Mengentheoretische Topologie

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Mengentheoretische Topologie
Michael Heusener
Uwe Kaiser 2
25. April 2002
1 verwendet
2 verwendet
im SS 94 und SS 96
im WS 96
1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1
1 Topologische Räume und Stetige Abbildungen
1.1 Metrische und Topologische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Stetige Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
10
2 Kompaktheit und Zusammenhang
2.1 Kompakte Räume . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Peano-Kurven (Raumfüllende Kurven)
2.2 Kompaktheit und Hausdorff-Räume . . . . . .
2.2.1 Bolzano–Weierstrass Eigenschaft . . .
2.2.2 Lebesguesches Lemma . . . . . . . . .
2.3 Produkte von topologischen Räumen . . . . .
2.4 Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12
12
13
14
14
15
15
17
3 Quotiententopologie
3.1 Stückweise Definition von Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Quotiententopologie und Produkttopologie . . . . . . . . . . . . .
22
26
27
4 Übungsaufgaben
30
1
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Einleitung
In diesem Skript werden notwendige Grundlagen der mengentheoretischen Topologie bereitgestellt, wie sie in einer Vorlesung über Topologie, für Studierende im
zweiten bis dritten Studienjahr, benötigt werden.
In diesem Skript werden nur die Fakten präsentiert . . . .
Das Skript erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Zum tieferen
Verständnis des Stoffes ist es notwendig, sich mit weiterführender Literatur (vgl.
Literaturverzeichnis) auseinander zu setzen.
Wir haben uns im Wesentlichen an den Zugang in Armstrong [Arm] gehalten.
Darüber hinaus haben wir uns für eine ausführlichere Diskussion der Quotiententopologie entschieden. Die hier entwickelten Hilfsmittel sind in allen Bereichen
der algebraischen wie geometrischen Topologie unumgänglich. Die Darstellung
des Zusammenhangs zwischen Quotienten- und Produkttopologie haben wir dem
Buch von Munkres [Mu] entnommen.
2
Kapitel 1
Topologische Räume und Stetige
Abbildungen
1.1
Metrische und Topologische Räume
1.1 Definition. Ein metrischer Raum ist ein Paar (X, d), wobei X eine Menge
und d : X × X → R eine Abbildung ist mit
M1: d(x, y) ≥ 0 und d(x, y) = 0 ⇔ x = y (Definitheit)
M2: d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie)
M3: d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) (Dreiecks-Ungleichung).
1.2 Beispiel.
P
• (Rn , dk ) mit dk ((x1 , . . . , xn ), (y1 , . . . , yn )) = ( ni=1 (xi − yi )k )1/k
• (Rn , d∞ ) mit d∞ ((x1 , . . . , xn ), (y1 , . . . , yn )) = maxi=1,...,n (|xi − yi |).
1.3 Definition. a) Kε (x) := {y ∈ X | d(x, y) < ε} heißt ε–Umgebung von x.
b) N ⊂ X heißt Umgebung von x, falls x ∈ N und ∃ε > 0 : Kε (x) ⊂ N
c) U ⊂ X ist offen, falls mit jedem x ∈ U auch eine ε–Umgebung von x in
U liegt.
1.4 Bemerkung. U ⊂ X ist offen ⇔ U ist Umgebung von x für alle x ∈ U .
˜ metrische Räume. f : X → Y heißt
1.5 Definition. Seien (X, d) und (Y, d)
˜ (x), f (x0 )) < ε
stetig in x0 ∈ X, falls zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert mit: d(f
falls d(x, x0 ) < δ ist.
f : X → Y heißt stetig, falls f in jedem Punkt stetig ist.
3
1.6 Beispiel. Sei X eine Menge und für x, y ∈ X
(
0, für x = y
d(x, y) =
1, sonst
˜ stetig (wähle
(diskrete Metrik). Dann ist jede Abbildung f : (X, d) → (Y, d)
δ = 1/2).
˜ metrische Räume. Dann ist f : X → Y genau
1.7 Satz. Seien (X, d), (Y, d)
dann stetig in x ∈ X, wenn für jede Umgebung N von f (x) in Y die Menge
f −1 (N ) eine Umgebung von x ∈ X ist.
Beweis: Sei f : X → Y stetig in x und N eine Umgebung von f (x) ∈ Y ⇒ ∃ε >
˜ (x), f (y)) < ε für d(x, y) < δ ⇒ Kδ (x) ⊂
0 mit Kε (x) ⊂ N ⇒ ∃δ > 0 mit d(f
f −1 (N ) ⇒ f −1 (N ) ist Umgebung von x.
