Kapitel 2 - Grundbegriffe der Analysis

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Kapitel 2
Grundbegriffe der Analysis
2.1
Folgen und Familien
Definition (Folge). Sei X eine nichtleere Menge. Unter einer Folge in X versteht man
eine Abbildung x : N → X. Üblicherweise nennt man für eine gegebene Zahl n ∈ N den
Funktionswert x(n) das n-te Glied der Folge und bezeichnet ihn mit xn oder x(n) . Die Zahl
n wird hierbei als der Index des Folgenglieds bezeichnet. Die Folge x : N → X selbst wird
üblichweise mit (xn )n∈N , (xn )∞
n=1 , (xn ) oder x bezeichnet. Es ist darüber hinaus üblich
eine Folge durch Angabe der ersten Folgenglieder in der Form (x1 , x2 , . . . ) darzustellen.
Die Menge aller Folgen in X wird mit X N bezeichnet.
Eine Folge ist tatsächlich nichts anderes als eine Funktion, deren Definitionsmenge die Menge der natürlichen Zahlen N ist. Mit einer Folge (xn )n∈N verbindet man oft die Vorstellung
einer Anordnung von abzählbar unendlich vielen Elementen einer gegebenen Menge X. Das
erste Folgenglied ist dabei das erste Element in der Anordnung, das zweite Folgenglied ist
das zweite Element usw.
Oft ist es sinnvoll, auch solche Funktionen als Folgen zu betrachten, deren Definitionsbereich die Menge N0 = N ∪ {0} oder eine Menge von der Form N ∪ {0, −1, −2, . . . , −m}
mit m ∈ N ist. Eine Folge mit einer solchen Indexmenge stellt man üblicherweise durch
(vn )∞
n=−m dar. Wir geben nun einige Beispiele für Folgen an.
Beispiele.
(a) Die Folge der ungeraden Zahlen (un )n∈N ist eine Folge in N, welche durch un := 2n−1
für alle n ∈ N definiert ist. Die ersten vier Folgenglieder lauten u1 = 1, u2 = 3, u3 = 5
und u4 = 7. Man stellt die Folge (un )n∈N darher gelegentlich auch als (1, 3, 5, 7, . . . )
dar.
(b) Ist X eine nichtleere Menge, so wird eine Folge (cn )n∈N , welche durch cn := x für
alle n ∈ N und ein fest gewähltes Element x ∈ X definiert ist, als eine konstante
Folge bezeichnet.
(c) Für jede natürliche Zahl k ∈ N definiert man die Folge e(k) ∈ {0, 1}N durch
(
1 falls n = k,
(k)
en :=
0 falls n 6= k
für alle n ∈ N. Es gilt also e(1) = (1, 0, 0, 0, . . . ), e(2) = (0, 1, 0, 0, . . . ), e(3) =
(0, 0, 1, 0, . . . ) usw.
♦
30
31
2.1. FOLGEN UND FAMILIEN
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, eine Folge zu definieren. Die erste Möglichkeit
ist die so genannte explizite Definition oder explizite Darstellung, bei der jedes Folgenglied
unabhängig von allen übrigen Folgengliedern definiert wird. Eine explizite Definition einer
Folge (xn )n∈N ist dabei von der Form
xn := F (n)
für alle n ∈ N,
wobei F (n) ein Ausdruck ist, der lediglich vom Index n abhängig sein darf. Die Folgen in
den zuvor genannten Beispielen etwa wurden alle explizit definiert.
Die zweite Möglichkeit eine Folge zu definieren ist die so genannte rekursive Definition
oder rekursive Darstellung. Bei der rekursiven Darstellung gibt man die ersten Glieder
der Folge explizit an. Alle übrigen Folgenglieder werde in Abhängigkeit von anderen, bereits bekannten Folgengliedern definiert. Ist X eine nichtleere Menge, so ist eine rekursive
Definition einer Folge (xn )n∈N in X von der Form
x1 := y1 ,
x2 := y2 ,
..
.
xk := yk ,
xn := F (n, xn−1 , xn−2 , . . . , xn−k )
für alle n ∈ N mit n ≥ k + 1,
wobei k ∈ N eine natürliche Zahl und y1 , y2 , . . . , yk ∈ X vorgegebene Elemente sind. In der
rekursiven Definition bezeichnet F (n, xn−1 , xn−2 , . . . , xn−k+1 ) einen Ausdruck, der lediglich vom Index n des Folgenglieds sowie von den Folgendgliedern xn−1 , xn−2 , . . . , xn−k+1
abhängig sein darf. Im Fall k = 1 wird eine Folge (xn )n∈N in X oftmals auch in der Form
x1 := y1 ,
xn+1 := F (n, xn )
für alle n ∈ N
mit y1 ∈ X rekursiv definiert. Hierbei bezeichnet F (n, xn ) einen Ausdruck, der nur von n
und xn abhängen darf.
Oft ist es von Vorteil, wenn man die explizite Darstellung einer Folge kennt. Ist jedoch
nur eine rekursive Definition der Folge bekannt, so kann man versuchen, eine explizite Darstellung zu erraten. Dafür ist es oft hilfreich, einige Folgenglieder mit Hilfe der rekursiven
Definition auszurechnen. Die geratene explizite Darstellung kann dannn mittels vollständiger Induktion und unter Verwendung der rekursiven Definition bewiesen werden. Man
betrachte dazu auch die nachfolgenden Beispiele.
Beispiele.
(a) Gegeben sei die Folge (rn )n∈N in N, welche gemäß
r1 := 2,
rn := rn−1 + 2n
für alle n ∈ N mit n ≥ 2
rekursiv definiert ist. Die ersten Glieder dieser Folge lauten r1 = 2, r2 = 6, r3 = 12
und r4 = 20. Mit etwas Nachdenken erkennt man, dass r1 = 1 · 2, r2 = 2 · 3, r3 = 3 · 4
und r4 = 4 · 5 gilt. Die Vermutung ist also, dass
rn = n(n + 1)
für alle n ∈ N
32
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
gilt. Dies wäre eine explizite Darstellung der Folge (rn )n∈N . Wir beweisen diese Vermutung nun mittels vollständiger Induktion nach n. Für den Induktionsanfang erhält
man r1 = 1 · (1 + 1) = 2, was offenbar richtig ist. Für den Induktionsschritt von n − 1
nach n nehmen wir an, dass rn−1 = (n−1)n für irgendeine natürliche Zahl n ∈ N gilt.
Man erhält dann rn = rn−1 + 2n = (n − 1)n + 2n = n2 − n + 2n = n2 + n = n(n + 1).
Damit ist die Vermutung bewiesen.
(b) Gegeben sei die Folge (an )n∈N in Q, welche gemäß
a1 := 1,
an :=
an−1
an−1 + 2
für alle n ∈ N mit n ≥ 2
rekursiv definiert ist. Die ersten Glieder dieser Folge lauten a1 = 1, a2 = 1/3,
a3 = 1/7 und a4 = 1/15. Betrachtet man die Nenner der Brüche, so fällt auf, dass
3 = 4 − 1 = 22 − 1 sowie 7 = 8 − 1 = 23 − 1 und 15 = 16 − 1 = 24 − 1 gilt. Eine
naheliegende Vermutung ist also, dass
an =
1
2n − 1
für alle n ∈ N
gilt. Tatsächlich kann man dies mittels vollständiger Induktion nach n beweisen. Für
den Induktionsanfang erhält man a1 = 1/(21 − 1) = 1/1 = 1. Für den Induktionsschritt nimmt man an, dass an−1 = 1/(2n−1 −1) für irgendeine natürliche Zahl n ∈ N
gilt. Man erhält dann
an =
an−1
=
an−1 + 2
1
2n−1 −1
1
+
2n−1 −1
2
=
1
1+
2(2n−1
− 1)
=
1
1
= n
n
1+2 −2
2 −1
Damit ist die Vermutung bewiesen.
