Gemeinwohl als Geschäftsmodell

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30. September 2014 | Nr. 3
Standpunkt
Wahre Nachhaltigkeit
Mit kaum einem anderem Thema
lässt sich heutzutage bei Smalltalks
mehr Eindruck schinden als dem
der Nachhaltigkeit: sind doch alle
bestrebt, einen positiven ökologischen Footprint zu hinterlassen
oder ein persönliches Plus in der individuellen Ökobilanz zu erwirtschaften. Doch setzen sich diese tatsächlichen oder vermeintlichen
Nachhaltigkeits-Experten
intensiv
und
umfassend mit
dem
Begriff
Nachhaltigkeit
auseinander?
Wird selbstkritisch und ehrlich reflektiert,
ob das jeweiliJochen Becker
ge Tun wirklich
Foto: GGS
der
Bezeichnung nachhaltig genügt?
Geht man von der Bedeutung des
Wortes aus, bedeutet Nachhaltigkeit nichts weniger, als mit den zur
Verfügung stehenden Ressourcen
so umzugehen, dass diese sich wieder regenerieren können. Doch warum beziehen sich viele ausschließlich auf das natürliche Umfeld? Sind
unsere persönlichen Ressourcen –
das Miteinander mit Kollegen, Mitarbeitern und Partnern, aber auch
das eigene Wohlbefinden – nicht
eine ebenso wichtige und wertvolle
Ressource? Ohne jeden Zweifel ist
es eine große Verpflichtung, unseren Nachkommen eine mindestens
ebenso intakte Umwelt zu hinterlassen. Ebenso sind wir aber auch jenen verpflichtet, die uns anvertraut
wurden. Nur wenn es gelingt, auch
diese menschlichen Interaktionen
nachhaltig und vertrauensvoll zu gestalten, leisten wir einen Mehrwert
für unsere Gesellschaft.
Fokussieren wir uns bei der
Nachhaltigkeitsdebatte ausschließlich auf den Kerosinverbrauch und
den individuellen Footprint, laufen
wir Gefahr, dass sich der Begriff der
Nachhaltigkeit schnell selbst überholt. Für Unternehmen sollte daher
Nachhaltigkeit nicht nur Umweltbewusstsein bedeuten, sondern auch
den fairen Umgang mit Kunden,
Partnern und Mitarbeitern.
Dr. Jochen Becker, GGS
Assistant Professor of Marketing
& Financial Communication
Firmen Regional
DOK
Der Oberstenfelder Industrieplanungs-Dienstleister DOK GmbH
legt derzeit seinen Schwerpunkt auf
effiziente Produktions- und Prozessplanung. Dazu wurde ein umfassendes Methoden-Tool entwickelt. Es
befähigt, schnell und strukturiert
komplexe Sachverhalte zu bewerten und zu analysieren, um verlässliche und sichere Ergebnisse zu generieren. Konkret liefert es innerhalb eines Arbeitssystems Aussagen zur Arbeitsfolgen- und Betriebsmittelzuordnung, Kapazitäts- und
Auslastungsverteilung, Materialbereitstellung sowie zur Materialverund -entsorgung und zu den ergonomischen Verhältnissen.
Daneben ist das Dienstleistungsangebot erweitert worden: Künftig
wird auch die Ladungsträgerprojektierung angeboten. Über ein standardisiertes Verfahren werden Ladungsträger prozessoptimal konzipiert und ökonomisch beschafft.
In der Seminarreihe „Aus der Praxis für die Praxis“ bietet das Unternehmen Themen aus der Praxis an.
Nächster Termin ist der Workshop
„Das Methoden-System zur Prozessgestaltung“ am Donnerstag, 13.
November, im Schlosshotel Liebenstein bei Neckarwestheim. Daneben gibt es die Vortragsreihe „Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) im
Dienstleistungssektor“.
red
Gemeinwohl als
Geschäftsmodell
Auch eine alte Heidelberg-Druckmaschine ist noch ab
und zu im Einsatz.
