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23.15 Glykogenspeicherkrankheiten
D. Karall, G. Grissenauer, B. Meisinger und S. Scholl-Bürgi
1. Einleitung
2. Leberglykogenosen
Glykogenspeicherkrankheiten oder Glykogenosen (GSD = glycogen storage disorders) werden durch Defekte im Glykogenabbau, der Glykolyse und der Glykogensynthese verursacht
(siehe Abb. 1). Ihnen ist gemeinsam, dass sie zu
einer vermehrten Ablagerung von normal oder
abnorm strukturiertem Glykogen in Organen
führen. Sie lassen sich klinisch in hepatische
und muskuläre Glykogenspeicherkrankheiten
einteilen, je nachdem, welches Organsystem betroffen ist (siehe Tabelle 1). Die Leberglykogenosen sind gekennzeichnet durch Hypoglykämien,
Hepatomegalie und Minderwuchs, die Muskelglykogenosen durch Belastungsintoleranz mit
belastungsinduzierten Muskelschmerzen und
-krämpfen, die oft von einer Myoglobinurie und
Rhabdomyolyse begleitet werden. Manche Formen manifestieren sich auch als subakute oder
chronische Myopathie. Bei einzelnen Typen können sowohl hepatische wie auch myopathische
Symptome im Vordergrund stehen (siehe Tabelle 1). Die einzige generalisierte Glykogenspeicherkrankheit ist die GSD II, der Morbus Pompe,
bei dem es sich allerdings um eine lysosomale
Speichererkrankung handelt, deren Pathophysiologie noch ungeklärt ist.
Die Nomenklatur der Glykogenspeicherkrankheiten erfolgte historisch mit römischen
Ziffern nach ihrer chronologischen Beschreibung, ursprünglich wurden sie zusätzlich auch
nach ihren Erstbeschreibern benannt (siehe Tabelle 1).
Die Inzidenz der Glykogenspeicherkrankheiten wird mit 1 : 25.000 für die gesamte Gruppe
angegeben. Sie folgen alle einem autosomal rezessiven Vererbungsmodus – bis auf die GSD VI
und VIII/IX (Defekt der Leber-Phosphorylase
und der Leberphosphorylase-B-Kinase), die Xchromosomal vererbt werden.
Die Gruppe der Leberglykogenosen umfasst die
Glykogenose Typ I, III, IV, VI, IX und 0. Die gemeinsamen Symptome der Typen I, III, VI und
IX im Kindesalter sind Hypoglykämieneigung,
Hepatomegalie und Minderwuchs. Davon ist die
GSD I die schwerste Form, weil sie sowohl den
Glykogenabbau als auch die Glukoneogenese
betrifft. Patienten mit GSD III haben eine kombinierte Hepato-, Myo- und Kardiomyopathie.
Bei GSD IV steht das progrediente Leberversagen mit Zirrhose im Vordergrund. Die hepatischen Formen der GSD VI und IX (früher auch
als VIa oder VIII bezeichnet) sind die mildesten
Abb. 1. Glykogen-Stoffwechsel und Glykolyse. Die römischen Ziffern bezeichnen die Enzyme, die Leber- (kursiv),
bzw. Muskelglykogenspeicherkrankheiten (nicht kursiv)
verursachen (aus Smit et al., 2006).
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Kap. 23.15
D. Karall, G. Grissenauer, B. Meisinger und S. Scholl-Bürgi
Tabelle 1. Einteilung der Glykogenspeicherkrankheiten
Typ
Name/
Erstbeschr.
Enzymdefekt
Betr.
