Eine Kanzler- und Protestwahl - Österreichisches Jahrbuch für Politik

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Fritz Plasser / Franz Sommer / Peter Ulram
Eine Kanzler- u nd Protestwahl
Wählerverhalten und Wahlmotive bei der Nationalratswahl
1 990
Kurzfassung
Die Nationalratswahlen vom 7. Oktober 1990 haben tiefgreifende Verände­
rungen im österreichischen Parteiensystem bewirkt:
• Die SPÖ konnte ihre Position als dominante Kraft wie als Großpartei be­
haupten;
• die ÖVP ist bundesweit auf die Stellung einer gröBeren Mittelpartei redu­
ziert worden; in Kärnten ist sie nun auch auf NatioQalratsebene zur drit­
ten Kraft abgestiegen, in Wien liegt sie nur noch knapp vor der FPÖ;
• die FPÖ ist zur Position einer kleineren Mittelpartei aufgestiegen;
• das Parteiensystem hat sich i nsgesamt weiter aufgesplittert, was nicht
zuletzt in der Bildung zweier "Grünpole" seinen Ausdruck findet;
• die früher beinahe umfassende Wahldisziplin der Österreicher hat sich
auch auf Bundesebene deutlich abgeschwächt.
Österreichs Wählerlandschaft i m U mbruch
Die Erosion der österreichischen Wählerlandschaft, die bei der Nationalratswahl
vom 23. November 1986 ihren ersten Höhepunkt erreichte und sich bei den darauf­
folgenden "Zwischenwahlen" (LTW Burgenland B7, GRW Wien B7, LTW Nieder­
österreich BB, LTW Tirol, Salzburg, Kärnten und Vorarlberg B9) noch dramatisch
verstärkt hat, beschleunigt die Transformation des traditionellen Parteien systems
Österreichs (rnitzwei zumindest annähernd gleich starken Großparteien und einer
wahlpolitisch bedeutungslosen "Dritten Kraft") in Richtung eines aufgelockerten
Mehrparteiensystems.
Die Parteibindungen der Wähler werden kontinuierlich schwächer, verkrustete
Wählerstrukturen und die für die Lagermentalität der vergangenen Jahrzehnte
charakteristischen politischen Milieus brechen auf, die Bereitschaft der Wähler,
"ihrer" Partei über einen langen Zeithorizont hinweg die (bedingungslose) Treue
zu halten, nimmt weiter ab. Das vorliegende Datenmaterial der empirischen Wahl95
forschung belegt die fundamentale Neuorientierung im Wahlverhalten der Öster­
reicher anhand von Zeitreihen, die zum Teil bis 1970 zurückreichen:
• Innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten ist der Stammwähleranteil um 30 Pro­
zentpunkte zurückgegangen: Während sich t970 bei Repräsentativumfragen
in der Selbsteinschätzung noch 65 Prozent der Befragten als "gebundene
Stammwähler" deklarierten, lag dieser Anteil eineinhalb Jahre vor der National­
ratswahl 1989 nur mehr bei 35 Prozent. Fast jeder vierte Wähler (24 %) sieht
sich heute als "ungebundener Wähler" ("stehe keiner Partei nahe"), rund 40
Prozent der Wähler stehen nach eigenen Angaben zwar einer Partei nahe, sind
aber grundsätzlich wechselbereit ("locker gebundene Wechselwähler") .
• Seit 1979 hat sich der Anteil der "party shifters" (Befragle, die bei Nachwahlun­
tersuchungen und Wahltagsbefragungen angeben, daß sie bei der letzten Na­
tionalratswahl eine andere Partei gewählt haben als bei der vorangegangenen
Nationalratswahl) von acht Prozent auf 16 Prozent verdoppelt. Überproportio­
nal stark angestiegen ist die Wählermobilität bei Erst· und Jungwählern, in der
Bildungsschicht, bei Beziehern höherer Einkommen und generell in städti­
schen Dienstleistungsgemeinden bzw. (groß)städtischen Ballungszentren.
Tabelle 1: Stammwähleranteil im Trend (Selbsleinschätzung)
Stammwähler1 )
1970
in %
1972
in %
1976
in %
1984
in %
1986
in %
1 989
in %
65
61
56
47
39
35
1) .Ich habe mich lür eine Partei entSChieden und gebe Ihr auch dann meine Stimme. wenn ich rnil dem. was sie lul
oder plant, nicht hundertprozentig einverstanden bin"
Tabelle 2: Wählermobilität 1986 bis 1989 (Selbsteinschätzung)
Wahlverhalten
Gebundene Stammwähler
("Wähle immer die gleiche Partei")
Locker gebundene Stammwähler
("Stehe einer Partei nahe")
Ungebundene Wechselwähler
("Stehe keiner Partei nahe")
1986
in %
1989
in %
Veränd.
+1- %
42
35
-7
38
41
+ 3
20
24
+ 4
Quelle' Dr. Fessel +Gfk. Politische Umfragen (1970-1989)
Das Schrumpfen der Stammwählerpotentiale führt nicht nur zu einer Zunahme
der Wählerfluktuation, sondern auch zu einer deutlichen Abnahme der Wahl­
disziplin. Die über Jahrzehnte mit Erfolg praktizierte traditionelle Wählermobili­
sierung durch die "Fußtruppen" der Parteiorganisation wird durch den Rück­
gang der Stammwähler in ihrer Wirkung erheblich reduziert.
96
• Immer mehr Wähler treffen ihre definitive Wahlentscheidung für oder gegen
eine bestimmte Partei - nach eigenen Angaben - erst kurz vor der Wahl. Ins­
besondere mobile, aus der Sicht der Parteien " unsichere" Wähler ändern ihre
Wahlabsicht - je nach Slimmungs- und Problemlage - während des Wahl­
kampfes oft mehrmals. Wahlen werden immer häufiger in der Schlußphase
eines Wahlkampfes gewonnen oder verloren. Die Nachwahluntersuchungen
und Wahltagsbefragungen der letzten Jahre dokumentieren, daß die Zahl der
"Iate deciders" zwischen 1979 und 1986 von neun auf 16 Prozent gestiegen ist.
Tabelle 3: Zeitpunkt der Wahlentscheidung und Wechselwähleranteil im Trend
(1979-1986)
"Iate deciders"
(kurz vor der Wahl)
"early deciders"
(schon länger vorher)
"party shifters"
(Wechselwähleranteil)
1979')
in %
1983b)
in %
1986')
in 0/0
9
8
16
91
92
84
7
10
16
Quelle" a) Or. Fessel .. GIK, Repr. Nachwahlunlersuchung 1979
b) Dr. Fessel+G1K. Repr. Nachwahlunlersuchung 1983
c) Dr Fessel+GfK, Repr. Wahllagsbefragung (.,Exil Poil") Nationairaiswahl 19B6
• Der unübersehbare Bedeutungsverlust traditioneller Stammwählermotive, die
zunehmende Zahl von themen- und persönlichkeitsorientierten Wählern, die
generell "durchlässiger" werdenden Parteibindungen und ein damit verbunde­
ner Integrationsverlust des etablierten Parteiensystems haben die wahlpoliti­
schen Ausgangspositionen der Oppositionsparteien FPÖ und GRÜNE in den
letzten Jahren (seit der Nationalratswahl 1 986) zum Teil dramatisch verbessert.
Primär die Freiheitlichen, aber auch die Grünen konnten ihr Wählerpotential er­
heblich vergrößern:
- Im Frühsommer 1989 war die FPÖ für fast jeden zweiten Wähler entweder
"zur Zeit grundsätzlich wählbar" oder zumindest "unter bestimmten Um­
ständen wählbar", Das "theoretische Potential" der Freiheitlichen war damit
zum Befragungszeitpunkt rund fünfmal so hoch wie ihr Wähleranteil bei der
Nationalratswahl 1986. Bei den Grünen war die Relation erreichter Wähler­
anteil und "theoretisches Potential" mit 1:7 noch ausgeprägter.
- Lediglich 36 Prozent der Befragten erklärten, daß sie die Haider-FPÖ "unter
keinen Umständen" für wählbar halten, 44 Prozent schlossen eine Stimme
für die GRÜNEN kategorisch aus.
97
Tabelle 4: Wählerpotentiale der Parteien (1989)
SPÖ
%
ÖVP
%
FPÖ
%
GR Ü NE
%
Enges Potentia[ 11
Weites Potentia!2)
41
26
26
37
14
33
9
27
Gesamtes Potential
67
Kein Potential3)
Keine Angaben
63
47
36
16
17
21
17
36
16
44
20
1) Enges Potential .. .zur Zeit grundsätzlich wählbar�
2) Weites Potential = �unter bestimmten Umständen wählbar�
3) Kein Potential ", .unter keinen Umständen wählbar"
Quelle: Or. Fessel+GIK, POlilische Umfragen 1989
Tabelle 5: Wählerpotential nach der deklarierten Parteipräferenz (1989)
SPÖ wählbar in %
für SPÖ-Präferenten
für ÖVP-Präferenten
49
ÖVP wählbar in %
55
FPÖ wähl- GRÜ wählbar in %
bar in %
39
46
33
26
Die Parteien i m demoskopischen Trend
Demoskopische Parteipräferenz�Messungen vor der Wahl weichen oft mehrere
Prozentpunkte vom tatsächlichen Wahlergebnis ab. Bei der Nationalratswahl vom
7. Oktober war die Diskrepanz zwischen der Wahlerwartungslage und dem Wahl­
ergebnis besonders groß_ Die Fehleinschätzung der (partei)politischen Kräftever­
hältnisse kurz vor der Wahl durch die Demoskopie und die empirische Wahlfor­
schung resultierte aus mehreren Faktoren:
• Jedes Umfrageergebnis ist unter BerÜCksichtigung statistischer Schwan­
kungsbreiten zu interpretieren, die meistens zwischen +/- drei Prozent und
+/- fünf Prozent liegen. Unkritisch pUbliZierte "Wahlprognosen" spiegeln da­
her eine Scheinexaktheit vor, die eine demoskopische Momentaufnahme nicht
leisten kann .
• Die von den MeinungsforsChungsinstituten kontinuierlich erhobene "Sonn�
tagsfrage" ("Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag
Nationalratswahlen wären?") wird im Durchschnitt nur von etwas mehr als 70
Prozent der Befragten beantwortet. Knapp 30 Prozent verweigern die Frage
nach ihrem Wahlverhalten bzw_ geben an, zum Zeitpunktder Befragung unent­
schlossen zu sein. Alle auf langjährige Erfahrungswerte beruhende Versuche,
Aussagen über die Parteipräferenzen der Nichtdeklarierten zu machen, sind
äußerst problematisch, weil die Deklarationsbereitschaft der Befragten stark
vom (medial vermittelten) politischen Meinungsklima beeinflußt wird und sich
98
daher die Zusammensetzung der Verweigerer/Unentschlossenen ständig ver·
ändert.
• Der hohe Anteil von Wählern, die sich selbst wenige Tage vor der Wahl noch
nicht für oder gegen eine bestimmte Partei festgelegt hatten, zeigt neuerlich,
daß demoskopische Parteipräferenzmessungen j eweils nur punktuelle Mo­
mentaufnahmen darstellen. Die nunmehr auch in Osterreich exzessiv betriebe·
ne Form des "horse race journalism", bei der demoskopische Befunde als ein
Mittel zur Dramatisierung von Wahlkämpfen und letztlich zur Auflagensteige­
rung eingesetzt werden, erzeugt in Hinblick auf die Präzision von "Prognosen"
vollkommen unrealistische Erwartungen. die das Instrumentarium überfordern
und auch aus der Sicht der empirischen Wahlforschung uneinlösbar sind.
• Der in den Medien zwischen den Parteien ausgetragene "Umfrage krieg" fügt
dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der Demoskopie aber noch gröBeren
Schaden zu. Nicht selten wird versucht, mit demoskopischen Zahlen Stim­
mung zu machen, die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren und den politi·
sehen Gegner zu verunsichern.
Daß die Instrumentalisierung von U mfragedaten für agitatorische Wahlkam pf­
zwecke die ohnehin evidenten Defizite der politischen Demoskopie noch ver­
stärkt, liegt auf der Hand: Der Ausgang der Nationalratswahl vom 7. Oktober wurde
von Medien und Parteien übereinstimmend als "Niederlage der Demoskopie" und
als "Debakel der Wahlforscher" gewertet. Die vorliegenderr Datenreihen, die auf
zehntausenden I nterviews des Fessel+GfK-lnstituts basieren, rechtfertigen die­
ses undifferenzierte Urteil nicht. Retrospektiv betrachtet waren unter den nichtde·
klarierten/unentschlossenen Wählern zwar weit mehr prospektive SPÖ- bzw.
Vranitzky·Wähler als in den verschiedenen Hochschätzungs- und Zurechnungs·
modellen der Meinungsforschungsinstitute angenommen wurde. Die kumulierten
Rohdaten der Parteien (deklarierte SPÖ-, ÖVP-, FPÖ- und GRÜNE-Wähler) zei­
gen jedoch, daß die gemessenen Stärkeverhältnisse im wesentlichen keineswegs
falsch waren. Die bis 1984 zurückreichenden Jahreszählungen ermöglichen eine
aussagekräftige Darstellung längerfristiger Trends im wahlverhalten. Wie unter­
schiedlich sich SPÖ und ÖVP in den letzten Jahren in der Wählergunst entwickel­
ten, geht aus der folgenden Grafik hervor, der Rohdaten-Jahreszählungen des
Fessel+GfK-lnstituts zugrundeliegen.
• Allein im ersten Jahr der Koalitionsregierung mit der SPÖ fiel die Volkspartei
im Vergleich zu 1986 u m acht Prozentpunkte in der Wählergunsl zurück, wäh­
rend die SPÖ ihr N iveau im gleichen Zeitraum halten konnte.
• In den darauffolgenden Jahren hat auch die SPÖ i n den kumulierten Rohdaten
an Terrain verloren, ihr Vorsprung gegenüber der ÖVP war aber auch in den
Jahren 1988 und 1989 nie geringer als sechs Prozentpunkte.
99
• Im Wahljahr 1990 konnte die SPÖ - trotz kurzfristiger Rückschläge - im Spät­
sommer - ihr Rohdaten-Ergebnis wieder auf 32 Prozent verbessern, während
die ÖVP mit 24 Prozent ihr bisher schlechtestes Rohdaten-Ergebnis h i n neh­
men mußte. Im Jahresdurchschnitt 1990 betrug der SPÖ-Vorsprung acht Pro­
zent, i m Wahlergebnis vom 7. Oktober trennten die beiden Regierungsparteien
nahezu elf Prozent.
SPÖ/ÖVP-ROHDATEN 1 984 BIS 1 990
(Angaben in %)
===� 40
hF=
30
25
20
15
10
ÖVP
5
o
1984
1 985
D öVP
D SPÖ
100
1 986
1 987
1 988
1 989
1 990
Tabelle 6: Rohdaten der Parteien (bundesweit)
Erhebungszeitraum: 1984 bis 1990
1 984
1985
1986
1 987
1 988
1989
1990
(N
(N
(N
(N
(N
(N
(N
=
=
=
=
=
=
=
1 4.800)
1 7. 1 43)
1 9.835)
1 8.893)
26.809)
31 .333)
20.240)
SPÖ
%
ÖVP
%
FPÖ
%
GRÜ
%
K. A.
%
35
36
35
34
33
31
32
33
32
34
26
26
25
24
3
2
3
8
7
10
10
4
5
4
5
4
5
6
25
25
24
27
30
29
28
Tabelle 7: Rohdatenabstand SPNP und VPfFP (bundesweit)
Erhebungszeitraum: 1984 bis 1990
Rohdatenabstand in %
SPÖfÖVP
1 984 (N
1 985 (N
1 986 (N
1 987 (N
1 988 (N
1 989 (N
1 990 (N
=
=
=
=
=
=
=
1 4.800)
1 7. 1 43)
1 9.835)
1 8.893)
26.809)
31 .333)
20.240)
SP
SP
SP
SP
SP
SP
SP
+
+
+
+
+
+
+
2
4
1
8
7
6
8
Rohdatenabstand in %
ÖVP/FPÖ
VP
VP
VP
VP
VP
VP
VP
+
+
+
+
+
30
30
31
18
19
+ 15
+ 14
Quelle: Dr. Fessel+GfK-lnstiIUI (Repräsenlalivumlragen 1984-1990)
Die graphisch dargestellten Quartalszählungen zeigen auch die Trendkurven der
beiden Oppositionsparteien:
• Gegen Ende der zweiten Jahreshälfte 1986 konnten die Freiheitlichen i h re
Rohdaten-Anteile im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 1986 nahezu verdreifa­
chen. 1987 setzte sich der Aufwärtstrend der FPÖ im Sog erfolgreicher Regio­
nalwahlen (LTW Burgenland, GRW Wien) fort. Nachdem sich die "FPÖ­
Konjunktur" Mitte 1988 merkbar abkühlte, erreichte die Haider-FP Ö im zweiten
Quartal 1989 (nach den spektakulären Stimmengewinnen der FPÖ bei den
Landtagswahlen i n Tirol, Kärnten und Salzburg) mit elf Prozent erstmals ein
zweistelliges Rohdatenergebnis. Am Höhepunkt der Flüchtlingswelle und der
Rechberger-Oiskussion pendelte sich die FPÖ neuerlich auf diesem Niveau
ein .
• Die Trendkurve der Grünen war in den letzten Jahren von weit schwächeren
Auf- und Abwärtsbewegungen geprägt als die Trendkurve der Freiheitlichen.
Die stärkste Wählerresonanz fanden die Grünen im letzten Quartal 1989. In der
zweiten Jahreshälfte 1990 sind sie in der Wählerguns! spürbar zurückgefallen.
101
•
Der Abstieg der Volkspartei zur größeren Mittelpartei hat nicht erst t989 bzw.
1990, sondern bereits in den ersten Monaten nach ihrem Eintritt in die SPÖt
ÖVP-Koalitionsregierung begonnen. Binnen Jahresfrist hat die ÖVP hundert­
tausende Wähler verloren. Seither liegt sie weit abgeschlagen hinter der SPÖ
zurück. Auch nach derÖVP-Führungskrise im Frühjahr 1989 konnte sie ihre Po­
sition nicht nennenswert verbessern. I n der zweiten Jahreshälfte 1990 vergrö�
Berte sich der Rückstand zur SPÖ wieder deutlich.