♦
Zum Abschluss dieses Kapitels führen wir noch den nützlichen Begriff der Familie ein.
Definition (Familie). Ist X eine nichtleere Menge, so versteht man unter einer Familie
in X eine Funktion x : I → X, wobei I eine nichtleere Menge ist. Die Menge I wird als die
Indexmenge der Familie bezeichnet. Es ist üblich, für jeden Index i ∈ I den zugehörigen
Funktionswert x(i) ∈ X mit xi oder x(i) zu bezeichnen und ihn das i-te Mitglied der Familie
zu nennen. Die Familie x : I → X selbst wird üblicherweise mit (xi )i∈I bezeichnet.
In der Regel stellt man sich eine Familie als Zusammenfassung einer beliebigen Anzahl von
gleichartigen Objekten (wie z.B. Zahlen, Mengen oder Funktionen) zu einem Ganzen vor.
Jedes Objekt wird dabei mit einem Index versehen, so dass es eindeutig identifiziert werden
kann. Im Unterschied zu Mengen können Familien ein und dasselbe Objekt mehrfach
enthalten. Wir wollen dies anhand einiger Beispiele verdeutlichen.
Beispiele.
(a) Sei I := {1, 2, 3} und F := {△, }. Dann ist (fi )i∈I mit f1 := △, f2 := , f3 := △
eine Familie in F , welche aus genau drei Mitgliedern besteht. Das Element △ tritt
genau zweimal als Mitglied in dieser Familie auf, das Element genau einmal.
(b) Für jede ganze Zahl k ∈ Z sei σk := sgn(k) das Vorzeichen von k. Dann ist (σk )k∈Z
eine Familie in {−1, 0, 1}, welche aus abzählbar unendlich vielen Mitgliedern besteht.
Die Zahlen −1 und 1 treten jeweils abzählbar unendlich oft in dieser Familie auf, die
Zahl 0 jedoch nur genau einmal.
33
2.1. FOLGEN UND FAMILIEN
(c) Für jede natürliche Zahl k ∈ N definieren wir die Menge Nk := {1, 2, . . . , k}. Dann ist
(Nk )k∈N eine Familie bestehend aus Teilmengen von N. Die Mitglieder dieser Familie
sind paarweise verschieden, d.h. es gilt Ni 6= Nj für alle i, j ∈ N mit i 6= j.
(d) Für jede reelle Zahl α ∈ R sei die Funktion fα : R → R, x 7→ αx definiert. Dann
ist (fα )α∈R eine Familie bestehend aus linearen Funktionen von R nach R. Diese
Familie besteht aus überabzahlbar unendlich vielen Mitgliedern, welche paarweise
verschieden sind.
♦
Oft ist es sinnvoll, bestimmte Mitglieder einer gegebenen Familie zu einer neuen Familie
zusammenzufassen. Dies führt dann auf den Begriff der Teilfamilie.
Definition (Teilfamilie). Sei X eine nichtleere Menge und (xi )i∈I eine Familie in X. Sei
ferner J ⊆ I eine Teilmenge der Indexmenge von (xi )i∈I und (yj )j∈J eine Familie in X, so
dass für jeden Index j ∈ J ein Index i ∈ I mit yj = xi existiert. Dann heißt (yj )j∈J eine
Teilfamilie von (xi )i∈I . Man bezeichnet eine solche Teilfamilie in der Regel mit (xi )i∈J .
Übungsaufgaben
1. Geben Sie die ersten 10 Folgenglieder der so genannten Fibonacci–Folge (fn )n∈N an, die
folgendermaßen definiert ist
f1 := 1,
f2 := 1,
fn := fn−1 + fn−2
für alle n ∈ N mit n ≥ 3.
2. Geben Sie für die reellen Zahlenfolgen (an )n∈N , (bn )n∈N , (cn )n∈N und (dn )n∈N jeweils eine
explizite Darstellung an. Die Folgen sind gemäß
a1 := 1,
b1 := 2,
c1 := 1/2,
d1 := 1,
an := an−1 + 2n − 1,
bn−1
,
2
1
cn :=
cn−1 +
bn :=
2
n
,
dn := n2 − dn−1 − (n − 2)2
für alle n ≥ N mit n ≥ 2 rekursiv definiert. Beweisen Sie mittels vollständiger Induktion,
dass die jeweilige explizite Darstellung korrekt ist.
3. Sei (pα )α∈R eine Familie von Polynomen, welche gemäß pα (x) = x2 + (1 − α2 )x − 1 für alle
x ∈ R und alle α ∈ R definiert sind. Untersuchen Sie, ob die Polynome
f1 : R → R, x 7→ x2 ,
f2 : R → R, x 7→ x2 + x − 1,
f3 : R → R, x 7→ x2 + 2x − 1,
f4 : R → R, x →
7 (x − 1)(x + 1),
Mitglieder dieser Familie sind. Untersuchen Sie auch, wie oft das jeweilige Polynom als
Mitglied in der Familie (pα )α∈R auftritt.
34
2.2
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
Algebren
Definition (Algebra). Ein Vektorraum V über K wird eine Algebra über K genannt,
wenn auf V eine bilineare Funktion
V × V → V, (v, w) 7→ vw
definiert ist, welche die Multiplikation auf V genannt wird.
Ist V eine Algebra über K, so folgt aus der Bilinearität der Multiplikation auf V , dass für
alle Vektoren v, v1 , v2 , w, w1 , w2 ∈ V und für alle Skalare α, β ∈ K die Gleichungen
(v1 + v2 )w = v1 w + v2 w,
(αv)w = α(vw),
v(w1 + w2 ) = vw1 + vw2 ,
v(βw) = β(vw)
gelten. Die Multiplikation auf einer Algebra erfüllt also insbesondere die Distributivgesetze.
Es wird jedoch nicht gefordert, dass die Multiplation assoziativ oder gar kommutativ ist.
Nachfolgend geben wir einige Beispiele für Algebren an.
Beispiele.
(a) Die Menge der reellen Zahlen ist eine Algebra über R.
(b) Die Menge der komplexen Zahlen ist sowohl eine Algebra über C als auch eine
Algebra über R.
(c) Für jede natürliche Zahl n ∈ N ist die Menge Rn×n eine Algebra über R. Die Multiplikation auf dieser Algebra ist die gewöhnliche Matrixmultiplikation. Diese ist
bekanntlich assoziativ, aber nicht kommutativ.
(d) Ist V eine Algebra über K, so ist auch die Menge V N aller Folgen in V eine Algebra
über K. Addition, skalare Multiplikation und Multiplikation auf V N werden dabei
folgengliedweise definiert, d.h. für je zwei Folgen (vn )n∈N und (wn )n∈N in V und jedes
Element α ∈ K definiert man
(vn )n∈N + (wn )n∈N := (vn + wn )n∈N ,
α(vn )n∈N := (αvn )n∈N ,
(vn )n∈N (wn )n∈N := (vn wn )n∈N .
(e) Ist V eine Algebra über K und X eine nichtleere Menge, so ist die Menge aller
Funktionen von X nach V eine Algebra über K. Addition, skalare Multiplikation
und Multiplikation werden dabei punktweise definiert, d.h. für je zwei Folgen f :
X → V und g : X → V und für jedes Element α ∈ K definiert man die Funktionen
f + g : X → V , αf : X → V und f g : X → V durch
(f + g)(x) := f (x) + g(x),
(αf )(x) := αf (x),
(f g)(x) := f (x)g(x)
für alle x ∈ X.
