Komplexe Zahlen - Ergänzung zum Kurs Lineare Algebra - Math-Kit

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Übersicht
• Inhaltsverzeichnis
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c 2000
Copyright Letzte Änderung: 19. September 2002
Inhaltsverzeichnis
1. Der Körper der Komplexen Zahlen
1.1. Rechenregeln
1.2. Die i-Schreibweise
1.3. Konjugation und Betrag
1.4. Geometrische Veranschaulichung
• Komplexe Zahlen als Punkte der Ebene • Komplexe Konjugation • Der Betrag
einer komplexen Zahl • Ein Applet zur Veranschaulichung komplexer Zahlen
1.5. Anwendungen der komplexen Zahlen
• Der Hauptsatz der Algebra • Schwingungen
1.6. Historisches
3
Rechenregeln
Auf R × R definieren wir Verknüpfungen + und · folgendermaßen: Für (a, b), (c, d) ∈ R × R
setzen wir
(a, b) + (c, d) = (a + c, b + d)
und (a, b) · (c, d) = (ac − bd, ad + bc).
Im Studienbrief wurde bewiesen, dass R × R mit diesen Verknüpfungen einen Körper bildet,
den wir mit C bezeichnen.
Rechenregeln im Körper der Komplexen Zahlen:
• Das neutrale Element der Addition ist (0, 0).
• Das inverse Element bezüglich der Addition zu (a, b) ist (−a, −b).
• Das neutrale Element der Multiplikation ist (1, 0).
a
−b
• Ist (a, b) 6= (0, 0), so ist ( a2 +b
2 , a2 +b2 ) das inverse Element bezüglich der Multiplikation
zu (a, b).
Zur Gewöhnung an die Rechenregeln in C bearbeiten Sie bitte folgende Übungen.
Sind folgende Rechnungen richtig?
1 1
1. (2, 4)−1 = ( 10
, 5)
ja
nein
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
4
2. (−1, 3)(2, −1) + (0, 1) = (1, 8)
ja
nein
31 29
3. (2, 7)(5, 3)−1 = ( 34
, 34 )
ja
nein
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
5
Die i-Schreibweise
Notationen
1. An Stelle von (a, 0) ∈ C schreiben wir a.
2. An Stelle von (0, 1) ∈ C schreiben wir i.
Dann hat jede komplexe Zahl (a, b) die Form
(a, b) = (a, 0) + (0, b) = a · (1, 0) + (0, 1) · b = a + ib mit a, b ∈ R.
Mit dieser Schreibweise gelten folgende
Rechenregeln: Sei a + ib ∈ C mit a, b ∈ R.
1. Das neutrale Element der Addition in C ist 0.
2. Das inverse Element der Addition zu a + ib ist −a − ib.
3. Das neutrale Element der Multiplikation in C ist 1.
4. Ist a + ib 6= 0 , so ist
a−ib
a2 +b2
das inverse Element der Multiplikation zu a + ib.
5. Es gilt i2 = −1.
In der i-Schreibweise der komplexen Zahlen können wir die reellen Zahlen als Teilmenge der
komplexen Zahlen auffassen, denn es gilt
R = {a + i · 0 | a ∈ R} ⊆ C.
Berechnen Sie die folgenden komplexen Ausdrücke.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
6
3
1. (1 + 2i) =
−11 − 2i
−3 + 14i
13 + 14i
2. (3 − 4i)(3 + 4i) − 5(5 + 2i) =
−32 − 10i
−10i
−32 + 10i
3. (4 + i)(1 + 2i)(2 − 3i) =
7
31 + 12i
8 − 6i
Sei z = a + ib, a, b ∈ R, eine komplexe Zahl. Wir nennen a den Realteil und b den Imaginärteil von z und schreiben a = Re(z) und b = Im(z).
