Komplexe Zahlen

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Komplexe Zahlen
Definition 1. Eine komplexe Zahl z ist ein geordnetes Paar reeller Zahlen (a, b). Wir
nennen a den Realteil von z und b den Imaginärteil von z, geschrieben a = Re z, b =
Im z.
Komplexe Zahlen werden in der Gaußschen Zahlenebene visualisiert:
Addition, Subtraktion und Multiplikation von komplexen Zahlen
z1 = (a1 , b1 ) und z2 = (a2 , b2 ):
z1 + z2 := (a1 + a2 , b1 + b2 )
z1 − z2 := (a1 − a2 , b1 − b2 )
z1 z2 := (a1 a2 − b1 b2 , a1 b2 + b1 a2 )
Dabei gelten das Kommutativ-, das Assoziativ- und das Distributivgesetz. Auch die binomischen Formeln sind gültig. Addition und Subtraktion lassen sich sehr einfach als
Vektoraddition in der Gaußschen Zahlenebene visualisieren.
Definition 2. Die komplexe Zahl i := (0, 1) heißt imaginäre Einheit. Wir identifizieren
jede komplexe Zahl der Form (a, 0) mit der reellen Zahl a.
Es folgt i2 = ii = (0, 1)(0, 1) = (−1, 0) und wegen der Identifizierung gilt:
1
i2 = −1.
1
Komplexe Zahlen in arithmetischer Darstellung
Für z = (a, b) gilt z = (a, 0) + (0, b) = (a, 0) + (0, 1)(b, 0) und damit besitzt die komplexe
Zahl z die arithmetische Darstellung:
z = a + ib = Re z + i · Im z.
Definition 3. Die Menge aller komplexen Zahlen wird mit C bezeichnet:
C = {a + ib | a, b ∈ R}.
Das Rechnen mit komplexen Zahlen vereinfacht sich damit: Es genügt, die Rechenregeln
und i2 = −1 zu beachten.
Beispiel: z1 = 3 + 4i, z2 = 2 − i:
z1 + z2 =
z1 − z2 =
z1 z2 =
Definition 4. Der Abstand einer komplexen Zahl z = a + ib vom Koordinatenursprung
der Gaußschen Ebene wird ihr Betrag genannt und mit |z| bezeichnet.
Laut Satz des Pythagoras gilt
p
|z| = a2 + b2 .
Dies verallgemeinert natürlich den Betrag einer reellen Zahl, denn es ist
p
√
a,
a > 0,
2
2
2
|a| = a + 0 = a =
−a, a < 0.
Definition 5. Die komplexe Zahl z := a − ib liegt spiegelsymmetrisch bezüglich der reellen Achse zu z = a + ib und wird konjugiert komplexe Zahl genannt.
2
Die dritte binomische Formel liefert zz = (a + ib)(a − ib) = a2 − (ib)2 = a2 + b2 und
damit
zz = |z|2 .
Außerdem ist z reell genau dann, wenn z = z ist.
Von den elementaren Operationen bleibt die Division zu besprechen. Zunächst stellen wir
fest, dass zu jedem z 6= 0 ein eindeutig bestimmtes Element z−1 (Inverses oder Reziprokes
genannt) existiert, so dass zz−1 = 1. Zur Begründung reicht es,
a
b
z−1 := 2 − i 2
|z|
|z|
zu setzen. Dann rechnet man nach, dass
a2
ba
a
b
b2
ab
a2 + b 2
−1
=
i
+
zz = (a + ib)
−
i
+
−
i
=
= 1.
|z|2
|z|2
|z|2 |z|2 |z2 |
|z|2
|z|2
Division von komplexen Zahlen z1 = (a1 , b1 ) und z2 = (a2 , b2 ):
z1
:= z1 z−1
2
z2
z2 6= 0
Der Quotient erfüllt die üblichen Rechengesetze der Bruchrechnung.