Gewebe
Klinische Symptome
Ia
Van Gierke
(1929)
Glukose-6-Phosphatase
Leber, Niere
Hepatonephromegalie, Hypoglykämie, Laktatazidose, Hyperlipidämie und -urikämie
Glukose-6-Translokasen
Leber, Niere
wie Ia, zusätzlich Neutropenie, Infekte
Ib-d
III
Cori/Forbes
(1953)
Debranching Enzym
Leber, Muskel
Hepatomegalie, (Hypoglykämie), Myopathie
IV
Andersen
(1956)
Branching Enzym
Leber
Hepatosplenomegalie, Leberzirrhose
VI
Hers (1959)
Phosphorylase
Leber
Hepatomegalie, Minderwuchs
Phosphorylase-B-Kinase
Leber und/
oder Muskel
Hepatomegalie, (Hypoglykämie), Myopathie,
Minderwuchs
VIII/IX
0
Lewis (1963)
Glykogen-Synthase
Leber
Hypoglykämie
V
McArdle
(1951)
Phosphorylase
Muskel
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe
VII
Tarui (1965)
Phosphofruktokinase
Muskel
(Kardio-)Myopathie, hämolytische Anämie,
Anfälle
X
Phosphoglycerat-Mutase Muskel
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe
LDH, GLUT 2
Muskel
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe,
Fanconi-Syndrom
XII
Aldolase A
Muskel
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe
XIII
E-Enolase
Muskel
Belastungsintoleranz, Muskelkrämpfe
D-1,4-Glukosidase
generalisiert
Hypotonie, Kardiomyopathie
XI
II
Fanconi-Bickel (1949)
Pompe (1932)
Formen, meist ist die Hypoglykämieneigung gering, die Hepatomegalie mit zunehmendem Lebensalter regredient, die Betroffenen erreichen
eine normale Körpergröße. Bei GSD 0 steht eine
im Säuglingsalter und der frühen Kindheit ausgeprägte Hypoglykämieneigung mit Ketose bei
unerwarteter postprandialer Hyperglykämie
und -laktatämie im Vordergrund.
2.1. Glykogenspeicherkrankheit Typ I
(Morbus van Gierke)
Die erstmals von van Gierke beschriebene Glykogenose Typ I umfasst inzwischen die Glykogenose Typ Ia (Mangel der katalytischen
Untereinheit der Glukose-6-Phosphatase) und
die Glykogenose Typ I non a (= GSD Ib-Id). Glykogenose Typ Ib wird durch Mangel an der im
endoplasmatischen Retikulum (ER) gelegenen
Glukose-6-Phosphat-Translokase verursacht,
über die Existenz bzw. Bedeutung der GSD Ic
(Mangel an ER Phosphat-Translokase) und GSD
Id (Mangel an ER Glukose-Transporter) als eigene Identitäten wird noch kontroversiell diskutiert (Veigha-da-Cunha et al., 2000; Chen et
al., 2008).
Für eine GSD I verdächtige Symptome sind
das gemeinsame Vorliegen von vorgewölbtem
Abdomen mit Hepatomegalie, Stammfettsucht,
Puppengesicht, hypotropher Muskulatur und
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Glykogenspeicherkrankheiten
a
c
Abb. 2 a, b, c. Klinisches Vollbild der häufigsten Glykogenose (GSD I, Morbus van Gierke) mit Hepatomegalie,
Stammfettsucht, Puppengesicht, Wachstumsverzögerung, myopathischem Habitus. Abb. 2 a. Bub im Alter
von 6 Monaten im Jahr 1977, Abb. 2 b. Mädchen im
Alter von 7 Jahren im Jahr 1971. Bei den rezenteren Patienten sind mit Verbesserung der Ernährungstherapie
die klinisch auffälligen Merkmale kaum sichtbar: siehe
Abb. 2 c. Bub im Alter von 5 Jahren im Jahr 2008.
Minderwuchs (siehe Abb. 2). Neben der Leber ist
bei der GSD I als einzige auch die Niere mitbeteiligt.
Klinisch auffällig werden betroffene Kinder typischerweise im Alter zwischen 3 und 6
Monaten, bzw. wenn die Frequenz der (nächtlichen) Mahlzeiten abnimmt. Hypoglykämien,
Hyperlaktatämie, Hyperlipidämie, Hyperurikämie und Transaminasen-Erhöhung sind die typische Konstellation, und zwar in Zusammen-
b
hang mit einer für das jeweilige Alter verkürzten
Nüchterntoleranz. Die geistige Entwicklung ist
bei Glykogenosen unauffällig, kann in Einzelfällen aber durch profunde, nicht rechtzeitig
behandelte Hypoglykämien negativ beeinflusst
werden. Als Spät- bzw. zusätzliche Komplikationen können – trotz adäquater Stoffwechselkontrolle – ausgeprägte Blutungsneigung, Anämie,
Leberadenome (mit möglicher, wenn auch seltener Entartung), Hyperurikämie, Wachstumsretardierung, Osteoporose und Nierenfunktionsbeeinträchtigung bis hin zur Niereninsuffizienz
auftreten (Rake et al., 2003; Chen, 2001). Bei
Kindern mit GSD Ib kommen zusätzlich durch
die Beeinträchtigung der Funktion der neutrophilen Granulozyten rezidivierende bakterielle
Infekte, rezidivierende Diarrhöen mit einer M.