Bitte bestimmen sie Real- und Imaginärteil der folgenden Zahlen:
1. z = 900
Re(z) = 9, Im(z) = 100
Re(z) = 900, Im(z) = 0
Re(z) = 900, Im(z) = 900
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
7
2. z = (4 + 2i)(5 + 7i)
Re(z) = 4, Im(z) = 7
Re(z) = 38, Im(z) = 5
Re(z) = 6, Im(z) = 38
3. z = (−i)2
Re(z) = 1, Im(z) = 1
Re(z) = 1, Im(z) = 0
Re(z) = 0, Im(z) = −1
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
8
Komplexe Konjugation und der Betrag einer komplexen Zahl
Definition Sei z = a + ib ∈ C mit a, b ∈ R. Die komplexe Zahl a − ib ∈ C wird die zu (a, b)
komplex konjugierte Zahl genannt und mit z bezeichnet.
Rechenregeln: Seien z = a + ib und w = c + id mit a, b, c, d ∈ R komplexe Zahlen.
1. z + w = z + w
2. zw = z w
3. z = z
4. zz = a2 + b2 ∈ R, und zz ≥ 0.
Die letzte Rechenregel zeigt, dass zz eine nicht negative reelle Zahl ist. Genauer, zz ist genau
dann 0, wenn z = 0 gilt. Diese Beobachtung führt zu folgender
√
Definition Sei z eine komplexe Zahl. Die reelle Zahl zz wird der Betrag von z genannt
und mit |z| bezeichnet.
An Stelle von Betrag“ sind auch Norm oder Länge von z üblich.
”
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
9
Komplexe Zahlen als Punkte der Ebene
Wenn wir ein Koordinatensystem festlegen, können wir uns die komplexen Zahlen als Punkte
in der Ebene vorstellen: Wir identifizieren jede komplexe Zahl (a, b) ∈ C mit dem zugehörigen
Punkt (a, b) in der Ebene, der die Koordinaten a auf der x-Achse und b auf der y-Achse
hat.
y
(a,b)
(0,b)
x
(a,0)
Wir kombinieren nun die geometrische Interpretation komplexer Zahlen mit der i-Schreibweise.
Ein Punkt (a, b) entspricht der komplexen Zahl z = a + ib mit a, b ∈ R. Der erste Eintrag
des Paares (a, b) ist also der Realteil, und der zweite der Imaginärteil von z. Insbesondere
entspricht die x-Achse den reellen Zahlen, und die y-Achse besteht aus den komplexen Zahlen der Form ib, b ∈ R, deren Realteil 0 ist. Daher beschriftet man die x-Achse mit re (wie
Realteil) und die y-Achse mit im (wie Imaginärteil).
im
a+ib
re
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
10
Komplexe Konjugation
Wenn wir einen Punkt z = (a, b) an der x-Achse spiegeln, so erhalten wir den Punkt (a, −b).
Applet
Die komplexe Konjugation bedeutet geometrisch also gerade, dass die komplexe Zahl a + ib
an der x-Achse gespiegelt wird.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
11
Der Betrag einer komplexen Zahl
Sei z = a + ib ∈ C. Wie wir oben gesehen haben, gilt zz = a2 + b2 . Dieses Ergebnis können
wir geometrisch interpretieren. Die reelle Zahl |a| ist die Länge der Strecke zwischen dem
Koordinatenursprung 0 und dem Punkt a. Analog ist |b| die Länge der Strecke zwischen den
Punkten a und a + ib. Weiter sind |a|2 = a2 und |b|2 = b2 . Mit dem Satz des Pythagoras gilt
also, dass a2 +b2 das Quadrat der Länge von der Strecke zwischen dem Koordinatenursprung
√
und dem Punkt a + ib ist. Ziehen wir die Wurzel, so erhalten wir die reelle Zahl zz =
√
a2 + b2 , und das ist die Länge der Strecke zwischen dem Koordinatenursprung und dem
Punkt z.
im
a+ib
|b|
re
|a|
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
12
Ein Applet zur Veranschaulichung komplexer Zahlen
Applet
Übung 1. Führen Sie jeweils Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division mit den
gegebenen komplexen Zahlen über Eingabe in die dafür vorgesehenen Felder durch:
Operand 1
3-3*i
-2+2*i
i
3.09
(a)
(b)
(c)
(d)
Operand 2
-1+2*i
-8-3*i
1+i
3.09*i
Übung 2. Berechnen Sie jeweils den Realteil, den Imaginärteil, die Konjugierte, das Negative sowie den Absolutbetrag der gegebenen komplexen Zahlen über Eingabe in die Felder
für Operand 1.