ROHDATEN DER PARTEIEN 85 90
-
1 .Quartal
40
85 - 4.Quartal 90
SPÖ
35
6)
A
n
30
9
a
25
b
e
n
i
20
3)
ÖVP
5)
15
n
10
FPÖ
8)
7)
%
5
GRÜNE
1-85 3-85 1-86 3-86 1-87 3-87 1-88 3-88 1-89 3-89 1-90 3-90
Jänner 85 - Dezember 90
Bildung der SPÖtÖVP·Koalilionsregierung
Höhepunkt der .Walcll--list"·Diskuss;on
ÖVP.Niederlage bei der Wiener Landlagswahl im November 1987
Steuerhinterziehung von SPÖ.Polilikern (ROcktfi" der..Zentralsekretäre KeUer und Saltaberger)
ÖVP.FOhrungskrise im Frühjahr 1989(nach schweren QVP·Verlusten bei 3 Landtagswahlen am 12. März)- Obmannwechsel
6. •Fall Rechberger: - Forderung nach AK·Reformen
7. Spektakuläre FPO·Gewinne bei Landlagswahlen in Tiral, Salz:burg und Kärnten am 12. März 1989 (.Supersonnta9"j
a F1Qchilingsweile - Ausländerbeschättigung. ,Fall Aechberger- - Forderung nach AbschaHung der AK-_Zwangsmltgliedschaft"
1.
2.
3.
4.
5.
102
•
Die SPÖ mußte während der letzten vier Jahre (seit der Nationalratswahl 1986)
immer wieder Rückschläge in der Wählergunst hinnehmen. Sowohl die
Steuerhinterziehungs-Affäre einiger SPÖ-Spitzenpolitiker, die Ende 1988 mit
den Rücktritten der beiden Zentralsekretäre Keller und Sallaberger endete, als
auch der "Fall Rechberger" kostete die SPÖ zumindest vorübergehend einige
Prozentpunkte i n der Wählergunst. Aber im längerfristigen Trend gesehen ist
es ihr i m gesamten Beobachtungszeitraum weit besser als der ÖVP gelungen,
ihre Position zu verteidigen.
Während die kumulierten Parteipräferenzmessungen der Repräsentativumfragen
in der ersten Jahreshälfte 1990 eine vergteichsweise stabile Wählerlandschaft
zeigten (die SPÖ tag im Schnitt 7 bis 8 Prozentpunkte vor der ÖVP), ließen die wö­
chentlich durchgeführten Telefonumfragen Ende August dramatische Turbulen­
zen erkennen. Am Höhepunkt der Diskussion über den .Fall Rechberger" fiel die
SPÖ in den Rohdaten massiv zurück.
Aber nach einer vorübergehenden Irritation, die offensichtlich tief in die SPÖ­
Kernwählerschichten hineinreichte, vergrößerte sich der Abstand zwischen SPÖ
und ÖVP in den Rohdaten wieder von Welle zu Welle. Nachdem der SPÖ­
Vorsprung Ende August lediglich zwei Prozentpunkte betragen hatte, stieg er M itte
September bereits wieder auf fünf Prozentpunkte. In der letzten Telefonumfrage
Anfang Oktober lag die SPÖ bereits elf Prozentpunkte vor der ÖVP.
Tabelle 8: Rohdaten der Parteien im Tren d
21 .-22. 8.
4.- 5. 9.
1 1 .-12. 9.
1 7.-18. 9.
25.-26. 9.
1 .- 2. 10.
SPÖ
%
ÖVP
%
FPÖ
%
GRÜNE
%
K. A.
%
SPÖVorsprung
23
27
26
29
29
30
21
23
21
23
22
19
12
12
11
11
12
10
6
7
7
8
7
8
38
31
34
27
29
34
+ 4
+ 5
+ 6
+ 7
+ 11
Quelle. Telefonisches Tracking NRW 1990. Fessel+GfK-lnstilul, N
'"
+
2
jeweils 500 Interviews
Die Ergebnisse der Nationalratswahl vom 7. Oktober 1990
Erdrutschartige Verschiebungen und Erschütterungen der politischen Kräftever­
hältnisse charakterisieren das Ergebnis der Nationalratswahl vom 7. Oktober.
Wenngleich bereits die Nationalratswahl 1986 eine einschneidende Zäsur in der
wahlpolitischen Entwicklung Österreichs markierte, hat die Wahlentscheidung
vom 7. Oktober 1990 die Wähler- und Parteien landschaft noch viel dramatischer
verändert:
•
Während die SPÖ im Vergleich zu 1986 mit 42,8 Prozent ihren Wähleranteil fast
halten konnte (- 0,3 %), mußte die ÖVP mit einem Minus von 9,1 Prozent der
güttig abgegebenen Stimmen katastrophale Stimmenverluste hinnehmen.
103
WÄHLERANTEILE DER PARTEIEN IM TREN D
Nationalratswahlen 1 970 - 1 990
55
50
45
40
35
30
25
ÖVP
20
15
10
5
0
1 970
1971
1 975
1 979
1 983
1 986
1 990
Stimmen in %
GRÜNE
0 FPÖ
0 ÖVP
0 SPÖ
105
• Starke Stimmengewinne verzeichnete hingegen die FPÖ. Sie hat zu ihren im
November 1986 erreichten 9,7 Prozent am 7. Oktober weitere 6,9 Prozent dazu­
gewonnen. Mit einem Wähleranteil von 16,6 Prozent hat sie sich im österreichi­
schen Parteiensystem als eine kleinere Mittelpartei etabliert.
• Oie zweite im Parlament vertretene Oppositionspartei - die Grüne Alternative
- konnte durch die Kandidatur einer zweiten Grünpartei ihren 1986 erreichten
Wähleranteil von 4,8 Prozent dagegen nicht verbessern. Fast ein Drittel der
Grü n-Wähler gab ihre Stimme nicht den Grün-Alternativen, sondern der "bür­
gerlichen" Konkurrenzpartei VGÖ, die zwar bundesweit rund zwei Prozent der
gültigen Stimmen auf sich vereinigen konnte, die für den Einzug ins Parlament
erforderliche Grundmandatshürde in Wien und in Oberösterreich - wenn auch
nur verhältnismäßig knapp - verfehlte.
Beide Grünparteien zusammen erreichten am 7. Oktober 6,8 Prozent der gülti­
gen Stimmen. Damit ist der Anteil der Grün-Wähler im Vergleich zur N ational­
ratswahl 1986 um zwei Prozent angestiegen.
Tabelle 9: Nationalratswahl 7. Oktober 1990
Wähleranteile, GewinneNerluste NRW 86 bis NRW 90
Wähler
absolut
Wähleranteile
in %
Differenz
NRW 86-90
in %
+ 3,1
-4,4
-1 ,2
Wahlberechtigte:
Abgeg. Stimmen:
Gültige Stimmen:
5,628 . 9 1 2
4,848.741
4,704.894
86,1
97,0
SPÖ
ÖVP
FPÖ
GR-AL
VGÖ
KPÖ
VDS
Sonst.
2,01 2.787
1 ,508.600
782.648
225.081
92.277
25.685
35.833
21 .983
42,8
32,1
1 6,6
4,8
2,0
0,6
0,8
0,5
-0,3
-9,2
+ 6,9
+ /-0
-0,1
• Das politische Stärke- und Kräfteverhältnis im österreichischen Parteiensy·
stern hat sich am 7. Oktober grundlegend verschoben . Durch die erdrutscharti­
gen Stimmenverluste der VOlkspartei hat sich der Stimmenabstand zwischen
den beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP von rund 88.000 auf mehr als
500,000 vergrößert. Selbst am HÖhepunkt der Ära Kreisky mit absoluten
Stimmen- und Mandatsmehrheiten der SPÖ war ihr Vorsprung gegenüber der
106
ÖVP nicht so ausgeprägt wie seit dem 7. Oktober. Die dramatisch veränderte
Kräfterelation zwischen den beiden Großparteien zählt - neben dem Erstar­
ken der oppositionellen FPÖ - zu den herausragendsten Konsequenzen der
Wahlenischeidung vom 7. Oktober.
Tabelle 10: Nationalratswahlen 1945 bis 1990:
SPÖIÖVP-Stimmenvorsprung im Trend
SPÖIÖVP-Vorsprung
in abs. Stimmen
SPÖIÖVP-Vorsprung
in %
NRW 1 945
NRW 1 949
NRW 1 953
ÖVP + 1 67.329
ÖVP + 223.057
SPÖ + 36.740
ÖVP + 5,2
ÖVP + 5,3
SPÖ + 0,9
NRW 1 956
NRW 1 959
NRW 1 962
ÖVP + 1 26.691
SPÖ + 25.892
ÖVP + 63.816
ÖVP + 2,9
SPÖ + 0,6
ÖVP + 1 ,5
NRW 1966
NRW 1970
NRW 1 971
ÖVP + 262.124
SPÖ + 1 70.969
SPÖ + 3 1 5.455
ÖVP + 5,8
SPÖ + 3,7
SPÖ + 6,9
NRW 1975
NRW 1 979
NRW 1 983
SPÖ + 344.910
SPÖ + 431 .487
SPÖ + 21 4.721
SPÖ + 7,6
SPÖ + 9,1
SPÖ + 4,5
NRW 1986
NRW 1 990
SPÖ + 88.361
SPÖ + 504.187
SPÖ + 1 ,8
SPÖ + 10,7
Nationalratswahlen
45-90
• Die ÖVP ist seit dem 7. Oktober im Parlament nur mehr mit 60 Mandaten vertre­
ten. Im Vergleich zur Nationalratswahl 1986 bedeutet dies einen Verlust von 17
Mandaten. Auf die SPÖ entfallen unverändert 80 Mandate, die FPÖ konnte 15
Sitze dazugewinnen, die Parlamentsfraktion der Grün-Alternativen umfaßt
zehn Mitglieder, um zwei mehr als vor vier Jahren. Die graphische Darstellung
der Sitzverteilung im Nationalrat seit 1979 zeigt, daß in den vergangenen zehn
Jahren nicht nur die ÖVP, sondern auch die SPÖ massive Mandatsverluste hin­
nehmen m ußte: In zwei Etappen (bei der NRW 83 und der NRW 86) hat sie ins­
gesamt 15 Mandate verloren .
•
Parallel zum fortschreitenden Dekonzentrationsprozeß im österreichischen
Parteiensystem hat sich auch der Trend zur steigenden Wahlenthaltung fortge·
selzt. Die Wahlbeteiligung ist auf 86,1 Prozent zurückgegangen und hat damit
den bislang niedrigsten Wert in der Wahlgeschichte der Zweiten Republik er­
reicht. Die "Partei der Nichtwähler" erreicht mit 780.000 Nichtwählern fast die
gleiche "Stimmenstärke" wie die FPÖ. Trotz der deutlich gesunkenen Wahldis­
ziplin liegt die österreichische Wahlbeteiligung noch immer deutllch über dem
durchschnittlichen N iveau westeuropäischer Parteiendemokratien.
107
MANDATE IM TREND
Nationalratswahlen 1 979 - 1 990
100
'./
90
�
95
90
�
77
BO
81
80
�
-
80
....
�
f- 77
�
70
60
60
'--
50
40
�
c.,..
30
18
20
11
�
10
o
NRW79
0
0
D
SPÖ
ÖVP
FPÖ
GRÜNE
108
12
'-:f----
�
7/
NRW 83
NRW B6
-
-
I
NRW90
Tabelle 1 1 : Wahlverweigerung bei Nationalratswahlen im Trend
Nationalratswahlen 45-90
Nichtwähler (absolut)
Nichtwähler in %
NRW 1 945
NRW 1 949
NRW 1 953
1 96.276
141 . 1 99
1 9 1 .351
5,7
3,2
4,2
NRW 1 956
NRW 1 959
NRW 1 962
1 86.753
271 .945
299.344
4,1
5,8
6,2
NRW 1 966
NRW 1 970
NRW 1 971
302.848
41 4.990
376.832
6,2
8,2
7,6
NRW 1 975
NRW 1 979
NRW 1 983
356.593
402.562
393.982
7,1
7,8
7,4
NRW 1 986
NRW 1 990
520.993
780.1 71
9,5
13,9
• Deutlich zugenommen hat auch der Anteil ungültiger Stimmen. Mehr als
140.000 bzw. drei Prozent der Wahlberechtigten wählten am 7. Oktober ungÜl­
tig. 1986 lag der Anteil ungültiger Stimmen noch bei 1 ,6 Prozent.
Tabelle 12: Ungültige Stimmen bei Nationalratswahlen im Trend
Nationalratswahlen
45-90
Ungültige Stimmen
absolut
Ungültige Stimmen
in %
NRW 1 945
NRW 1 949
NRW 1 953
35.975
56.883
76.831
1 ,0
1 ,3
1 ,7
NRW 1 956
NRW 1 959
NRW 1 962
75.803
61 .802
49.876
1 ,6
1 ,3
1 ,0
NRW 1 966
NRW 1 970
NRW 1 971
52.085
41 .890
50.626
1 ,1
0,8
1 ,0
NRW 1 975
N RW 1 979
NRW 1 983
49.252
54.922
69.037
1 ,0
1 ,1
1,3
NRW 1 986
NRW 1 990
88. 1 1 0
1 43.847
1 ,6
3,0
• Am stärksten zurückgegangen ist die Wahlbeteiligung in den Bundesländern
Wien (-7,5 %) und Salzburg (-5,9 %). Der Anteil ungültiger Stimmen war in
Tirol (5,0 %) und Vorarlberg (4,6 %) ü berdurchschnittlich hoch.
109
Tabelle 13: Wahlbeteiligung und u n gültige Stimmen in einzelnen
Bundesländern
Wahlbeteili·
gung
in %
Rückgang der
Wahlbeteiligung
in %
ungültige
Stimmen
in %
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
90,2
89,1
88,8
-3,6
-4,8
-3,7
2,8
2,5
2,8
Oberösterreich
Salzburg
Steiermark
87,0
80,9
93,2
-4,0
-5.9
-2,2
3,0
2,9
3,5
Tirol
Vorarlberg
Wien
90,9
93,4
74,0
-2,7
-2,6
7.5
§.Q
1..§
2,1
Die dramatischen Wählerbewegungen, die großteils aus massiven Einbrüchen
der ÖVP-Wählerschaft resultieren, haben auch die seit Jahrzehnten vorherr­
schenden regionalen Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien schwer er­
schüttert:
•
In Niederösterreich, dem traditionellen "Kernland" der ÖVP, gibt es seit dem
7. Oktober eine deutliche SPÖ·Mehrheit.
•
In Kärnten ist die ÖVP - wie schon bei den Landtagswahlen 1989 - nur mehr
drittstärkste Partei.
• In Oberösterreich ist der Stimmenvorsprung der SPÖ auf rund neun Prozent
angewachsen. In der Steiermark führt die SPÖ mit einem Vorsprung von über
zehn Prozent.
•
In Tirol haben katastrophale Einbrüche der ÖVP die jahrzehntelange absolute
Stimmenmehrheit der Volkspartei in diesem Bundesland definitiv gebrochen.
•
In Vorarlberg ist die wahlpolitische Vorrangstellung der ÖVP bei der letzten
Nationalratswahl ebenfalls schwer erschüttert worden.
•
Mit einem Verlust von minus 12,1 Prozent katastrophal abgeschnitten hat die
ÖVP auch in der Bundeshauptstadt Wien. In manchen Wiener Stadtbezirken
ist die ÖVP von der FPÖ überrundet worden.
• Die SPÖ hat dagegen nur in Wien (-1,7%), in Kärnten (-1 ,0%) und in der Stei·
ermark (-0,8 %) Wähleranteile verloren. In den westlichen Bundesländern
Vorarlberg (+3,4 %), Tirol (+ 1,3%) und Salzburg (+ 1,1 %) verzeichnete die SPÖ
sogar deutliche Stimmenzuwächse.
•
Die FPÖ hat in allen Bundesländern kräftige Stimmengewinne erziell. Am
stärksten haben die Freiheitlichen in Wien (+10,0%) und in Kärnten (+9,4%)
110
dazugewonnen. Unter dem bundesweiten Durchschnitt liegen die FPÖ­
Gewinne in den Bundesländern Salzburg (+4,7%) und Oberösterreich
(+5,0%) .
• Mit Ausnahme von Wien (+ 1,5%), Salzburg (+ 1,4%) und Tirol (+0,6% ) haben
die Grü n-Alternativen in allen Bundesländern leicht verloren. Der leichte Rück­
gang der Stimmenanteile der Parlamentsgrünen resultiert zu einem Großteil
aus der Kandidatur der VGÖ, die zu einer Aufsplitterung des Grünwähler­
Anteiles führte.
Tabelie 14: Gewinne/Verluste der Parteien in einzelnen Bundesländern bei der
NRW 90 gegenüber der NRW 86
SPÖ
+/-%
ÖVP
+/-%
FPÖ
+/-%
Grüne
+/
%
-
VGÖ
%
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
+ 0,9
-1,0
+ 0, 1
7,4
8,7
8,3
+ 5,7
+ 9,4
+ 6,2
+ 0,0
-0,8
-0,3
0,9
1 ,3
1 ,6
Oberösterreich
Salzburg
Steiermark
-0,0
+ 1,1
-0,8
8,2
8,8
7,8
+ 5,0
+ 4,7
+ 6,9
-0,7
+ 1 ,4
-0,1
2,6
1 ,3
1,1
Tirol
Vorarlberg
Wien
+ 1,3
+ 3,4
-1,7
- 1 2,5
-12,7
-12,1
+ 5,9
+ 5,3
+ 10,0
+ 0,6
-3,6
+ 1,5
3,2
4,6
2,2
Keinen nennenswerten Einfluß auf das Gesamtergebnis der Nationalratswahl
hatte das Wahlverhalten der erstmals wahlberechtigten Auslandsösterreicher.
Trotzdem kam es nach Auszählung der 30.162 im Ausland abgegebenen Wahlkar­
tenstimmen zu zwei Mandatsverschiebungen: Im Wahlkreisverband Ost wanderte
ein Restmandat von der SPÖ zur ÖVP. I m Wahlkreisverband West erreichte die
SPÖ durch den Verlust eines Kärntner Grundmandates zwei zusätzliche Rest­
mandate, eines davon zu Lasten der ÖVP.
Tabelie 15: Ergebnis der im Ausland abgegebenen Wahlkartenstimmen') im Ver­
gleich zum Gesamtergebnis der Nationalratswahl 1990
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grün-Alternative
Vereinte Grüne
Wahlkartenstimmen
in %
Gesamtergebnis
in %
Abweichung
+/-°/0
33,3
34,1
17,9
9,6
3,4
42,8
32,1
1 6,6
4,8
2,0
-9,5
+ 2,0
+ 1 ,3
+ 4,8
+ 1 ,4
1) Basis. 30.162 Im Ausland abgegebene und als guilig anerkannte Wahlkaftenslimmen.