2.2. ALGEBREN
35
(f) Die Menge aller Polynome R → R, x 7→ α0 + α1 x + α2 x2 + · · · + αn xn mit reellen
Koeffizienten α1 , α2 , . . . , αn ∈ R ist eine Algebra über R. Die Multiplikation auf
dieser Algebra ist die punktweise Multiplikation, welche sowohl assoziativ als auch
kommutativ ist.
♦
Wie man anhand der obigen Beispiele sieht, gibt es zahlreiche Mengen, auf denen man eine
Addition, eine skalare Multiplikation und eine Multiplikation definieren kann, so dass die
Menge zu einer Algebra über K wird. Ist die Multiplikation eine assoziative Verknüpfung,
für die ein neutrales Element existiert, so kann man die Elemente der Algebra insbesondere
in Polynome einsetzen. Man betrachte etwa die Algebra R2 . Die Funktion p : R2×2 → R2×2 ,
welche durch
p(X) = X 2 + 2X − 3 := X 2 + 2X 1 − 3X 0
für alle X ∈ R2×2 definiert ist, ist ein Polynom vom Grad 2. Setzt man beispielsweise die
Matrix A ∈ R2×2 , welche durch
0 1
A :=
0 0
gegeben ist, in das Polynom ein, so erhält man die Matrix
−3
2
.
p(A) = A2 + 2A − 312 =
0 −3
Definition (submultiplikative Norm). Sei V eine Algebra über K. Eine k · k auf V ,
heißt submultiplikativ, wenn
kvwk ≤ kvk kwk
für alle v, w ∈ V gilt.
Wird ein Vektorraum über K mit einer Norm versehen, so erhält man einen normierten
Raum über K. Analog dazu kann man auch eine Algebra über K mit einer Norm versehen.
Ist diese submultiplikativ, so erhält man eine normierte Algebra.
Definition (normierte Algebra). Sei V eine Algebra über K und k · k eine submultiplikative Norm auf V . Dann heißt das Paar (V, k · k) eine normierte Algebra über K.
Die Submultiplikativität der Norm auf einer normierten Algebra ist quasi das multiplikative Pendant zur Dreiecksungleichung. Nachfolgend geben wir noch einige Beispiele für
normierte Algebren an.
Beispiele.
(a) Die Menge der reellen Zahlen R, versehen mit der Betragsfunktion | · | : R → R, ist
eine normierte Algebra über R.
(b) Die Menge der komplexen Zahlen C, versehen mit der komplexen Betragsfunktion
| · | : C → R, ist sowohl eine normierte Algebra über R als auch eine normierte
Algebra über C.
♦
36
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
Übungsaufgabe
1. Zeigen Sie, dass der Vektorraum R2 zusammen mit der Funktion R2 × R2 → R2 , welche
durch
x 1 y2 + x 2 y 1
x ⊛ y :=
x 2 y2
für alle x = (x1 , x2 )T ∈ R2 und alle y = (y1 , y2 )T ∈ R2 definiert ist, eine Algebra über R ist.
2. Die Funktion k · kmax : R2×2 → R, welche durch
kAkmax := max |A11 |, |A12 |, |A21 |, |A22 |
für alle A ∈ R2×2 ist, ist eine Norm auf R2×2 . Zeigen Sie anhand eines Gegenbeispiels, dass
diese Norm nicht submultiplikativ ist.
3. Wir betrachten die Menge
M :=
a
b
−b
a
∈R
a,
b
∈
R
2×2 und die Funktion k · kM : M → R, welche durch kAk2M := a2 + b2 für alle A ∈ M mit
a −b
A=
b
a
definiert ist.
• Zeigen Sie, dass M eine Algebra auf R ist.
• Zeigen Sie, dass k · kM eine Norm auf M ist.
• Zeigen Sie, dass (M, k · kM ) eine normierte Algebra ist.
2.3. INFIMUM, SUPREMUM, MINIMUM UND MAXIMUM
2.3
37
Infimum, Supremum, Minimum und Maximum
Definition (nach unten beschränke Menge). Sei M eine Teilmenge von R. Ein reelle
Zahl u ∈ R heißt eine untere Schranke von M , wenn u ≤ x für alle x ∈ M gilt. Existiert
eine solche untere Schranke, so nennt man die Menge M nach unten beschränkt.
Definition (nach oben beschränkte Menge). Sei M eine Teilmenge von R. Ein reelle
Zahl o ∈ R heißt eine obere Schranke von M , wenn x ≤ o für alle x ∈ M gilt. Existiert
eine solche obere Schranke, so nennt man die Menge M nach oben beschränkt.
Eine Menge M ⊆ R ist offenbar nicht nach unten beschränkt, wenn für jede reelle Zahl
y ∈ R ein Element x ∈ M existiert, so dass x < y gilt. Ebenso die Menge M nicht nach
oben beschränkt, wenn für jede reelle Zahl y ∈ R ein Element x ∈ M existiert, so dass
y < x gilt. Nachfolgend geben wir einige Beispiele für Teilmengen von R an, welche nach
unten oder nach oben beschränkt sind.
Beispiele.
(a) Offenbar gilt für jede reelle Zahl a ≤ 1 und jede natürliche Zahl n ∈ N die Ungleichung a ≤ 1. Daher ist jede reelle Zahl a ≤ 1 eine untere Schranke von N, und N ist
somit nach unten beschränkt. Die Menge N ist jedoch nicht nach oben beschränkt,
da man zu jeder reellen Zahl x ∈ R eine natürliche Zahl n ∈ N finden kann, so dass
n > x gilt. Daher existiert keine obere Schranke von N.
(b) Sei (a, b) ein nichtleeres, offenes Intervall mit Intervallgrenzen a, b ∈ R. Dann ist jede
reelle Zahl u ≤ a eine untere Schranke von (a, b). Ebenso ist jede reelle Zahl o ≥ b
eine obere Schranke für (a, b). Das Intervall (a, b) ist also eine nach unten und nach
oben beschränkte Menge. Dasselbe gilt für nichtleere, abgeschlossene Intervalle [a, b],
sowie für Intervalle der Form [a, b) und (a, b] mit a, b ∈ R.
(c) Intervalle der Form (−∞, b) und (−∞, b] mit b ∈ R sind durch jede reelle Zahl o ≥ b
nach oben, nicht aber nach unten beschränkt.
(d) Intervalle der Form (a, ∞) und [a, ∞) mit a ∈ R sind durch jede reelle Zahl u ≤ a
nach unten, nicht aber nach oben beschränkt.
Ist u ∈ R untere Schranke einer Menge M ⊂ R, so ist jede reelle Zahl v ≤ u ebenfalls eine
untere Schranke von M . Ebenso ist jede reelle Zahl p ≥ o obere Schranke einer Menge
M ⊂ R, wenn die Zahl o ∈ R eine obere Schranke von M ist. Daher macht es keinen Sinn,
von der oberen Schranke“ oder der unteren Schranke“ einer Menge zu sprechen. Sinnvoll
”
”
ist jedoch die Suche nach einer möglichst großen unteren Schranke bzw. einer möglichst
kleinen oberen Schranke.
Definition (Infimum). Sei M ⊂ R eine nach unten beschränkte Menge, und sei u∗ ∈ R
eine untere Schranke von M mit der Eigenschaft, dass für jede positive Zahl ε > 0 die
Zahl u∗ + ε keine untere Schranke von M ist. Dann heißt u∗ das Infimum von M , und
man bezeichnet u∗ mit inf M .
Definition (Supremum). Sei M ⊂ R eine nach oben beschränkte Menge, und sei o∗ ∈ R
eine obere Schranke von M mit der Eigenschaft, dass für jede positive Zahl ε > 0 die Zahl
o∗ − ε keine obere Schranke von M ist. Dann heißt o∗ das Supremum von M , und man
bezeichnet o∗ mit sup M .