Operand 1
3-3*i
1-i
-2+2*i
i
(a)
(b)
(c)
(d)
Übung 3.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
13
Gegeben sei die komplexe Zahl i als Operand 1. Finden Sie über die Bewegung des Vektors
von Operand 2 alle Zahlen, so dass der Divisionsvektor entweder auf der Realteil - oder der
Imaginärteilachse liegt.
Übung 4.
Gegeben sei die komplexe Zahl 1-i als Operand 1. Bestimmen Sie über die Bewegung des
Vektors von Operand 2 den größten Radius r des Kreises um den Ursprung (also alle Zahlen
mit Betrag r), so dass bei der Subtraktion der Ergebnisvektor immer im 4.Quadranten
verbleibt.
Übung 5.
Gegeben sei die komplexe Zahl i als Operand 1. Was läßt sich bei der Multiplikation mit
einer beliebigen zweiten komplexen Zahl über das Verhältnis von dem Vektor von Operand
2 zum Ergebnisvektor aussagen?
Übung 6.
Gegeben sei die komplexe Zahl -2-2*i als Operand 1. Bewegen Sie den Vektor von Operand
2, so dass die Addition i ergibt. Danach bestimme Operand 1 so, dass der Additionsvektor
um 90◦ im Uhrzeigersinn gedreht abgebildet wird.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
14
Anwendungen der komplexen Zahlen
Die komplexen Zahlen haben viele Anwendungen in der Physik und den Ingenieurwissenschaften, insbesondere wenn es um die Beschreibung von Schwingungen geht. Auch innermathematisch sind die komplexen Zahlen von grossem Interesse – weite Teile der Analysis
würden ohne sie nicht existieren. Das gilt allerdings auch für die Algebra – der so genannte
Hauptsatz der Algebra ist ein Satz über komplexe Zahlen.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
15
Der Hauptsatz der Algebra
Die komplexen Zahlen haben eine Eigenschaft, die in der Algebra so wichtig ist, dass sie als
Hauptsatz der Algebra“ formuliert wird:
”
n
X
Satz (Hauptsatz der Algebra) Sei
ai T i ein Polynom in R[T ], und sei an 6= 0. Dann
i=0
gibt es komplexe Zahlen z1 , . . . , zn , so dass gilt:
n
n
X
Y
i
ai T = an (T − z1 ) · · · (T − zn ) =
an (T − zi ).
i=0
i=1
Dieses Ergebnis bedeutet, dass jede Polynomgleichung
n
X
ai xi = 0 mit Koeffizienten a0 , . . . , an
i=0
in R lösbar ist, sofern wir als Lösungen Zahlen in x ∈ C erlauben. Da
n
n
X
Y
ai xi =
an (x − zi ),
i=0
i=1
sind die komplexen Zahlen z1 , . . . , zn Lösungen dieser Gleichung.
Dass der Hauptsatz der Algebra gilt, wurde schon früh vermutet, etwa von Albert Girard
1629, und es gab eine Reihe von Versuchen, ihn zu beweisen. Aber erst 1799 gab es einen
ersten einigermaßen strengen Beweis dieses grundlegenden Resultats, und zwar in der Dissertation von Gauß, der damals 22 Jahre alt war.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
16
Der Beweis des Hauptsatzes der Algebra führt über die Algebra hinaus. Dies liegt daran,
dass im Beweis Eigenschaften der reellen und der komplexen Zahlen, einer Domäne der
Analysis, benutzt werden. Im Mathematikstudium wird ein Beweis des Hauptsatzes der
Algebra üblicherweise in der Funktionentheorie“, erbracht.
”
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
17
Schwingungen
Um diesen Abschnitt verstehen zu können, benötigen Sie Kenntnisse über die komplexe
Exponentialfunktion, die in der Linearen Algebra nicht behandelt wird. Falls Sie aber die
Exponentialfunktion bereits kennen, lohnt es sich vielleicht weiter zu lesen.
