„Für einen demokratischen Aufbruch“

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JUNGE GRÜNE
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FÜR
EINEN
DEMOKRATISCHEN
AUFBRUCH.
LEITANTRAG DER JUNGEN GRÜNEN
2017
Antrag zum 8. Bundeskongress der Jungen Grünen am 7. Jänner 2017 in St. Gilgen am
Wolfgangsee
Antragsteller: Bundesvorstand
2017 ist ein besonderes Jahr. Vor 150 Jahren erschien „Das Kapital”, jenes Werk von
Karl Marx, das bis heute eine der zentralen Schriften der Linken im Kampf gegen
Ausbeutung ist. Vor 100 Jahren fand in Russland die Russische Revolution statt.
Während der hoffnungslos scheinenden Situation des Ersten Weltkriegs schien der
Traum von einer klassenlosen Gesellschaft plötzlich zum Greifen nahe.
Diese zwei großen Jubiläen erinnern uns daran, dass die Linke einst dafür kämpfte, alle
unterdrückenden Verhältnisse umzuwerfen. Die Linke hat sich mit diesen Verhältnissen
auseinandergesetzt und gelernt, sie zu verstehen. Sie hat sich Gedanken gemacht, wo
man ansetzen kann, um sie zu verändern. Ganz praktisch hat sie die Verhältnisse
schließlich zum Tanzen gebracht. Aus der alten Gesellschaft und den ungeahnten
Möglichkeiten, die sie für eine menschenwürdige Zukunft bereithielt, wollte sie
zielbewusst die neue entfalten.
Die Idee einer befreiten Gesellschaft war lebendig: Sie war der Kompass, der die
Menschheit in eine bessere Zukunft führen sollte. Heute fällt es uns fast leichter, uns das
Ende der Welt vorzustellen als ihre grundlegende Veränderung. Die Möglichkeit einer
wirklich solidarischen und demokratischen Gesellschaft erscheint uns heute in weiter
Ferne. Der weltweite Aufstieg der Rechten lässt uns oft mit einem Gefühl der Ohnmacht
zurück.
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Umso wichtiger ist es in diesen finsteren Zeiten, einen Blick zurückzuwerfen und uns zu
fragen: Wie können wir Geschichte wieder als etwas begreifen, das von uns gemacht
wird, das wir aktiv gestalten können? Wie können wir aus den Kämpfen des Alltags, die
heute oft die Form von Abwehrkämpfen annehmen, wieder die Perspektive auf die
Veränderung der Gesellschaft hin zu einer solidarischen und demokratischen entfalten?
N ACH 2016: WO STEHEN WIR HEUTE?
2016 hat uns eindrücklich gezeigt, wie wichtig es ist, uns diese Fragen zu stellen. Der
Rechtsruck hat sich weltweit und vor allem in Europa noch weiter verschärft. In
Österreich erzielte die FPÖ das beste und zweitbeste bundesweite Wahlergebnis ihrer
Geschichte und konnte die Öffentlichkeit ein Jahr lang vor sich hertreiben.
Währenddessen zeichnen sich die anderen Parteien durch eine völlige Ratlosigkeit im
Umgang mit der extremen Rechten aus.
SPÖ und ÖVP, die das Amt des Bundespräsidenten seit Ende des Zweiten Weltkrieges
immer besetzt hatten, verpassten bereits die Stichwahl mit weitem Abstand. Ihre wenig
erfolgreiche Strategie, die FPÖ zu schwächen, indem man deren Forderungen gleich
selber umsetzt, wurde sogar intensiviert. Was ein Christian Kern sich etwa in der
Flüchtlingspolitik erlaubt, wäre unter Werner Faymann noch ein handfester Skandal
gewesen. Mächtige Fraktionen in der ÖVP bereiten sich bereits auf die Zukunft als
Juniorpartnerin unter einer FPÖ-Kanzlerschaft vor.
Die Grünen haben sich dazu entschieden, mit der Bundespräsident*innenwahl in einen
Schönheitswettbewerb einzusteigen, der unter normalen Umständen kaum politische
Bedeutung gehabt hätte. Am Ende eines langen Wahlkampfes steht eine Gesellschaft,
die trotz der letztlich klaren Niederlage Norbert Hofers deutlich nach rechts gerückt ist.
Abseits der Wahl haben die Regierung und die FPÖ einen brutalen Angriff auf soziale
Errungenschaften wie die Mindestsicherung orchestriert, dem die Grünen praktisch
nichts entgegensetzten.