38
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
Gemäß Definition ist das Infimum die größte untere Schranke einer Menge, und das Supremum die kleinste obere Schranke. Die Existenz eines Infimums und eines Supremums
wird für nichtleere, nach unten bzw. nach oben beschränkte Teilmengen der reellen Zahlen
axiomatisch festgelegt.
Axiom (Vollständigkeitsaxiom). Jede nichtleere, nach unten beschränkte Teilmenge
von R besitzt ein Infimum. Jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge von R besitzt
ein Supremum.
Es sollte hier noch erwähnt werden, dass man für eine Teilmenge M der reellen Zahlen oft
inf M = −∞
schreibt, falls M nicht nach unten beschränkt ist. Analog dazu schreibt man
sup M = ∞,
falls M nicht nach oben beschränkt ist.
Nachfolgend geben wir einige Beispiele für Infima und Suprema von Mengen an.
Beispiele.
(a) Betrachtet man die Menge der natürlichen Zahlen N als Teilmenge von R, so ist N
nach unten beschränkt. Genauer: Jede reelle Zahl u ≤ 1 ist eine untere Schranke von
N. Für jede positive Zahl ε > 0 hingegen existiert eine natürliche Zahl n ∈ N, so
dass 1 + ε > n gilt, nämlich n = 1. Also ist 1 die größte untere Schranke und damit
das Infimum von N, d.h. inf N = 1.
(b) Für jedes nichtleere, offene Intervall (a, b), für jedes nichtleere, abgeschlossene Intervall [a, b] und für alle nichtleeren Intervalle der Form [a, b) oder (a, b] mit Intervallgrenzen a, b ∈ R gilt
inf (a, b) = inf [a, b] = inf [a, b) = inf (a, b] = a,
sup (a, b) = sup [a, b] = sup [a, b) = sup (a, b] = b.
Man beachte, dass die Zahl a kein Element der Intervalle (a, b) und (a, b] ist, und
dass die Zahl b kein Element der Intervalle (a, b) und [a, b) ist.
♦
Anhand der zuletzt aufgeführten Beispiele erkennt man, dass das Infimum einer Menge
M ⊂ R nicht notwendigerweise ein Element von M sein muss. Dasselbe gilt für das Supremum von M . Es gibt jedoch auch Mengen M ⊆ R für die inf M ∈ M bzw. sup M ∈ M
gilt. In diesem Fall bezeichnet man das Infimum bzw. das Supremum als das Minimum“
”
bzw. das Maximum“ der Menge.
”
Definition (Minimum). Sei M ⊂ R eine nach unten beschränkte Menge. Eine reelle
Zahl x∗ ∈ R wird das Minimum von M genannt, wenn x∗ ∈ M und x∗ = inf M gilt. Das
Minimum von M wird mit min M bezeichnet.
Definition (Maximum). Sei M ⊂ R eine nach oben beschränkte Menge. Eine reelle
Zahl x∗ ∈ R wird das Maximum von M genannt, wenn x∗ ∈ M und x∗ = sup M gilt. Das
Maximum von M wird mit max M bezeichnet.
2.3. INFIMUM, SUPREMUM, MINIMUM UND MAXIMUM
(a)
39
(b)
Abbildung 2.1: (a) Infimum und Supremum eines nichtleeren, offenen Intervalls (a, b).
(b) Minimum und Maximum eines nichtleeren, abgeschlossenen Intervalls [a, b]
Das Minimum einer nach unten beschränkten Menge M ⊆ R ist also ein Element von
M , welches gleichzeitig eine untere Schranke von M ist. Es folgt daher, dass min M das
kleinste Element von M ist. Ebenso ist max M das größte Element von M . Es muss betont
werden, dass eine nach unten bzw. nach oben beschränkte Menge M ⊂ R nicht notwendigerweise ein kleinstes bzw. größtes Element besitzt. Es existiert lediglich eine größte untere
bzw. eine kleinste obere Schranke. Daher besitzt jede nichtleere, nach unten beschränkte
Teilmenge von R zwar ein Infimum, nicht aber unbedingt ein Minimum. Ebenso besitzt
jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge von R ein Supremum, nicht aber unbedingt ein Maximum. Man betrachte dazu die Abbildung 2.1 wie auch die nachfolgenden
Beispiele.
Beispiele.
(a) Wir haben bereits gezeigt, dass inf N = 1 gilt. Da auch 1 ∈ N gilt, ist die Zahl 1
nicht nur die größte untere Schranke von N sondern auch das kleinste Element von
N, d.h. es gilt min N = 1.
(b) Seien x1 , x2 , . . . , xn ∈ R reelle Zahlen mit x1 ≤ x2 ≤ · · · ≤ xn . Dann gilt
min {x1 , x2 , . . . , xn } = x1 ,
max {x1 , x2 , . . . , xn } = xn .
(c) Sei [a, b] ein nichtleeres, abgeschlossenes Intervall mit a, b ∈ R. Dann gilt
min [a, b] = a,
max [a, b] = b.
(d) Für nichtleere Intervalle der Form [a, b) und (a, b] mit Intervallgrenzen a, b ∈ R gilt
min [a, b) = a,
max (a, b] = b.
Außerdem gilt sup [a, b) = b und inf (a, b] = a. Da jedoch b 6∈ [a, b) und a 6∈ (a, b] gilt,
besitzt das Intervall [a, b) kein Maximum und das Intervall (a, b] kein Minimum.
(e) Jedes nichtleere, offene Intervall (a, b) mit Intervallgrenzen a, b ∈ R besitzt weder ein
Mininum noch ein Maximum.
♦
Man überlegt sich leicht, dass jede nach unten beschränkte Teilmenge von Z ein Minimum
besitzt. Ebenso offensichtlich ist, dass jede nach oben beschränkte Teilmenge von Z ein
Maximum besitzt. Daher kann man die folgenden beiden Funktionen definieren.
40
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
Definition (Abrundungsfunktion, Gauß–Klammer). Die Abrundungsfunktion oder
Gaußklammer R → Z, x 7→ ⌊x⌋ ist durch
⌊x⌋ := max{k ∈ Z | k ≤ x}
für alle x ∈ R definiert.
Definition (Aufrundungsfunktion). Die Aufrundungsfunktion R → Z, x 7→ ⌈x⌉ ist
durch
⌈x⌉ := min{k ∈ Z | x ≤ k}
für alle x ∈ R definiert.
Die Abrundungsfunktion ⌊ · ⌋ wird gelegentlich auch mit [ · ] bezeichnet. Für jede reelle
Zahl x ∈ R nennt man den zugehörigen Funktionswert der Abrundungsfunktion ⌊x⌋ den
Ganzteil von x. Die Zahl x − ⌊x⌋ nennt man den Nachkommaanteil von x. Offenbar ist
eine Zahl k ∈ R genau dann Element von Z, wenn ihr Nachkommaanteil verschwindet, d.h.
wenn k = ⌊k⌋ bzw. k − ⌊k⌋ = 0 gilt. Für jede reelle Zahl x ∈ R gilt ferner die Abschätzung
⌊x⌋ ≤ x ≤ ⌈x⌉.
Daraus folgt insbesondere, dass man für jede noch so große, positive nichtnegative Zahl
R ≥ 0 eine natürliche Zahl N ∈ N wählen kann, so dass N > R gilt: Man wählt einfach
die Zahl N := ⌈R⌉ + 1. Außerdem existiert für jede noch so kleine, positive reelle Zahl
ε > 0 eine natürliche Zahl n ∈ N, so dass
1
<ε
n
gilt, nämlich n := ⌈1/ε⌉ + 1. Obwohl diese Überlegungen trivial erscheinen, werden sie
doch häufig in Beweisen benötigt.