Umgekehrt, sei f : X → Y gegeben und f −1 (N ) Umgebung von x für jede
Umgebung N von f (x). Sei ε > 0 gegeben und N := Kε (f (x)). Dann ist f −1 (N )
˜ (x), f (y)) < ε falls
Umgebung von x. Also ∃δ > 0 mit Kδ (x) ⊂ f −1 (N ) ⇒ d(f
d(x, y) < δ. Also ist f stetig in x.
1.8 Bemerkung.
Sei (X, d) ein metrischer Raum. Zu jedem x ∈ X betrachten wir die Menge der Umgebungen von x ∈ X. Sei U(x) := {N ⊂
X|N ist Umgebung von x}.
Es gilt:
U1: x ∈ V für alle V ∈ U(x).
U2: V1 , V2 ∈ U(x) ⇒ V1 ∩ V2 ∈ U(x).
U3: V ∈ U(x) und V ⊂ U ⊂ X ⇒ U ∈ U(x)
U4: Mit V ∈ U(x) gibt es ein W ∈ U(x) mit V ∈ U(y) für alle y ∈ W .
Man beachte: U ⊂ X ist offen ⇔ U ∈ U(x) für alle x ∈ U , d.h. die Menge U ist
eine Umgebung für alle ihre Elemente.
1.9 Definition.
Eine topologische Struktur (kurz: eine Topologie) auf einer
Menge X ist dadurch definiert, daß jedem x ∈ X ein System U(x) von Teilmengen
von X (die Umgebungen von x), zugeordnet ist, welches die Axiome U1-U4
erfüllt.
Das Paar (X, {U(x)|x ∈ X}) oder nur kurz X heißt topologischer Raum.
1.10 Definition. Seien X, Y topologische Räume. f : X → Y heißt stetig in
x ∈ X falls f −1 (N ) ∈ U(x) für alle N ∈ U(f (x)). f : X → Y heißt stetig, falls f
in jedem Punkt x ∈ X stetig ist.
4
1.11 Definition. Zwei topologische Räume X, Y heißen topologisch äquivalent
oder homöomorph, falls es eine stetige, bijektive Abbildung f : X → Y gibt mit
stetiger Umkehrabbildung f −1 : Y → X. f heißt dann Homöomorphismus und
wir schreiben X ∼
= Y.
Ziel der Topologie: Klassifikation der topologischen Räume nach topologischer
Äquivalenz.
1.12 Definition.
a) Eine Teilmenge U ⊂ X heißt offen, falls U ∈ U(x) für alle x ∈ U . Sei O
das System aller offenen Teilmengen von X.
◦
b) Für A ⊂ X heißt A := {x ∈ A | A ∈ U(x)} das Innere von A. Offensichtlich
◦
gilt: A ist offen ⇔ A = A.
Es gilt:
O1: X, ∅ ∈ O.
O2: Endliche Durchschnitte von offenen Mengen sind offen.
O3: Beliebige Vereinigungen von offenen Mengen sind offen.
1.13 Lemma. Es gilt für A ⊂ X,
◦
1. A ⊂ A,
◦
◦
2. Falls A ⊂ B ⊂ X ⇒ A ⊂ B
◦
3. A ∈ O,
◦
◦
◦
4. (A) = A.
◦
Beweis: Falls A = ∅ ist, gilt alles trivialerweise.
◦
1. Sei x ∈ A ⇒ A ist Umgebung von x, A ∈ U(x) ⇒ x ∈ A.
◦
◦
2. Sei A ⊂ B. Dann gilt x ∈ A ⊂ A ⊂ B ⇒ B ∈ U(x) ⇒ x ∈ B.
◦
3. Sei x ∈ A ⇒ U ∈ U(x) mit U ⊂ A und A ∈ U(y) für alle y ∈ U (U4)
◦
◦
⇒ U ⊂ A ⇒ A ∈ U(x).
5
◦
◦
◦
◦
4. A offen ⇒ (A) = A.
1.14 Bemerkung.
x ∈ U ⊂ N.
Sei N ⊂ X. Dann gilt: N ∈ U(x) ⇔ ∃U ∈ O mit
Beweis:
◦
◦
“⇒”: N ∈ U(x) ⇒ x ∈ N ⊂ N und es gilt N ∈ O.
“⇐”: Sei U ∈ O mit x ∈ U ⊂ N ⇒ U ∈ U(x) ⇒ N ∈ U(x).
1.15 Satz. Sei O ein System von Teilmengen von X, welches die Eigenschaften
O1 − O3 erfüllt. Zu x ∈ X definieren wir M(x) = MO (x) := {N ⊂ X | ∃U ∈ O
mit x ∈ U ⊂ N }. Dann erfüllen die M(x) die Axiome U1 − U4.
Beweis: Man beachte X ∈ M(x) ⇒ M(x) 6= ∅ gilt für alle x ∈ X.