111
Ergebnisse der wahlstatistischen Querschnittanalyse
Die nunmehr seit mehr als zwei Jahrzehnten zu beobachtende Erosion der wahl�
politischen Hochburgen von SPÖ und ÖVP hat sich bei der Nationalratswahl vom
7. Oktober weiter fortgesetzt. Die regional sehr unterschiedlichen Gewinn- und
Verlustmuster der SPÖ, deren Wähleranteil sich im bundesweiten Durchschnitt
gegenüber 1986 kaum verändert hat, zeigen diesen Trend sehr deutlich. I n Ge­
meinden mit starker SPÖ-Dominanz war die SPÖ im Vergleich zu 1986 mit einem
Wähleranteilsverlustvon -1,7 Prozent weit weniger erfolgreich als in den Gemein­
den mit starker ÖVP-Dominanz, in denen sie im Durchschnitt einen Stimmenzu­
wachs von + 1,8 Prozent erzielt hat. Damit konnte die SPÖ Verluste in den eigenen
Hochburgen durch Zuwächse in den ÖVP-Hochburgen kompensieren.
Tabelle 16: Querschnittanalyse nach dem Hochburg-Charakter der Gemeinden
(GewinneNerluste im Vergleich zur Nationalratswahl 1986)
Hochburg-Charakter
der Gemeinden
Wahlber SPÖ
+1-%
in %
ÖVP
+J-%
FPÖ
+/-%
Grün
+/-%
VGÖ
%
SPÖ-Hochburg '86
SPÖ-Mehrheit '86
33,5
23,0
- 1 ,7
-0,2
-8,6
-9,5
+ 7,9
+ 7,0
-0,2
+ 0,2
1 ,9
1 ,8
ÖVP-Mehrheit '86
ÖVP-Hochburg '86
22,3
21,1
+ 0,5
+ 1,8
-10,3
-10,1
+ 6,3
+ 5,9
+ 0,4
-0,5
2,3
1 ,9
Die ÖVP-Verluste streuen innerhalb einer Bandbreite von minus 8,6 Prozent (SP Ö­
Hochburgen) und minus 10,3 Prozent (ÖVP-Mehrheitsgemeinden). Damit waren
die strukturellen Hochburgen-Effekte schwächer ausgeprägt als bei der SPÖ. Daß
sich die wahlpoJitischen Kräfteverhältnisse zwischen den Großparteien in SP Ö­
Hochburgen nicht so massiv zugunsten der SPÖ verschoben haben wie in ÖVP­
Hochburgen (wo der ÖVP-Vorsprung u m rund 12 Prozentpunkte zurückgegangen
ist, während der Vorsprung der SPÖ in ihren Hochburgen um rund 7 % angewach­
sen ist), ist primär auf das unterschiedliche Abschneiden der SPÖ in den vier nach
wahlstatistischen Merkmalen definierten Hochburg-Regionen zurückzuführen.
Die Analyse der Gewinn- und Verlustmuster der Parteien nach derwirtschaftlichen
Struktur der Gemeinden lassen die schwersten ÖVP-Verluste in städtischen Bal­
lungszentren (-11,8%), in städtischen Dienstleistungsgemeinden (-9,6 %) und
in ländlichen Dienstleistungsgemeinschaften (-9,0 %) erkennen. Am geringsten
waren die ÖVP-VerJuste mit minus 7,3 Prozent in ländlichen Arbeitergemeinden.
Die SP Ö hat in ländlichen Agrargemeinden (+1,5%) und in ländlichen Dienstlei­
stungsgemeinden (+1,1 %) am besten abgeschnitten. In den Ballungszentren
(Wien und die größeren Landeshauptstädte) mußte sie Stimmenverluste (-1,4 %)
verzeichnen.
112
Die FPÖ war in den städtischen Ballungszentren mit einem Stimmenzuwachs von
plus 9,2 Prozent weitaus erfolgreicher als in den ländlichen Agrar�, Arbeiter- und
Dienstleistungsgemeinden, i n denen sie ihre Wähleranteile um plus 5,3 bis plus
5,6 Prozent steigern konnte.
Tabelle 17: Querschnittanalyse nach der wirtschaftlichen Struktur der Gemeinden (GewinneNerluste i m Vergleich zur NRW 1986)
Wirtschaftliche
Struktur der Gemeinden
Wahlber. SPÖ
in %
+/-%
ÖVP
+/-5
FPÖ
+/-%
Grün
+/-%
VGÖ
%
Ländl. Agrargem .
Ländl. Arbeitergem.
Ländl. Dienstl.-gem.
9,9
13,1
8,9
+ 1,5
+ 0, 5
+ 1,1
-8,4
-7,3
-9,0
+ 5, 6
+ 5,3
+ 5, 6
-0,2
-0,4
-0,2
0,9
1 ,4
1 ,6
Städt. I ndustriegem.
Städt. Dienstl.-gem.
Ballungszentren
14,8
22,3
31,1
-0,3
+ 0, 1
-1 ,4
- 8,0
- 9,6
- 1 1 ,8
+ 6, 1
+ 6,4
+ 9,2
- 1 ,2
-0,2
+ 1 ,1
2,2
2,4
2,4
Berücksichtigt man neben den wirtschaftlichen Strukturmerkmalen der Gemein­
den auch die jeweiligen parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse, zeigen sich im
Detail folgende Trendmuster:
• Die stärksten SPÖ-Verluste (-2,1 %) und gleichzeitig die geringslen ÖVP­
Verluste (-6,6 %) konnten in Industriegemeinden mit extrem starker SPÖ­
Dominanz (z. B. in der Obersteiermark) beobachtet werden.
• Die stärksten ÖVP-Verluste (-11,4%) und gleichzeitig die stärksten SPÖ­
Gewinne (+2,2%) gab es in den bis 1986 ÖVP-dominierten Induslriegemein­
den Westösterreichs.
• In SPÖ-dominierten Arbeitergemeinden hat die ÖVP minus sechs Prozent ver­
loren, in ÖVP-dominierten Arbeitergemeinden minus 8,4 Prozent.
• Ein ähnlicher Trend ergab sich auch bei den ländlichen Dienstleistungsge­
meinden: Mit minus 9,9 Prozent waren die ÖVP-Verluste in ÖVP-Mehrheits­
gemeinden signifikant höher als in SPÖ-Mehrheitsgemeinden (-6,6 %).
• Die FP Ö-Gewinne zeigen keinen ausgeprägten Zusammenhang mit den par­
teipolitischen Mehrheitsverhältnissen der Gemeinden: Die Freiheitlichen
haben in SPÖ- und ÖVP-Mehrheitsgemeinden annähernd gleich starke Stim­
menzuwächse erzielt.
113
Tabelle 18: Querschnittanalyse nach der wirtschaftlichen/politischen Struktur der
Gemeinden (GewinneNerluste im Vergleich zur NRW 1986)
Wirtschaftliche/politische
Struktur der Gemeinden
SPÖ
+/-%
ÖVP
+/_0/0
FPÖ
+/-%
Grün
+/-%
VGÖ
%
Ländl. Diensll.gemeinden SPÖ
Ländl. Diensll.gemeinden ÖVP
Ländl. Agrargemeinden
Ländl. Arbeitergemeinden SPÖ
Ländl. Arbeilergemeinden ÖVP
Städt. I ndustriegem. SPÖ-Hochb.
Städt. I ndustriegem. SPÖ-Mehrh.
Städl. Industriem. ÖVP-Mehr.
Slädt. Dienstl.gemeinden SPÖ
Städt. Dienstl.gemeinden ÖVP
Ballungszentren
-0,1
+ 1 ,6
+ 1 ,5
-0,5
+ 1,3
-2,1
-0,2
+ 2,2
-0,3
+ 0,8
- 1 ,4
6,6
9,9
8,4
6,0
8,4
6,6
7,1
-1 1 ,4
- 8,6
-10,9
-1 1 ,8
+ 5,3
+ 5,7
+ 5,6
+ 5,4
+ 5, 1
+ 6,6
+ 5, 7
+ 5,9
+ 6, 5
+ 6,2
+ 9,2
-0,2
-0,2
-0,2
-0,3
-0,4
-0,6
- 1 ,0
-2,3
-0,4
-0,1
+ 1,1
1 ,2
1 ,8
0,9
1 ,0
1 ,6
1 ,6
1 ,9
3,5
1,9
2,8
2,4
Am stärksten streuen die Trendmuster der Parteien, wenn man tür die wahlstatisti·
sehe Querschnittanalyse die prozentuellen Gewinne/Verluste einer bestimmten
Partei als Analysekriterium heranzieht. Eine Analyse nach der Höhe der ÖVP­
Verluste' ) zeigt beispielsweise. wie S PÖ, FPÖ und Grüne in Gemeinden mit
extrem starken ÖVP-Verlusten abgeschnitten haben bzw. wie die Trendmuster im
Vergleich dazu in Gemeinden mit nur unterdurchschnittlich slarken ÖVP­
Verlusten aussehen.
Die folgende Tabelle zeigt, daß sowohl die FPÖ-Gewinne als auch die (gemein­
samen) Gewinne der bei den Grünparleien (Grün-Alternalive+VGÖ) stark mit der
Höhe der ÖVP-Verlusle korrelieren:
Tabelle 19: Querschnittanalyse nach der Höhe der ÖVP-Verluste (Gewinne/
Verlusle im Vergleich zur NRW 86)
ÖVP-Verluste
1986 bis 1 990
ÖVP-Verlusle u nter 7 %
ÖVP-Verluste 7 bis 1 0 %
ÖVP-Verluste 1 0 bis 1 3 %
ÖVP-Verlusle über 1 3 %
Wahlber.
in %
SPÖ
%
ÖVP
%
FPÖ
%
Grüne')
%
20,3
33,9
30,2
15,6
-0,6
-0,5
-0,5
+ 0,6
- 5, 1
- 8,2
-10,8
-14,1
+ 4, 7
+ 6,6
+ 8,2
+ 8,4
+ 0,6
+ 1 ,4
+ 2,3
+ 4,1
1) Zunahme des G,Ün·Wählerantelis (Grun-Alternative + VGÖ) im Vergleich zur NRW 1986
•
1)
In Gemeinden mit ÖVP-VerluSlen unler sieben Prozenl ( 20,3 % der Wahlbe·
rechtigten) isl der Anleil der FPÖ-Stimmen um plus 4,7 Prozent gestiegen, in
Bei der Klassifikation der Gemeinden nachdem Kritenum "Verluste/Gewinne der Parleien" wurde eine Verteilung der
Gemeinden (gemessen an der Zahl der Wahlberechtiglen) auf Vier Klassen im VerhältniS von 2 0 : 30; 3 0 : 20 ange­
slrebl. Keine der vier Klassen sollte mit weniger als 15 Prozenl der Wahlberechtigten .besetzt· sein.
114
Gemeinden mit ÖVP-Verlusten über 13 Prozent (15,6% der Wahlberechtigten)
betrug der Stimmenzuwachs der Freiheitlichen plus 8,4 Prozent.
• Während die beiden Grünparteien ihren gemeinsamen Wähleranteil in Ge�
meinden mit unterdurchschnittlichen ÖVP�Verlusten nicht nennenswert ver­
bessern konnten (+0,6%), ist der Anteil der Grün-Stimmen in den extremen
ÖVP-Verlustgemeinden (über -13%) um 4,1 Prozent angewachsen.
Die Analyse der Wahlergebnisse nach der Höhe der FPÖ-Gewinne zeigt annä­
hernd gleich starke Korrelationen mit dem Abschneiden von SPÖ und ÖVP:
• Zwischen den beiden Extrempolen (FPÖ-Gewinne unter 4,5% und FPÖ­
Gewinne über 10 %) streuen die ÖVP-Verluste innerhalb einer Bandbreite von
minus sieben Prozent und minus elf Prozent, die SPÖ kann in Gemeinden mit
unterdurchschnittlichen FPÖ-Gewinnen ihren Wähleranteil um eineinhalb Pro­
zent verbessern, in Gemeinden mit überdurchschnittlichen FPÖ-Gewinnen
verliert sie dagegen 2,4 Prozent. Sowohl die Anteilsveränderungen derSPÖ als
auch die Anteilsverluste derÖVP streuen damit innerhalb einer Bandbreite von
rund vier Prozent.
Tabelle 20: Querschnittanalyse nach der Höhe der FPÖ-Gewinne (GewinneNer­
luste im Vergleich zur NRW '86)
FPÖ-Gewinne
1986 bis 1990
FPÖ·Gewinne
FPÖ-Gewinne
FPÖ-Gewinne
FPÖ-Gewinne
unter 4,5%
4,5 bis 7%
7 bis 1 0 %
über 1 0 %
Wahlber.
in %
SPÖ
%
ÖVP
%
FPÖ
%
Grüne' )
%
1 9,2
34,1
31 ,6
1 5, 1
+ 1 ,5
+ 0,2
-0,8
-2,6
- 7,0
- 8,8
-10,7
-1 1 ,0
+ 3,1
+ 5,8
+ 8,7
+ 1 1 ,4
+ 1,5
+ 1 ,8
+ 2,2
+2 0
,
1) Zunahme des Grun·Wähleran\e1ls (Grün-Alternative + VGÖ) im Vergleich zur NRW 1986.
Analysiert man die Gemeindeergebnisse nach der Höhe der SPÖ-Gewinne bzw.
der SPÖ-Verluste, wird ein starker Zusammenhang mit dem Abschneiden der
FPÖ, aber nur ein schwacher Zusammenhang mit dem Abschneiden der ÖVP
sichtbar:
• In Gemeinden mit SPÖ-Gewinnen über zwei Prozent (16,7% der Wahlberech­
tigten) konnten die Freiheitlichen ihren Stimmenanteil nur um unterdurch­
schnittliche plus 4,8 Prozent verbessern, in Gemeinden mit SPÖ-Verlusten
über zwei Prozent (20,2 % der Wahlberechtigten) waren die FPÖ-Zuwächse mit
plus 9,8 Prozent mehr als doppelt so hoch.
• Die ÖVP-Verluste streuen innerhalb einer Bandbreite von knapp zwei Prozent:
In SP Ö-Gewinngemeinden hat die ÖVP minus 10,6 Prozent verloren, in S PÖ­
Verlustgemeinden waren die ÖVP-Einbußen mit minus 8,8 Prozent nicht signifi­
kant niedriger.
• Aus den ermittelten Trendmustern geht auch hervor, daß zwischen dem Ab­
schneiden der SPÖ und dem Abschneiden der bei den Grünparteien nur ein
schwacher Zusammenhang besteht: Die Anteilsgewinne der Grün115
Alternativen und derVGÖ liegen in SPÖ-Verlustgemeinden bei plus 1,8 Prozent
und in SPÖ-Gewinngemeinden bei plus 1,1 Prozent.
Tabelle 21 : Querschnittanalyse nach der Höhe der SPÖ-Gewinne/SPÖ-Verluste
(GewinneNerluste im Vergleich zur NRW 86).
SPÖ-Gewinne/SPÖ-Verluste
1986 bis 1990
SPÖ-Verluste über 2 %
SPÖ-Verluste 0 bis 2 %
S P Ö-Gewinne 0 bis 2 %
SPÖ-Gewinne über 2 %
Wahlber.
in %
SPÖ
%
ÖVP
%
FPÖ
%
Grüne' )
%
20,2
36,2
26,8
1 6,7
-3,1
- 1 ,0
+ 0,9
+ 3,5
8,8
- 9,5
- 9,1
-10,6
+ 9,8
+ 7, 4
+ 5,6
+ 4,8
+ 1 ,8
+ 2,3
+ 1 ,9
+ 1,1
1) Zunahme des Grün-Wähleranteils (Grün-AUernative + VGÖj im Vergleich zur NAW 1986
Ergebnisse der Wählerstromanalyse
Da Wahlergebnisse immer nur die saldierten Gewinne/Verluste der Parteien aus­
weisen, versucht die empirische Wahlforschung die Kopmplexität und Vielschich­
tigkeit der Wählerbewegungen mit Wählerstromanalysen darzustellen. Für die
einzelnen Parteien werden auf Modellschätzungen beruhende Wanderungsbilan­
zen erstellt, aus denen abgelesen werden kann, von welchen Parteien beispiels­
weise die SPÖ am 7. Oktober 1 990 gegenüberder Nationalratswahl 1986 Stimmen
gewinnen konnte und an welche Parteien sie Stimmen abgeben mußte.2)
Die Wanderungsbilanz der SPÖ
Rund 80.000 Stimmen hat die SPÖ bei der Nationalratswahl am 7. Oktober im Ver­
gleich zur Nationalratswahl vom 23. November 1986 verloren. Aufgrund der deut­
lich gesunkenen Wahlbeteiligung entspricht dies nur einem Anteilsverlust von
minus 0,3 Prozent. Obwohl sich das prozentuelle SPÖ-Ergebnis zwischen den bei­
den Wahlgängen damit per Saldo nur unwesentlich verändert hat, zeigt die Wäh­
lerstromanalyse zum Teil massive Abwanderungen von der SPÖ, die allerdings
durch SPÖ-Zuwanderer wieder weitgehend kompensiert werden konnten:
• Der von knapp 90.000 auf rund 500.000 Stimmen angewachsene Vorsprung der
SPÖ gegenüber der ÖVP resultiert in erster Linie aus einem starken Wähler­
strom von ehemaligen ÖVP-Wählern zur SPÖ. Akzeptiert man die vom Ifes­
Institut errechnete Übergangsmatrix als Grundlage für die SChätzung derWäh­
lerströme, müssen rund 130.000 Wähler, die bei der Nationalratswahl vor vier
Jahren noch der ÖVP ihre Stimme gegeben haben, am 7. Oktober zur
Vranitzky�SPÖ gewandert sein. Allein durch diesen "Stimmentransfer" von der
ÖVP zur SPÖ hat sich der Abstand zwischen den beiden Regierungsparteien
2) 016 i m Jola.enden behandelte WählelstromanalY�8 stützt sich primär aul eine vom Ifes-Institut im Auftrag des ORF
ermittelte U bergangsmatrix, die mathematische UbergangswahrscheinUchkeilen abbilde\. Es werden aber auch Mo­
delIschätzungen der Autoren berückSichtigt. die aul Ergebnisse von Repräsentalivumlrsgen vor der Wahl und aut
ErgebniSse der Wahltagsbelragung beruhen.