Der Hintergrund dabei ist, dass sich jede komplexe Zahl auch in exponentieller Form r eiϕ
schreiben lässt. Multiplikationen, Divisionen oder das Potenzieren wird dadurch wesentlich
vereinfacht, da sich diese Operationen auf die Addition, Subtraktion bzw. Multiplikation
des Winkels ϕ zurückführen lassen.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
18
Überlagerung harmonischer Schwingungen
Als typisches Beispiel der genannten Vereinfachung von Rechenoperationen wird das Problem der Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen gleicher Frequenz ω aber mit
unterschiedlichen Amplituden und Phasenlagen betrachtet:
xj = Aj sin(ωt + ϕj ), j = 1, 2.
Das Ergebnis
x(t) := x1 (t) + x2 (t) = A sin(ωt + ϕ).
ist ebenfalls eine harmonische Schwingung mit gleicher Kreisfrequenz. In weiteren Abschnitten wird dies graphisch und analytisch gezeigt.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
19
Graphische Lösung
Das folgende Applet zeigt die Darstellung des Spezialfalles ϕ1 = ϕ2 = ϕ, d.h. gleiche
Phasenlage der beiden Ausgangsschwingungen. Jede Schwingung wird als komplexer Zeiger
visualisiert. Die Überlagerung bzw. Addition dieser Zeiger
xi (t) = Ai ei(ω t+ϕ)
ergibt in der komplexen Ebene einen neuen Zeiger
x(t) := x1 (t) + x2 (t) = (A1 + A2 ) ei(ω t+ϕ)
mit der gleichen Phase aber der Amplitude A1 + A2 . Daraus ist sofort ersichtlich, dass die
Überlagerung zweier harmonischer Schwingungen wieder eine solche ist.
Applet
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
20
Analytische Lösung
Die analytische Lösung des allgemeinen Problems (ϕ1 6= ϕ2 ), erhält man durch die Rechnung
mit komplexen Zahlen sowie durch die Anwendung der Additionstheoreme.
Es gilt:
x1 (t) + x2 (t) = A1 sin(ω t + ϕ1 ) + A2 sin(ω t + ϕ2 )
= Im(A1 eiω t+iϕ1 + A2 eiω t+iϕ2 )
= Im((A1 eiϕ1 + A2 eiϕ2 ) eiω t )
Definiere α := A1 cos ϕ1 + A2 cos ϕ2 und β := i(A1 sin ϕ1 + A2 sin ϕ2 ).
D.h.
α + iβ = A1 eiϕ1 + A2 eiϕ2
= A1 cos ϕ1 + A2 cos ϕ2 + i(A1 sin ϕ1 + A2 sin ϕ2 )
Demzufolge erhält man
x1 (t) + x2 (t) = Im((α + iβ)(cos(ω t) + i sin(ω t)))
=
p
= α sin(ω t) + β cos(ω t)
α
β
α2 + β 2 ( p
sin(ω t) + p
cos(ω t))
α2 + β 2
α2 + β 2
p
= α2 + β 2 sin(ω t + ϕ).
Erläuterungen:
Im letzten Umformungsschritt wurden cos ϕ = √
α
α2 +β 2
und sin ϕ = √
β
α2 +β 2
gesetzt sowie
die Gleichheit sin(ω t + ϕ) = cos ϕ sin(ω t) + sin ϕ cos(ω t) verwendet.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
21
Für die AmplitudeA ergibt sich somit
p
A = (A1 cos ϕ1 + A2 cos ϕ2 )2 + (A1 sin ϕ1 + A2 sin ϕ2 )2
q
= A21 + A22 + 2A1 A2 (cos ϕ1 cos ϕ2 + sin ϕ1 sin ϕ2 )
q
= A21 + A22 + 2A1 A2 cos(ϕ1 − ϕ2 )
Die Phasenverschiebungϕ errechnet sich durch die Bildung der Umkehrfunktion von
A1 cos ϕ1 + A2 cos ϕ2
cos ϕ =
A
bzw.
A1 sin ϕ1 + A2 sin ϕ2
sin ϕ =
A
Im Spezialfall ϕ1 = ϕ2 gilt cos(ϕ1 − ϕ2 ) = 1, d.h. x(t) = (A1 + A2 ) sin(ω t + ϕ).