U1: ist klar.
U2: V1 , V2 ∈ M(x) ⇒ ∃U1 , U2 ∈ O und x ∈ U1 ∩ U2 ⊂ V1 ∩ V2 ⇒ V1 ∩ V2 ∈
| {z }
∈O
M(x).
U3: Sei V ∈ MO (x) und V ⊂ W ⇒ W ∈ MO (x) trivial.
U4: Sei V ∈ M(x) ⇒ ∃U ∈ O mit x ∈ U ⊂ V . Für alle y ∈ U gilt U ∈ M(y)
und y ∈ U ⊂ V ⇒ V ∈ M(y) für alle y ∈ U .
1.16 Satz. O ist die Menge der offenen Mengen von MO (x), d.h. U ∈ M(y)
für alle y ∈ U ⇔ U ∈ O.
Beweis:
“⇐”: U ∈ O ⇒ U ∈ M(y) für alle y ∈ U nach Definition.
!
“⇒”: Sei U ∈ M(y) für alle y ∈ U ⇒ U ∈ O. Dies ist klar wenn U = ∅.
Sei U S6= ∅. Zu x ∈ U gibt es eine Menge Ux ∈ O mit x ∈ Ux ⊂ U .
e :=
e
e
U
x∈U Ux ∈ O und U ⊂ U , da Ux ⊂ U ∀x ∈ U . Weiterhin: U ⊃ U ,
e∀ x ∈ U ⇒ U
e = U ⇒ U ∈ O.
denn x ∈ Ux ⊂ U
6
1.17 Bemerkung. Sei {U(x) | x ∈ X} ein System von Umgebungen in X und
sei O die Menge der offenen Mengen dieses Systems. Dann gilt: N ∈ U(x ) ⇔
es gibt ein U ∈ O mit x ∈ U ⊂ N . Damit folgt sofort, daß die Umgebungen
MO (x), die durch O definiert werden, mit U(x) übereinstimmen.
Beginnt man mit einem System O, welches die Axiome O1 − O3 erfüllt und
definiert mit Hilfe von O ein System von Umgebungen MO (x), so stimmen die
offenen Mengen dieses Systems mit O überein.
Die beiden Strukturen, offene Mengen und Umgebungen bestimmen sich also
gegenseitig. Wir können daher eine topologische Strukur nach Belieben durch
offene Mengen oder Umgebungen definieren.
Ab jetzt: Eine Topologie auf X ist durch ein System O von Teilmengen von X
gegeben, welches den Axiomen O1 − O3 genügt. Das Paar (X, O) heißt topologischer Raum.
1.18 Beispiel.
1. Metrische Topologie: Sei (X, d) metrischer Raum. U ⊂ X offen :⇔ ∀x ∈
U ∃εx > 0 mit Kεx (x) ⊂ U . Dies definiert die Od -offenen Mengen. Ein
topologischer Raum X heißt metrisierbar, falls es eine Metrik d : X × X →
R gibt mit Od = O.
2. Spurtopologie: Sei X ein topologischer Raum und Y ⊂ X. U ⊂ Y sei offen
(in Y ) :⇔ ∃ offene Menge V ⊂ X mit U = Y ∩ V . Damit werden alle
Teilmengen von X zu topologischen Räumen.
3. Diskrete Topologie: Sei X eine Menge, Odis := System aller Teilmengen von
X.
4. Klumpentopologie OK = {X, ∅},
1.19 Definition. A ⊂ X heißt abgeschlossen :⇔ CA := X − A (Komplement
von A in X) ist offen.
1.20 Bemerkung. Es gilt:
A1: X, ∅ sind abgeschlossen.
A2: Endliche Vereinigungen von abgeschlossenen Mengen sind abgeschlossen.
A3: Beliebige Durchschnitte von abgeschlossenen Mengen sind abgeschlossen.
1.21 Satz. Sei X eine Menge und A ein System von Teilmengen von X, welches
die Axiome A1 − A3 erfüllt.
Sei U ⊂ X offen :⇔ X − U ∈ A gilt.
Dann erfüllen diese offenen Mengen die Axiome O1 − O3.
7
Beweis: Übung.
1.22 Definition. Sei M ⊂ X. Dann heißt x0 ∈ X Häufungspunkt von M (kurz
Hp.), falls jede Umgebung von x0 wenigstens einen Punkt aus M − {x0 } enthält.
1.23 Beispiel.
1. X = R, M = { n1 | n = 1, 2, . . . }. Dann hat M genau einen Hp. und zwar 0.
2. X = R, M = [0, 1). Dann ist jeder Punkt von M Hp. und 1 ist Hp. von M .
3. X = R3 , M = Q3 ⇒ jeder Punkt von X ist Hp. von M .
4. X = R3 , M = Z3 ⇒ M hat keinen Hp.
5. X = R (oder irgendeine unendliche Menge) versehen mit der Topologie
endlicher Komplemente:
M ⊂ X ist offen :⇔ X − M ist endlich oder M = ∅.