116
um 260.000 Stimmen vergrößert. Der SPÖ·Verlust an die ÖVP fällt mit minus
15.000 Stimmen dagegen kaum ins Gewicht.
• Nach der von Ifes errechneten Übergangsmatrix hat die SPÖ die mit Abstand
meisten Stimmen (nämlich 110.000) an die FPÖ verloren. Aber gleichzeitig soll
sie am 7. Oktober rund 40.000 ehemalige FPÖ·Wähler gewonnen haben.
• Die Wählerwanderungen zwischen der SPÖ und den Grün-Alternativen zeigen
tür die SPÖ einen positiven Saldo. Verlusten an die Grün·Alternativen (rund
15.000 Stimmen) stehen deutlich höhere Gewinne von den Parlamentsgrünen
(rund 40.000 Stimmen) gegenüber.
• Die deutlich gestiegene Wahlabstinenz, der zunehmende Trend zum Ungültig·
wählen und der Effekt des Generationswechsels (Veränderung des Elektorats
durch Mortalität und Erstwähler) haben der SPÖ nach den vorliegenden
Modellschätzungen rund 120.000 Stimmen gekostet.
Tabelle 22: Wanderungsbilanz der SPÖ
Wählerstrom von der . . .
.
. .
.
.
.
Stimmen absolut
SPÖ zur FPÖ
SPÖ zu den Grün·Alternativen
SPÖ zu den Sonstigen 1)
SPÖ zur ÖVP
ÖVP zur SPÖ
FPÖ zur SPÖ
Grün·Alternativen zur SPÖ
Nichtwähler, Generationseffekt
-1 10.000
1 5.000
- 30.000
- 1 5.000
+ 1 30.000
+ 40.000
+ 40.000
-1 20.000
Saldo SPÖ
- 80.000
·
·
·
·
·
.
·
.
.
.
1) Sonstige
=
VGÖ, CWG. COP, WGÖ, liste Fritz. KPÖ;
Die Wanderungsbilanz der ÖVP
Während die SPÖzur FPÖ abgewanderte bzw. an die "Partei der N ichtwähler" ver·
lorene Wähler durch Gewinne von der ÖVP und den Grünen in der Wanderungs·
bilanz wieder ausgleichen konnte, hat die Volkspartei am 7. Oktober in alle Rich·
tungen massiv verloren, ohne nennenswerte Gewinne von anderen Parteien
erzielen zu können. An die SPÖ mußte sie 130.000 abgeben, zur FPÖ wanderten
150.000 ÖVP·Wähler und die gesunkene Wahldisziplin bzw. der Generationseffekt
schlugen sich in der ÖVP.Wanderungsbilanz mit einem Minus von 170.000 Stim·
men zu Buche. An die Kleinparteien dürfte die ÖVP insgesamt rund 60.000 Stim·
men abgegeben haben.
117
Tabelle 23: Wanderungsbilanz der ÖVP
Wählerstrom von der
Stimmen absolut
. ÖVP zur FPÖ
ÖVP zur SPÖ
. ÖVP zu den Sonstigen 1)
. ÖVP zu den Grün-Alternativen
. SPÖ zur ÖVP
Nichtwähler, Generationseffekt
-150.000
-1 30.000
- 40.000
- 20.000
+ 1 5 .000
-1 70.000
Saldo ÖVP
-495.000
·
.
·
.
·
.
.
·
.
1) Sonstigß
'" VGÖ. CWG, COP, WGÖ, liste Flitz, KPÖ;
Die Wanderungsbilanz der FPÖ
Die Freiheitlichen profitierten vorwiegend von der Zuwanderung ehemaliger ÖVP­
Wähler (rund 150.000), aber auch die SP Ö mußte 110.000 ihrer Wähler aus dem
Jahre 1986 an die Haider-FPÖ abgeben.
Vom Rückgang der Wahlbeteiligung war die FPÖ - im Gegensatz zu den beiden
Regierungsparteien - kaum betroffen. Ä hnlich wie die zwei getrennt kandidieren·
den Grüngruppierungen haben auch die Freiheitlichen vom Generationswechsel
profitiert.
Tabelle 24: Wanderungsbilanz der FPÖ
Wählerstrom von der .
Stimmen absolut
. . ÖVP zur FPÖ
. . . SPÖ zur FPÖ
. . . FPÖ zur SPÖ
Nichtwähler, Generationseffekt
1 50.000
+ 1 1 0.000
- 40.000
+ 80.000
Saldo FPÖ
+ 300.000
·
+
Die Wanderungsbilanz der Grün-Alternativen
Gemessen an den Wahlerwartungen konnten die Grün-Alternativen von den Re­
gierungsparteien SPÖ und ÖVP nur bescheidene Wählerzuwächse erzielen . AI·
Tabelle 25: Wanderungsbilanz der Grün-Alternativen
Wähterstrom von der . . .
·
. SPÖ zu den Grün-Alternativen
. . ÖVP zu den Grün-Alternativen
·
.
·
.
. Grün-Alternativen zur SPÖ
. Grün-Alternativen zur VGÖ
Stimmen absolut
+ 1 5.000
+ 20.000
-40.000
-60.000
Nichtwähler, Generationseffekt
+ 50.000
Saldo Grün-Alternative
- 1 5.000
118
lein an die SPÖ sollen die Grün-Alternativen mehr Stimmen verloren haben als sie
von den Koalitionsparteien insgesamt gewinnen konnten.
Noch stärker war die Zahl der Abwanderer, die sich bei der Nationalratswahl am
7. Oktober für die bürgerliche Grünpartei VGÖ entschieden haben: 60.000
"Wechsler" zu den Vereinten Grünen sorgten i n der Wanderungsbilanz der Grün­
Alternativen für ein kräftiges Minus, das nur zum Teil durch Neuzugänge aus dem
Erstwähler-Segment ausgeglichen werden konnte.
Die zentralen Themen des Wahlkampfes
Vier Themenschwerpunkte dominierten die i nnenpolitische Medienberichterstat­
tung seit Anfang Juli bis kurz vor der Wahl :
• Über Wochen hindurch stand die Wahlkampf-Agenda völlig im Zeichen von
Skandalen/Affären: Die stärkste Medienresonanz fand dabei der "Fall Rechber­
ger" bzw. die daraus resultierende Diskussion über Politikerprivilegien, Ämter­
kumulierung und Pflichtmitgliedschaft i n den Kammerorganisationen .
•
Mitdem Näherrücken des Wahltermins konzentrierte sich das Medieninleresse
zunehmend auf Spekulationen über den Wahlausgang und möglichen Koali­
tionsoptionen, die sich daraus ergeben könnten. Vor allem in den letzten Wo­
chen vor dem 7. Oktober wurde die inhaltlich-politische Argumentation immer
slärker von Wahlkampfritualen ("Umfrageduelle" zwischen den Parteien, Dis­
kussion über den Ausgang der TV-Konfronlation, Kritik an SPÖ-Vorzugsstim­
menkampagne) überlagert.
Tabelle 26: Themenschwerpunkte der innenpolitischen Medienberichlerstat­
tung im Trend')
- Wirtschaftslhemen (Steuern, Konju n ktur,
Budget, Pensionsreform, Arbeitszeitver­
kürzung)
- "Grün"-Themen (AKW Bohunice, Ozon,
Umwellgesetze, Öko-Steuern, Transil,
Verkehr/Autobahnbau)
- Skandale/Affären - Politikerprivilegien
("Fall Rechberger", Kritik an Arbeiler­
kammer, Volkshilfe, SPÖ-Pensionislen­
verband, Sinowatz-Urteil, Lucona- und
Noricum-Prozeß)
- Koalitionsspekulationen - Wahlerwar­
lungen - Wahlkampfriluale (Umfrage­
duelle, TV-Konfrontation, Vorzugsstim­
menkampagne)
Juli
in %
Aug.
in %
Sept.
in %
17,2
12,7
15,9
19,1
17,7
10,8
13,3
18,0
18,5
9,2
10,8
19,0
I) Untersuchte Medien: TV·Nachfichtensendung .Zeit im Bild". Kronenzeitung. Kurier, Kleine Zeitung;
119
• Während in der SchluBphase des Wahlkampfes personelle und imagebezoge­
ne Elemente immer stärker in den Vordergrund der Thematisierung rückten, ist
das I nteresse an Umweltproblemen, die in den Monaten Juli und August in der
politischen Diskussion (und der Medienberichterstattung darüber) stark zu­
rückgegangen, obwohl Umweltprobleme von der Wahlbevölkerung auch am
Höhepunkt der Wahlauseinandersetzung als die entscheidungsrelevanten
Themen bezeichnet wurden.
Tabelle 27: Entscheidungsrelevante Themen und Probleme aus der Sicht der
Wahlberechtigten 1)
Frage: "Weiches Thema bzw. Problem, das derzeit in der Öffentlichkeit diskutiert
wird, ist für Ihre persönliche Wahlentscheidung von großer Bedeutung? Was wird
für Ihre Entscheidung am 7. Oktober besonders wichtig sein?"
1 . Umweltprobleme (Transit, Ozon, Müll etc.)
33 %
2. Skandale/Affären (Rechberger, Pensionistenverband, Volkshilfe,
28 %
Anklage gegen Sinowatz, Gratz und Blecha)
3. Pensionen - soziale Sicherheit
14 %
4. Wirtschaftsthemen (allgemeine Wirtschaftsentwicklung, Steuerreform,
Privatisierung)
12 %
5. Ausländerfrage (Visapflicht, Kriminalität, Grenzschutz durch das
Bundesheer)
10 %
6. Spitzenkandidaten
6%
7. EG-Beitritt
2%
Staatsvertrag - Neutralität
2%
9. Abtreibungspille - Fristenlösung
1 %
Koalitionsdiskussion
1 %
1) Offene FrageSleUung. nachträgliche Vercodung der Antworten; Quelle: 4kumuliefle Telefonumlragen August/Septem­
ber, Fessel .. GfK·lnstllul, Inslltul lür strategische Markt und Melrlungslorschung;
Nahezu 40 Prozent der innenpolitisch relevanten Medienbeiträge setzten sich im
September 1990, wenige Wochen vor der Nationalratswahl, entweder mit dem
Themenschwerpunkt "Skandale/Affären/Privilegien" oder mit dem Themen­
schwerpunkt "Wahlen/Koalitionen/Spitzenkandidaten" auseinander. Die Kom­
mentatoren/Leitartikler der Tagespresse konzentrierten sich noch viel stärker auf
diese beiden Themen.
Die politische Tendenz der "Meinungsartikel" (Kommentare/Glossen) war von
massiver Kritik an der SPÖ geprägt. Das in den Kommentaren artikulierte mediale
Meinungsklima hatte sich wenige Wochen vor der Wahl für die SPÖ dramatisch
verschlechtert.
• Vor allem der "Fall Rechberger", aber auch die Affäre um den SPÖ­
Pensionistenverband, die SPÖ-Reaktionen auf die Sinowatz- und Blecha­
Anklage im Noricum-Prozeß sowie die ,;Volkshilfe"-Affäre lösten zum Teil heftige
Kritik aus, von der auch Bundeskanzler Vranitzky nicht ausgenommen wurde:
"Und wer gesehen und gehört hat, wie Vranitzky sich im Fernsehen abbeutelte,
als er zur Affäre Noricum befragt wurde - der fragl sich. ob der SPÖ-Chef die
120
Dringlichkeit tiefreichender Ä nderungen i n unserem politischen System wirk­
lich erkannt hat" (Kleine Zeitung, 4. 9.). Aus einer zwischen Anfang Juli und
Ende September durchgeführten Inhaltsanalyse der Kommentare/Glossen
mehrerer Tageszeitungen geht hervor, daß sich die Kritik der Kommentatoren
im genannten Zeitraum vorwiegend gegen die SPÖ (29 % der gesamten
Kommentatoren-Kritik) gerichtet hat. Mit einem "Kritik-Anteil" von 19 Prozent
war die ÖVP-Tendenz in den Kommentaren weit weniger negativ.
• Das Ergebnis der Nalionalratswahl steht im krassen Gegensatz zur
Kommentatoren-Tendenz vor der Wahl: Nicht die am stärksten kritisierte SPÖ,
sondern die während des Wahlkampfes von Medienkritik eherverschonte ÖVP
hat am 7. Oktober eine katastrophale Niederlage erlitten. Die im Vorfeld der Na­
tionalratswahl in Kommentaren der Tagespresse artikulierte Kritik an den ein­
zelnen Parteien läßt offensichtlich keine verläßlichen Rückschlüsse auf kurzfri­
stige Veränderungen im Wahlverhalten z u . Zu sehr wird das medial vermittelte
politische Meinungsklirna von der persönlichen "Darstellungs-Kompetenz"
einzelner Spitzenpolitiker sowie von deren Fähigkeit, Kompetenz und "Lea­
dership" auszustrahlen, beeinflußt.
Tabelle 28: Tendenz der Kommentare im Wahlkampf"
"Kritik-Score"
absolut
Negative/positive
Kritik in %
SPÖ +
SPÖ-
+ 1 2
- 1 95
OOJ
ÖVP +
ÖVP-
+ 10
-130
[Jill
FPÖ+
FPÖ-
+ 15
67
2,2
9,9
Grüne+
Grüne-
2
41
0,3
6,0
Koalition +
Koalition-
°
37
0,0
0,4
Parteien +
Parteien-
+
2
-1 68
0,3
24,7
1 ,8
1 ,5
1) UllIersuchl wurden alle innenpolitisch relevanten "Melnungsarlikel" (KommentarefGlossen) der Tageszeilungen .Kro,
neo, .Kurler", .Kleine Zeilung", "Die Presse" und .OberÖSlerrelchische Nachrichten" zwischen Anfang Juh und Anfan9
Oktober 1990. Angewandte Methode: Inhaltsanalyse, Intens!t!itlHäufigkell der negallvenfposiliven Kritik wurde an­
hand einer siebenstufIgen Skala (-3 bis +3) gemessen
Zeitpunkt der Wah lentscheidung
Der Prozentsatz derjenigen Wähler, die sich erst am Höhepunkt des Wahlkampfes
definitiv auf eine bestimmte Partei festlegen, gilt in der internationalen Wahlfor"
schung als Indikator für die Auflösung traditioneller Wahlnormen. Bei den Natio121
nalratswahlen vom 7. Oktober 1990 haben sich sieben Prozent der Wähler erst we­
nige Tage vorderWahl definitivfüreine Partei entschieden; weitere sieben Prozent
i n den letzten ein bis zwei Wochen vor der Wahl. 82 Prozent hatten ihre Entschei­
dung schon früher getroffen. Jeweils ein Viertel der FPÖ- und Grün-Wähler haben
mit ihrer endgültigen Wahlentscheidung bis kurz vor der Wahl gewartet (Iate deci­
ders). Bei den Großparteien waren die entsprechenden Prozentsätze geringer,
doch fällt auf, daß auch der Anteil an SPÖ-Wählern, die sich erst wenige Tage vor
der Wahl festgelegt haben, gegenüber 1986 angestiegen ist. Relativ spät erfolgte
die endgültige Festlegung bei den Wechselwählern, hier haben sich 22 Prozent
erst wenige Tage vor der Wahl und weitere 21 Prozent erst in den letzten ein bis
zwei Wochen entschieden. Der Entschluß, sich von der ÖVP abzuwenden, ist bei
61 Prozent der ehemaligen ÖVP-Wähler schon vor längerer Zeit gefallen. 20 Pro­
zent der Abwanderer von der Volkspartei haben diese Entscheidung allerdings
erst wenige Tage vor der Stimmabgabe getroffen.
Tabelle 29: Zeitpunkt der Wahlentscheidung nach soziodemographischen
Wählergruppen
in Prozent
Es haben nach eigenen Angaben ihre definitive Wahlentscheidung getroffen . . .
wenige Tage 1 bis 2 Wochen schon länger
vor der Wahl
vorher
vor der Wahl
7
7
82
SPÖ-Wähler
ÖVP-Wähler
FPÖ-Wähler
Grün-Wähler
5
7
11
9
3
6
12
14
87
83
76
76
Wechselwähler
22
21
55
Abwanderer von der SPÖ
Abwanderer von der ÖVP
14
20
29
16
55
61
Erstwähler 1990
13
13
71
negative Vaters
13
11
69
Wähler (insgesamt)
Quelle: Fessel+GIK·lns1ilut. Repräsentative WahHagsbelragung (exil poil). N
lokals, bundesweite Stichprobe
_
2.200 Wähler nach Verlassen des Wahl­
Wahlverhalten nach soziodemographischen Wählergruppen
SPÖ wie ÖVP konnten bei Frauen ein deullich besseres Ergebnis erzielen als bei
Männern; was insbesondere auf das überdurchschnittlich gute Abschneiden der
Freiheitlichen bei Männern zurückzuführen ist. Nach wie vor wird die FPÖ über·
122
wiegend von Männern (60 Prozent der FP Ö -Wählerschaft) gewählt, während die
Grünalternativen einen ähnlich hohen Vorsprung an weiblichen Wählern (58 Pro­
zent der GAL-Wähler) aufweisen.
In der Gruppe der Erstwähler konnten die S PÖ nur 30 Prozenl und die ÖVP nur
26 Prozent der Stimmen erzielen, auf die Freiheitlichen entfielen 19 Prozent und
auf beide Grüngruppierungen gemeinsam ebenfalls 19 Prozent. Die SP Ö erzielte
überdurchschnittlich positive Ergebnisse in den Altersgruppen 45 bis 50 sowie 60
bis 69 Jahre; die ÖVP schnill am besten i n der ällesten Wählergeneration ab. Für
die FP Ö zeigen sich demographische Schwerpunkte in der jüngsten und in der äl­
testen Wählergeneration, während sich die Wählerschaft der Grünparteien über­
wiegend auf die unler 40jährigen konzentrierl.
Eine Analyse nach Berufsgruppen ergibt, daß die Sozialislische Partei 55 Prozent
der uno und angelernten Arbeiter, 50 Prozent der qualifizierten Arbeiter und 51 Pro­
zent der Hausfrauen für sich gewinnen konnte. Die nächststärkste Wählergruppe
sind Pensionislen. Bei Angehörigen des öffentlichen Diensles entfallen 40 Pro­
zenl und bei Angestellten 38 Prozenl auf die SPÖ ; sie liegt auch in diesen Gruppen
deullich vor der Volkspartei . Relaliv schlecht schneidel die SPÖ bei den in Ausbil­
dung Befindlichen sowie erwartungsgemäß bei den Selbsländigen und Freiberuf­
lern sowie Landwirten ab. Eine Mehrheit an ÖVP-Wählern findet sich berufsspezi­
fisch gesehen nur bei Landwirten (85 Prozeni), Selbständigen und Freiberuflern
(51 Prozent).