Crohn ähnlichen Pathologie und Abszessneigung hinzu (Visser et al., 2002).
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Kap. 23.15
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Das Vorliegen einer chronischen Erkrankung
mit einer Progredienz unterstreicht bei GSD I
die Notwendigkeit von regelmäßigen Kontrollen auch im Erwachsenenalter (Leberadenome,
Nierenfunktion).
2.2. Glykogenspeicherkrankheit Typ III
und Typ VI bzw. IX
Die Glykogenosen Typ III und Typ VI/IX sind
durch eine ausgeprägte Hepatomegalie mit intermittierender Transaminasen- und Kreatinkinase-Erhöhung gekennzeichnet. Die Harnsäure- und Laktat-Konzentrationen im Plasma
sind normal. Die Neigung zu Hypoglykämien
ist meist geringer als bei GSD I. Die Einlagerung von Glykogen kann nicht nur die Leber,
sondern auch das Herz (Kardiomyopathie) und
den Muskel (Myopathie) betreffen. Die Prognose
ist abgesehen von auftretenden kardialen Komplikationen gut. Da die Glukoneogenese intakt
ist, kann eine proteinreiche Ernährung zur Vermeidung von Hypoglykämien versucht werden
(Chen, 2001).
Die Phosphorylase-B-Kinase besteht aus
vier verschiedenen Untereinheiten, die Gewebespezifisch exprimiert sind, und so zu verschiedenen Vererbungsmodi und klinischen Bildern
führen: 1) X-chromosomal vererbte Leberphosphorylase-Kinase-Defizienz, 2) autosomal rezessiv vererbte Defizienz, die Leber und Muskel
betrifft, 3) autosomal rezessiv vererbte myopathische Form, die GSD V ähnelt und 4) autosomal
rezessiv vererbte kardiomyopathische Phosphorylase-B-Kinase-Defizienz (Chen, 2001).
2.3. Glykogenspeicherkrankheit Typ IV
(Morbus Andersen)
Diese Glykogenose ist durch das Fehlen des
Branching Enzyms gekennzeichnet, Patienten
können also kein verzweigtes Glykogen synthetisieren, sondern nur Amylopektin, das in den
Organen abgelagert wird. Sie ist die seltenste
Form einer Glykogenose, der klinische Verlauf
ist durch eine mehr oder weniger progrediente
Lebererkrankung gekennzeichnet, die zur Leberzirrhose führen kann (Bao et al., 1996). Eine
symptomatische Therapie ist nicht effektiv, die
Lebertransplantation bleibt bei fortgeschrittener Erkrankung die einzige Option. Neben der
Lebererkrankung kann das Leitsymptom auch
eine multisystemische Erkrankung (mit Hydrops, Kardiomyopathie, Neuropathie) oder eine
rein neuromukuläre Manifestation sein, die
sich in verschiedenen Lebensaltern manifestiert
(Moses et al., 2002).
3. Muskelglykogenosen
Im Ruhezustand verwertet das Muskelgewebe
hauptsächlich Fettsäuren. Bei mäßiger Belastung greift es zusätzlich auf Energie aus Blutglukose, die aus Leberglykogen mobilisiert wird, zurück. Bei Maximalbelastung ist die Hauptenergiequelle für das Muskelgewebe die anaerobe
Glykolyse gefolgt vom Muskelglykogenabbau.
Erschöpfung bzw. Leistungsintoleranz tritt ein,
wenn die Reserven aufgebraucht sind, so dass
Enzymdefekte, die den Muskelglykogenabbau
betreffen die muskuläre Funktion beeinträchtigen.