Das folgende Applet zeigt den allgemeinen Fall mit ϕ1 6= ϕ2 . Allerdings ist es hier nicht
möglich, die Winkel zu verändern. Stattdessen ändert sich durch Ziehen des Punktes A
gegen den Uhrzeigersinn die Zeit t und die zu den Punkten gehörigen Sinuskurven werden
dargestellt.
Applet
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
22
Zusammenfassung
Durch die Einführung der komplexen Schreibweise von harmonischen Schwingungen ist sowohl graphisch als auch analytisch gezeigt worden, dass die Addition zweier sinusförmiger
Wechselgrößen gleicher Frequenz wiederum eine sinusförmige Wechselgröße mit derselben
Frequenz aber anderer Amplitude und Phasenlage ergibt.
Bemerkung:
Analoge Aussagen gelten auch für cosinusförmige Wechselgrößen.
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
23
Wie alles begann: Eine kurze Geschichte der komplexen Zahlen
Als Schöpfer der komplexen Zahlen ging Geronimo (oder Gerolamo) Cardano (1501-1576)
in die Geschichte der Mathematik ein. In jener Zeit war es unter Gelehrten üblich, ihr
Wissen in Schaukämpfen unter Beweis zu stellen. Dies war häufig eine gute Geldeinnahmequelle und bot auch die Möglichkeit eine Professur an einer Universität zu bekommen.
Die Veröffentlichung von akademischen Ergebnissen war daher unüblich, man behielt seine
Erkenntnisse für sich, um möglichst viel Profit daraus zu schlagen. Die mathematische Forschung im 16. Jahrhundert beschäftigte sich besonders mit der Lösung von polynomialen
Gleichungen.
In einem Wettkampf im Jahre 1530 gelang es Niccolo Tartaglia, eine Formel für die Lösung
spezieller kubischer Gleichungen herzuleiten. Nach langem Drängen Cardanos gab Tartaglia
ihm schließlich die Formel preis und Cardano veröffentlichte dieses Ergebnis einige Jahre
später. Cardano verallgemeinerte Tartaglia’s Formel und verwendete dazu negative Zahlen,
die damals noch als rätselhaft angesehen wurden, und darüber hinaus sogar ihre Wurzeln.
Dadurch konnte er geschlossene Lösungsformeln für alle quadratischen und kubischen Gleichungen angeben, ein Ergebnis, das er 1545 erstmals veröffentlichte.
Cardano beließ es bei der Entdeckung solcher komplexen Zahlen, die ihm genauso subtil
”
wie nutzlos“ erschienen. Allgemeine Regeln für das Rechnen mit Wurzeln negativer Zahlen
wurden dann erst einige Jahre später von Rafael Bombelli aufgestellt und erfolgreich in der
Cardanoschen Formel angewendet.
Das Symbol ı für die imaginäre Einheit als Lösung von x2 + 1 = 0 wurde erstmals 1777
von Leonhard Euler (1707-1783) eingeführt. Von ihm stammt auch die sogenannte Eulersche
Formel:
eıα = cos α + ı sin α
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
24
Für α = π ergibt sich eine der schönsten mathematischen Beziehungen:
eıπ + 1 = 0,
die einen erstaunlichen Zusammenhang zwischen den Fundamentalzahlen e, ı, π, 0 und 1
herstellt.
Damit waren die mysteriösen komplexen Zahlen aber immer noch nicht hinreichend erklärt. Erst Carl Friedrich Gauß (1777-1855) gelang 1831 eine geometrische Interpretation
der komplexen Zahlen, indem er sie als Punkte in einer Ebene auffasste und so den Begriff
der Gaußschen Zahlenebene prägte. Sechs Jahre später konnte William R. Hamilton (18051865) ihnen auch eine arithmetische Einkleidung geben. Seitdem sind die komplexen Zahlen
aus der Mathematik und ihren Anwendungswissenschaften nicht mehr wegzudenken.
Literatur: H. Heuser: Lehrbuch der Analysis, Teil 1
Toc
JJ
II
J
I
Zurück
J
Dok
Dok
I
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