Von der Diversity-Strategie zur Rendite mit der

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17.01.2005
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Diversity-Strategie
Von der Diversity-Strategie
zur Rendite –
mit der Balanced Scorecard
+++ Diversity ist en vogue. Von Gleichstellungsprogrammen mit eigenem Betriebskindergarten
über die Rekrutierung von Spezialisten jenseits der 40 bis hin zu Work-Life-Events zur Stressbewältigung oder interkulturellen Qualifizierungsmaßnahmen: Der Begriff Diversity ist geduldig
und scheint ein Sammelbecken für "diverse" Initiativen zu sein. Wie bei anderen Modeerscheinungen auch, wird von Diversity nach dem Hype nur das übrig bleiben, was den Unternehmen
nachhaltig im Wettbewerb einen Vorteil verschafft. Doch wie kann Diversity genau darauf fokussiert werden, um so von Anfang an Ressourcen effizient zu steuern? Welche Prioritäten muss ein
Unternehmen setzen, um sich durch Vielfalt für die Zukunft adäquat zu rüsten? Und nicht zuletzt: Welche Investitionen rechnen sich am Ende der Tage? +++
Die Diversity Balanced Scorecard
Die klassische Balanced Scorecard
nach Kaplan & Norton dient dazu,
die Vision und Strategie eines Unternehmens in mess- und umsetzbare
Ziele zu übersetzen. Dabei werden
vier Perspektiven eingenommen,
aus denen das Unternehmen betrachtet wird: Die Finanz-, Kunden-, Prozess- und Lernperspektive. Dieses Werkzeug kann die strategische Ausrichtung von Diversity
auf den Unternehmenserfolg und die
effiziente Umsetzung mit messbaren
Effekten unterstützen. Dabei besteht die
Kunst darin, die vier Perspektiven so
miteinander zu vernetzen, dass UrsacheWirkungs-Ketten und Effekte deutlich werden. Gelingt dies, können Diversity-Erfolge
gemessen werden.
Die Finanzperspektive von Diversity
Der Anspruch jeder Diversity-Initiative sollte
es sein, positive finanzielle Effekte zu erzielen. Bereits hier können Prioritäten gesetzt
werden. Soll Diversity dazu beitragen, den
Umsatz, die Wertschöpfung oder den langfristigen Unternehmenswert zu steigern? Ist
die Umsatzsteigerung Top-Priorität, dann
geht es beispielsweise darum, wie eine vielfältige Belegschaft zu einem attraktiveren
Service- oder Produktangebot beiträgt und
dessen Vermarktung unterstützt. Soll die
Wertschöpfung erhöht werden, dann sind die
Leistungspotenziale motivierter und effizient
zusammenarbeitender Mitarbeiter und die
Vermeidung von Kosten (bspw. Fluktuations-,
Absentismus-, oder sogar Gerichtskosten vgl. EU-Richtlinien) zentral. Liegt der Fokus
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dagegen auf dem Image, das den Unternehmenswert mit beeinflusst, dann steht die
Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit,
durch Kunden, Investoren, Zulieferer oder
auf dem Arbeitsmarkt im Vordergrund. Je
nachdem vor welchen Herausforderungen ein
Unternehmen steht, ergeben sich unterschiedliche Optionen, wie Diversity zum Erfolg beitragen kann.
Die Kundenperspektive von Diversity
Auch aus Sicht der Kunden sind unterschiedliche Zielsetzungen für Diversity denkbar.
Sollen neue Kundensegmente oder Märkte
durch innovative Produkte erobert werden?
Dann könnten heterogene Teams für höhere
Innovationsgeschwindigkeit sorgen, wenn sie
die Unterschiedlichkeit kreativ zu nutzen wissen. Eine Möglichkeit, die Kundenanforderungen ins Unternehmen zu holen, besteht
darin, die Kundenstruktur in demografischer
oder nationaler Hinsicht innerhalb der Belegschaft "abzubilden". So können Mitarbeitergruppen zu bestimmten Themen entstehen,
die die Produkte und Leistungen des Unternehmens aus ihrer Perspektive überprüfen.