(a) M ist endlich ⇒ M hat keine Hp. in X.
(b) M ist unendlich ⇒ Jeder Punkt von X ist Hp. von M .
Wenn X = R, so ist heißt dies die Zariski-Topologie.
1.24 Satz. A ⊂ X ist abgeschlossen ⇔ A enthält alle Hp. von A.
Beweis: A ist abgeschlossen ⇔ X − A ist offen ⇔ X − A ist Umgebung aller
seiner Punkte ⇔ Kein Punkt aus X − A ist Hp. von A ⇔ A enthält alle Hp. von
A.
1.25 Definition. Sei A ⊂ X.
A := A ∪ {Häufungspunkte vonA} heißt der Abschluß von A.
F r(A) := A ∩ CA heißt der Rand von A kurz F r(A).
1.26 Satz. A ist die kleinste abgeschlossene Menge, die A enthält (A ist der
Durchschnitt aller abgeschlossenen Mengen die A enthalten).
Beweis: A ist abgeschlossen, denn X − A ist offen: Zu jedem Punkt x ∈ X − A
gibt es eine offene Umgebung in X − A, die A − {x} nicht trifft. Sei B ⊃ A
abgeschlossen. Jeder Hp. von A ist Hp. von B und muß in B liegen, denn B ist
abgeschlossen ⇒ A ⊂ B.
\
⇒
B
A =
A⊂B⊂X
B abgeschl.
8
1.27 Korollar. Eine Menge ist abgeschlossen dann und nur dann, wenn sie
gleich ihrem Abschluß ist, d.h. A ⊂ X abgeschlossen ⇔ A = A.
Beweis: A ⊂ X abgeschlossen ⇒ A = A
A = A ⇒ A enthält alle Hp. von A ⇒ A ist abgeschlossen.
1.28 Definition. Ein System B von offenen Mengen heißt Basis der Topologie
von X, falls jede offene Menge Vereinigung von Mengen aus B ist.
1.29 Bemerkung.
Sei B ein System von offenen Mengen von X. B ist
genau dann eine Basis der Topologie von X, falls es zu jedem x ∈ X und jeder
Umgebung N von X stets ein V ∈ B gibt mit x ∈ V ⊂ N .
1.30 Beispiel.
1. Sei (X, d) ein metrischer Raum. B := {Kε (x) | x ∈ X, ε > 0} ist eine Basis
der Topologie von X.
2. (Rn , d2 ) mit B = {Kq (x) | x ∈ Qn , q ∈ Q} ist eine abzählbare(!) Basis.
1.31 Satz. Sei B ein nicht leeres System von Teilmengen von X.
S Falls der
Durchschnitt von je endlich vielen Mengen aus B in B liegt und falls V ∈B V = X
ist, so ist B die Basis einer Topologie auf X.
Beweis: U ⊂ X sei als offen definiert, falls U Vereinigungen von Mengen aus B
ist (U = ∅ ist leere Vereinigung). Dann gilt
01: ∅, X sind offen.
02: Jede Vereinigung von offenen Mengen ist offen.
S
03: Wenn U1 , . . . , Un offen, also Ui = j∈Ji Vji , dann folgt
U1 ∩ · · · ∩ Un =(
[
Vj11 ) ∩ · · · ∩ (
j1 ∈J1
=
[
(j1 ,...,jn
[
Vjnn )
jn ∈Jn
(Vj11 ∩ · · · ∩ Vjnn )
{z
}
|
)
∈B
9
ist offen.
1.2
Stetige Abbildungen
1.32 Beispiel.
1. Rn ∼
= Rm ⇔ n = m. (schwieriges Problem)
2. X = [0, 1) ⊂ R und Y = S 1 = {x ∈ C | |x| = 1 ⇔ x = eit , t ∈ R}.
Dann ist f : X → Y, t 7→ e2πit stetig und bijektiv, aber f −1 ist nicht stetig.
(Warum?)
1.33 Satz. Seien X, Y topologische Räume. f : X → Y ist stetig ⇔ Urbild
von offenen Mengen unter f ist offen.
Beweis: f : X → Y ist stetig in x wenn gilt: das Urbild jeder Umgebung von
f (x) ist eine Umgebung von x.
Sei f : X → Y stetig und V ⊂ Y offen. Wir werden zeigen f −1 (V ) ist offen.