Beschränktheit nach unten und Beschränktheit nach oben kann man auch für reellwertige Funktionen definieren.
Definition (nach unten beschränkte Funktion). Sei X eine nichtleere Menge. Eine
Funktion f : X → R heißt nach unten beschränkt, wenn ihre Wertemenge nach unten
beschränkt ist.
Definition (nach oben beschränkte Funktion). Sei X eine nichtleere Menge. Eine
Funktion f : X → R heißt nach oben beschränkt, wenn ihre Wertemenge nach oben
beschränkt ist.
Die Wertemenge f (X) einer Funktion f : X → R ist bekanntlich durch
f (X) := y ∈ R ∃x ∈ X : f (x) = y
gegeben. Entsprechend definiert man das Infimum einer nach unten beschränkten Funktion
f : X → R als
inf f (x) := inf f (X)
x∈X
Wenn außerdem ein Element x∗ ∈ X existiert, so dass f (x∗ ) = inf f (X) gilt, definiert man
das Minimum der Funktion f als
min f (x) := f (x∗ ).
x∈X
2.3. INFIMUM, SUPREMUM, MINIMUM UND MAXIMUM
41
Das Element x∗ wird dann ein Minimierer der Funktion f genannt. Für eine nach oben
beschränkte Funktion f : X → R definiert man das Supremum durch
sup f (x) := sup f (X).
x∈X
Falls außerdem ein Element x∗ ∈ X existiert, für dass f (x∗ ) = sup f (X) gilt, so definiert
man das Maximum der Funktion f als
max f (x) := f (x∗ ).
x∈X
Das Element x∗ wird dann ein Maximierer von f genannt.
Beispiele.
(a) Die Funktion f : R → R, welche durch f (x) := x2 für alle x ∈ R definiert ist, ist
beispielsweise durch 0 nach unten beschränkt, und es gilt
inf f (x) = min f (x) = 0
x∈X
x∈R
Wegen f (0) = 0 ist die Zahl 0 ein Minimierer von f . Tatsächlich ist 0 der einzige
Minimierer von f , wie man leicht zeigen kann. Die Funktion f ist nicht nach oben
beschränkt.
(b) Die Funktion g : R\{0} → R, welche durch g(x) := 1/x2 für alle x ∈ R\{0} definiert
ist, ist nach unten beschränkt, und es gilt
inf
x∈R\{0}
g(x) = 0.
Allerdings besitzt die Funktion g kein Minimum, da g(x) > 0 für alle x ∈ R \ {0}
gilt. Die Funktion g ist außerdem nicht nach oben beschränkt.
♦
Reelle Zahlenfolgen sind bekanntlich nichts anderes als Funktionen von N nach R. Daher
definiert man nach unten bzw. nach oben beschränkte Folgen in R wie folgt.
Definition (nach unten beschränkte Folge). Eine Folge in R heißt nach unten beschränkt, wenn die Menge ihrer Folgenglieder nach unten beschränkt ist.
Definition (nach oben beschränkte Folge). Eine Folge in R heißt nach oben beschränkt, wenn die Menge ihrer Folgenglieder nach oben beschränkt ist.
Die Menge der Folgenglieder einer reellen Zahlenfolge (an )n∈N ist durch
{an | n ∈ N} = {a1 , a2 , a3 , . . . }
gegeben. In Analogie zu den nach unten beschränkten Teilmengen von R definiert man
das Infimum einer nach unten beschränkten reellen Zahlenfolge (an )n∈N als das Infimum
der Menge aller Folgenglieder, d.h. man definiert
inf an := inf{an | n ∈ N}.
n∈N
42
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
Falls außerdem eine natürliche Zahl n∗ ∈ N existiert, so dass an∗ = inf{an | n ∈ N} gilt,
definiert man das Minimum der Folge (an )n∈N als
min an := an∗ .
n∈N
Das Supremum einer nach oben beschränkten reellen Zahlenfolge (an )n∈N definiert man
gemäß
sup an := sup{an | n ∈ N}.
n∈N
Wenn außerdem eine natürliche Zahl n∗ ∈ N existiert, für die an∗ = sup{an | n ∈ N} gilt,
dann definiert man das Maximum der Folge als
max an := an∗ .
n∈N
Gelegentlich werden das Infimum, das Minimum, das Supremum und das Maximum einer
reellen Zahlenfolge (an )n∈N auch mit inf (an )n∈N , min (an )n∈N , sup (an )n∈N und max (an )n∈N
bezeichnet.
Beispiele.
(a) Die so genannte Folge der Quadratzahlen (qn )n∈N , welche durch qn := n2 für alle
n ∈ N definiert ist, ist beispielsweise durch 1 nach unten beschränkt, und es gilt
inf qn = min qn = 1.
n∈N
n∈N
Die Folge (qn )n∈N ist jedoch nicht nach oben beschränkt.
(b) Die so genannte Folge der Stammbrüche (sn )n∈N , welche durch sn := 1/n für alle
n ∈ N definiert ist, ist nach oben beschränkt, und es gilt
sup sn = max sn = 1.
n∈N
n∈N
Die Folge (sn )n∈N ist außerdem nach unten beschränkt mit
inf sn = 0.
n∈N
Da jedoch 1/n 6= 0 für alle n ∈ N gilt, besitzt die Folge der Stammbrüche kein
Minimum.
♦
Übungsaufgaben
1. Gegeben seien die reellen Zahlen x1 := −3/2, x2 := π, x3 :=
Berechnen Sie die ganzen Zahlen ⌊xi ⌋ und ⌈xi ⌉ für i = 1, 2, 3, 4.
√
2 und x4 := log10 (124).
2. Skizzieren Sie die Funktionsgraphen der Funktionen [−3, 3] → R, x 7→ ⌊x⌋ und [−3, 3] →
R, x − ⌊x⌋.
3. Bestimmen Sie, falls dieses existiert, das Infimum, das Supremum, das Minimum und das
Maximum der folgenden Teilmengen von R.
M1 = {x2 | x ∈ (0, 1]}
M2 = {−12, 1, 0, −4},
M3 = [−2, −1) ∪ (1, ∞),
M4 = {2k | k ∈ Z}
2.3. INFIMUM, SUPREMUM, MINIMUM UND MAXIMUM
43
4. Bestimmen Sie, falls dieses existiert, das Infimum, das Supremum, das Minimum und das
Maximum der reellen Zahlenfolgen (an )n∈N , (bn )n∈N , (cn )n∈N und (dn )n∈N , welche durch
an := 4n − n2 ,
(−1)n
,
n πn
cn := sin
,
2
d1 := 4,
dn+1 := dn /2
bn :=
für alle n ∈ N definiert sind.
5. Bestimmen Sie, falls dieses existiert, das Infimum, das Supremum, das Minimum und das
Maximum der nachfolgend angegebenen Funktionen.
f1 : [1, 2) → R, x 7→ 3x,
f2 : R → R, x 7→ −x3 ,
√
f3 : [0, ∞) → R, x 7→ x,
f4 : (0, 1] → R, x 7→ 1/x.
44
2.4
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
Monotonie
Definition (monoton wachsende Funktion). Sei D ⊆ R eine nichtleere Menge. Eine
Funktion f : D → R heißt monoton wachsend, wenn f (x) ≤ f (y) für alle x, y ∈ D mit
x ≤ y gilt.
Definition (streng monoton wachsende Funktion). Sei D ⊆ R eine nichtleere Menge.
Eine Funktion f : D → R heißt streng monoton wachsend, wenn f (x) < f (y) für alle
x, y ∈ D mit x < y gilt.