Entspricht das Produkt den Anforderungen
junger Eltern oder Behinderter? Wie kommt
die Werbung mit dem gleichgeschlechtlichen
Paar oder der generationsübergreifenden Familie bei den Zielgruppen an? Ist der Produktname und die Vertriebsstrategie für den
türkischen Markt geeignet? Werden Mitarbeiter-Netzwerke für derartige Fragen im Bereich Produktentwicklung oder Marketing/
Vertrieb genutzt, entstehen zielgruppengerechte Produkte und Marketingkonzepte, deren Erfolg sich im Umsatz zeigt und über entsprechende Panel messen lässt.
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Liegt der Schwerpunkt darauf, die Kundenzufriedenheit zu steigern? Dann wird eine
wertschätzende Unternehmenskultur zum Erfolgsfaktor, der über zufriedene und motivierte Mitarbeiter auf den Kunden ausstrahlt. Will
man dagegen von den Kunden als sozial verantwortlich agierendes Unternehmen wahrgenommen werden, so wird die in- und externe
Förderung benachteiligter Gruppen relevant.
Auch hier wird deutlich, dass eine unternehmensspezifische Diversity-Strategie Prioritätensetzung erfordert.
Die Prozessperspektive von Diversity
Je nach Zielsetzungen der Finanz- und Kundenperspektive ergeben sich unterschiedliche
Erfordernisse für die unternehmensinternen
Geschäftsprozesse. So kann der Unternehmenswert langfristig vor dem Hintergrund
des demografischen Wandels gesichert werden, indem beispielsweise Arbeitsplätze und abläufe in der Produktion an eine künftig ältere und damit leistungsgewandelte Belegschaft angepasst werden.
Für eine höhere Wertschöpfung sind Arbeitsbedingungen erforderlich, die es allen Mitarbeitern in jeder Phase des (Lebens-)Arbeitszyklus ermöglichen, ihre Potenziale voll zu
entfalten. Flexible Arbeitszeiten, -orte und
–systeme werden sowohl jungen, ambitionierten Talenten, als auch Mitarbeitern in der
Familienphase oder im Übergang von der Berufstätigkeit zum Ruhestand gerecht. So können täglich wechselnde Arbeitszeiten oder
Telearbeit berufstätigen Eltern den Spagat
zwischen Kinderbetreuung und beruflichen
Anforderungen erleichtern. Durch das Angebot von Sabbaticals oder Teilzeitprogrammen
bleibt die Erfahrung älterer Mitarbeiter dem
Unternehmen länger erhalten und diesen
gleichzeitig der "Ruhestands-Schock" erspart. Und durch eine bedürfnis- und fähigkeitsgerechte Arbeitsplatzgestaltung können
sich behinderte Mitarbeiter vollständig in den
Wertschöpfungsprozess integrieren.
Im Sinne der Vermeidung von Diskriminierung (und aller damit verbundenen Kosten
und Reibungsverluste), kann es um die Überprüfung aller Prozesse der Personalauswahl, entwicklung und –betreuung gehen. Beispielsweise Auswahl- und Beförderungskriterien, Aus- und Weiterbildungsangebote, Entgeltsysteme und Personalabbau-Programme
dürfen weder unmittelbar noch mittelbar bestimmte Gruppen systematisch benachteiligen (vgl. EU-Richtlinien). Zudem können
Prozesse der Mitarbeiterführung zur Vermeidung von Belästigung oder Mobbing am Arbeitsplatz beitragen.
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Die Lernperspektive von Diversity
Die Vielfalt an unterschiedlichen Schwerpunkten in den drei vorangegangenen Perspektiven spiegelt sich schließlich auch in
den Lernerfordernissen wider. Welche Kompetenzen benötigen Mitarbeiter und Führungskräfte um die Ziele zu erreichen? Welche Unternehmenskultur unterstützt die Strategien? Hier kann es um Sensibilisierung oder
Aufklärung über rechtliche und betriebsinterne Bestimmungen gehen. Die Kreativitätspotenziale heterogener Teams gilt es zu fördern,
Kompetenzen zur Prävention und Lösung von
Konflikten zu stärken. Führungskräfte und
Mitarbeiter werden dafür qualifiziert, Diskriminierung, Belästigung und Mobbing frühzeitig zu erkennen und anzugehen. Und sie
erfahren, worin sie sich voneinander unterscheiden und wie sie selbst in konkreten Situationen durch gegenseitige Wertschätzung
dazu beitragen, dass diese Vielfalt zur Stärke
wird.