Zu seiner praktischen Berechnung wird mit dem konjugierten komplexen des Nenners
erweitert, um einen reellen Nenner zu erhalten:
z1
z z2
z z2
= 1 = 1 2
z2
z2 z2
|z2 |
Also erhält man:
a1 + ib1
(a + ib1 )(a2 − ib2 )
(a a2 + b1 b2 ) + i(a2 b1 − a1 b2 )
= 1
= 1
.
a2 + ib2
(a2 + ib2 )(a2 − ib2 )
a22 + b22
Beispiele:
4 − 5i
•
=
3+i
•
3 + 7i
=
i
3
2
Komplexe Zahlen in trigonometrischer Darstellung
Ein Punkt in der Gaußschen Zahlenebene kann auch durch seinen Abstand r = |z| zum
Ursprung und den Winkel ϕ zwischen reeller Achse und Vektor zu diesem Punkt charakterisiert werden.
Aus der Definition der Winkelfunktionen am Einheitskreis folgt für z = a + ib:
a = r cos ϕ,
b = r sin ϕ.
Damit hat die komplexe Zahl z = a + ib die trigonometrische Darstellung:
z = r(cos ϕ + i sin ϕ).
Man beachte, dass ϕ nur eindeutig bis auf Addition von ganzzahligen Vielfachen von 2π
ist, oft wird daher ϕ ∈ [0, 2π) angenommen.
Definition 6. Der Winkel ϕ zwischen reeller Achse und dem Vektor vom Ursprung zum
Punkt z heißt Argument von z, geschrieben ϕ = arg(z).
Beispiel: arg(i) =
Bei der Bestimmung von ϕ ist Vorsicht
So folgt aus tan ϕ = b/a nicht immer ϕ =
π geboten.
π
arctan(b/a), denn arctan : R → − ,
, weswegen das Argument so nur für Zahlen in
2 2
der rechten Halbebene ermittelt werden könnte. Liegt z in der linken Halbebene, so liegt
−z in der rechten und hat dasselbe Verhältnis von Imaginärteil zu Realteil. Mit arg(z) =
arg(−z) + π erkennt man den richtigen Zusammenhang:

arctan(b/a),



arctan(b/a) + π,
ϕ=
π
,


 2π
−2,
Beispiele: arg(3 − 3i) =
a>0
a < 0,
a = 0, b > 0,
a = 0, b < 0.
√ arg − 21 + 23 i =
4
Multiplikation komplexer Zahlen z1 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) und z2 = r2 (cos ϕ2 +
i sin ϕ2 ) in trigonometrischer Darstellung:
z1 z2 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 )r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 )
= r1 r2 ((cos ϕ1 cos ϕ2 − sin ϕ1 sin ϕ2 ) + i(cos ϕ1 sin ϕ2 + sin ϕ1 cos ϕ2 ))
= r1 r2 (cos(ϕ1 + ϕ2 ) + i sin(ϕ1 + ϕ2 ))
Fazit: Beim Multiplizieren werden die Beträge multipliziert und die Argumente addiert.
Dies gestattet, Formeln wie
z 1 z 2 = z1 z 2
schnell einzusehen: Ob man erst die Winkel addiert und dann an der reellen Achse
spiegelt oder umgekehrt, ist egal! (Man kann das Gesetz natürlich auch mit Hilfe der
arithmetischen Darstellung nachrechnen.)
Speziell folgt für z = r(cos ϕ + i sin ϕ):
z2 = r2 (cos 2ϕ + i sin 2ϕ)
z3 = r3 (cos 3ϕ + i sin 3ϕ)
..
.
Formel von Moivre: Für eine komplexe Zahl z = r(cos ϕ + i sin ϕ) gilt:
zn = rn (cos nϕ + i sin nϕ)
√
Beispiel: z = 1 + i 3, Berechnung von z100 :
Umwandlung von z in die trigonometrische Form:
r := |z| =
ϕ := arg(z) =
Damit ist
z100 =
5
Division komplexer Zahlen z1 = r1 (cos ϕ1 + i sin ϕ1 ) und z2 = r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 ) in
trigonometrischer Darstellung:
r (cos ϕ1 + i sin ϕ1 )
z1
= 1
z2
r2 (cos ϕ2 + i sin ϕ2 )
r (cos ϕ1 + i sin ϕ1 )(cos ϕ2 − i sin ϕ2 )
= 1
r2
cos2 ϕ2 + sin2 ϕ2
r
= 1 ((cos ϕ1 cos ϕ2 + sin ϕ1 sin ϕ2 ) + i(sin ϕ1 cos ϕ2 − cos ϕ1 sin ϕ2 ))
r2
r1
=
(cos(ϕ1 − ϕ2 ) + i sin(ϕ1 − ϕ2 ))
r2
Fazit: Beim Dividieren werden die Beträge dividiert, die Argumente subtrahiert.