Definition (monoton fallende Funktion). Sei D ⊆ R eine nichtleere Menge. Eine
Funktion f : D → R heißt monoton wachsend, wenn f (x) ≥ f (y) für alle x, y ∈ D mit
x ≤ y gilt.
Definition (streng monoton fallende Funktion). Sei D ⊆ R eine nichtleere Menge.
Eine Funktion f : D → R heißt streng monoton fallend, wenn f (x) > f (y) für alle x, y ∈ D
mit x < y gilt.
Die Monotonie einer Funktion f : D → R, wobei D ⊆ R eine nichtleere Menge ist, lässt
sich bekannterweise am Funktionsgraphen
graph(f ) := {(x, y)T ∈ R2 | x ∈ D, y = f (x)}
ablesen. Falls eine solcher Graph von links nach rechts stets ansteigt, so ist die Funktion
monoton wachsend. Verläuft der Graph dabei an keiner Stelle waagrecht, so ist die Funktion streng monoton wachsend. Falls der Graph von links nach rechts stets abfällt, ist die
Funktion monoton fallend. Verläuft der Graph dabei an keiner Stelle waagrecht, so ist die
Funktion streng monoton fallend (siehe auch Abbildun 2.2).
Beispiele.
(a) Eine affine Funktion g : R → R, welche für gegebene reelle Zahlen m, c ∈ R durch
g(x) = mx + c für alle x ∈ R definiert ist, ist genau dann streng monoton wachsend
bzw. streng monoton fallend, wenn m > 0 bzw. m < 0 gilt.
(b) Jede konstante Funktion ist sowohl monoton wachsend als auch monoton fallend. Ist
D ⊆ R eine nichtleere Menge, so wird eine Funktion f : D → R konstant genannt,
wenn eine Zahl y0 ∈ R existiert, so dass f (x) = y0 für alle x ∈ D gilt.
Wir erinnern uns, dass Folgen nichts anderes sind als Funktionen, deren Definitionsmenge
die Menge der natürlichen Zahlen N ist. Daher kann man den Monotoniebegriff auch auf
Folgen übertragen. Dementsprechend heißt eine Folge (an )n∈N in R monoton wachsend,
wenn
an ≤ an+1
für alle n ∈ N gilt. Die Folge heißt streng monoton wachsend, wenn
an < an+1
für alle n ∈ N gilt. Die Folge wird monoton fallend genannt, wenn
an ≥ an+1
45
2.4. MONOTONIE
(a)
(b)
(c)
(d)
Abbildung 2.2: Funktionsgraphen einer (a) monoton wachsenden, (b) streng monoton
wachsenden, (c) monoton fallenden, (d) streng monoton fallenden Funktion von R nach
R.
für alle n ∈ N gilt. Falls
an > an+1
für alle n ∈ N gilt, wird die Folge streng monoton fallend genannt.
Die Monotonie einer Folge in R wird letztlich von der Ordnungsrelation ≤ auf R bestimmt. Man kann den Monotoniebegriff jedoch auch auf Folgen in einer beliebigen Menge
X übertragen, sofern auf X eine Ordnungsrelation definiert ist. Wir geben hier zwei Beispiele dafür an.
Beispiele.
(a) Die Teilmengenrelation ⊆ ist bekanntlich eine Ordnungsrelation auf P(N), der Potenzmenge von N. Definiert man die Folge (Nn )n∈N in P(N) gemäß Nn := {1, 2, . . . , n}
für alle n ∈ N, so ist (Nn )n∈N eine monoton wachsende Folge bezüglich der Teilmengenrelation. Es gilt nämlich
Mn ⊆ Mn+1
für alle n ∈ N.
(b) Die Teilbarkeitsrelation | ist eine Ordnungsrelation auf N. Definiert man die Folge
(fn )n∈N gemäß fn := n! = n(n − 1) · · · 1 für alle n ∈ N, so gilt
fn | fn+1
(fn ist ein Teiler von fn+1 )
für alle n ∈ N. Also ist (fn )n∈N eine monoton wachsende Folge bezüglich der Teilbarkeitsrelation.
♦
Zum Abschluss dieses Abschnitts führen wir noch den Begriff der Teilfolge ein.
Definition (Teilfolge). Sei X eine nichtleere Menge und (xn )n∈N eine Folge in X. Eine
Folge (yn )n∈N in X heißt eine Teilfolge von (xn )n∈N , wenn eine streng monoton wachsende
Funktion ϕ : N → N existiert, so dass yn = xϕ(n) für alle n ∈ N gilt. Die Folge (yn )n∈N
wird dann auch mit (xϕ(n) )n∈N bezeichnet.
46
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
Beispiele.
(a) Sei (sn )n∈N die Folge R, welche durch sn := (−1)n für alle n ∈ N gegeben ist. Dann
ist beispielsweise die Folge (en )n∈N , welche durch en := 1 für alle n ∈ N gegeben ist,
eine Teilfolge von (sn )n∈N . Es gilt nämlich en = s2n für alle n ∈ N.
(b) Die Folge (sn )n∈N aus Teil (a) ist eine Teilfolge der Folge (zn )n∈N in C, welche durch
zn := in für alle n ∈ N definiert ist. Hierbei bezeichnet i die imaginäre Einheit. Es
gilt nämlich sn = z2n für alle n ∈ N. Auch die Folge (en )n∈N aus Teil (a) ist eine
Teilfolge von (zn )n∈N . Es gilt nämlich en = s2n = z4n für alle n ∈ N.
♦
Übungsaufgaben
1. Untersuchen Sie die reellen Zahlenfolgen (an )n∈N , (bn )n∈N , (cn )n∈N und (dn )n∈N hinsichtlich
ihrer Monotonie. Die Folgen sind dabei durch
1
2n
bn := 2n ,
an :=
cn := cos
d1 := 1,
πn 2
,
dn+1 := 1 + 2dn
für alle n ∈ N definiert.
2. Geben Sie jeweils die ersten 5 Folgenglieder der Teilfolgen (a2n )n∈N , (an2 )n∈N , (a6n+1 )n∈N
und (an! )n∈N der Folge (an )n∈N an, welche durch


1 falls n ≡ 0 mod 3,
an := 2 falls n ≡ 1 mod 3,


3 falls n ≡ 2 mod 3
für alle n ∈ N definiert ist.
3. Entscheiden Sie, ob die Folgen (an )n∈N , (bn )n∈N , (cn )n∈N und (dn )n∈N Teilfolgen der Folge
(xn )n∈N in R sind. Die Folge (xn )n∈N ist dabei durch
xn := ⌈n/2⌉
für alle n ∈ N definiert. Die übrigen Folgen sind gemäß
an := n,
bn := ⌈n/3⌉,
cn := n2 ,
dn := 4n − n2
für alle n ∈ N definiert. Für jede reelle Zahl α ∈ R bezeichnet hierbei ⌈α⌉ die kleinste
ganze Zahl, welche größer oder gleich α ist. Die ersten Glieder der Folge (xn )n∈N lauten
dementsprechend x1 = x2 = 1, x3 = x4 = 2, x5 = x6 = 3 u.s.w.
47
2.5. GRENZWERTE VON FOLGEN
2.5
Grenzwerte von Folgen
Definition (konvergente Folge, Grenzwert). Sei (V, k · k) ein normierter Raum über
K. Eine Folge (vn )n∈N in V heißt konvergent, wenn ein Vektor v ∈ V existiert, so dass für
jede positive Zahl ε > 0 eine natürliche Zahl N ∈ N existiert, so dass
kvn − vk < ε
für alle n ≥ N
gilt. Der Vektor v heißt in diesem Fall der Grenzwert der Folge, und man sagt, dass die
Folge (vn )n∈N gegen v konvergiert. Außerdem schreibt man
lim vn = v
n→∞
oder auch vn → v (n → ∞).