Sei x ∈ f −1 (V ) ⇒ f (x) ∈ V ⇒ f −1 (V ) ist Umgebung von x, d.h. ∀x ∈ f −1 (V )
gilt f −1 (V ) ∈ U(x) ⇔ f −1 (V ) ist offen.
Sei f −1 (V ) offen für offenes V ⊂ Y . Sei x ∈ X und f (x) ∈ W ⊂ Y eine
Umgebung von f (x) ⇒ ∃ offenes V mit f (x) ∈ V ⊂ W ⊂ Y ⇒ x ∈ f −1 (V ) ⊂
f −1 (W ) ⊂ X ⇒ f −1 (W ) ist Umgebung von x.
1.34 Satz. Seien X, Y, Z topologische Räume und f : X → Y, g : Y → Z stetig
⇒ g ◦ f : X → Z ist stetig.
Beweis: Sei U ⊂ Z offen ⇒ (g ◦ f )−1 (U ) = f −1 (g −1 (U )). g −1 (U ) ⊂ Y ist offen,
da g stetig ⇒ f −1 (g −1 (U )) ⊂ X offen.
1.35 Satz.
Sei f : X → Y stetig und sei A ⊂ X ein Teilraum (mit der
Teilraumtopologie) ⇒ f |A : A → Y ist stetig.
Beweis: Sei U ⊂ Y offen (f |A )−1 (U ) = A ∩ f −1 (U ). Da f stetig ist, ist f −1 (U ) ⊂
X offen ⇒ A ∩ f −1 (U ) ⊂ A ist offen in der Teilraumtopologie.
1.36 Bemerkung. Sei idX : X → X die identische Abbildung x 7→ x. Dann
ist für jeden Teilraum A ⊂ X die Inklusion ıA = idX |A : A → X stetig.
1.37 Satz. Folgende Aussagen sind äquivalent:
1. f : X → Y ist stetig.
2. Ist B die Basis einer Topologie von Y , so ist f −1 (U ) offen für alle U ∈ B.
3. f (A) ⊂ f (A) für alle A ⊂ X.
4. f −1 (B) ⊂ f −1 (B) für alle B ⊂ Y .
10
5. Das Urbild von abgeschlossenen Mengen in Y ist abgeschlossen in X.
Beweis: Übungsaufgabe
1.38 Bemerkung. Ein Homöomorphismus h : X → Y ist eine stetige, bijektive
Abbildung mit stetiger Umkehrabbildung, d.h. h(U ) ⊂ Y ist offen ⇔ U ⊂ X ist
offen. Dann induziert h eine bijektive Abbildung zwischen den Topologien auf X
und Y . X und Y werden dann als topologisch äquivalent betrachtet.
Wir erinnern, daß eine Topologie auf einer Menge X durch ein System O von
offenen Teilmengen mit O1 − O3 gegeben ist.
1.39 Definition. Seien O1 , O2 zwei Topologien auf X. Dann heißt O1 feiner
als O2 , falls O1 ⊃ O2 .
1.40 Bemerkung. Für jede Menge X gilt: Die feinste Topologie ist die diskrete
Topologie Odis bestehend aus allen Teilmengen von X.
Die gröbste Topologie ist die Klumpentopologie OK = {X, ∅}.
Also gilt für jede Topologie auf X:
Odis ⊃ O ⊃ OK .
1.41 Beispiel. Rn+1 ⊃ S n = {x ∈ Rn+1 | kxk = 1}
N = (0, . . . , 0, 1)
S n − {N } ∼
= Rn durch stereographische Projektion, wobei
Rn+1 ⊃ Rn = {(x1 , . . . , xn+1 ) ∈ Rn+1 | xn+1 = 0}
Man berechnet
(x1 , . . . , xn+1 ) 7→ N + λ(x1 , . . . , xn , xn+1 − 1) ∈ Rn
für λ =
1
.
1−xn+1
1.42 Definition. Eine Abbildung f : X → Y heißt offen (abgeschlossen) :⇔
Bilder von offenen (abgeschlossenen) Mengen unter f sind offen (abgeschlossen).
1.43 Bemerkung. Sei f : X → Y bijektiv. Dann ist f ist offen (abgeschlossen)
⇔ f −1 : Y → X ist stetig.
Beweis: Sei U ⊂ X offen (abgeschlossen) ⇔ (f −1 )−1 (U ) = f (U ) ⊂ Y ist offen
(abgeschlossen).
11
Kapitel 2
Kompaktheit und Zusammenhang
2.1
Kompakte Räume
2.1 Definition. Ein topologischer Raum X heißt Hausdorffsch, falls es zu je
zwei Punkten x1 , x2 ∈ X disjunkte offene Mengen V1 , V2 ⊂ X gibt mit xi ∈ Vi .