Die Kennzahlen für Diversity
Sind die strategischen Zielsetzungen von Diversity umfassend für die vier Perspektiven
definiert, lassen sich entsprechende Kennzahlen finden. Dabei ist es hilfreich, zwischen
Kennzahlen zur Evaluation einzelner Maßnahmen und denen zur Messung des Effektes
von Diversity zu unterscheiden. Beispielsweise kann die Evaluation eines DiversityTrainings aufzeigen, dass die Führungskräfte
erfolgreich dafür sensibilisiert wurden, die individuellen Potenziale und Bedürfnisse der
Mitarbeiter (an-) zu erkennen. Wirkt sich aber
diese erworbene Kompetenz aufgrund anderer Faktoren, wie beispielsweise ein als unfair
wahrgenommenes Entlohnungssystem, nicht
bis auf die Mitarbeitermotivation und damit
Produktivität aus, zeigt die Effekt-Kennzahl
ein neutrales oder sogar negatives Ergebnis.
Andererseits kann auch die Maßnahme nicht
greifen und damit den gewünschten Effekt
verhindern. Dies wäre der Fall, wenn trotz
Überarbeitung der Beförderungsrichtlinien
ein bestimmter Personenkreis - beispielsweise Mitarbeiter einer bestimmten Nationalität - auf Führungsebenen deutlich weniger
vertreten ist als in der Gesamtbelegschaft ohne dass dies fachlich zu begründen wäre. In
diesem Fall würde sowohl die Kennzahl zur
Maßnahmen-Evaluation (hier: Anteil bestimmter Gruppen in Führungspositionen) als
auch die Kennzahl zum Effekt (hier: Verfahrenskosten von Diskriminierungsbeschwerden) negativ ausfallen. Durch diese getrennte
Betrachtung der Maßnahmen und der Diver-
EU-Richtlinien zum
Antidiskriminierungsgesetz
Ende 2000 hat die Europäische
Union zwei Richtlinien (2000/
78/EG und 2000/43/EG) erlassen,
um die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sicherzustellen. Die Umsetzung in nationales
Recht wird in Deutschland für 2005
erwartet. Diese EU-Richtlinien dienen der Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Ausrichtung, der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Künftig dürfen
Personen aufgrund dieser Kriterien
nicht benachteiligt werden:
• des Zugangs zu Erwerbstätigkeit
(Auswahlkriterien) und beruflichem Aufstieg (Beförderungskriterien)
• des Zugangs zu Aus- und
Weiterbildung und der Mitgliedschaft in Organisationen (Arbeitnehmerorganisation, Berufsverbände)
• der Beschäftigungsbedingungen
(Entlassung, Entgelt)
Darüber hinaus dürfen Personen
nicht aufgrund eines der Kriterien
am Arbeitsplatz belästigt oder aufgrund einer offiziellen Diskriminierungs-Beschwerde
benachteiligt
(z.B. entlassen) werden. Die EURichtlinien kehren zudem die Beweislast um, d.h. bei einem "glaubhaften" Diskriminierungsvorwurf
durch einen Bewerber oder Mitarbeiter müssen künftig die Arbeitgeber nachweisen, dass keine Diskriminierung vorlag oder zumindest
adäquate Präventionsmaßnahmen
getroffen wurden.
Die EU-Richtlinien finden Sie
unter: www.iquentis.de/Diversity/EU-Richtlinien.
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sity-Effekte lässt sich sowohl Handlungsbedarf als auch der konkrete Ansatzpunkt für
Verbesserungen leichter erkennen.
Dipl.-Psych. Eva Kaiser war
für VW-Coaching, Siemens
und führende Personal- und
Unternehmensberatungen tätig. Sie ist seit 2001 Programm Managerin für Organisations- und Personalentwicklung der IQuentis GmbH
mit den Schwerpunkten Systemische Visions- & Strategiearbeit, Veränderungsbegleitung und Diversity. Zusatzqualifikationen zur Systemischen Beraterin,
Familientherapeutin und
Supervisorin.
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Der Return on Investment von Diversity
Hat ein Unternehmen Ziele, Maßnahmen und
Kennzahlen für Diversity für die vier Balanced Scorecard Perspektiven entwickelt, stellt
sich die Frage, was einzelne Maßnahmen
oder die gesamte Diversity-Initiative bringen.
Auch zur Berechnung des Return on Investment zahlt sich die strategische Vorarbeit aus.