Die Glykogenose Typ V ist gekennzeichnet
durch Belastungsintoleranz mit Myalgien, Steifheit oder Schwäche und schmerzhaften Krämpfen der belasteten Muskulatur. Die Symptome
sistieren bei Ruhe. Eine mäßige Belastung wird
von diesen Patienten meist gut toleriert, kurze
intensive isometrische oder Dauerbelastung
nicht. Etwa die Hälfte der Betroffenen berichten
von Episoden mit Myoglobinurie. Beim Erwachsenen ist damit die GSD V nach dem Mangel an
Carnitin-Palmitoyl-Transferase II die häufigste
Ursache einer Myoglobinurie. Die Elektromyographie kann unauffällig oder unspezifisch
myopathisch sein, in kontrahierten Muskeln
zeigt sich jedoch ein fehlendes Signal. Die Kreatinkinase ist auch in Ruhe erhöht. Die Therapie
beschränkt sich auf das Vermeiden anaerober
Belastung, orale Sucrose (= Saccharose = Kris-
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Glykogenspeicherkrankheiten
Abb. 3 a. Charakteristisches EKG (50 mm/s und 10 mm/
mV; verkürzte PQ-Zeit, augeprägte linksventrikuläre
Hypertrophiezeichen) im Alter von 5 Monaten
tallzucker) kann als Substrat für die Glykolyse
vor Belastung gegeben werden – Sucrose wird
rasch in Fruktose und Glukose gespalten und
umgeht so den Stoffwechselblock bei GSD V.
Die GSD VII kann von der GSD V durch eine
zusätzlich vorliegende kompensierte Hämolyse
(erhöhtes Bilirubin, erhöhte Retikulozytenzahl)
unterschieden werden.
4. Glykogenose Typ II (Morbus Pompe)
Der Morbus Pompe wird historisch unter die
Glykogenosen eingereiht, obwohl es sich eigentlich um eine lysosomale Speichererkrankung
handelt, die durch einen Mangel des lysosomalen Enzymes D-Glukosidase verursacht wird.
Unterschieden werden zwei Verlaufsformen:
r
r
die infantile, bei der seit dem frühen Säuglingsalter eine muskuläre Hypotonie, Gedeihstörung aufgrund einer sich rasch entwickelnden Kardiomyopathie und schließlich eine Ateminsuffizienz vorliegen; die
Erkrankung verläuft meist im 1. Lebensjahr
letal
die juvenile/adulte, bei der eine langsam
fortschreitende Muskelschwäche im Vordergrund steht, die im frühen Erwachsenenalter zu einer Ateminsuffizienz führen kann.
Abb. 3 b. Thorax-Röntgenbild (ausgeprägte Kardiomegalie und -pathie) im Alter von 7 Monaten bei einem
Patienten mit Glykogenose Typ II (Morbus Pompe)
Die Diagnose wird neben der Klinik durch ein
typisches EKG/ECHO (siehe Abb. 3) gestellt.
Sie kann laborchemisch durch ein pathologisches Muster der Ausscheidung von Oligosacchariden im Harn und dem Vorliegen von Lymphozytenvakuolen im peripheren Blutaustrich
weiter eingegrenzt und letztendlich durch eine
Enzymbestimmung in Leukozyten, Muskelzellen oder Fibroblasten und eine molekulargenetische Untersuchung gesichert werden.
Die baldestmögliche Stellung der Diagnose
ist entscheidend, weil seit 2006 eine Enzymersatztherapie als kausale Therapie zur Verfügung
steht (Van den Hout et al., 2004; Kishnani et al.,
2006).
5. Diagnose der Glykogenspeicherkrankheiten
Bei entsprechendem klinischem Verdacht und
laborchemischen Befunden (siehe Tabelle 2)
sollte eine Bestimmung der Enzymaktivität
und zur Vervollständigung eine molekulargenetische Bestätigung erfolgen. Die fehlenden
Enzyme können bei Leber- und bei Muskelglykogenosen fast alle in Blutzellen (Erythrozyten
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Tabelle 2. Biochemische Befunde bei Leber-Glykogenosen
Typ
Glukose Laktat Triglyzeride Harnsäure Transaminasen Besonderheiten
Ia
ppp
n
n
n
(n)
bei Glukosegabe o Laktatabfall,
D-Ketoglutarat im Harn
Ib
ppp
n
n
n
(n)
Neutropenie < 1500/ul
III
p
(n)
n
(n)
n
IV
p
n
n
n
n
VI
p
n
n
n
IX
p
n
n
n
0
pp
p
n
bei Glukosegabe (Laktatanstieg)
Ketose; postprandial: Hyperglykämie und Laktatanstieg
Typ
Enzymdefekt
Gewebe für Bestimmung
Ia
Glukose-6-Phosphatase
Leber
Ib – d
Glukose-6-Translokasen
Leber
III
Debranching Enzym
Leukozyten, (Fibroblasten, Leber, Muskel)
IV
Branching Enzym
Leukozyten, (Fibroblasten, Leber, Muskel)
VI
Phosphorylase
Leukozyten, Erythrozyten, (Leber, Muskel)
VIII/IX
Phosphorylase-B-Kinase
Leukozyten, Erythrozyten, (Leber, Muskel)
0
Glykogen-Synthase
Leber
V
Phosphorylase
Muskel, Erythrozyten, Leukozyten
VII
Phosphofruktokinase
Muskel
X
Phosphoglycerat Mutase
Muskel, Erythrozyten
XI
GLUT 2 – LDH
Muskel
XII
Aldolase A
Muskel
XIII
E-Enolase
Muskel
II
D-1,4-Glukosidase
Leukozyten
und Leukozyten) (siehe Tabelle 3) gemessen werden (Shin, 2006). Bei GSD I und GSD 0 muss die
Bestimmung im Lebergewebe erfolgen. Histologisch und histochemisch fällt in der Leber eine
Anreicherung von Glykogen und Fett mit meist
nur geringer Fibrose auf. Belastungstests (z. B.