Im Ö ffenllichen Dienst erreichl die Volkspartei 30 Prozent, bei den Angesteillen 27
Prozenl der Wählerstimmen. Ein Fünftel (21 Prozenl) aller Arbeiter hat sich tür die
ÖVP entschieden; ein ebenso starker Prozentsatz tür die Freiheitlichen, wobei
letztere bei den qualifizierten Arbeitern die ÖVP übertreffen . Pensionisten, Haus­
frauen und in Schulausbildung Stehende haben zu weniger als einem Drittel die
Volkspartei gewählt. Berufsspezifische Schwerpunkte der FP Ö-Wähler sind quali­
fizierte Arbeiter und Selbständige bzw. Freiberufler, gefolgt von Pensionisten, An­
gestellten und Beamten, nach wie vor stark unterrepräsentiert sind Hausfrauen,
Schüler/Studenten und Landwirte. Die beiden Grünparteien konnten viervon zehn
der in Ausbildung Befindlichen und über ein Zehntel der Angehörigen des öffentli­
chen Dienstes bzw. der Angestelltenschaft für sich gewinnen. Kaum repräsentiert
sind sie bei Landwirten und nichtqualifizierten Arbeitern.
Überdurchschnittliche Anleile von Ungültig- bzw. WeiBwählern entfallen auf die
unter 30jährigen sowie auf Angesteille und Selbständige. Betrachtet man die Wäh­
lerprofile der Parteien, wie sie sich aus der repräsentativen Wahltagsbefragung
(exit-poll) ergeben, so zeigl die SPÖ i nsgesaml eine deulliche Verbreilerung in
Richtung der unieren Bildungsschichi von Arbeilern, Hausfrauen und über
60jährigen, wohingegen Landwirte, Selbständige und Freiberufler und die obere
Bildungsschicht strukturell unterrepräsentiert sind.
123
Tabelle 30: Wahlverhalten nach soziodemographischen Gruppen
in Prozent der Befragten
haben am 7. Oktober
1990 gewählt
SPÖ ÖVP
FPÖ Grüne VGÖ VDS sonst. ungül.
Männer
berufstätige Männer
nicht berufstätige Männer
Pensionisten
39
38
14
46
29
29
31
29
20
20
7
22
4
4
26
0
2
2
18
0
1
0
1
2
1
0
Frauen
berufstätige Frauen
nicht berufstätige Frauen
Pensionistinnen
44
40
46
48
33
34
31
34
12
13
11
12
5
6
6
2
2
2
1
1
0
0
1
1
0
3
0
Erstwähler 1990
bis 29jährige
30-40jährige
45-59jährige
60-69jährige
70jährige und älter
30
35
40
46
50
41
26
24
32
34
33
36
19
18
15
15
13
19
13
9
6
2
0
2
6
4
3
0
0
0
Selbständige, freie Berufe
Beamte
Angestellte
Facharbeiterj Meister,
Vorarbeiter
Arbeiter (un-fangelernt)
Landwirte
Pensionisten
Hausfrauen
in Schulausbildung
10
40
38
51
30
27
21
14
16
8
8
7
50
55
25
12
9
16
11
8
2
1
1
47
51
16
19
26
85
32
31
29
1
3
28
1
0
12
1
0
0
3
3
29
20
46
29
27
33
25
28
15
5
9
4
7
9
1
3
2
0
3
5
0
Wechselwähler
15
11
51
9
6
3
4
SPÖ-Wähler 1986
ÖVP-Wähler 1986
FPÖ-Wähler 1986
Grün-Wähler 1986
86
4
3
17
1
80
8
9
8
11
84
10
2
2
1
51
1
1
9
1
0
2
0
1
0
2
Nichtwähler 1986
19
28
12
12
7
Wahlentscheidung
in der letzten Woche
vor 1 bis 2 Wochen
schon länger vorher
2
1
0
1
4
3
4
2
0
2
2
4
5
4
1
2
4
1
5
6
3
2
5
4
6
3
4
4
1
0
4
2
0
3
20
Quelle: Fessel+GfK-lnstitut, RepräsentaliveWahttagsbelragung (exil poil), N = 2.200 Wähler nach Verlassen des Wahl·
lokals. bundesweite StiChprObe
I n der SPÖ- wie ÖVP-Wählerschaft sind Männer, Angestellte, vor allem aber die
jüngste Wählergeneration im Vergleich zur jeweiligen Grundwählerschaft unter124
durchschnittlich vertreten . Das Wählerprofil der Volkspartei weist zudem eine
relative Überrepräsentation von Selbständigen und Landwirten sowie der oberen
Bildungsschicht auf, dem eine U nterrepräsentanz in der Arbeiterschaft gegen­
übersteht. Die stärksten Abweichungen vom Durchschnittsprofil der FPÖ-Wähler­
schaft finden sich bei Männern, Selbständigen/Freiberuflern und Arbeitern (über­
durchschnittlich vertreten) sowie bei Hausfrauen und Landwirten (unterdurch�
schnittlich). Die Grünalternativen weisen einen starken Überhang an jungen und
besser gebildeten Wählern auf.
Tabelle 31: Strukturelle Über- bzw. Unterrepräsentanz der politischen Parteien
bei ausgewählten Wählersegmenten (Abweichungen vom jeweils
durchschnittlichen Parteianteil)
+/- Prozentpunkte
SPÖ
ÖVP
FPÖ
GRÜNE
3
2
2
+ 2
+4
-4
0
-1
Männer
Frauen
+
unter 30jährige
über 60jährige
7
+ 8
+
7
2
+2
-3
+5
-4
Pflichtschulbildung
Fachschulbildung
Maturanten/Akademiker
+ 8
+ 4
-1 8
+ 2
4
+ 7
-2
+3
-3
-3
-2
+9
Selbständige, freie Berufe
Landwirte (Vollerwerb)
Beamte, öffentlicher Dienst
Angestellte
Arbeiter
Hausfrauen
Pensionisten
-32
-41
- 2
- 4
+ 10
+ 9
+ 5
+ 20
+ 54
- 1
- 4
-10
0
+ 1
+5
-7
-2
0
+5
-5
0
+4
-4
+4
+3
-2
-1
-3
+
'" prozentuelle Ü be/repräsentanz dieser Partei
prozentuelle Unterrepräsentanz diesel Partei
- _
Quelle: Fessel+GtK-lnstitul, Repräsentative Wahllagsbefragung (exil poil), N
lokals, bundesweite Stichprobe
=
2.200 Wähler nach Verlassen des Wahl·
Vergleicht man das Wahlverhalten ausgewählter soziodemographischer Wähler·
segmente von 1986 und 1990, so zeigt sich:
• Sei den unter Dreißigjährigen hat die ÖVP mit einem Verlust von neun Prozent­
punkten wesentlich mehr Wähler eingebüßt als die SPÖ (-4 %). Die Freiheitli­
chen konnten sechs Prozentpunkte dazugewinnen, die Grünalternativen erlit­
ten einen leichten Rückschlag .
• In der Angestelltenschaft hat sich der Abstand zwischen SPÖ und ÖVP von vier
Prozent (1986) auf elf Prozent (1990) erhöht, was insbesondere auf die ÖVP­
Verluste in der Größenordnung von neun Prozentpunkten zurückzuführen ist.
Die FPÖ steigt hier von 13 auf 16 Prozent; die Grünalternativen bleiben mit sie­
ben Prozent stabil.
125
• Bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes fallen die ÖVP-Einbußen mit
minus drei Prozent unterdurchschnittlich aus (1990: 30 %); die SPÖ verliert
neun Prozent und hält nun bei 40 Prozent. Die FPÖ steigt von acht Prozent auf
14 Prozent; die GAL nur leicht von sechs Prozent auf acht Prozent.
• Bei den Arbeitern verlieren SPÖ und ÖVP jeweils fünf Prozentpunkte; womit die
SPÖ bei 52 Prozent und die ÖVP bei 21 Prozent hält. Die FPÖ kann ihren Stim­
menanteil in der Arbeiterschaft verdoppeln und zieht mit der ÖVP gleich.
• I n der Gruppe der Selbständigen und Freiberuller verliert die ÖVP neun Pro­
zentpunkte, die SPÖ vier Prozentpunkte. Die FPÖ verzeichnet einen Zugewinn
von sechs Prozentpunkten auf 21 Prozent.
• Bei den Pensionisten geht die ÖVP von 41 Prozent auf 32 Prozent zurück, die
SP Ö erleidet mit minus zwei Prozent nur leichte Einbußen (1990: 47 %). Die
FPÖ kann hier ihren Prozentsatz von acht Prozent auf 16 Prozent verdoppeln.
Tabelle 32: Veränderungen im Wahlverhalten ausgewählter soziodemographi­
scher Wählersegmente (1986-1990)
Jungwähler (19-29jährige)
Angestellte (white collar)
NRW 86 NRW 90 Veränd. %
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grüne
39
33
12
11
35
24
18
9
-4
-9
+6
-2
N RW 86 N RW 90 Veränd. %
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grüne
57
26
10
4
52
21
21
2
- 5
- 5
+11
- 2
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grüne
47
32
16
1
49
33
8
6
40
30
14
8
-9
-3
+6
+2
Selbständige, Untern . , freie Berufe
Pensionisten
49
41
8
1
- 2
- 9
+
3
+ /-0
NRW 86 NRW 90 Veränd. %
N RW 86 N RW 90 Veränd. %
NRW 86 NRW 90 Veränd. 0/0
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grüne
38
27
16
7
Beamte, öffentlicher Dienst
Arbeiter (blue collar)
NRW 86 NRW 90 Veränd. %
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grüne
40
36
13
7
2
9
+
8
+ /-0
-
-
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grüne
Quelle. Fessel+GfK-lnstitut, Repräsentalive Wahltagsbefragung (exil poil). N
lokals, bundesweite Stichprobe
14
60
15
6
_
10
51
21
8
--4
-9
+6
+2
2.200 Wähler nach Verlassen des Wahl·
Wechselwähler und Wählerbewegungen
Bei den N ationalratswahlen am 7. Oktober 1990 haben 17 Prozent der Wähler die
Partei gewechselt, wobei 51 Prozent der Wechselwähler auf die FPÖ, je 15 Prozent
126
der Wechselwähler auf die FPÖ, je 15 Prozent auf die SPÖ bzw. die bei den Grün­
gruppierungen und elf Prozent auf die ÖVP entfallen. Die SPÖ konnte ihre Wähler­
schaft von 1986 am stärksten halten: 86 Prozent der damaligen SPÖ-Wähler ha­
ben sich 1990 wieder für die SPÖ entschieden; acht Prozent sind zu den
Freiheitlichen, drei Prozent zu einer der beiden Grüngruppierungen und nur ein
Prozent zur ÖVP gewandert. Die ÖVP konnte demgegenüber nur vier Fünftel ihrer
früheren Wählerschaft halten, sie verlor elf Prozent an die FPÖ, vier Prozent an die
Sozialisten und drei Prozent an eine der beiden Grünparteien. 84 Prozent der
FPÖ-Wähler von 1986 haben 1990 wieder FPÖ gewählt, acht Prozent ÖVP, drei
Prozent SPÖ und zwei Prozent Grüne oder VGÖ. Nur die Hälfte der GAL-Wähler
von 1986 haben auch 1990 die Grüne Alternative gewählt, 1 7 Prozent sind zur
SPÖ, jeweils ein Zehntel sind zu FPÖ, VGÖ oder ÖVP gewandert.
Betrachtet man die politische Struktur der Parteiwählerschaften von 1990, so läßt
sich feststellen:
• 87 Prozent der SPÖ-Wähler von 1990 haben 1986 gleichfalls die SPÖ gewählt;
drei Prozent kommen von der ÖVp, fünf Prozent sind Erstwähler;
• 85 Prozent der ÖVP-Wähler haben 1986 die ÖVP gewählt; je zwei Prozent sind
ehemalige SPÖ- und FPÖ-Wähler, sechs Prozent sind Erstwähler.
• Von der FPÖ-Wählerschaft haben nur 40 P rozent schon 1986 die Freiheitlichen
gewählt; 23 Prozent sind frühere ÖVP-Wähler, 20 Prozent ehemalige SPÖ­
Wähler, acht Prozent der FPÖ-Wähler haben 1990 zum ersten Mal gewählt.
• Nur 36 Prozent der GAL-Wähler haben schon 1986 die Grünen gewählt; 22 Pro­
zent der Grünwähler sind Erstwähler, 15 Prozent sind ehemalige SPÖ- und
zwölf Prozent frühere ÖVP-Wähler.
Tabelle 33: Politische Struktur der Parteiwählerschaften 1990
in Prozent
SPÖ-Wähler 1986
ÖVP-Wähler 1986
FPÖ-Wähler 1986
Grün-Wähler 1986
Erstwähler 1990
Nicht- bzw.
Ungültig-Wähler
1986
SPÖ-Wähler
ÖVP-Wähler
87
3
2
85
2
1
6
20
23
40
2
8
15
12
1
36
22
3
2
8
1 00 %
1 00%
1 00%
5
100%
FPÖ-Wähler
Quelle: Fessel + GfK-lnstltut, Repräsentative Wahllagsbefragung (exil poil), N
Wahllokals, bundesweile StiChprobe
'"'
Grün-Wähler
2.200 Wähler nach Verlassen des
127
Traditionelle Bestimmungsgründe des Wählerverhaltens
Trotz der starken und wachsenden B eweglichkeit der österreichischen Wähler­
schaft sind - wenngleich abgeschwächt - noch traditionelle Determinanten des
Wählerverhaltens feststellbar. Eine enge Kirchenbindung wirkt nach wie vor zu­
gunsten der Volkspartei. Die ÖVP vereinigt fast zwei Drittel (61 %) der regelmäßi­
gen Kirchgänger katholischer Konfession auf sich; auf die SPÖ entfallen nur 22
Prozent und auf die FPÖ nur zehn Prozent dieser Gruppe. Umgekehrt votiert ca.
ieder zweite kirchenferne Katholik (49 %) für die SPÖ, und nur jeder Vierte dieser
Gruppe für die Volkspartei. Von den Österreichern ohne Bekenntnis wählt die
Hälfte SPÖ, ein Viertel die Freiheitlichen, ein Zehntel die Grünen, aber n u r neun
Prozent die ÖVP.
Beinahe spiegelverkehrt stellt sich die Situation nach der Gewerkschaftsbindung
dar. 62 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder wählen SPÖ, 19 Prozent die Volks­
partei und elf Prozent die Freiheitlichen. Bei den Nicht-ÖGB-Mitgliedern entfallen
jeweils ein Drittel auf ÖVP (36 Prozent) und SPÖ (33 Prozent); 18 Prozent auf die
FPÖ. Die Arbeiterschaft wählt zu mehr als der Hälhe sozialistisch; auf die ÖVP
und FPÖ entfallen jeweils nur ein Fünftel der blue-collar-voters. Auch die Grünen
sind hier nur schwach vertreten. In der Angestelltenschaft ist das Bild weit diffu­
ser: die SPÖ wird von 38 Prozent der Angestellten gewählt; über die Hälfte dieser
Gruppe votiert für andere Parteien (27 % ÖVP, 1 6 % FPÖ, 7 % Grün-Alternative).
Tabelle 34: Traditionelle Determinanten des österreichischen Wählerverhaltens 1 990
in Prozent
Religious Voting
- regelmäßige Kirchgänger
(Katholiken)
- Kirchenferne (passive
Katholiken)
Class-Voting
- Arbeiter (blue collar)
- Angestellte (white collar)
Union-Voting
- Gewerkschaftsmitglied
- kein Gewerkschaftsmitglied
Lager-Kullur
- Wähler, die in Selbständigenbzw. Landwirte-Haushalten
leben
- Wähler, die in ArbeiterHaushalten leben
SPÖ
ÖVP
FPÖ
Grüne
22
61
10
2
49
24
17
4
52
38
21
27
21
16
7
62
33
19
36
11
18
3
5
10
65
15
4
57
20
Quelle: Fessel + GIK-lnslilut, RepräsenlalivlI Wahltagsbelragung (ell!l poli), N
Wahllokals. bundesweite Stichprobe
128
2
17
..
2.200 Wähler nach Verlassen des
Stärker als die aktuelle Berufsausübung wirkt sich noch das berufliche Milieu einst ein wesentlicher N ährboden der Lagerkultur - aus: zwei Drittel (65 %) der
Wähler aus Selbständigen- und Landwirtehaushalten entscheiden sich für die
ÖVp, 15 Prozent für die FPÖ und nur zehn Prozent für die Sozialisten. Umgekehrt
votieren 57 Prozent der Wähler aus dem Arbeitermilieu tür die Sozialistische Par·
tei, 20 Prozent für die ÖVP und 1 7 Prozent für die Freiheillichen.
Tendenzen und M uster der Wäh lerbewegungen
Ein Resümee der Wählerbewegungen zeigt beinahe flächendeckende Verluste
der ÖVP, die nur in wenigen Kernwählergruppen - notabene in solchen mit meist
abnehmender zahlenmäßiger Bedeutung wie Landwirte und regelmäßige Kirch­
gänger - ihre Position halten bzw. eine Mehrheit für sich gewinnen kann. Zu den
traditionellen SChwachpunkten der ÖVP (Arbeiterschaft) kommen massive Ein­
brüche in soziodemographische Zukunftsgruppen (Junge Menschen, neue ange­
stellte Mittelschichten) sowie bei den Pensionisten; auch die Freiberufler/Selb­
ständigen beginnen sich von der Volkspartei fortzubewegen.
Auffallend sind gewisse Schwächen der SPÖ, vor allem bei Jungwählern, im öf­
fenllichen Dienst und in der Arbeiterschaft; die jedoch gegenüber vergleichbaren
Verlusten von 1 986 nur stark abgemildert zutage treten. Gerade im Bereich der
neuen, angestellten Mittelschichten konnte sich die SPÖ hingegen weitgehend
stabilisieren. Unverkennbar ist ein fortschreitendes Eindringen der FPÖ in zu·
kunftsträchtige Gruppen, aber auch in die Arbeiterschaft (wo sie bei den qualifi­
zierten Arbeitern sogar die ÖVP überholt) und in die ältere Generation. Die Grü­
nen haben sich in ihren frühen Schwerp u n ktgruppen gefestigt, wobei Verlusten
der Grün-Alternativen im Regelfall entsprechende Zugewinne der VGÖ entgegen
stehen. Insgesamt hat das Wählerverhalten der jüngeren Wählergeneration wie
auch der Angestellten- und Beamtenschaft weiter aufgesplillert.