So lassen sich die Kennzahlen der DiversityEffekte - die bis hinauf zur Finanzperspektive
definiert sind - und die abgeleiteten Maßnahmen einander gegenüberstellen. Da Diversity-Maßnahmen in den seltensten Fällen nur
auf eine Kennzahl (wie z.B. Fluktuation, Anzahl neuer Produktideen, Kundenzufriedenheitsindex) wirken, ist die grundlegende Frage an der Stelle: Welche Maßnahmen wirken
auf welche Kennzahlen und wie stark?
Hierzu ein Beispiel: Eine auf Diversity basierende Beförderungspolitik wirkt positiv auf
die Mitarbeitermotivation und damit Produktivität, weil jede Mitarbeitergruppe realistische Chancen auf eine berufliche Weiterentwicklung hat. Gleichzeitig kann diese Maßnahme – wird sie adäquat kommuniziert – das
Image als Arbeitgeber und sozial verantwortlich handelndes Unternehmen verbessern,
was langfristig in Zeiten des Fachkräftemangels die Rekrutierungskosten senkt und den
Unternehmenswert für Investoren erhöht.
Derartige multiple Wirkungsketten müssen
im Rahmen der Balanced Scorecard Entwicklung formuliert werden.
Die Definition von Ursache-Wirkungsketten
und damit die Frage zwischen welchen Maßnahmen und welchen Kennzahlen Zusammenhänge zu erwarten und wie stark diese sind, stellt den wahrscheinlich anspruchsvollsten Teil der Renditeberechnung dar.
Hierzu bieten sich unternehmensinterne Experten an. Beispielsweise wird das Top-Management befragt, zwischen welchen Maßnahmen und Kennzahlen Zusammenhänge
erwartet und wie stark diese eingeschätzt
werden. Wird zudem die subjektive Schätzsicherheit erfragt, können diese Einschätzungen noch gewichtet und über alle Befragten
gemittelt werden. Verbindet man in dieser
Form alle Diversity-Maßnahmen mit den definierten Kennzahlen, so lassen sich die einzelnen Wirkungsketten und damit der Beitrag
einzelner Maßnahmen an der Umsatz-, Wertschöpfungs- oder Unternehmenswertsteigerung quantifizieren. Gegen diesen Gewinn
lassen sich abschließend die Kosten einzelner
Maßnahmen
berechnen,
womit
das Unternehmen
bereits vor der
Umsetzung von
Diversity eine
gute Grundlage
für
Investitionsentscheidungen
bekommt.
Diese Experteneinschätzung am
Ende der StrategieEntwicklung und zum
Auftakt der Umsetzung
hat neben der Quantifizierung von Diversity-Renditen
einen zusätzlichen positiven Effekt:
Sie macht transparent, wie stark die
unternehmensinternen Experten hinter der
Diversity-Strategie und den Maßnahmen stehen. Werden an dieser Stelle geringe Effekte
von Diversity für das Unternehmen erwartet,
ist dies vor der Umsetzung von Diversity der
richtige Zeitpunkt für eine Überarbeitung der
Strategie.
Fazit
Diversity ist als Thema genauso vielfältig und
komplex, wie die Menschen, deren Unterschiedlichkeit für Unternehmen als Stärke genutzt werden soll. Nachdem in den 90ern Diversity Management in US-amerikanischen
Unternehmen stark forciert wurde, wächst in
Europa seit dem Jahrtausendwechsel die Sensibilität für menschliche Vielfalt und deren
Wert-Schätzung.
Ob durch Druck der Gesetzgebung oder innere Überzeugung von Unternehmenslenkern –
als eines der europäischen Schlusslichter
wird zunehmend auch in Deutschland danach
gefragt, wie Unternehmen mit den Unterschieden ihrer Mitarbeiter nicht nur umgehen,
sondern sie zum Wettbewerbsvorteil machen
können. Diese Frage ist nicht schnell und generell zu beantworten, sondern bedarf der
konkreten Betrachtung der spezifischen Herausforderungen und Zielsetzungen eines
Unternehmens.
Der Balanced Scorecard Ansatz kann bei der
strategischen Ausrichtung von Diversity und
der Quantifizierung von Effekten gute Dienste leisten. So kann sich Diversity von der
leicht einzusparenden "Nice-to-have-Initiative" hin zur ernstzunehmenden Geschäftsstrategie entwickeln. Damit wird die Arbeit für
Diversity-Spezialisten, Personaler und Investitionsentscheider nicht weniger anspruchsvoll – aber sie bekommt ein solides Fundament.
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