Also können wir folgern: Multiplikation und Division können als Drehstreckungen in der
Ebene interpretiert werden. Speziell ist
• Multiplikation mit i eine Drehung um 90o um den Ursprung gegen den Uhrzeigersinn,
• Division durch i eine Drehung um 90o um den Ursprung im Uhrzeigersinn.
3
Komplexe Zahlen in exponentieller Darstellung
Man kann eine komplexe Zahl z mit Betrag r und Argument ϕ nicht nur in der trigonometrischen Darstellung z = r(cos ϕ + i sin ϕ) schreiben, sondern auch in der exponentiellen
Darstellung:
z = reiϕ .
Rechenoperationen wie z.B. die Multiplikation komplexer Zahlen sind in dieser Darstellung schnell durchführbar, da Potenzgesetze angewendet werden können.
Eulersche Formel: Für eine komplexe Zahl z = x + iy gilt:
ex+iy = ex (cos y + i sin y)
Eine Konsequenz der Eulerschen Formel ist die schönste Formel der Mathematik, die man
für z = πi erhält:
eπi = cos π + i sin π = −1
bzw.
eπi + 1 = 0.
Die fünf fundamentalen Konstanten π, i, 0, 1 und e sind darin auf überraschende Weise
verbunden.
6
Beispiel: Zeichnen von komplexen Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene:
π
2π
z1 = 3ei 4 , z2 = 4ei 3 , z3 = 6e−iπ
Beispiel: z1 = 1 +
√
3
3i, z2 = 2e 2 iπ
Umwandlung von z1 in die exponentielle Darstellung:
Berechnen in exponentieller Darstellung:
z1 · z 2 =
z1
=
z2
z42 =
Umwandeln der Ergebnisse in die arithmetische Darstellung:
z1 · z 2 =
z1
=
z2
z42 =
7
4
Nullstellen ganzrationaler Funktionen
Definition 7. Ganzrationale Funktionen sind Funktionen der Form
p(z) = an zn + an−1 zn−1 + . . . + a1 z + a0 ,
z∈C
mit Definitions- und Wertebereich D = W = C und Koeffizienten a0 , . . . , an ∈ C. Eine
alternative Bezeichnung ist Polynom, n heißt im Falle an 6= 0 der Grad von p.
4.1
Existenz von Nullstellen
Ganzrationale Funktionen brauchen in R keine Nullstellen haben, wie das Beispiel
p(z) = z2 + 1
zeigt. In C hat die Gleichung aber Lösungen, nämlich z1 = i und z2 = −i.
Zählt man alle Nullstellen eines Polynoms mit ihren Vielfachheiten, so ergibt sich:
Satz 1. (Fundamentalsatz der Algebra)
Jedes Polynom n-ten Grades besitzt n komplexe Nullstellen.
Satz 2. Jedes Polynom n-ten Grades gestattet die kanonische Zerlegung
p(z) = c(z − z1 )n1 (z − z2 )n2 · · · (z − zm )nm
mit c ∈ C und Nullstellen z1 , . . . , zm ∈ C, wobei ni die Vielfachheit der Nullstelle zi
angibt.
Die rechnerische Gewinnung dieser Zerlegung erfolgt mit Hilfe der Polynomdivision.
4.2
Berechnung der Nullstellen für spezielle Polynome
Satz 3. Die Nullstellen des Polynoms p(z) = zn − 1 sind gegeben durch
2kπ
2kπ
zk := cos
+ i sin
,
k = 1, . . . , n
n
n
Diese Nullstellen heißen komplexe Einheitswurzeln und bilden in der Zahlenebene die
Ecken eines regelmäßigen n-Ecks.
