Psychologie aktuell: Bauplan für das künstliche Gehirn

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Psychologie aktuell: Bauplan für das künstliche Gehirn
22-02-13
Bauplan für das künstliche Gehirn
Seit Jahrzehnten träumen Wissenschaftler davon, Computer zu bauen, die arbeiten wie ein
Gehirn. Denn ein Gehirn ist weitaus energiesparender als ein Computer, es ist von sich aus
lernfähig und bedarf keiner Programmierung. Privatdozent Dr. Andy Thomas von der Fakultät
für Physik der Universität Bielefeld experimentiert mit Memristoren elektronische
Mikrobauteile, die natürliche Nerven imitieren. Den Beweis dafür lieferten Thomas und seine
Kollegen vor einem Jahr: Sie bauten einen lernfähigen Memristor. Jetzt nutzt Andy Thomas
seine Memristoren als Schlüsselteile für den Bauplan eines künstlichen Gehirns.
Lernfähiges Nano-Bauelement:
600 Mal dünner als das Haar
eines Menschen ist der
Bielefelder Memristor, hier
eingebaut in einen Chip. Foto:
Universität Bielefeld
Dr. Andy Thomas hat technische
Regeln für den Bau eines
Prozessors zusammengefasst,
der dem Gehirn nachempfunden
ist. Foto: Universität Bielefeld
Seine Ergebnisse stellt er Anfang März in der Printausgabe der renommierten Fachzeitschrift
Journal of Physics vor, das vom Institute of Physics in London veröffentlicht wird.
Memristoren bestehen aus feinen Nanoschichten und können genutzt werden, um Stromleitungen zu
verbinden. Der Memristor gilt seit einigen Jahren als der elektronische Zwilling der Synapse.
Synapsen sind gewissermaßen die Brücken, über die Nervenzellen (Neuronen) miteinander in
Kontakt treten. Ihre Verbindung wird stärker, je öfter sie beansprucht wird. Eine Nervenzelle ist über
tausende Synapsen gewöhnlich mit weiteren Nervenzellen verbunden.
Memristoren lernen wie Synapsen durch frühere Impulse. In ihrem Fall sind es Stromimpulse, die
(bislang) nicht von Nervenzellen kommen, sondern von den angeschlossenen Stromleitungen. Wie
viel Strom Memristoren durchlassen, das hängt davon ab, wie stark der Strom war, der in der
Vergangenheit durch sie geflossen ist und wie lange dieser Strom auf sie eingewirkt hat.
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Psychologie aktuell: Bauplan für das künstliche Gehirn
Andy Thomas erklärt, dass Memristoren sich wegen ihrer Ähnlichkeit zu Synapsen besonders eignen,
um mit ihnen ein künstliches Gehirn eine neue Generation von Computern zu bauen. Sie
erlauben den Bau von äußerst stromsparenden und robusten Prozessoren, die von sich aus lernfähig
sind . Auf Basis eigener Experimente und der Forschungsergebnisse aus Biologie und Physik hat er
in seinem Artikel erstmals zusammengestellt, welche Gesetzmäßigkeiten aus der Natur auf
technische Systeme übertragen werden müssen, damit ein solcher neuromorpher (nervenähnlicher)
Computer funktioniert. Zu diesen Gesetzmäßigkeiten gehört, dass Memristoren sich wie Synapsen
frühere Impulse merken und dass Neuronen erst dann auf einen Impuls reagieren, wenn er einen
bestimmten Schwellenwert überschreitet.
Dank dieser Eigenschaften lasse sich mit Synapsen der Prozess des Gehirns nachbauen, der für das
Lernen zuständig ist, sagt Andy Thomas. Als Beispiel nennt er das klassische psychologische
Experiment zum Pawlowschen Hund. Es zeigt, dass man die natürliche Reaktion auf einen triebhaften
Reiz mit einem zunächst neutralen Reiz verbinden kann so entsteht Lernen. Sieht ein Hund Futter,
reagiert er mit Speichelfluss. Hört der Hund jedes Mal, wenn er das Futter sieht, einen Glockenton,
verbinden sich der triebhafte und der neutrale Reiz. In der Folge fließt der Speichel auch dann, wenn
der Hund nur den Glockenton hört und kein Futter in Sicht ist. Der Grund: Im Gehirn ist die
Nervenzelle, die den triebhaften Reiz transportiert, über eine Synapse stark verbunden mit der
Nervenzelle, die die Reaktion auslöst.
Wenn jetzt zeitgleich zum Futterreiz der neutrale Glockenreiz hinzukommt, lernt der Hund. Der
Prüfmechanismus im Gehirn geht nun davon aus, dass die Nervenzelle mit dem neutralen Reiz
(Glockenton) mitverantwortlich ist für die Reaktion die Verbindung zwischen der eigentlich
neutralen Nervenzelle und der Speichelfluss -Nervenzelle wird ebenfalls stärker. Diese
Verbindung lässt sich trainieren: Indem man wiederholt den triebhaften mit dem neutralen Reiz
zusammenbringt. Ein solcher Schaltkreis lässt sich ebenfalls mit Memristoren bauen das ist ein
erster Schritt zum neuromorphen Prozessor , sagt Andy Thomas.
Dies alles ist möglich, weil ein Memristor einzelne Informationen präziser speichern kann als ein Bit,
auf dem bisher Computerprozessoren basieren , so Thomas. Sowohl Memristor als auch ein Bit
arbeiten mit elektrischen Impulsen. Doch das Bit lässt dabei keine feine Abstufung zu es beherrscht
nur an oder aus . Der Widerstand des Memristors kann hingegen kontinuierlich steigen oder
sinken. Dadurch liefern Memristoren eine Grundlage zum allmählichen Lernen und Vergessen eines
künstlichen Gehirns , erklärt Thomas.
idw-online.de/de/news519971
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