mit Fruktose, Galaktose, Glukose, Glukagon)
sind nicht notwendig (Zschocke et al., 2004).
Kreatinkinase n
Tabelle 3. Enzymatische Bestätigung bei Glykogenosen
6. Therapie der Glykogenspeicherkrankheiten
Die Glykogenosen sind eine heterogene Gruppe
von Erkrankungen, bei denen Glykogen nicht
adäquat verstoffwechselt werden kann. Die Ernährungstherapien sind darauf ausgelegt, verfügbare alternative Stoffwechselwege zu nutzen
und die metabolischen Komplikationen (z. B.
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Glykogenspeicherkrankheiten
Hypoglykämie, Hypertriglyzeridämie) zu vermeiden (Goldberg et al., 1993).
6.1 Therapie der Glykogenose Typ I
Die Lebenserwartung bei GSD I hat deutlich zugenommen, allerdings bedingt die relative Seltenheit, dass nur wenige Zentren sich umfassend
mit großen Patientengruppen beschäftigen.
Da es eine große Variation in Ernährungs- und
pharmakologischer Therapie gibt und die Empfehlungen zum Teil sehr weit auseinandergehen,
hat 1996 eine internationale Expertengruppe
die Therapieoptionen evaluiert und Empfehlungen – besonders für die Langzeittherapie der
Glykogenose Typ I, die die aufwändigste in der
Stoffwechselkontrolle ist – abgegeben (Rake et
al., 2003).
Das Ziel der Ernährungstherapie bei Glykogenose Typ I ist, das physiologische Gleichgewicht zwischen Glykogenolyse und Glukoneogenese so gut wie möglich dem einer gesunden
Person anzugleichen (Smit et al., 2006; Fernandes et al., 1988).
Die Kalorienzufuhr sollte zu 60 – 65 % von
Kohlenhydraten, zu 10 –15 % von Protein und der
Rest durch Fett gedeckt sein. Der Fettanteil wird
bevorzugt aus pflanzlichen Ölen mit hohem Anteil an ungesättigten Fettsäuren gegeben. Unter
anderem ist damit auch der Neigung zur Hypertriglyzeridämie und Hypercholesterinämie
Rechnung getragen.
Die aktuell empfohlene Therapie zur Vermeidung von Hypoglykämien besteht in der Zufuhr
komplexer (schwer resorbierbarer) Kohlenhydrate, z. B. aus Vollkornprodukten, untertags
und einer nächtlichen Sondierung mit altersentsprechender Glukosezufuhr (z. B. 2 – 4 mg/
kg/min beim Jugendlichen). Häufige Mahlzeiten
(z. B. im Säuglingsalter alle 2 bis 3 Stunden) mit
oder ohne Zugabe von 1– 2 g/kg KG ungekochter
Stärke werden nach dem ersten Lebensjahr eingesetzt (vorher ist die pankreatische Amylase
noch nicht vollständig ausgereift; Hayde et al.,
1990).