2.2 Beispiel. Sei (X, d) ein metrischer Raum ⇒ (X, Od ) ist Hausdorffsch.
Beweis: x1 , x2 ∈ X und 0 < δ := d(x1 , x2 ) ⇒ K δ (x1 ) ∩ K δ (x2 ) = ∅.
3
3
2.3 Definition.
Ein topologischer Raum X heißt kompakt, falls jede
Überdeckung von X mit offenen Mengen eine endliche Teilüberdeckung besitzt.
2.4 Beispiel. K ⊂ Rn ist kompakt ⇔ K ist abgeschlossen und beschränkt
(Satz von Heine–Borel: Forster, Analysis II, §3, Satz 5).
2.5 Lemma. Stetige Bilder von kompakten Mengen sind kompakt.
Beweis: f : X →SY sei stetig, surjektiv und X kompakt. Wir wollen zeigen f (X)
ist kompakt. Sei i∈I Ui eine Überdeckung von Y mit offenen Mengen ⇒ f −1 (Ui )
ist eine offene Überdeckung von X, also X = f −1 (Ui1 ) ∪ · · · ∪ f −1 (Uin ).
Da f surjektiv, also f (f −1 (M )) = M ∀M ⊂ Y , folgt f (X) = Y = Ui1 ∪. . . Uin
liefert endliche Teilüberdeckung von Y .
2.6 Satz. Eine reellwertige, stetige Abbildung f : X → R nimmt ihr Infinium
und Suprem an, falls X kompakt ist.
Beweis: f (X) ⊂ R ist kompakt und daher abgeschlossen und beschränkt ⇒
∃x1 , x2 ∈ X mit f (x1 ) = sup{f (x) | x ∈ X} und
f (x2 ) = inf{f (x) | x ∈ X}.
12
2.7 Bemerkung. Eine Teilmenge K ⊂ X ist kompakt, falls K mit der Spurtopologie kompakt ist. ⇒ K ⊂ X ist kompakt ⇔ jede Familie von offenen Mengen
in X, deren Vereinigung K enthält besitzt eine endliche Teilfamilie, deren Vereinigung auch K enthält.
2.8 Lemma. Sei A ⊂ X abgeschlossen und X kompakt ⇒ A ist kompakt
(Abgeschlossene Teilmengen kompakter Räume sind kompakt.)
S
Beweis: Sei A ⊂ X abgeschlossen und Ui ⊂ X, i ∈ I offen mit A ⊂ i∈I Ui ⇒
[
Ui ∪ (X
− A})
| {z
i∈I
offen
ist eine offene Überdeckung von X
⇒ X = Ui1 ∪ · · · ∪ Uin ∪ (X − A) ⇒ A ⊂ Ui1 ∪ · · · ∪ Uin .
2.1.1
Peano-Kurven (Raumfüllende Kurven)
2.9 Satz. Es gibt eine stetige, surjektive Abbildung f : I → ∆, wobei ∆ ⊂ R2
ein gleichseitiges Dreieck ist:
f1 (I)
f2 (I)
Beweis: Die stetige Abbildung fn : I → ∆ sei für alle n ∈ N, wie oben definiert.
Es sei n ≥ m. Zu t ∈ [0, 1] gibt es k mit k/4m ≤ t ≤ (k + 1)/4m . Dann sind
fm (t) und fn (t) in einem Dreieck mit Seitenlänge 1/2m enthalten. Es folgt:
kfm (t) − fn (t)k ≤
1
,
2m
d.h. die Folge fn konvergiert gleichmäßig. Es folgt, daß die Funktion f (t) :=
limn→∞ fn (t) stetig ist.
Sei y ∈ ∆ gegeben. Es folgt, daß d(y, fn (I)) ≤ 21n gilt. Da kfn (t) − f (t)k ≤
1
∀ t ∈ I ist, folgt für t0 ∈ I mit d(y, fn (t0 )) < 1/2n , daß
2n
kf (t0 ) − yk ≤
1
1
1
+ n = n−1 .
n
2
2
2
Also ist y Hp. von f (I). Da f (I) kompakt und abgeschlossen ist, folgt y ∈ f (I) ⇒
f ist surjektiv.
13
2.2
Kompaktheit und Hausdorff-Räume
2.10 Definition. Sei X topologischer Raum und A ⊂ X. Eine Umgebung N
von A ist eine Teilmenge N ⊂ X mit N ist Umgebung für alle Punkte aus A, N
◦
Umgebung von A ⊂ X ⇔ N ∈ U(a) für alle a ∈ A ⇔ A ⊂ N .
2.11 Lemma. Sei X Hausdorffsch und A ⊂ X kompakt. Dann besitzen y0 ∈
X − A und A disjunkte Umgebungen.