Es war enorm wichtig, mit Norbert Hofer einen rechtsextremen Burschenschafter als
Bundespräsidenten zu verhindern. Die FPÖ spielt mit großer strategischer Konsequenz
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ein langfristiges Spiel. Ihr Projekt ist die Blaue Republik, der autoritäre Umbau
Österreichs. Einem Bundeskanzler Strache wäre dieser Umbau nach ungarischem
Vorbild mit einem Präsidenten Hofer deutlich leichter gefallen. Wir haben wichtige Zeit
gewonnen. Doch wir dürfen uns nicht täuschen lassen: Dieser Sieg war nur ein
vorläufiger. Wenn wir diese Zeit nicht nutzen, haben wir nichts gewonnen.
W AS WIR AUS DER PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL LERNEN KÖNNEN
Aus der siegreichen Kampagne Alexander Van der Bellens können wir wichtige Lehren
ziehen. Dieser Sieg wurde von einer breiten Bewegung getragen, wie wir sie in der
österreichischen Politik nur noch selten sehen. Ihre Stärke hatte diese Bewegung vor Ort.
Van der Bellens Wahlbewegung konnte durch geduldiges und gezieltes Engagement in
den Städten und auf dem Land das Vertrauen vieler Menschen aus allen
Gesellschaftsbereichen gewinnen, auch und gerade dort, wo es Widerstände gab.
Daraus müssen wir lernen, wenn wir den großen Herausforderungen der nächsten Jahre
erfolgreich begegnen wollen. Nur eine umfassende Demokratisierung aller
Gesellschaftsbereiche kann den Rechtsruck nachhaltig aufhalten. Hier stehen die in
Österreich traditionell starken Parteien in der Pflicht: Sie müssen sich öffnen und
möglichst viele Menschen für das Engagement für eine solidarische Gesellschaft
begeistern.
Die gegenwärtige Starrheit und Selbstbezogenheit der Parteien wirkt sich zutiefst
entpolitisierend aus. Das wird früher oder später katastrophal enden. Die Parteien
müssen wieder Räume werden, in denen gemeinsame und offene
Meinungsbildungsprozesse möglich sind, in denen politisches Engagement – auch und
gerade außerhalb der großen Parlamente – gelernt und geübt werden kann. Sie müssen
vermitteln, dass Politik alle betrifft: als Ort, in dem wir selbstbestimmt darüber
entscheiden können, wie wir leben wollen.
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W ARUM ES EINE DEMOKRATISIERUNG DER PARTEIEN BRAUCHT
Dazu braucht es eine gesetzliche Demokratisierung der Parteien. Im österreichischen
Parteiensystem gibt es weder gesetzliche demokratische Mindeststandards noch
Transparenzregeln. Die Parteien machen sich selbst wenige Auflagen, um sich mit
Unmengen Geld versorgen zu können, während sie den Aufbau demokratische
Strukturen, um Demokratie parteiintern sowie in der Gesellschaft zu fördern,
vernachlässigen.
In diesem demokratischen Vakuum gedeiht eine Partei wie die FPÖ. Sie ist ein
undemokratischer und führerzentrierter Parteiapparat, der interne Konflikte durch
autoritäres Durchgreifen unterdrücken kann. Die anderen Parteien haben trotz ihrer
Entwicklung zu Wahlvereinen nach wie vor Versatzstücke parteiinterner Demokratie, auf
die die FPÖ praktisch gänzlich verzichten kann. Derzeit kann sie rechtsextreme
„Einzelfälle” per einfachem Beschluss ausschließen, um ihren dünnen Deckmantel der
Demokratie ansatzweise zu wahren. Sie kann sogar ganze Landesparteien von heute auf
morgen ausschließen, wenn sie nicht gehorchen, wie zuletzt in Salzburg.
Ein demokratisches Parteiensystem mit transparenten Mitgliederrechten und
Ausschlussverfahren würde es der FPÖ-Spitze deutlich schwerer machen, ihre Konflikte
autoritär von oben abzuwürgen. Für die anderen Parteien dagegen würde diese
Demokratisierung faire Regeln in der Konkurrenz mit der FPÖ schaffen, der ihr besonders
autoritäres Vorgehen einen klaren Vorteil gegenüber den anderen Parteien verschafft.
Dass die FPÖ so autoritär agieren kann, ist auch der österreichischen Parteienförderung
geschuldet, die zu den höchsten der Welt gehört. Durch die hohe Parteienförderung
sollen die österreichischen Parteien unabhängig von großen Geldgeber*innen bleiben.
In der Praxis führt sie jedoch zur Selbsterhaltung von verselbstständigten
Parteibürokratien. Je mehr Geld die Parteien erhalten, desto weniger sind sie auf das
Engagement ihrer Mitglieder an der Basis angewiesen. Davon profitieren besonders
führerzentrierte Parteien wie die FPÖ, die nicht über breite Strukturen, Aktivitäten und
Organisationen verfügen und keine demokratische Willensbildung innerhalb von
Parteien organisieren müssen.