Im Hinblick auf die politische Wechselbilanz muß die ÖVP Abflüsse in praktisch
alle politischen Richtungen hinnehmen (am stärksten gegenüber der FPÖ), de­
nen nur äußerst geringe Zuwächse von anderen Parteien und unterdurchschnittli·
ehe Blutauffrischung durch die Erstwähler gegenüberstehen. Umgekehrtvermag
die SPÖ bei dieser Wahl ihre Verluste in Richtung anderer Parteien in Grenzen
zu halten (am geringsten gegenüber der FPÖ, am stärksten gegenüber der ÖVP)
bzw. durch Zugewinne vor allem von ÖVP·Seite aU$zubilanzieren. Was Freiheit­
liche und Grüne betrifft, so erzielten sie auch 1 990 eindeutige Wanderungsgewin·
ne, wobei bei der FPÖ vor allem die Zuwanderung durch frühere ÖVP- (geringer
durch frühere SPÖ-) Wähler, bei den Grünalternativen insbesondere Zugewinne
bei Erstwählern zu Buche schlagen,
129
Motive der Wahlentscheidu n g
M otive für die Wah l der SPÖ
Das mit Abstand dominante Motiv der SPÖ·Wähler war aufgrund der vorliegen·
den Daten die Persönlichkeit Vranitzkys. Für 51 Prozent der befragten SPÖ·
Wähler war Bundeskanzler Vranitzky das ausschlaggebende Motiv, sich am
7. Oktober für die SPÖ zu entscheiden. Von den SPÖ-Wählern, die eine Vorzugs·
stimme tür einen Kandidaten abgegeben haben, führten 62 Prozent die Persön­
lichkeit Vranitzkys als ihr zentrales Wahl- und Entscheidungsmotiv an. An zweiter
Stelle der vorgegebenen Wahl motive stehl mit 43 Prozent die soziale Sicherheits­
kompetenz der SPÖ. 41 Prozent der befragten SPÖ-Wähler entschieden sich für
diese Partei, weil sie von ihr am ehesten die Vertretung ihrer persönlichen und be­
ruflichen Interessen erwarten. Die Leistungen der SPÖ in der abgelaufenen Re­
gierungsperiode wurden von 38 Prozent der befragten SPÖ-Wähler als ein wichti­
ges Entscheidungsmotiv genannt. 32 Prozent der SPÖ-Wähler entschieden sich
für diese Partei, weil sie aus ihrer Sicht die Arbeitsplätze am ehesten sichern kön­
ne. Aus Traditionsmotiven heraus wurde die SPÖ von 31 Prozent der befragten
SPÖ-Wähler gewählt. 1 6 Prozent der SPÖ-Wähler zählen zum Typus der "negati­
ve vaters" und haben sich tür diese Partei entschieden, weil sie im Vergleich zu
den anderen Parteien noch das kleinere Übel ist.
Tabelle 35: Motive für die Wahl der SPÖ (gestützte Fragestellung, Mehrfachnennungen möglich)
in Prozent
- weil sie gute Arbeit i n der
Regierung geleistet hat
- weil sie für soziale Sicherheit
eintritt
- weil sie meine I nteressen
am ehesten vertritt
- wegen der Persönlichkeit
Vranitzkys
- weil sie die Arbeitsplätze
am ehesten sichert
- weil es bei mir bzw. bei uns
Tradition ist, SPÖ zu wählen
- weil die SPÖ im Vergleich zu
den anderen Parteien das kleinere Ü bel ist
SPÖWähler
SPÖ·
Stammwähler
38
40
18
43
43
46
23
48
41
42
17
39
51
51
47
62
32
33
13
36
31
34
8
31
16
15
19
18
Quelle: Fessel + GIK·lnstltut. Repräsentative Wahltagsbelragung (e)!:it poil), N
Wahllokals, bundesweite StiChprobe
130
•
Zuwan- Vorzugsderer Stimme für
zur SPÖ Vranitzky
2.200
Wählel nach Verlassen des
Bereits aus den - vorgegebenen - Wahl motiven läßt sich auf die außerordent­
liche Anziehungskraft Bundeskanzler Vranitzkys schließen. Bei den Zuwande­
rern zur SPÖ - also Wählern, die noch 1 986 für eine andere Partei votiert haben
- ist die Persönlichkeit Vranitzkys das mit Abstand zentrale Wahl- und Entschei­
dungsmotiv. Die sachpolitische Kompetenz der SPÖ wie ihre Leistungsbilanz in
der vergangenen Regierungsperiode stellen fOr Wechselwähler in Richtung SPÖ
nur ein sekundäres Wahlmotiv dar.
Die von der SP Ö geführte Vorzugsstimmenkampagne für Bundeskanzler Vranitz­
ky war nach den vorliegenden Daten in mehrfacher Hinsicht wahlpolitisch wirk­
sam. Die Vorzugsstimmenkampagne tür Vranitzky hat unzweifelhaft zur Mobili­
sierung potentieller SPÖ-Wähler beigetragen. Der SPÖ ist es vor allem durch die
hochgradige Personalisierung der Wahlentscheidung in Richtung eines Kanzler­
plebiszits gelungen, ihr strukturelles Wählerpotential auszuschöpfen. Die stärk­
ste Bereitschaft der SPÖ-Wähler, Vranitzky eine Vorzugsstimme zu geben, zei­
gen weibliche SPÖ-Wähler, Angehörige der älleren Wählergeneration und hier
vor allem Pensionistinnen. Von den SPÖ-Wählern, die in traditionellen Arbeiter­
haushallen leben, gaben am 7. Oktober rund 80 Prozent eine Vorzugsstimme für
Vranitzky ab. Die Vorzugsstimmenaktion d ürfte somit zur Mobilisierung wie im­
munisierung der traditionellen SPÖ-Milieus beigetragen haben. SPÖ-Wähler, die
zu ihrer Partei auf Distanz gegangen waren , wurden durch die Vorzugsstimmen­
aktion offensichtlich bestärkt, ihre Parteiloyalität zum Ausdruck zu bringen. SPÖ­
Wähler, die in Richtung eines Parteiwechsels tendierten, wurden durch die ge­
zielte Personalisierung der Entscheidungssituation veranlaßt, schlußendlich die
SPÖ zu wählen.
Motive für die Wahl der ÖVP
An der Spitze der Wahlmotive zugunsten der ÖVP stehen die Wirtschaftskompe­
tenz dieser Partei und ihre Vertretung persönlicher bzw. berufsspezifischer Inter·
essen. 37 Prozent der befragten ÖVP-Wähler enlschieden sich am 7. Oktober für
die ÖVp, weil diese Partei mehr von Wirtschaft versteht. Weitere 37 Prozent führten
die Interessenvertretung als entscheidendes Wahl motiv an. 34 Prozent der befrag·
ten ÖVP-Wähler nannten als ausschlaggebendes Motiv ihrer persönlichen Wahl­
entSCheidung Traditionsmotive. Die sachpolitischen Leistungen der ÖVP in der
abgelaufenen Regierungsperiode wurden von 27 Prozent als Wahlmotiv genannt.
Für 21 Prozent der befragten ÖVP-Wähler war für ihre Wahlentscheidung der Ein­
druck ausschlaggebend, daß nur die ÖVP einen Rückfall in eine sozialistisch do­
minierte Politik verhindern kann. 19 Prozent der ÖVP-Wähler können nach den
vorliegenden Daten als "negative vaters" klassifiziert werden und entschieden
sich für diese Partei, weil sie aus ihrer Sicht im Vergleich zu den anderen Parteien
das kleinere Übel darstellt. Die Persönlichkeit des ÖVP-Spitzenkandidaten wurde
von nur 18 Prozent der befragten ÖVP-Wähler als ein wichtiges Wahlmotiv ge131
nannt. Von den ÖVP·Wählern, die noch 1986 eine andere Partei gewählt haben,
zählen 41 Prozent zum Typus des "negative vaters": Sie entschieden sich diesmal
für die ÖVP, weil sie im Vergleich zu anderen Parteien aus ihrer Sicht das kleinere
Übel darstellte. Rund ein Drittel dieser Zuwanderer votierte für die ÖVP, weil sie
mehr Vertrauen in die Wirtschaftskompetenz dieser Partei setzten.
Tabelle 36: Motive für die Wahl der ÖVP (gestützte Fragestellung, Mehrfach·
nennungen möglich)
in Prozent
- weil sie mehr von Wirtschaft versteht
- weil sie gute Arbeit i n der Regierung
geleistet hat
- weil sie meine Interessen am
ehesten vertritt
- wegen der Persönlichkeit Josef
Rieglers
- weil nur die ÖVP einen R ückfall i n
eine rein sozialistische Politik ver�
hindern kann
- weil e s bei mir bzw. bei u n s Tradition
ist, ÖVP zu wählen
- weil die ÖVP im Vergleich zu den
anderen Parteien das kleinere Übel
ist
ÖVp·
Wähler
ÖVP·Stamm. Zuwanderer
wähler
zur Ö VP
37
38
34
27
28
7
37
39
12
18
19
28
21
21
18
34
39
5
18
41
19
Duelle: Fessel+GIK-lnstitut, Repräsentative Wahllagsbelragung (exitpolJ). N
lokals. bundesweite Stichprobe
'"
2.200 Wähler naCh Verlassen des Wahl·
Motive für die Wahl der FPÖ
Das mit Abstand stärkste Wahlmotiv zugunsten der FPÖ war der Eindruck ihrer
Wähler, daß nur diese Partei ernsthaft gegen Skandale und Privilegien ankämpfe.
62 Prozent der befragten FPÖ·Wähler nannten die der FPÖ zugeschriebene Kom·
petenz bei der Bekämpfung politischer Skandale und M ißstände als das persön·
lieh ausschlaggebende Wahlmotiv. 44 Prozent der FPÖ·Wähler zählenzum Typus
der partei verdrossenen Protestwähler und entschieden sich für die FPÖ, um den
beiden Großparteien dadurch einen Denkzettel zu geben. An dritter Stelle derzen·
tralen Wahlmotive zugunsten der FP Ö steht die Persönlichkeit Jörg Haiders, 42
Prozent der FPÖ·Wähler führten Persönlichkeit und Erscheinungsbild des frei·
heitlichen Parteiobmanns als das ausschlaggebende Motiv zugunsten der FPÖ
an. Der Standpunkt, den die FPÖ in der Ausländerfrage vertritt, wurde von 39 Pro·
zent der befragten FPÖ·Wähler als vorrangiges Entscheidungsmotiv angeführt.
132
Die Vertretung persönlicher und berufsspezifischer Interessen spielt dagegen i m
Motivbündel zugunsten d e r FPÖ nur eine u ntergeordnete Rolle. Traditions- und
Loyalitätsmotive waren nur für sieben Prozent der befragten FPÖ-Wähler - und
nur für 15 Prozent der FPÖ-Stammwähler - ein vorrangiges Wahlmotiv zugun­
sten dieser Partei.
Tabelle 37: Motive für die Wahl der FPÖ (gestützte Fragestellung, Mehrfach­
nennungen möglich)
in Prozent
- weil nur die FPÖ ernsthaft gegen
Skandale und Privilegien ankämpft
- weil die FPÖ i n der Ausländerfrage
den richtigen Standpunkt vertritt
- weil sie meine Interessen am ehe­
sten vertritt
- wegen der Persönlichkeit Jörg
Haiders
- um den bei den Großparteien einen
Denkzettel zu geben
- weil es bei mir bzw. bei uns Tradition
ist, FPÖ zu wählen
- weil die FPÖ im Vergleich zu den
anderen Parteien das kleinere Übel
ist
FPÖ­
Wähler
Zuwanderer
FPÖStammwähler zur FPÖ
62
65
63
39
43
34
26
31
18
42
50
38
44
35
53
7
15
18
15
24
Quelle: Fessel+GIK·lnstitul, Repräsentative Wahltagsbefragung (exil poil), N "" 2.200Wäh!er nach Verlassendes Wahl·
lokals, bundesweite Stichprobe
Motive für die Wahl der Grünen
Das mit Abstand stärkste Wahlmotiv zugunsten der Grünen Alternative war ihr
Einsatz für den U mweltschutz. 75 Prozent der befragten Grün-Wähler führten das
Umweltengagement dieser Partei als i h r vorrangiges persönliches Entsehei­
dungsmotiv an. 45 Prozent der Wähler der Grünen Alternative votierten für diese
Partei, weil sie ihre persönlichen Interessen dureh sie am ehesten vertreten sahen.
Die Position der Grünen Alternative i n der Frage eines EG-Beitritts Österreichs
und der TransiUrage wurde von 24 Prozent als wichtiges Wahl- und Entschei­
dungsmotiv genannt. Neben der Dominanz der Umweltpolitik und der ihnen von
den Wählern zugeschriebenen Kompetenz bei der Vertretung ökologischer Inter­
essen spielen auch P[otestmotive eine gewichtige Rolle im Motivbündel der Grü­
nen Alternative. Rund ein Drittel der befragten Grün-Wähler kann dem Typus der
parteienverdrossenen Protestwähler zugeordnet werden. Neben der Absicht,
durch ihre Stimmabgabe einen "Denkzettel" zum Ausdruck zu bringen, führte
rund ein Fünftel der befragten Grün-Wähler auch "negative" Wahlmotive an.
133
Tabelle 38: Motive für die Wahl der Grünen (gestützte Fragestellung, Mehrfach­
nennungen möglich)
in Prozent
- weil sie sich ernsthaft für den Umweltschutz einsetzen
- weil sie meine Interessen am ehesten
vertreten
- weil sie interessante Persönlichkeiten
an der Spitze haben
- um den beiden Großparteien einen
Denkzettel zu geben
- weil sie in der EG- und Transitfrage den
richtigen Standpunkt vertreten
- weil es bei mir bzw. bei uns schon Tradition ist, Grün zu wählen
- weil die Grünen im Vergleich zu den
anderen Parteien das kleinere Übel
sind
Grün�
GrünZuwanderer
Wähler Stammwähler zu den
Grünen
75
86
72
45
56
30
20
28
18
34
25
32
24
31
21
3
7
22
14
23
Quelle. Fesse(+GfK·lnslilul, Repräsentative Wahltagsbefragung (e"it poil). N .. 2.200 Wänler nach Verlassen des Wahl­
lokals, bundesweite S!1chprobe
Vorrangige Wahlmotive und Entscheidungsgründe
Eine Auswertung der im Rahmen der repräsentativen Wahltagsbefragung (exit
poil) spontan genannten Wahlmotive gestattet ergänzende Einblicke i n die viel­
schichtigen Molivlagen der österreichischen Wähler, Im Rahmen einer offenen
Fragestellung wurden die interviewten Wähler nach Verlassen des Wahllokals er­
sucht, den wesentlichsten Grund ihrer persönlichen Wahlentscheidung zu Proto­
koll zu geben. Die protOkollierten Antworten wurden nachträglich zu Gruppen bzw.
Typen zusammengefaßt und tabellarisch ausgewertet. Dadurch wurde die Mög­
lichkeit geschaffen, in die Primär-Motive der Wähler Einblick zu erhalten .')
Primärmotive tür die Wahl der SPÖ
Dominantes Wahlmotivzugunslen der SPÖ war nach den vorliegenden Daten die
- medial vermittelte - Persönlichkeit des Kanzlerkandidaten Vranitzky. 22 Pro­
zent der SPÖ-Wähler und 36 Prozent der Zuwanderer zur SPÖ führten Persönlich­
keit und Erscheinungsbild Vranitzky's als ihr vorrangiges Wahlmotiv zugunsten
der SPÖ an. Von den ehemaligen ÖVP-Wählern begründeten 40 Prozent ihren
3) Da die individuellen Molivlagen und MOlivbündel naturgemäß vielschichtiger und (jeterliegender sind als sie mit
quantitativen Instrumenten erhoben werden können, dürfen die vorliegenden Ergebnisse nur als ein grober Nähe­
rungsversuch angesehen werden.
134
Parteiwechsel mit dem Image und Erscheinungsbild des Kanzlers. Neben Vranilz·
ky sprachen vor allem traditionelle Entscheidungsmotive, die mit dem "histori·
sehen" Partei- und Interessen-Image der SPÖ zusammenhängen, für die Wahl
dieser Partei . 20 Prozent der befragten SPÖ-Wähler wählten die SPÖ vorrangig
wegen ihres Einsatzes für die Interessen der Arbeitnehmer. Traditions- und
Stammwählermotive wurden von weiteren 23 Prozent der befragten SPÖ-Wähler
als primäre Motive ihrer persönlichen Wahlentscheidung angeführt. Die Leistun­
gen der SPÖ als Regierungspartei wie konkrete themen- und positionsspezifische
Argumente wurden nur von einer geringen Anzahl befragter SPÖ-Wähler als pri­
mär entscheidendes Wahlmotiv genannt. Die persönliche Attraktivität Vranitzky's,
traditionelle Parteiloyalitäten und aus der sozialen Gruppenzugehörigkeit resultie­
rende - strukturelle - Wahlmotive erklären nach den vorliegenden Daten das
Wahlergebnis der SPÖ am 7. Oktober, wobei die von der SPÖ strategisch geplante
Personen- und Kanzlerwahl mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür Sorge getragen
hat, daß
• die SPÖ ihr struktureller Wählerpotential mobilisieren und vergleichsweise sta­
bilisieren konnte;
• Protest und Unzufriedenheit mit dem Erscheinungsbild der SPÖ tendenziell
entschärft und gemildert wurden;
• Persönlichkeitswähler bzw. kandidatenorientierte Wechselwähler von anderen
Parteien angesprochen und zum Parteiwechsel motiviert wurden;
• Verluste durch die Abwanderung sozialistischer Protest- und Denkzettelwähler
- vor allem aus der traditionellen Arbeiterschaft und hier wiederum in erster
Linie in Richtung FPÖ - am Wahltag insgesamt kompensiert und weitgehend
ausgeglichen wurden.