Die Firma Sonnendruck in Wiesloch lässt ihr soziales
und ökologisches Engagement überprüfen
Von unserem Redakteur
Jens Dierolf
den Werbeeffekt, den ein Aufdruck wie
„Wir drucken klimaneutral“ erziele. „Unser größter Kunde war sofort dazu bereit“, erzählt Treiber. Schließlich sei der
uf manche Konkurrenten im DruAufpreis von etwa einem Prozent des Geckereigeschäft ist Uwe Treiber
samtvolumens überschaubar. Treiber war
gar nicht gut zu sprechen. Der
Pionier. Heute ist es nicht mehr außergeGeschäftsführer der Firma
wöhnlich, dass Druckereien dieses ökoloSonnendruck in Wiesloch mag sie nicht,
gische Engagement anbieten.
die Billigheimer, die übers Internet ihre
Dass sich Treiber intensiver als andere
Produkte zum Dumpingpreis anbieten.
mit sozialem Wirtschaften auseinander250 Visitenkarten für wenige Euro, Plakasetzt, hat auch mit einem Vortrag zu tun,
te zum Kampfpreis. „Da werden Löhne
den er 2012 in Frankfurt hört. Der östervon fünf, sechs Euro pro Stunde bezahlt
reichische Mitbegründer des globalisieund die Lieferanten ausgenommen“, sagt
rungskritischen Bündnisses Attac, Chrisder 53-Jährige. Seine Geschäftsphilosotian Felber, referiert über die Gemeinphie sieht anders aus: Soziale und ökolowohl-Ökonomie
(GWÖ).
gische Verantwortung statt
Treiber ist beeindruckt. Er
Gewinnmaximierung.
„Es war wichwird Gründungsmitglied der
tig, sich zu
GWÖ-Regional-Initiative
Existenzgründung Als der
Rhein-Neckar. Wenig später
ehemalige Betriebschef sich hinterfragen.“
steht
der Entschluss, Sonvor vier Jahren selbstständig
Uwe Treiber
nendruck auch nach sozialen
macht, steht für ihn fest, dass
und ökologischen Gesichtser seine eigene, private Philopunkten analysieren zu lassen. Dabei wersophie umsetzen möchte. Bei Greenpeace
den bei einem Audit-Verfahren Punkte für
sei er schon seit langem gewesen, über
die Gemeinwohl-Bilanz vergeben.
seinen gehörloser Sohn habe er Kontakt
Treiber, dessen Firma aktuell zwölf
mit sozialen Einrichtungen bekommen.
Mitarbeiter beschäftigt, vergleicht das
Er will vieles anders machen und richtet
Verfahren mit Audits, die etwa die Einhaldas Unternehmen neu aus.
tung von Qualitätsstandards überprüfen.
Anfangs lässt er seine Firma mit dem
Nur dass die externen Prüfer andere
FSC-Siegel zertifizieren. Vom RohstoffanAspekte in den Blick nehmen. Ein 200-seibau bis zur Vermarktung wird dabei Wert
tiger Arbeitskatalog wird durchgearbeiauf eine nachhaltige Forstwirtschaft getet. Wie gerecht ist der Umsatz verteilt?
legt. Strom und Gas bezieht Sonnendruck
Wurden Arbeitsplätze trotz Gewinns abfortan vom Öko-Anbieter Lichtblick. Auch
gebaut? Wie engagiert sich eine Firma für
klimaneutrales Drucken bietet er an – dadie Mitarbeitergesundheit? Wie steht es
bei wird der Energiebedarf der Produktium innerbetriebliche Mitbestimmung?
onskette ermittelt. Das verursachte CO2
Achtet man bei Zulieferbetrieben auf sowird durch Investitionen in Klimaschutzziale Standards? Zahlt man Tariflöhne?
projekte an anderer Stelle eingespart.
Etwa 100 Stunden dauert das VerfahSonnendruck stellt es den Kunden frei,
ren. Erst füllt Treiber einen Fragebogen
ob und wie sie sich zertifizieren lassen.
aus, danach führt er Gespräche mit den
Firmenchef Uwe Treiber wirbt aber für
A
Zwölf Mitarbeiter sind bei Sonnendruck in
Wiesloch beschäftigt.
Fotos: Jens Dierolf
Feng Shui im Büro des Chefs. Ein BuddhaBild hängt bei Uwe Treiber an der Wand.
Auditoren, die die Aussagen überprüfen.
Am Ende steht ein 24-seitiger sogenannter Gemeinwohl-Bericht, der auf der Webseite von Sonnendruck einsehbar ist. Den
Aufwand und die Kosten von etwa 2000
Euro sei das Verfahren wert gewesen,
sagt Treiber. Andere Audit-Verfahren
kosteten wesentlich mehr Geld.
Das Verfahren hat keine Revolution des
Geschäftsmodells zur Folge. Die Konsequenzen sind überschaubar. Herkömmliche Lampen in der Druckerei etwa werden durch LED-Leuchten ersetzt. In einer
Abteilung zieht er eine Mediatorin hinzu,
um betriebliche Konflikte zu schlichten
und das Team zu stärken. „Es war vor allem wichtig, sich selbst zu hinterfragen“,
sagt der Geschäftsführer.