Definition (divergente Folge). Sei (V, k · k) ein normierter Raum über K. Eine Folge
in V heißt divergent, wenn sie nicht konvergent ist.
Anschaulich gesprochen konvergiert eine Folge genau dann gegen einen bestimmten Grenzwert, wenn die Folgenglieder für wachsende Indizes diesem Grenzwert immer näher kommen. Man sagt auch, dass die Folgenglieder einer konvergenten Folge, dem Grenzwert
beliebig nahe kommen. Dabei ist zu beachten, dass der Grenzwert selbst ein Folgenglied
sein kann. Im allgemeinen ist dies jedoch nicht der Fall.
Der nachfolgende Satz zeigt, weshalb es sinnvoll ist, von dem Grenzwert einer konvergenten Folge zu sprechen.
Satz 2.1. Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist eindeutig bestimmt.
Eine spezielle Klasse konvergenter Folgen bilden die so genannten Nullfolgen.
Definition (Nullfolge). Sei (V, k · k) ein normierter Raum über K. Eine Folge in V heißt
Nullfolge, wenn sie gegen den Nullvektor 0 ∈ V konvergiert.
Ist (V, k · k) ein normierter Raum, so konvergiert eine Folge (vn )n∈N offenbar genau dann
gegen einen Vektor v ∈ V , wenn (kvn − vk)n∈N eine Nullfolge ist, d.h. wenn
lim kvn − vk = 0
n→∞
gilt. In den nachfolgenden Beispielen geben wir die Grenzwerte einiger grundlegender Zahlenfolgen an. Vereinzelt geben wir eine kurze Begründung für das Resultat an.
Beispiele.
(a) Für jede reelle Zahl α ∈ R, und für jede reelle Zahl β ∈ R, welche n + β 6= 0 für alle
n ∈ N erfüllt, gilt
α
= 0.
lim
n→∞ n + β
Ist nämlich ε > 0 eine beliebig gewählte, positive Zahl, so existiert eine natürliche
Zahl N ∈ N, so dass n + β > α/ε für alle n ∈ N mit n ≥ N gilt. Daraus folgt, dass
|α/(n + β) − 0| < ε für alle n ∈ N mit n ≥ N gilt. Also ist die Folge (an )n∈N , definiert
durch an := α/(n + β) für alle n ∈ N, eine Nullfolge in R.
48
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
(b) Für jede reelle Zahl β ∈ R und für jede reelle Zahl α ∈ R, welche n + β 6= 0 für alle
n ∈ N erfüllt, gilt
n+α
= 1.
lim
n→∞ n + β
Es gilt nämlich
α − β n + α
n + β − 1 = n + β ,
und in Beispiel (a) wurde gezeigt, dass die Folge (bn )n∈N , definiert durch bn :=
(α − β)/(n + β) für alle n ∈ N, eine Nullfolge in R ist.
(c) Für jede komplexe Zahl q ∈ C mit |q| < 1 gilt
lim q n = 0.
n→∞
(d) Für jede Nullfolge (an )n∈N in C und für jede natürliche Zahl p ∈ N gilt
p
lim p |an | = 0.
n→∞
Wählt man nämlich eine beliebige, positive Zahl ε > 0, dann gilt auch εp > 0. Da
(an )n∈N eine Nullfolge ist, existiert eine natürliche Zahl N ∈ N, so dass |an | < εp
für alle n ∈ N mit n ≥ Npgilt. Zieht man
p auf beiden Seiten der Ungleichung die p-te
Wurzel, so erhält man | p |an | − 0| = |an | < εp für alle n ∈ N mit n ≥ N .
(e) Es gilt
lim
n→∞
√
n
n = 1.
(f) Für jede komplexe Zahl q ∈ C mit |q| < 1 und jede natürliche Zahl p ∈ N gilt
lim np q n = 0.
n→∞
(g) Sei (V, k · k) ein normierter Raum über K, und sei (vn )n∈N eine konstante Folge in
V , d.h. es existiere ein Vektor v0 ∈ V , so dass vn := v0 für alle n ∈ N gilt. Dann
konvergiert (vn )n∈N gegen v0 .
♦
Die Eigenschaft einer Folge, konvergent oder nicht konvergent zu sein, wird oft als das
Konvergenzverhalten der Folge bezeichnet. Der folgende Satz liefert ein wichtiges Resultat
hinsichtlich des Konvergenzverhaltens der Teilfolgen einer konvergenten Folge.
Satz 2.2. Sei (V, k · k) ein normierter Raum über K. Eine Folge (vn )n∈N in V konvergiert
genau dann gegen einen Grenzwert v ∈ V , wenn alle Teilfolgen von (vn )n∈N gegen v
konvergieren.
Satz 2.2 liefert offenbar auch ein notwendiges Kriterium für die Konvergenz einer Folge.
Falls man nämlich aus einer beliebigen Folge zwei Teilfolgen extrahieren kann, die gegen
unterschiedliche Grenzwerte konvergieren, so folgt aus Satz 2.2, dass die ursprüngliche
Folge nicht konvergent sein kann.
Als nächstes untersuchen wir, was man über die Normen der Folgenglieder einer konvergenten Folge aussagen kann.
49
2.5. GRENZWERTE VON FOLGEN
Satz 2.3. Sei (V, k · k) ein normierter Raum, und sei (vn )n∈N eine konvergente Folge in V .
Dann gilt
lim kvn k = lim vn .
n→∞
n→∞
Als nächstes wollen wir einige Resultate zusammengestellen, die es erlauben, Grenzwerte
von bestimmten Folgen aus bereits bekannten Grenzwerten zu berechnen. Die nachfolgenden zwei Sätze liefern solche Rechenregeln für Grenzwerte.
Satz 2.4. Sei (V, k · k) ein normierter Raum über K. Seien außerdem (vn )n∈N und (wn )n∈N
zwei konvergente Folgen in V , und sei (αn )n∈N eine konvergente Folge in K. Dann gilt
(1) lim vn + wn = lim vn + lim wn .
n→∞
n→∞
(2) lim αn vn =
n→∞
lim αn
n→∞
n→∞
lim vn .
n→∞
Ist (V, k · k) eine normierte Algebra über K, so gilt außerdem
lim wn .
(3) lim vn wn = lim vn
n→∞
n→∞
n→∞
Man beachte, dass die Aussage in Teil (2) von Satz 2.4 insbesondere auch für jede konstante
Folge in K gilt. Eine konstante Folgen (αn )n∈N ist bekanntlich durch αn := α für alle n ∈ N
gegeben, wobei α ∈ K eine fest gewählte Zahl ist. Diese Zahl ist dann auch der Grenzwert
von (αn )n∈N . Aus Teil (2) von Satz 2.4 folgt daher, dass
lim αvn = α lim vn
n→∞
n→∞
für jede konvergente Folge (vn )n∈N und für jede Zahl α ∈ K gilt. Da außerdem v − w =
v + (−1)w für beliebige Vektoren v, w ∈ V gilt, implizieren die Teile (1) und (2) von
Satz 2.4 auch, dass
lim vn − wn = lim vn − lim wn
n→∞
n→∞
n→∞
für alle konvergenten Folge (vn )n∈N und (wn )n∈N gilt.
Die bisher eingeführten Rechenregeln für die Addition, die skalare Multiplikation und
die Multiplikation von Grenzwerten gelten alle konvergenten Folgen in einer normierten
Algebra V über K. Im Fall V = R oder V = C kann man darüber hinaus eine Rechenregel
für die Division von Grenzwerten beweisen.