Primärmotive für die Wahl der ÖVP
I m Gegensatz zur SPÖ spielen personen- und kandidatenorientierte Wahlmotive
bei den ÖVP-Wählern nur eine untergeordnete Rolle. I m Vordergrund stehen
Traditions- und Stammwählermotive (30 %) und Verweise auf die Wirtschafts- und
Programmkompetenz der ÖVP. Die Persönlichkeit des ÖVP-Spitzenkandidaten
wurde nur von sieben Prozent der befragten ÖVP-Wähler spontan als Wahlmotiv
zugunsten dieser Partei angeführt. Ähnlich wie bei der SPÖ stehen hinter dem Vo­
tum für die ÖVP strukturelle Parteiloyalitäten, soziale Milieuzugehörigkeiten und
i nteressenspezifische Faktoren . Das diffuse und wenig konturierte Partei-Image
wurde aber - anders als bei der SPÖ - nur zu einem kleinen Teil durch die per­
sönliche Anziehungskraft eines attraktiven Spitzenkandidaten dynamisiert_ Die
ÖVP konnte am 7_ Oktober somit
• nur einen - im Vergleich zu SPÖ und FPÖ - geringen Prozentsatz kandida­
tenorientierter Persönlichkeitswähler ansprechen
• auf Grund ihres Status als Großpartei und ihrer Einbindung in die großkoalitio­
nären Regierungsgeschäfte parteienverdrossenen Protestwählern kein attrak­
tives "Denkzettel-Ventil" anbieten und
135
• sich in einer als Personen- und Protestwahl definierten Wahlentscheidung nur
ansatzweise als wählerwirksame Alternative profilieren und Wechselwähler
von anderen Parteien ansprechen bzw. an sich ziehen.
Primärmotive für die Wahl der FPÖ
Die FPÖ profitierte nach den vorliegenden Daten in erster linie von der durch eine
Kette von Skandalfällen aufgeladenen Protest· und Denkzettelstimmung weiter
Wählerkreise. Mehr als ein Drittel der protokollierten Wahlmotive zugunsten der
FPÖ konzentrieren sich auf einen teilweise hochemotionalisierten Parteienärger
bzw. eine akute, gelegentlich sogar militant vorgetragene Denkzettelmentalität.
Ähnlich wie bei der SPÖ war auch bei der FPÖ das dominante Primärmotiv die
Persönlichkeit des (faktischen) Spitzenkandidaten. 23 Prozent der befragten FPÖ·
Wähler gaben die Persönlichkeit Jörg Haider's als vorrangiges Motiv zugunsten
der Wahl der FPÖ an. Eine - regional konzentrierte Schubkraft in Richtung FPÖ
entfaltete auch das Ausländerthema, das von der FPÖ im Wahlkampf gezielt und
appellativ angesprochen wurde. Noch stärker als bei der Nationalratswahl 1986
präsentiert sich die FPÖ-Wählerschaft als eine
• lose, heterogene und "populistische" Protestwähler·Koalition, die
• durch eine verbreitete und großflächige Protest·Stimmung wie ihren wahlpoliti·
sehen Bonus als Oppositionspartei begünstigt;
• von brisanten Themen· und Problem lagen (Ausländerfrage) unterstützt;
• durch einen für Persönlichkeits- wie Protestwähler gleichermaßen attraktiven
Kandidaten unzufriedene Wählerschichten bei der Großparteien ansprechen
und zu einem Protest-Votum motiviert.
Schwächte die FPÖ 1986 beide Großparteien gleichermaßen, war 1990 in erster
Linie die ÖVP das wahlpolitische "Opfer" einer rechtspopulistischen Wählerof·
fensive.
Primärmotive für die Wahl der Grünen
Ähnlich wie bei der N ationalratswahl 1986 teilen sich die Wahlmotive der Grün·
Wähler in ökologische Motive und Protestmotive. 44 Prozent der Grün-Wähler ga·
ben das Umweltengagement der Grünen als vorrangiges Wahlmotiv an. Neben
diesem strukturellen Kern der Grün-Wähler konnten die Grün-Alternativen aber
auch Protest- und Denkzettelwähler von beiden Regierungsparteien ansprechen.
Diese konnten aber die Verluste durch die Rückwanderung ehemaliger Grün­
Wähler zur SPÖ nur teilweise kompensieren. Unverändert stark war hingegen die
Anziehungskraft der Grünen auf Erst· und Jungwähler vor allem in den städti­
schen Ballungszentren. Die Neuausrichtung des Wählerverhaltens nachrücken-
136
der Wählergenerationen begünstigte die wahlpolitischen Chancen der Grünen
und bewirkte zumindest eine Stabilisierung ihres Wähleranteils auf dem Niveau
der Nationalratswahl 1986.
Motive der Abwanderer von der ÖVP
Für Abwanderer von der ÖVP zur SPÖ war in erster Linie die Persönlichkeit sowie
das mediale Erscheinungsbild Vranitzky's das entscheidende Wechsel motiv.
40 Prozent der befragten Wechsler von der ÖVP zur SPÖ führten die Persönlich­
keit Vranitzky's spontan als den wesentlichsten Grund an, diesmal SPÖ gewählt
zu haben. Rund zehn Prozent der befragten Abwanderer von der ÖVP zur SPÖ
äußerten als Begründung für ihren Parteiwechsel explizite Kritik am ÖVP­
Spitzen kandidaten. Rund 50 Prozent der Wechselmotive ehemaliger ÖVP-Wäh ler
entfallen somit auf persönlichkeits- und kandidatenorientierte Motive. Neben der
persönlichen Attraktivität und Anziehungskraft Vranitzky's - die als vorrangiges
Motiv für die Abwanderung zehntausender ehemaliger ÖVP-Wähler angesehen
werden kann - betonen manche ÖVP-Abwanderer auch den generellen Einsatz
der SPÖ für die Interessen der Arbeitnehmer bzw. persönliche und berufliche Vor­
teile, die sie sich von einer Stimmabgabe für die SPÖ erhofften.
Im Vordergrund der Motive für den Wechsel von der ÖVP zur FPÖ stehen insge­
samt fünf Motivbündel: Für jeden fünften Abwanderer von der ÖVP zur FPÖ war
der Ärger über politische Skandale und Mißstände der Hauptgrund für den Wech­
sel zur FPÖ. Nach Meinung dieser Wähler setzte sich die FPÖ am glaubwürdig­
sten für die Aufdeckung und Aufklärung diverser Skandale und Korruptionsfälle
ein. Für jeden sechsten Wechsler von der ÖVP zur FPÖ war die Persönlichkeit
Jörg Haider's das primäre Wechselmotiv. Hinter der Entscheidung für eine attrak­
tive Persönlichkeit, die bei einem Teil der ÖVP-Abwanderer mit hoher Wahrschein­
lichkeit den Parteiwechsel begünstigte, verbergen sich aber - vielfach überlagert
- tiefsitzende Protest- und Denkzettelmotive. Zwölf Prozent der befragten Wechs­
ler von der ÖVP zur FPÖ wollten mit ihrer FPÖ-Stimme bei den Groß parteien einen
Denkzettel geben. Eine spürbare und paUSChale Verdrossenheit über beide G roß­
parteien begünstigte die Entscheidung, diesmal FPÖ zu wählen, wobei sich Ärger
über Skandale und Mißstände, generelle Parteienverdrossenheit und der Wunsch
nach einer Stärkung oppositioneller Kontrolle und Kritik zu einem brisanten Motiv­
bündel fanden.
Ein spezifischer, die FPÖ begünstigender Faktor war nach den vorliegenden
Daten das Ausländerthema. Jeder zehnte ehemalige ÖVP-Wähler entschied sich
nach eigenen Angaben primär wegen der Ausländerfrage für die FPÖ. Gerade im
Osten Österreichs - und hier wiederum in städtischen Ballungszentren - entfal­
tete das Ausländerthema eine emotionalisierte und brisante Dynamik, die von der
FPÖ taktisch und argumentativ ausgenutzt wurde.
137
Tabelle 39, Motive der Abwanderer von der ÖVP (in %)
Wechsler ÖVP zur SPÖ
Wechsler ÖVP zur FPÖ
40 %
Persönlichkeit Vranitzky
2. Einsatz tür Arbeitnehmerinteressen
13 %
3. Kritik am Spitzen kandidaten der
eigenen Partei
10 %
4. persönliche (berufliche) Vorteile
durch die SPÖ
8%
1. Ärger über Skandale/Aufdeckung
von M ißständen ;n den großen
Parteien
21 %
2. Persönlichkeit Haiders, junge
14 %
Politiker
3. Denkzettel an die großen
Parteien
12 %
11 %
4. Ausländerproblem
5. Stärkung der Oppositionsrolle 8 %
Erklärte Motive
Erklärte Motive
1.
=
71 %
=
66 %
Wechsler ÖVP zu den Grünen
Ursprünglich ÖVP präleriert schluß­
endlich aber andere Partei gewählt
(ÖVP-waverers)
1. Umweltengagement der Grünen
37 %
2. Stärkung der Oppositionsrolle 30 %
3. Denkzettel an die ÖVP
14 %
1 . Attraktivität des Spitzenkandidaten
15 %
der anderen Parteien
2. Ablehnung des ÖVP15%
Spitzenkandidaten
3. Verstrickung in Skandale/
15 %
Privilegienwirtschaft
4. Protest/Denkzettel an ÖVP
7%
5. konkrete Sachthemen/
Positionen der ÖVP
6%
Erklärte Motive
Erklärte Motive
=
81 %
=
58%
Für die Analyse des Wählergeschehens von Interesse sind auch die Motive jener
Wähler, die während des Wahlkampfs zeitweise überlegt hatten, die ÖVP zu wäh­
len und sich schlußendlich doch tür eine andere Partei entschieden. Für jeweils
15 Prozent dieser "schwankenden'" Wähler war die Attraktivität der Spitzenkandi­
daten von SPÖ oder FPÖ bzw. Ablehnung des ÖVP-Kanzlerkandidaten das primä­
re Motiv, am 7. Oktober nicht ÖVP, sondern eine andere Partei zu wählen.
Ebenfalls rund 15 Prozent dieser "schwankenden" Wähler führten den Eindruck,
daß auch die ÖVP in Skandale verstrickt sei, als entscheidendes Motiv an, von der
Wahl der ÖVP im letzten Moment doch Abstand genommen zu haben. Konkrete
Sachthemen bzw. strittige Wahlkampfaussagen der ÖVP haben nach den vorlie­
genden Daten nur einen geringen Teil potentieller ÖVP-Wähler von ihrer definiti­
ven Entscheidung abgehalten.
138
Tabelle 40: Motive iener Wähler, die ursprünglich vorhatten, die ÖVP zu wählen
und sich schlußendlich aber für eine andere Partei entschieden haben
(offene Fragestellung, nachträgliche Vercodung der Antworten)
Ursprünglich der ÖVP zuneigende, schwankende Wähler . .
in Prozent
Befürwortung des Spitzenkandidaten der dann gewählten
Partei
Abtehnung des Spitzenkandidaten der ursprünglich präferierten Partei
Skandale/Privilegienwirtschaft
gewählte Partei ist die bessere
Partei
aus Protest/Denkzettel
pro/contra aufgrund einzelner
Sachthemen
gewählte Partei ist sympathischere Partei
ÖVP·Waverers
(insgesamt)
schlußendlich
SPÖ
schlußendlich
FPÖ
15
11
21
15
15
13
0
18
18
8
7
16
0
11
6
9
5
3
10
5
Quelle: Fessel; Repräsentative Wahllagsbetragung (e�11 poil). N .. 2.200 Wähler nach Verlassen des Wahllokals
Wie bei den faktischen Wechselwählern von der ÖVP zu anderen Parteien, über­
lagerten kandidatenorientierte und protestbezogene Motive konkrete Themen und
inhaltliche Positionen. Die Nationalratswahl 1990 war nur zu einem geringen Teil
eine Themen- und Issue-Wahl. I m Vordergrund standen Kandidaten-Images und
teilweise hochemotionalisierte Protest- und Denkzettelmotive. Auch rund die Hälf­
te ehemaliger ÖVP-Wähler, die sich - vor allem im großstädtischen Bereich diesmal für die Grünen entschieden haben, führten ihren Wunsch nach Stärku ng
der oppositionellen Kritik bzw. einen Denkzettel aus Verärgerung über die ÖVP als
primäres Wahlmotiv an. Rund ein Drittel der Abwanderer von der ÖVP zu den Grü­
nen gaben hingegen das Umweltengagement der Grünen als vorrangiges Motiv
für ihren Parteiwechse! an.
Ursachen der ÖVP-Wahlniederlage - ein Resümee
Alle wahlpolitisch relevanten Eckdaten der in den letzten Jahren durchgeführten
Repräsentativumfragen zeigen, daß sich seit der Nationalratswahl 1986 sowohl
die Wähler- und Parteienlandschaft als auch die Themenlandschaft und die damit
eng verknüpfte Stimmungslage der Bevölkerung grundlegend verändert haben:
•
Eine markant verbesserte Arbeitsmarktlage, extrem hohe Wachstumsraten,
spürbare Reallohnzuwächse durch Steuersenkungen, eine zumindest konsoli139
dierte Budgetsituation und beachtliche Sanierungserfolge in der Verstaatlich·
ten Industrie erzeugten bei der Bevölkerung Österreichs eine sehr zuversicht·
liehe Grundstimmung für die künftige Konjunkturentwicklung. Das Wahljahr
1986 stand hingegen im Zeichen einer ökonomischen Krisenstimmung:
Milliarden-Verluste in der Verstaatlichten Industrie, Firmenpleiten, steigende
Arbeitslosenziffern, explodierende Budgetdefizite und eine als leistungsfeind­
lich empfundene Steuerbelastung nährten massive Zweifel an der Wirtschafts­
kompetenz der SPÖ/FPÖ-Koalitionsregierung, während sich die oppositionelle
ÖVP - zumindest bis zum Rücktritt von Bundeskanzler Sinowatz - erfolg·
reich als "Sanierungspartei" profilieren konnte. Aber im Gegensatz zu 1986 war
die "Sanierungskompetenz" der Volkspartei vor der Nationalratswahl 1990 kein
zentrales Wahl motiv mehr.
•
Eine der Hauptursachen für die dramatische wahlpolitische Schwächung der
ÖVP seit 1986 liegt im Verlust des "nichtsozialistischen Monopols": Während
die ÖVP in der Ära Sinowatz/Steger keine nennenswerte Konkurrenten im Wett·
bewerb um bürgerliche Wähler fürchten mußte, hat sie diese wahlpolitisch ex­
trem günstige Position durch personelle Veränderungen an der Spitze der SPÖ
und der FPÖ schlagartig verloren:
- Zum einen ist es deroppositionellen Haider·FPÖ mit einer gezierteingesetz�
ten Protest-Rhetorik gelungen, sich als bürgerliche Alternative zur ÖVP zu
profilieren. Begünstigt durch die gegenwärtige Koalitionskonstellation mobi­
lisiert sie in erster Linie unzufriedene ÖVP·Wähler und senkt mit offenen Ko­
alitionsangeboten an die Volkspartei die "Hemmschwellen" für absprungs­
bereite ÖVP-Wähler, die - aus Protestmotiven (Unzufriedenheit über
Privilegien und Kammern) und Persönlichkeitsmotiven (Attraktivität des frei­
heitlichen Obmanns Haider) zur FPÖ tendieren.
- Andererseits hat auch die SPÖ durch ihren Spitzenkandidaten Franz Vra­
nitzky im Segment der bürgerlichen Wähler wieder verlorenes Terrain zu­
rückgewonnen. Der Bundeskanzler spricht auch Wähler an, die der SPÖ
ideologisch nicht nahe stehen. Signifikant zugenommen hat die Zugkraft
der Vranitzky-SPÖ gegenüber 1986 insbesondere in der (mobilen) Bil­
dungsschicht, die vor dem Ende der rot�blauen Koalition noch zum "Hoff­
nungspotential" der ÖVP zählte. In diesem Wählersegment verzeichnete die
ÖVP in den letzten Jahren die massivsten Einbrüche.
•
Von breiten Wählerschichten wird die Koalitionsregierung als " Einheitspartei
SPÖ/ÖVP" unter dem Vorsitz des populären Bundeskanzlers Franz Vranitzky
wahrgenommen. I n dieser Konstellation (Juniorpartner in einer SPÖ/ÖVP­
Koalition) hat das inhaltlich-programmatische Profil der Volkspartei unverkenn­
bar gelitten. Die demoskopisch erhobenen thematischen Kompetenzver­
mutungen der Bevölkerung lassen keinen Zweifel daran, daß die ÖVP seit
ihrem Eintritt in die Bundesregierung in wichtigen Themenfeldern massiv an
Lösungskompetenz verloren hat. Das politische Ziel "Verschwendung verhin­
dern" trauten M itte 1989 bereits mehr Wähler der FPÖ als der ÖVP zu. Die
"
"
" Kontroll-Kompetenz ("Verschwendung verhindern , " Korruption bekämpfen")
140
wird jetzt von der FPÖ besetzt. Und i n zentralen wirtschaftspolitischen The­
menfeldern (.Steuerdruck mildern", "Budgetsanierung") hatte die ÖVP einein­
halb Jahre vor der Nationalratswahl ihren Kompetenzvorsprung gegenüber der
SPÖ weitgehend eingebüßt. Nur sehr schwach ausgeprägt war zu diesem Zeit­
punkt - trotz Ressortzuständigkeit in der Koalitionsregierung - die Umwelt­
kompetenz der Volkspartei . Von insgesamt elf abgefragten Problemfeldern der
österreichischen Innenpolitik wurde der ÖVP lediglich i n der Frage "EG­
Beitritt" eindeutig stärkeres Engagement zugestanden als den anderen
Parteien.
Tabelle 41: Thematische Kompetenzvermutungen der Bevölkerung 1989
Frage: "Sagen Sie mir bitte noch für jedes dieser Ziele, ob sich dafür eher die SPÖ,
die ÖVP, die FPÖ oder eher die Grünen einsetzen, oder ob sich keine Partei dafür
einsetzt."
"Kontroll-Kompetenz"
- Verschwendung verhindern
- Korruptionsbekämpfung
"Sozialkompetenz"
- Renten/Pensionen sichern
- Ärztliche Versorgung und
Spitalswesen verbessern
- Ungerechtigkeit beseitigen
"Wirtschaftskompetenz"
- Arbeitsplatzsicherung
- Steuerdruck mildern
- Budgetsanierung
- EG-Beitritt
"Umweltkompetenz"
- Wasser und Luft sauber halten
- Transitprobleme
SPÖ
%
ÖVP
%
FPÖ
%
Grüne
%
Keine
%
9
10
13
7
21
29
4
5
28
23
40
17
5
2
17
29
11
13
5
4
1.1
3
2
18
26
42
20
23
19
16
16
18
37
6
8
6
3
2
13
21
18
8
11
21
9
16
5
4
47
12
11
13
QueUe: Dr. Fessel+GIK, Stralolrend 1989
• Der amtierende Bundeskanzler Vranitzky verfügt - gemessen an internationa­
len Vergleichswerten - über einen außergewöhnlich großen Vorsprung i n der
(Kanzler)-Direktwahlpräferenz. lm Herbst 1989 hätten im Falle einer Direktwahl
61 Prozent der Wahlberechtigten Vranitzky und lediglich 13 Prozent Riegler ge­
wählt.'1 Da die Attraktivität Vranitzkys tief in das Lager der ÖVP-Wähler hinein­
reicht, war lange vor Beginn des Intensivwahlkampfes klar, daß die SPÖ - mit
Hilfe der Medien - versuchen wird, die Nationalratswahl zu einem "Kanzlerple­
biszit" umzufunktionieren und die Parteiwahl bewußt in den Hintergrund zu
4) Die (Kanzler}·Oireklwahlprälerenz veränderte sich auch im Wahljahr niclll mehr wesentlich. Eine bundesweite Re­
präsenlalivumlrage Im Sommer 1990 ergab folgendes Ergebnis· Vranltzky 65 %, Rlegler 15 %.