Die Hyperlaktatämie wird durch Galaktose
und Fruktose aus der Nahrung sowie durch
Hypoglykämien induziert. Eine mäßige Hyperlaktatämie (bis 2 – 3 faches der oberen Norm) ist
durchaus zulässig, weil Laktat als alternatives
Energiesubstrat für das Gehirn fungieren kann,
und so das Gehirn vor den Auswirkungen einer
ausgeprägten Hypoglykämie geschützt werden
kann. Der Beitrag von Galaktose und Fruktose
zur exzessiven Bildung von Laktat wird sehr stark
diskutiert: Glukose-6-Phosphat kann auf biochemischen Wege aus beiden Zuckern entstehen, so
dass in der Therapie eine gewisse Einschränkung
der Zufuhr logisch scheint. Allerdings sind die
Langzeitergebnisse sowohl in Zentren, die eine
strenge Restriktion (unter 5 –10 g/d), wie in solchen, die (fast) keine Restriktion empfehlen, sehr
ähnlich (Smit et al., 2006), so dass kein Konsens
über die Zufuhr von Galaktose, Fruktose und
Saccharose zur Vermeidung exzessiver Laktatproduktion existiert. Das Einführen einer Sojabasierten Milch beim Säugling anstatt Muttermilch ist nicht erforderlich (Rake et al., 2003).
Neben der Ernährungstherapie kann bei Glykogenose Typ I eine medikamentöse Therapie
erforderlich sein: mit Allopurinol bei Hyperurikämie, mit Bikarbonat und Zitrat bei chronischer
Azidose bzw. Laktatämie und/oder Urolithiasis
und Nephrokalzinose, mit Angiotensin Converting Enzyme-Hemmer bei Mikroalbuminurie
bzw. Nephropathie sowie mit Vitaminen und
Spurenelementen, Eisen, u. a. Bei Glykogenose
Typ Ib kann die Neutropenie mit GCSF (granulocyte colony stimulating factor) therapiert werden.
6.2 Therapie der Glykogenosen Typ III, VI
bzw. IX
Diese Formen haben, da keine Störung der Glukose-Bereitstellung aus Glukose-6-Phosphat
vorliegt, wesentlich mildere Verläufe als die
GSD I. Eine Therapie von Hypoglykämien kann
in manchen Fällen erforderlich sein, die Patienten werden aber mit zunehmenden Alter stabi895
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D. Karall, G. Grissenauer, B. Meisinger und S. Scholl-Bürgi
ler. Eine Nierenbeteiligung fehlt, auch Langzeitkomplikationen sind wesentlich seltener und
weniger schwerwiegend.
6.3 Therapie der Muskelglykogenosen
Bei den Muskelglykogenosen beschränkt sich
die Therapie auf das Vermeiden anaerober Belastung, orale Sucrose (= Saccharose) kann als
Substrat für die Glykolyse vor Belastung gegeben werden – Saccharose wird rasch in Fruktose
und Glukose gespalten und umgeht so den Stoffwechselblock bei GSD V.
6.4 Therapie der Glykogenose Typ II
Bei der Glykogenose Typ II ist seit 2001 eine Enzymersatztherapie zugelassen (Van den Hout
et al., 2004; Kishnani et al., 2006). Das Enzym
wird in 2-wöchentlichen Abständen intravenös
verabreicht. Inaktivierende Antikörper werden
nur sehr selten nachgewiesen. Internationale
Expertengruppen erarbeiten aktuell TherapieIndikationen und auch Abbruchkriterien, da die
Therapiekosten sehr hoch sind.
Abkürzungen
GSD
GSD 0
GSD Ia
GSD Ib
GSD II
GSD III
GSD IV
GSD V
GSD VI
GSD VII
GSD VIII/IX
GSD X
GSD XI
GSD XII
GSD XIII
Glycogen storage disorder
Glycogen-Synthase Mangel
Glucose-6-Phosphatase Mangel
Glucose-6-Phosphat-Translokase Mangel
D-Glucosidase (= saure Maltase) Mangel
Debranching Enzym Mangel
Branching Enzym Mangel
Myophosphorylase Mangel
Leber Phosphorylase Mangel
Phosphofruktokinase Mangel
Phosphorylase-B-Kinase Mangel
Phosphoglycerat-Mutase Mangel
Laktatdehydrogenase Mangel
Fruktose-1,6-Biphosphat-Aldolase Mangel
E-Enolase Mangel
PGK
P
PLD
UDPG
Phosphoglycerat-Kinase
Phosphat
Phosphorylase Limit Dextrin
Uridin Diphosphat Glukose
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