher, Wanzen und
Dämonen. - Pulheimer Beitr. z. Geschichte u.
Heimatkunde 21, 72-89.
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