Als Ergebnis des Testats kommt eine
Bilanzsumme von 337 Punkten heraus.
Dass sein Unternehmen noch weit von
der möglichen Höchstpunktzahl von 1000
entfernt ist, stört Treiber wenig. „Null
Punkte sind gesetzlicher Standard“, erklärt er. Außerdem sei es für eine energieintensive Branche wie eine Druckerei ohnehin viel schwieriger, gut abzuschneiden, als etwa für eine Bio-Bäckerei. Mehr
Punkte hätte es etwa gegeben, wenn er zu
einer gemeinwohl-orientierten Bank für
ethische und ökologische Geldanlagen
gewechselt wäre. Für Treiber keine Option. „Die Volksbank ist genossenschaftlich
organisiert, in der Region verwurzelt und
hat mir bei der Hausfinanzierung geholfen“, sagt er. „Warum hätte ich zu einer
anderen Bank umschulden sollen?“ Nur
weil es mehr Punkte gegeben hätte?
Aufträge Das Modell der GemeinwohlÖkonomie von Christian Felber sieht als
Ziel vor, dass das Erstellen einer Gemeinwohlbilanz verbindlich wird und Firmen
abhängig von der Punktezahl Steuern entrichten müssen. Eine bessere Bilanz bedeutet demnach weniger Abgaben. Treiber hält das für eine Utopie, eine schöne
Idee, die sich aber nicht so bald durchsetzen dürfte. Für ihn selbst soll es sich dennoch auszahlen, weiter freiwillig anders
zu wirtschaften. Wenn er bei Vorträgen,
die er gemeinsam mit Felber hält, über
das Verfahren berichtet, sei das auch
Marketing für sein Unternehmen. Es
macht sich bezahlt: Immer häufiger erhält
Sonnendruck Aufträge von ökologischen
oder sozialen Initiativen.
Die schöne neue Welt des Verkaufens
Die Heilbronner Softwarefirma Sic programmiert bei Würth und anderswo die Tablets der Außendienstmannschaften
Von unserem Redakteur
Manfred Stockburger
Apps sind Spielzeug? Auf den meisten privaten Smartphones und Tablet-Computern mag das stimmen. Im professionellen
Bereich sind die kleinen, benutzerfreundlichen Computerprogramme aber längst
aus der Spielzeugkiste herausgewachsen.
Eines der Unternehmen, die dem Telefon
das Arbeiten beibringen, ist die Heilbronner Firma Sic Software.
Katalog und mehr Unter anderem hat
das Unternehmen die App (kurz für Applikation) entwickelt, mit der Würth seinen
Außendienst ausstattet. Sie ersetzt den
Katalog, aber sie kann viel mehr als Blättern: Durch Warenwelten können sich
Verkäufer und Kunde gemeinsam durchklicken. Also nicht mehr in der KatalogLogik, sondern aus dem Alltag des Kun-
den gedacht. Dies hat auch Reinhold Würth überzeugt, der einst
legendär seinen Verkäufern die
Laptops wieder angekommen
hat, weil sie zwischen ihnen und
den Kunden stünden.
In Sachen Außendienststeuerung kann Sic aber viel mehr:
Vermo+ für Enventa ERP
heißt das Produkt, dass die
Heilbronner auf den Markt
gebracht haben. Es soll den
Verkäufern helfen, ihre
Kundenbesuche vorzubereiten, durchzuführen und
nachzubereiten. Dazu werden die Produkt- mit aktuellen Kundendaten verheiratet.
Zur optimalen Besuchsvorbereitung
lassen sich mit der App kilometeroptimierte Tourenpläne erstellen. Die Kundenliste bietet eine Übersicht aller Kun-
den, für die der Mitarbeiter verantwortlich ist. Eine Kartenansicht zeigt zudem
die geografische Position der Kunden.
Wo ist der nächste Kunde? Außer dem Katalog gibt es viele weitere Funktionen. Foto: Sic
In Echtzeit Nicht nur Adresse
und Wegbeschreibung liefert das
Programm, von der Kundenliste
aus lassen sich auch betriebswirtschaftliche Detailinformationen zu
den jeweiligen Kunden aufrufen.
Dazu zählen Kontakthistorie mit allen Angeboten und Aufträgen, aber
auch Bonität, Kreditlimits und offene
Positionen – und zwar in Echtzeit. Somit hat der Außendienst beim Kunden
einen Informationsvorsprung.
Erteilte Aufträge werden per Knopfdruck online an die Zentrale weitergegeben, und außerdem kann der Verkäufer
sein Besuchsprotokoll per Spracherkennung gleich diktieren. Mit Spielerei hat
das nichts mehr zu tun.
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