141
drängen. Während die SPÖ in der Schlußphase des Wahlkampfes ihre werbli­
chen und organisatorischen Anstrengungen fast vollständig auf eine von der
ÖVP heftig bekämpfte Vorzugsstimmenkampagne für Franz Vranitzky konzen­
trierte, befand sich die Volkspartei in einem taktischen Dilemma: Sie m ußte
einerseits den politischen Führungsanspruch anmelden, gleichzeitig aber der
direkten "Kanzlerfrage" ausweichen.
Tabelle 42: (Kanzler)-Direktwahlpräferenz Oktober/Herbst 1989
Vranitzky
in %
Riegler
in %
W. n., K. A.
in 0/0
61
89
40
13
3
37
26
8
23
Gesamt
Dekl. SPÖ-Wähler
Dekl. ÖVP-Wähler
Quelle: Dr. Fessel+GfK-lnstitul, Oktober/November 89
•
(N,,'.500)
Eklatante Defizite des ÖVP-Kanzlerkandidaten Josef Riegler in zwei wahlent­
scheidenden I magebereichen ("DurchschlagskrafULeadership", "Erfolgser­
wartung") eröffneten für Jörg Haider die Chance, sich als "eigentlicher
Vranitzky-Herausforderer" zu positionieren. Die im Sommer 1989 gemessenen
Imagemuster der Spitzenpolitiker Vranitzky, Riegler und Haider wurden in
einer neuen Erhebung wenige Monate vor der Wahl im wesentlichen bestätigt.
Herausragendes Ergebnis der Nationalratswahl 1990 war die signifikante und tief­
reichende Schwächung der ÖVP Die Daten der repräsentativen Wahitagsbefra­
gung gestatten empirisch gestützte Thesen über die vermutlichen Ursachen der
ÖVP-Wahlniederlage. Das komplexe Zusammenspiel einer Vielzahl von Motiven
und Faktoren kann auf Grundlage dieser Daten zumindest näherungsweise, wenn
auch stark vergröbernd, dargestellt werden. Eine Modellschätzung der vorrangi­
gen Ursachen der ÖVP-Wahlniederlage zeigt ein Bündel von sechs Faktoren, die
mit unterschiedlicher I ntensität die erdrutschartigen Wählereinbrüche der ÖVP er·
klären:
•
Einen erheblichen Anteil an den ÖVP-Verlusten hat der Persönlichkeitsfaktor.
Die Attraktivität Vranitzkys, das mediale Profil Haiders wie eine latente Unzu­
friedenheit mit dem ÖVP-Spitzenkandidaten dürfte nach der vorliegenden Mo­
deHschätzung für rund ein Drittel der ÖVP-Stimmenver!uste verantwortlich
sein. Zwischen einer attraktiven und mit einer Vorzugsstimmenkampagne be­
worbenen Kanzlerpersönlichkeit und einem jugendlichen, selbst stilisierten
FPÖ -"Kanzlerkandidaten" war das Terrain für den ÖVP-Spitzenkandidaten für
eine wählerwirksame Profilierung im stark persönlichkeitsorientierten Wahl­
kampf weitgehend blockiert. 62 Prozent jener Wähler, die als typische Persön­
lichkeitswähler klassifiziert werden konnten, wählten nach eigenen Angaben
die SPÖ, 20 Prozent die FPÖ und nur 16 Prozent die ÖVP.
142
Tabelle 43: Das Imageprofil der Spitzenpolitik Vranitzky/Riegler/Haider im Vergleich
Kompetenz/Erfahrung
- Versteht viel von der Wirtschaft
- Hat groBe politische Erfahrung
- Gibt klare Richtlinien vor
- Ist auch großen Problemen gewachsen
- Kann die Interessen Ö sterreichs im
Ausland vertreten
Sympathie/Vertrauen
- Wirkt bei Fernsehauftritten sympathisch
- Macht überhaupt einen symphatischen
Eindruck
- Tritt für breite Zusammenarbeit ein
- Wirkt vertrauenserweckend
Durchschlagskraftl"Leadership"
- Aktiv und selbstbewußt
- Hat Mut zu unpopulären Entscheidungen
- Hat echte Führungsqualitäten
- Ist durchschlagskräftig
Erfolgserwartung
- Wird politisch Erfolg haben
- Wird seine Partei zum Erfolg führen
Vranitzky
in %
Riegler
in %
Haider
in %
55
49
37
43
37
13
17
17
16
10
26
11
62
12
5
72
39
46
§.1
45
53
34
33
31
31
15
16
62
42
53
49
32
15
13
13
67
45
35
52
44
38
24
18
49
53
Quelle: Dr Fessel.GIK-lnsUtut, Stralolrend Jum/Juni 1989
•
Gegen die ÖVP arbeitete bei der NRW 90 auch der Skandalfaktor. Der aufge­
staute Ärger über Skandale und M ißstände aktivierte auch innerhalb der ÖVP­
Wählerschaft eine latente Protest- und Denkzettel-Haltung.
• Neben dem Skandalfaktor deuten die vorliegenden Daten auch auf einen spe­
zifischen ÖVP-Denkzettel-Faktor. Aufgestaute Kritik und Unzufriedenheit mit
dem Erscheinungsbild der ÖVP - als Partei wie als Regierungspartner - ver­
anlaßte am 7. Oktober auch traditionelle ÖVP-Wähler, ihrer Partei einen Denk­
zettel zu geben. Skandal-Faktor und ÖVP-Denkzettel-Faktor dürften die ÖVP
nach der vorliegenden Modell-Schätzung weitere minus zweieinhalb Prozent
an Wählerstimmen gekostet haben.
•
Mit dem Faktor 3 eng im Zusammenhang steht der Oppositions-Faktor. Das
Verlangen nach einer Stärkung der Opposition und einer Aufwertung opposj·
tioneller Kontrolltätigkeit hat bei unzufriedenen ÖVP-Wählern ebenfalls zu
einem Parteiwechsel in Richtung FPÖ bzw. Grüne beigetragen.
143
• Als eigenständiger Faktor in einem ansonsten nur wenig durch konkrete The·
men und inhaltliche Positionen bestimmten Wahlgeschehen kristallisiert sich
das "Ausländer-Problem" heraus. Gerade im großstädtischen Bereich und hier
vor allem in der Bundeshauptstadt Wien konnte die FPÖ mit ihren rechtspopuli­
stischen Argumenten zur Ausländerfrage in ÖVP·Wählerschichten eindringen.
Vor allem in Wien mobilisierten die ausländerfeindlichen Parolen der FPÖ aber
auch Angehörige sozialistischer Kernschichten zur Stimmabgabe für die FPÖ.
Tabelle 44: Modell-Schätzung der vorrangigeIl U rsachen der ÖVP-Verluste
(Schätzung auf Grundlage der im Exit Poil erhobenen Wahlmotive der
Abwanderer von der ÖVP' ))
Schätz- und Orientierungswerte
Faktor (Primäres Motivbündel)
prozentualer Anteil am
ÖVP-Gesamtverlust
1 . Persönlichkeitsfaktor
(Attraktivität von VranitzkylHaider bzw.
Unzufriedenheit mit dem ÖVP­
Spitzenkandidaten)
2. Skandalfaktor
(Skandale, Mißstände, Großparteien­
verdrossenheit)
3. ÖVP-Denkzettelfaktor
(emotionale Kritik und Unzufrie·
denheit)
4. Oppositions-Faktor
(Stärkung der Opposition, Verstär­
kung der Kontrolle)
5. Faktor "Ausländerproblem"
6. Sonstige Faktoren
ca. 1 ,0 %
ca, 1 ,0 %
ca. 1,5 %
ÖVP-Verlust
ca. 9,0 %
ca. 3,0 %
ca. 1,5 %
ca. 1,0%
1) Modellrechnung. grobe Schätzwerte aul Basis der erhobenen Prlmär·Motlye der OVP·Abwanderer
Ouelle: Fessel. Repräsenlatlye WahUagsbelragung (exil poil). N.2.200 Wähler nach Verlassen des Wahllokals
Eine Aufgliederung des Wählerverhaltens nach Wählertypen verdeutlicht die
dominanten Pole des Wahlgeschehens vom 7. Oktober: Die Nationalratswahl 1990
war Persönlichkeitswahl und Protestwahl. In beiden Entscheidungsfeldern blieb
die ÖVP in der Defensive. Während die SPÖ ihre Verluste an Protestparteien durch
die Attraktivität ihres Spitzenkandidaten kompensieren bzw. zumindest erheblich
abmildern konnte, mangelte es der ÖVP an entsprechenden Barrieren. Die Konse­
quenz dieser Konstellation war eine Kumulation wahlpolitischer Negativfaktoren,
die in Summe zu einer in der österreichischen Wahlgeschichte bislang beispiel­
losen Wahlniederlage beigetragen haben.
144
Tabelle 45: Wahlverhalten nach Wählertypen ')
in Prozent haben am 7. Oktober
gewählt . . .
• Persönlichkeitswähler
(kandidaten-orientierte
Wähler
37% der Wähler)
• Traditionswähler
(Milieugebundene
Wählerschalt
27 % der
Wählerschaft)
• Negative Wähler
(Wähler, die sich für das " kleinere Übel" entschieden haben
17 % der Wählerschaft)
• Protest-Wähler
(Denkzettelwähler
9 % der
Wählerschaft)
=
Grüne2)
SPÖ
ÖVP
FPÖ
62
16
20
52
43
4
40
36
18
6
83
17
42
32
16
7
3
=
=
=
Wahlergebnis 7. Oktober '90
1) Klassilikatlon der Wähler auf BasIs der gestutzten MotJVlragen des EXil Poil
2) GAL+VGÖ
Quelle: Fessel, Repräsentative Wahllagsbelragung (exil poil), N_2.200 Wähler nach Verlassen des WahllokalS
,
Die österreichische Parteien- u n d Wählerlandschaft nach
dem 7. Oktober
Herausragende Konsequenz der Nationalratswahl 1990 sind einschneidende Ver­
änderungen der Wettbewerbsstrukturen i m österreichischen Parteiensystem . Aus
einer wahlpol itisch weitgehend offenen Konkurrenzsituation zwischen SPÖ und
ÖVP ist ein dominanter Vorsprung der SPÖ geworden, während die ÖVP den Sta­
tus einer potentiell mehrheitsfähigen Großpartei auf absehbare Zeit eingebüßt hat.
Der Verlust von 17 Mandaten und knapp 500.000 Stimmen hat die ÖVP - was ihr
wahlpolitisches Gewicht betrifft - auf die Position einer größeren Mittelpartei
reduziert. Sie hat am 7. Oktober ihre strukturelle Mehrheitsfähigkeit verloren. Dem
Abslieg der ÖVP steht der Aulstieg der FPÖ zu einer kleineren Mittelpartei gegen­
über. Die u nter Haider strategiSCh neuformierte und auf einen akzentuiert rechts­
populistischen Kurs getrimmte FPÖ hat sich am österreichischen Parteienspek·
trum als ernstzunehmender Wettbewerbsfaktor etabliert. Das parteipolitische
Konkurrenzleid hat sich aufgefächert, die wahlpolitischen Gewichte der Akteure
haben sich verschoben. Einer vergleichsweise "dominanten" SPÖ stehen eine
substanziell geschwächte ÖVP, eine erstarkte FPÖ und zwei rivalisierende Grün­
Pole gegenüber.
Der seit Ende der siebziger Jahre zu beobachtende Dekonzentrationsprozeß im
österreichischen Parteiensystem hat sich verstärkt und beschleunigt. Gemessen
an den Wahlberechtigten beträgt der gemeinsame Stimmenanteil von SPÖ und
145
ÖVP nur mehr knapp 62 Prozent. Die kontinuierlich abnehmende Integrations­
fähigkeit der beiden Traditionsparteien - seit den siebziger Jahren am Rückgang
der affektiven Parteibindungen abzulesen - hat nun auch im Verhalten der Wäh·
ler ihren definitiven Niederschlag gefunden. Ebenfalls verschärft hat sich die ge­
nerationsspezifische Polarisierung des Wählerverhaltens. Bei Angehörigen jün­
gerer Wählergenerationen haben die Traditionsparteien mittlerweile nur mehr den
Status von Mittelparteien. FPÖ, aber auch grüne Parteien üben gerade auf die
nachrückenden Wählergenerationen eine überdurchschnittliche Anziehungskraft
aus.
Gelockert haben sich aber nicht nur die Wahlnormen der österreichischen Wäh·
lerschaft, sondern auch die WahldiszipHn. Mit einem Nichtwähleranteil von rund
14 Prozent liegt Österreich zwar noch immer deutlich unterden Abstinenzraten an­
derer westeuropäischer Demokratien - der tendenzielle Rückgang der Wahlbe­
teiligung indiziert aber, daß auch in Österreich der Druck sozialer Normen und tra·
dierter Beteiligungsrituale nachzulassen beginnt.
Tabelle 46: Trends im österreichischen Wahlverhalten (1979-1990)
Angaben in Prozent
1 . Wahlbeteiligung
2. Nichtwähler-Anteil
3. Anteil SPÖ+ÖVP an den
Wahlberechtigten
4. Anteil sonstiger Parteien an
den Wahlberechtigten
5. Wechselwähler-Anteil
6. "Iate deciders"
NRW 79
NRW 83
NRW 86
NRW 90
92,2
7,8
92,6
7,4
90,5
9,5
86,1
13,9
85
83
75
62,5
9,6
10
8
15,5
16
16
21 ,0
17
14
7,5
7
9
Quelle: Fessel, Repräsentative Nachwahlunlersuchungen 197911983 und Repräsenlalive Wahltagsbelragungen (e)(l'
polis) 1986/1990
Am Beginn der neunziger Jahre steht auch in Österreich ein wachsender Anteil
der Wählerschaft
• dem Parteienangebot ohne spezifische Bindungen und Loyalitäten gegenüber,
• ist in seinem Wahlverhalten zunehmend mobiler und wechselbereiter,
• orientiert sich an aktuellen Themen und Positionen bzw. am massenmedial ver­
mittelten Image der Spitzenkandidaten, das für zahlreiche Wähler mittlerweile
das traditionelle Partei-Image überlagert und tendenziell substituiert hat.
Die strukturelle Auffächerung des Wählerverhaltens, die Auflösung überschau­
barer Sozialmilieus, die Schwächung subkultureller Loyalitäten und Parteibindun­
gen und der Übergang zu einer multidimensionalen, individualisierten Wähler­
schaft, haben vor allem die wahlpolitische Bestandssicherung der traditionellen
Parteien problematisiert. Ihre strategischen Entscheidungen, ihre massenmedia­
le Selbstpräsentation und ihre thematische Kompetenz bestimmen darüber, ob
146
sich die zunehmende I nstabilität der Wählerschaft in einer a) fortschreitenden Ent­
strukturierung des Parteienfeldes niederschlägt, b) zu einer grundlegenden Neu­
strukturierung des Parteienwettbewerbes führt oder c) durch strategische und in­
haltliche Reformen abgefedert werden kann.
Kaum mehr umkehrbar dürfte hingegen der Trend zu einer noch stärkeren Parse­
nalisierung des politischen Prozesses sein. Die wahlstrategische Bedeutung
eines attraktiven Spitzenkandidaten, medien- und kameragerechten Auftretens
und professioneller Imagepflege - die am Ausgang der Nationalratswahl 1990
eindrucksvoll abzulesen ist - wird nicht nur zukünftige Wahlkämpfe prägen, son­
dern auch die Praxis der Kandidatenrekrutierung, die Selbstdarstellung politi­
scher Institutionen und das Politikbild und Politikverständnis der Bevölkerung
nachhaltig beeinflussen.
Die " Kanzlerwahl" 1990 wird auch auf andere Ebenen des politischen Wettbe­
werbs ausstrahlen und Landtags- bzw. Gemeinderatswahlen zu analogen "Parso­
nalplebisziten" umfunktionieren. 5)
Weitgehend unumkehrbar dürften auch die fortschreitenden Individualisierungs­
tendenzen im österreichischen WähJerverhalten sein. Im anhaltenden Oeali9n­
ment-Prozeß stellt die Nationalratswahl 1990 nur einen weiteren - aber keines­
wegs den finalen - Schritt dar. Die österreichischen Wähler sind mobilitätsberei­
ter geworden. Traditionelle Wahlmotive (insbesondere Parteibindung und sozio­
kultureller Herkunft) spielen eine immer geringere Rolle - und zwar auch dann,
wenn kein Wechsel der Partei erfolgt. Umgekehrt wächst die Bedeutung
politiSCher Führungspersönlichkeiten (bzw. ihrer im wesentlichen medial vermit­
telten I mages), von politischen Stimmungen und Gefühlslagen sowie von einzel­
nen politischen Themen oder Issues. Diese Faktoren kommen gerade bei jenen
Gruppen zu Tage, die ihre Wahlentscheidung erst relativ spät fällen bzw. die zum
Wechsel der Partei prinzipiell bereit sind. Diese Entwicklung stellt die politischen
Parteien vor neue Herausforderungen. Anstelle einer kontinuierlichen Anpassung
- nicht zuletzt in programmatischer wie pragmatischer Hinsicht - an eine sich
langsam verändernde Wählerschaft, sind nunmehr rasche und einschneidende
Reaktionsmuster gefragt. Wird der Wahltag zum " Zahltag" und zum Kanzlerple­
biszit, so kommt dem personellen Erscheinungsbild und der symbolischen Politik
eine entscheidende Bedeutung für den Wahlausgang zu. Wo diesbezüglich nicht
den Anforderungen der Wählerschaft Rechnung getragen wird, erweisen sich
auch faktische politische Erfolgsbilanzen als u nzureichend.
5) Der taktische Erfo!gder Vranitzky·Vorwgsslimmenkampagne und der konsequenten Personalislerung der Wahlent·
scheidung haI tlereUs zu VorstOßen in Richtung einer DIrektwahl der Landeshauplleute bzw, Bürgermeister gelOhrl.
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