Beweis: Sei z ∈ A. Da X Hausdorffsch ist, gibt es offene Umgebungen Uz und
Vz mit y0 ∈ Uz , z ∈ VSz und Uz ∩ Vz = ∅. Dann ist {Vz | z ∈ A} ein System von
offener Mengen mit z∈A Vz ⊃ A ⇒ A ⊂ Vz1 ∪ · · · ∪ Vzn =: V . Wir definieren
◦
U := Uz1 ∩ · · · ∩ Uzn . Dann sind V, U ⊂ X offen, y0 ∈ U, A ⊂ V = V und
U ∩ V =(Vz1 ∪ · · · ∪ Vzn ) ∩ (Uz1 ∩ · · · ∩ Uzn )
= (Vz1 ∩ Uz1 ∩ · · · ∩ Uzn ) ∪ · · · ∪ (Vzn ∩ Uz1 ∩ · · · ∩ Uzn ) = ∅,
{z
}
{z
}
|
|
∅
∅
denn Uzi ∩ Vzi = ∅.
2.12 Korollar. Kompakte Teilmengen Hausdorffscher Räume sind abgeschlossen.
Beweis: Sei K ⊂ X kompakt, X Hausdorffsch. X − K ist aber offen nach
Lemma 2.11 . K ist abgeschlossen.
2.13 Satz.
Eine stetige Bijektion einer kompakten Menge auf einen Hausdorffraum ist ein Homöomorphismus.
Beweis: Sei f : X → Y stetig, bijektiv, X kompakt und Y Hausdorffsch. f −1
ist stetig ⇔ f ist abgeschlossen. Sei A ⊂ X abgeschlossen ⇒ A ⊂ X ist kompakt
⇒ f (A) ⊂ Y ist kompakt.
2.2.1
Bolzano–Weierstrass Eigenschaft
2.14 Satz. Jede unendliche Teilmenge eines kompakten Raumes besitzt einen
Häufungspunkt.
!
Beweis: Sei S ⊂ X und S habe keinen Häufungspunkt in X ⇒ #S < ∞. Sei
x ∈ X ⇒ Es gibt eine offene Umgebung Ux von x ∈ X mit
(
{x} falls x ∈ S
Ux ∩ S =
∅
falls x 6∈ S.
S
Es gilt dann X = x∈X Ux und S ⊂ X = Ux1 ∪ · · · ∪ Uxn , aber jedes Uxj enthält
höchstens ein Element aus S ⇒ #S < ∞.
14
2.2.2
Lebesguesches Lemma
2.15 Definition. Sei (X, d) metrischer Raum und A ⊂ X. Der Durchmesser
von A sei d(A) := sup{d(x, y) | x, y ∈ X}. A heißt beschränkt, falls A endlichen
Durchmesser in X hat.
2.16 Satz. Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum und sei {Ui | i ∈ I}
eine offene Überdeckung von X. Dann gibt es ein λ > 0 (Lebesgue–Zahl der
Überdeckung), so daß jede Teilmenge von X mit einem Durchmesser kleiner als
λ in einer Menge Ui enthalten ist.
Beweis: Annahme, das Lemma ist falsch. Dann gibt es eine Folge von Teilmengen An ⊂ X, kein An ist in einer der Umgebungen Ui enthalten und d(An ) ≤ n1 .
Zu jedem n ∈ N wähle man xn ∈ An . Betrachte {xn }n∈N .
1. #{xn | n ∈ N} < ∞ ⇒ Ein Punkt y kommt unendlich oft vor.
2. #{xn } = ∞
⇒ Es gibt einen Häufungspunkt y.
Sei y der Häufungspunkt oder der Punkt der unendlich oft vorkommt und Ui0
sei ein Element aus der Überdeckung mit y ∈ Ui0 . Wähle ε > 0 mit Kε (y) ⊂
Ui0 und wähle N ∈ N so groß, daß d(AN ) < 2ε und xN ∈ K 2ε (y). Dann folgt
d(xN , y) < 2ε und d(x, xN ) < 2ε für alle x ∈ AN ⇒ d(y, x) < ε für alle x ∈ AN ⇒
AN ⊂ Ui0 . Dies widerspricht der Wahl der {An }.
2.3
Produkte von topologischen Räumen
Seien X, Y topologische Räume. X × Y := {(x, y) | x ∈ X, y ∈ Y }
X × Y soll ein topologischer Raum werden, aber wie?
Wir haben die kanonischen Projektionen:
p1 :X × Y → X, (x, y) 7→ x
p2 :X × Y → Y, (x, y) 7→ y
Motivation: Falls U ⊂ S 1 , V ⊂ I offen ist ⇒ U × V ⊂ S 1 × I ⊂ R3 ist offen.