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Jene Parteien, die nicht ihr ganzes Geld in Marketing und eine Person an der Spitze
stecken können, sondern noch über Ansätze demokratischer Ansprüche verfügen, haben
unter diesen Bedingungen immer einen Konkurrenznachteil. Vor allem aber würde eine
Demokratisierung des Parteiensystems die Parteien zwingen, Räume aufzumachen, in
denen lebendige Diskussionen über die Zukunft unserer Gesellschaft wieder geführt
werden können. Sie kann Perspektiven auf die Veränderung einer Gesellschaft in der
Krise eröffnen und die wichtigen politischen Fragen unserer Zeit wieder offen
diskutierbar machen.
Dazu müssen die demokratischen Parteien jedoch über ihren Schatten springen: Eine
solche Reform wird auch ihnen vieles abverlangen. Die Parteien müssen sich ändern
und ihre innere Bequemlichkeit überwinden. Sonst machen sie sich mitschuldig am
Aufstieg der FPÖ. Das gilt insbesondere auch für die Grünen, die als postpolitischer
Marketingapparat mitverantwortlich sind für die Aushöhlung der Demokratie und keine
breiten Positions- und Strategieprozesse gestalten.
A US DEM ALLTÄGLICHEN AUSBRECHEN
Auch für uns als linke und grüne Jugendorganisation ist es in den kommenden Jahren
zentral, möglichst viele Menschen für die Vision zu begeistern, Gesellschaft grundlegend
zu verändern. Auch in Zukunft werden wir uns den Abwehrkämpfen gegen die Rechten
stellen müssen. Wir werden breite Bündnisse suchen müssen, um das Schlimmste zu
verhindern.
Die großen Fragen, wie wir Gesellschaft gemeinsam gestalten wollen, stehen in diesen
finsteren Zeiten nicht unmittelbar auf der Tagesordnung. Umso wichtiger ist es, dass wir
als Linke auch in den alltäglichen Kämpfen nicht unsere Utopie einer besseren
Gesellschaft aus den Augen verlieren. Sie muss der Kompass sein, der unser tägliches
Handeln leitet. Aus den Kämpfen des Alltags müssen wir die Perspektive entwickeln,
dass es auch ganz anders sein könnte.
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Strategisch müssen wir Erfolgserlebnisse schaffen. Aus dem Bewusstsein der Schwäche
der Linken müssen wir jene Ansatzpunkte erkennen, an denen wir Mehrheiten gegen die
extreme Rechte und für Solidarität und Selbstbestimmung schaffen können. Wir können
etwas verändern, wenn wir bewusst und gut organisiert für gemeinsame Ziele kämpfen.
Aus den kleinen Kämpfen des Alltags müssen wir große Perspektiven entwickeln –
Perspektiven, die viele Menschen wieder dafür begeistern können, Gesellschaft
grundlegend zu verändern.
Dieses Vertrauen in eine bessere Zukunft können wir nur vor Ort erkämpfen. Dazu
braucht es Führungskräfte, die in der Stadt und auf dem Land Verantwortung
übernehmen, neue Dinge ausprobieren, aus dem Alltäglichen ausbrechen. Es braucht
einen demokratischen Aufbruch vor Ort – dazu müssen wir uns breiter aufstellen und
Strategien entwickeln, wie wir eine große Vielfalt an Menschen einbinden und eine
tiefgreifende Politisierung in allen Bereichen der Gesellschaft ermöglichen können.
E IN DEMOKRATISCHER AUFBRUCH GEGEN DEN RECHTSRUCK
Die Linke befindet sich heute, 100 Jahre nach der Russischen Revolution, in einer
Position historischer Schwäche. Um als Linke wieder gesellschaftlich wirkmächtig zu
werden, müssen wir alte Muster durchbrechen. Wir müssen klar analysieren, wo wir
ansetzen können, um Gesellschaft zu verändern. Wir müssen Mehrheiten schaffen und
viele Menschen für eine solidarische Gesellschaft begeistern. Denn die
Herausforderungen werden in den nächsten Jahren nicht geringer: Mit der kommenden
Nationalratswahl könnte der FPÖ der Griff nach der Staatsmacht gelingen.
Wenn wir es jedoch schaffen, aus den Abwehrkämpfen Perspektiven für eine bessere
Zukunft zu entfalten, können wir viel erreichen. Ein breites und diverses Bündnis aller
demokratischen Kräfte hat Norbert Hofer im letzten Jahr den Traum vom Präsidentenamt
vermiest. Jetzt gilt es, die richtigen Lehren aus diesem Erfolg zu ziehen. Nur ein
demokratischer Aufbruch kann den Rechtsruck aufhalten und die Möglichkeit
grundlegender Veränderung eröffnen – in den Parteien und in allen anderen Bereichen
der Gesellschaft. Als Junge Grüne können wir einen wichtigen Teil dazu beitragen.
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