Satz 2.5. Sei (αn )n∈N eine konvergente Folge in K \ {0}, deren Grenzwert ebenfalls ein
Element von K \ {0} ist. Dann gilt
1
1
=
.
n→∞ αn
lim αn
lim
n→∞
Laut Satz 2.5 konvergiert die Folge der Kehrbrüche einer konvergenten Folge in K gegen
den Kehrbruch des Grenzwertes. Da bekanntlich α/β = α · (1/β) für alle α, β ∈ K gilt,
folgt aus Teil (3) von Satz 2.4 und Satz 2.5 die Rechenregel
lim αn
αn
= n→∞
n→∞ βn
lim βn
lim
n→∞
50
KAPITEL 2. GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSIS
für alle konvergenten Folgen (αn )n∈N in K und alle konvergenten Folgen (βn )n∈N in K\{0},
sofern der Grenzwert der Folge (βn )n∈N von Null verschieden ist.
Zum Abschluss dieses Kapitels wenden wir uns noch zwei Spezialfällen von Divergenz
zu, die man für reelle Zahlenfolgen definiert.
Definition (gegen ∞ bestimmt divergente Folge). Eine Folge (an )n∈N in R heißt
gegen ∞ bestimmt divergent, wenn für jede reelle Zahl R ∈ R eine natürliche Zahl N ∈ N
existiert, so dass
an > R für alle n ∈ N mit n ≥ N
gilt. In diesem Fall schreibt man
lim an = ∞
n→∞
oder an → ∞ (n → ∞).
Definition (gegen −∞ bestimmt divergente Folge). Eine Folge (an )n∈N in R heißt
gegen −∞ bestimmt divergent, wenn für jede reelle Zahl R ∈ R eine natürliche Zahl N ∈ N
existiert, so dass
an < R für alle n ∈ N mit n ≥ N
gilt. In diesem Fall schreibt man
lim an = −∞
n→∞
oder an → −∞ (n → ∞).
Man nennt eine reelle Zahlenfolge ganz allgemein bestimmt divergent, wenn sie entweder
gegen ∞ oder gegen −∞ bestimmt divergent ist. Man sollte sich klar machen, dass jede
nach ∞ bestimmt divergente Folge nach unten, nicht aber nach oben beschränkt ist. Die
Umkehrung dieser Aussage gilt jedoch nicht. Es gibt nämlich reelle Zahlenfolgen die nach
unten, nicht aber nach oben beschränkt sind, und die nicht gegen ∞ bestimmt divergieren.
Man betrachte hierzu auch die nachfolgenden Beispiele.
Beispiele.
(a) Die reelle Zahlenfolge (an )n∈N , welche durch an := −n für alle n ∈ N definiert ist,
ist gegen −∞ bestimmt divergent.
(b) Die reelle Zahlenfolge (bn )n∈N , welche durch bn := (−2)n für alle n ∈ N definiert ist,
ist divergent, aber nicht bestimmt divergent.
(c) Die nach unten, nicht aber nach oben beschränkte reelle Zahlenfolge (cn )n∈N , welche
durch
(
1
falls n gerade ist,
cn :=
n2 falls n ungerade ist
für alle n ∈ N definiert ist, ist divergent, aber nicht bestimmt divergent.
Das nachfolgende Lemma ist oft hilfreich, wenn man reelle Zahlenfolgen auf Konvergenz
hin untersucht.
Lemma 2.6. Sei (an )n∈N eine bestimmt divergente Zahlenfolge in R \ {0}. Dann gilt
lim
n→∞
1
= 0.
an
51
2.5. GRENZWERTE VON FOLGEN
Beweis. Da die Folge (an )n∈N bestimmt divergiert, ist die Folge (|an |)n∈N gegen ∞ bestimmt
divergent. Wählt man eine beliebige positive Zahl ε > 0, dann existiert demnach eine natürliche
Zahl N ∈ N derart, dass |an | > 1/ε für alle n ∈ N mit n ≥ N gilt. Entsprechend gilt dann
1/|an | < ε für alle n ∈ N mit n ≥ N . Damit ist gezeigt, dass die Folge (1/an )n∈N eine Nullfolge
ist.
Die Frage ob eine Folge konvergiert oder divergiert ist nicht immer leicht zu beantworten.
Wir werden im Kapitel 4 auf diese Frage näher eingehen.
Übungsaufgaben
1. Die konvergenten, reellen Zahlenfolgen (an )n∈N , (bn )n∈N , (cn )n∈N , (dn )n∈N und (en )n∈N sind
durch
an :=
bn :=
cn :=
dn :=
en :=
2n + 1
,
3n2 + 2n + 1
√
n
n2 ,
1 + 2 + ··· + n
,
2
√n
n+ n
,
3n
(2n − 1)(3n − 2)(n + 1)
(5n − 1)(2n + 1)(3n − 1)
für alle n ∈ N definiert. Berechnen Sie die Grenzwerte dieser Folgen. Um den Grenzwert
der Folge (cn )n∈N zu berechnen, sollten Sie zunächst mittels vollständiger Induktion nach n
zeigen, dass 1 + 2 + . . . + n = n(n + 1)/2 für alle n ∈ N gilt.
2. Untersuchen Sie die reellen Zahlenfolgen (an )n∈N , (bn )n∈N , (cn )n∈N und (dn )n∈N auf Konvergenz hin, und bestimmen Sie gegebenenfalls den Grenzwert. Die Folgen seien dabei durch
√
√
an := n − 1 − n,
n
n
bn := −
,
2
2
n 4
,
cn :=
4 n
√
p
dn := n(n2 + 1) − n3
für alle n ∈ N definiert.
3. Sei (V, k · k) eine normierte Algebra über K, sei (vn )n∈N eine konvergente Folge in V mit
Grenzwert v, und sei p : V → V, x 7→ α0 + α1 x + α2 x2 + . . . + αn xn ein Polynom mit
Koeffizienten in α0 , α1 , . . . , αn ∈ K. Begründen Sie, weshalb die Folge (p(vn ))n∈N gegen p(v)
konvergiert.
4. Zeigen Sie, dass die reellen Zahlenfolgen (an )n∈N , (bn )n∈N und (cn )n∈N , definiert durch
an := (−1)n ,
(
1
falls n ungerade ist,
bn :=
n/2 falls n gerade ist,
cn :=
für alle n ∈ N, divergent sind.
n2 − 2
n−1
Lernzielkontrolle
Nach dem Durcharbeiten diese Kapitels sollten Sie...
... wissen, was eine Folge und was eine Teilfolge ist.
... zu einer gegebenen rekursiven Definition die explizite Darstellung einer reellen Zahlenfolge bestimmen können.
... wissen, was eine Familie und was eine Teilfamilie ist.
... wissen, was eine Algebra und was eine normierte Algebra ist.
... wissen, was das nach unten beschränkte und nach oben beschränkte Teilmengen von
R sind.
... wissen, was das Infimum und das Minimum einer nach unten beschränkten Menge,
Folge oder Funktion ist. Insbesondere sollten Sie den Unterschied zwischen Infima
und Minima kennen.
... wissen, was das Supremum und das Maximum einer nach oben beschränkten Menge,
Folge oder Funktion ist. Insbesondere sollten Sie den Unterschied zwischen Suprema
und Maxima kennen.
... das Vollständigkeitsaxiom kennen.
... wissen, was monoton wachsende, streng monoton wachsende, monoton fallende und
streng monoton fallende Funktionen und Folgen sind.
... wissen, was konvergente und divergente Folgen sind.
... wissen, was eine Nullfolge ist.
... wissen, was bestimmt divergente Folgen sind.
... die Rechenregeln für Grenzwerte von Folgen kennen, und mit Hilfe dieser Regeln
Grenzwerte von konvergenten Folgen berechnen können, wo dies möglich ist.
52
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