8
Man sieht:
• für gerades n gibt es zwei reelle Lösungen: +1, −1,
• für ungerades n gibt es eine reelle Lösung: 1.
Beispiel: z5 = 1 und (z − 3)6 = 1
Satz 4. Die Nullstellen des Polynoms p(z) = zn − a für a ∈ C sind gegeben durch
p
2kπ + ϕ
2kπ + ϕ
n
zk := |a| cos
+ i sin
,
k = 1, . . . , n.
n
n
Beispiel: (z + 4)7 − 2(1 + i) = 0
9
Für quadratische Polynome p(z) = z2 + pz + q liefert die bekannte Lösungsformel
z1,2
p
=− ±
2
r p 2
2
komplexe Lösungen, falls die Diskriminante D :=
−q
p 2
− q negativ ist. Unter
√
D sei
2
dabei eine der beiden komplexen Zahlen verstanden, deren Quadrat gleich D ist.
Beispiele:
• z2 + 2z − i = 0
√
Aus der Lösungsformel
erhalten wir z1,2 = −1 ± 1 + i.
√
Um w := 1 + i zu bestimmen, wandeln wir 1 + i in die trigonometrische Form um:
Da w =
√
1 + i ist, gilt w2 − (1 + i) = 0 und wir erhalten mit Hilfe von Satz 4:
(Dabei kommt das Minuszeichen zustande, weil Sinus und Kosinus ihr Vorzeichen
ändern bei Argumentverschiebungen um π.)
Damit lauten die Lösungen der quadratischen Gleichung:
• z2 − (1 + 2i)z + 3(1 + i) = 0
10
4.3
Polynome mit reellen Koeffizienten
Betrachten wir zum Schluss noch reelle Polynome, also Polynome, dessen Koeffizienten
a0 , . . . , an sämtliche reell sind. Es gilt:
Satz 5. Ist zk ∈ C eine Nullstelle eines reellen Polynoms, so auch zk .
Die nicht-reellen Nullstellen eines reellen Polynoms treten also in Paaren zueinander konjugierter Nullstellen auf, und man kann sich überlegen, dass beide die gleiche Vielfachheit haben. In der kanonischen Zerlegung kann man nun jeweils zwei Faktoren zusammenfassen:
(z − zk )(z − zk ) = z2 − (zk + zk )z + zk zk = z2 + bk z + ck
mit reellen (!) Zahlen bk := −(zk + zk ) = −2Re(zk ) und ck := zk zk = |zk |2 . Damit gilt:
Satz 6. Jedes reelle Polynom n-ten Grades gestattet die Zerlegung
r
m
Y
Y
nk
p(z) = c
(z − xk )
(z2 + bk z + ck )nk
k=1
k=r+1
mit reellen Nullstellen xk , reellen Zahlen c, bk , ck und Vielfachheiten nk .
Man beachte, dass die Zahl der paarweise verschiedenen komplexen und reellen Nullstellen hier nicht mehr mit m bezeichnet wurde , sondern r + 2(m − r) = 2m − r ist.
Beispiel: Sei p(z) = z4 + 1. Aus der Lage in der komplexen Ebene
liest man die vier Nullstellen sofort ab:
1+i
z1 = √
2
z2 =
−1 + i
√
2
z3 =
−1 − i
√
2
1−i
z4 = √
2
Tatsächlich sind z1 und z4 sowie z2 und z3 zueinander konjugiert. Wir fassen die entsprechenden Faktoren zusammen:
√
2
(z − z1 )(z − z4 ) = z2 − (z1 + z4 )z + z1 z4 = z2 + √ z + 1 = z2 + 2z + 1
2
√
2
(z − z2 )(z − z3 ) = z2 − (z2 + z3 )z + z2 z3 = z2 − √ z + 1 = z2 − 2z + 1
2
11
Also gilt:
z4 + 1 = (z2 +
√
√
2z + 1)(z2 − 2z + 1).
12
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