Auf der anderen Seite sei W ⊂ S 1 × I offen und x0 ∈ W ⇒ Es gibt offene
Umgebungen U ⊂ S 1 und V ⊂ I mit x0 ∈ U × V ⊂ W .
2.17 Definition. Seien X, Y topologische Räume. B := BX×Y sei die Familie
aller Teilmengen
S von X × Y von der Form U × V wobei U ⊂ X und V ⊂ Y offen
sind. Es gilt W ∈B W = X × Y und der endliche Durchschnitt von Mengen aus
B ist wieder in B. Also ist B die Basis einer Topologie OX×Y auf X × Y . X × Y
mit dieser Topologie heißt das Produkt der topologischen Räume X, Y und die
Topologie heißt Produkttopologie.
15
2.18 Bemerkung. Mit Induktion wird alles auf das Produkt endlich vieler
Faktoren verallgemeinert.
2.19 Satz. Falls X × Y die Produkttopologie trägt, so sind die kanonischen
Projektionen stetig und offen. Die Produkttopologie ist die gröbste Topologie auf
X × Y , für die die kanonischen Projektionen stetig werden.
Beweis: U ⊂ X offen ⇒ p−1
1 (U ) = U × Y und U × Y ⊂ X × Y ist offen ⇒ p1
ist stetig, analog für p2 .
Sei U × V ⊂ X × Y ein Element aus der Basis BX×Y ⇒ p1 (U × V ) = U ⊂ X
ist offen. Da jede offene Menge in X × Y Vereinigung von Mengen aus BX×Y ist,
folgt p1 ist offen. Für p2 folgt alles analog.
Sei jetzt eine Topologie O auf X ×Y gegeben, so daß p1 und p2 stetig sind. Sei
−1
−1
−1
U ⊂ X und V ⊂ Y ⇒ p−1
1 (U )∩p1 (V ) ⊂ X ×Y ist offen, aber p1 (U )∩p2 (V ) =
(U × Y ) ∩ (X × V ) = U × V ⇒ die Mengen aus BX×Y sind offen ⇒ OX×Y ⊂ O.
2.20 Lemma. Eine Abbildung f : Z → X × Y ist genau dann stetig, wenn die
Abbildungen p1 ◦ f : Z → X und p2 ◦ f : Z → Y stetig sind.
Beweis: Angenommen, pi ◦ f ist stetig, i = 1, 2. Sei U × V ∈ BX×Y . Dann gilt:
f −1 (U × V ) = f −1 (U × Y ) ∩ f −1 (X × V )
−1 −1
= f −1 (p−1
(p2 (V ))
1 (U )) ∩ f
−1
= (p1 ◦ f ) (U ) ∩ (p2 ◦ f )−1 (V )
Also ist f −1 (U × V ) ist als Durchschnitt zweier offener Mengen offen. Damit
ist f stetig.
Sei umgekehrt f stetig. Dann sind auch pi ◦ f stetig, denn die pi sind stetig.
2.21 Lemma. X × Y ist Hausdorffsch ⇔ X und Y sind Hausdorffsch.
Beweis: Übung.
2.22 Lemma. Sei X ein topologischer Raum und B eine Basis für die Topologie
von X. X ist kompakt ⇔ Jede Überdeckung mit Mengen aus B besitzt eine
endliche Teilüberdeckung.
Beweis: “⇒ ”ist trivial. “⇐ ”: Sei {Ui | i ∈ I} eine offene
S Überdeckung
von X. Dann gibt es für jedes i ein Menge Bi ⊂ B mit Ui = V ∈Bi V . Es ist
dann {V | V ∈ Bi , i ∈ I} eine offene Überdeckung von X. Nach Annahme gibt
es endlich viele solche Mengen V , die X überdecken. Da V ⊂ Ui für V ∈ Bi
überdecken auch endlich viele Ui den Raum X.
16
2.23 Satz. X × Y ist kompakt ⇔ X und Y sind kompakt.
Beweis: “⇒”: folgt aus
S p1 , p2 stetig und surjektiv.
“⇐”: Sei X ×Y = i∈I (Ui ×Vi ) eine Überdeckung mit Basis-offenen Mengen.
Für x ∈ X ist p2 : {x} × Y → Y ein Homöomorphismus. Da Y kompakt ist, folgt
{x} × Y ⊂ X × Y ist kompakt. Also gibt es eine endliche Menge I(x) ⊂ I mit
[
{x} × Y ⊂
Ui × Vi .
i∈I(x)
T
Dann gilt x ∈ U x := i∈I(x) Ui ist eine offene Umgebung von x in X. Da X ist
kompakt, gibt es x1 , . . . , xr ∈ X mit X = U x1 ∪ · · · ∪ U xr . Es gilt:
X × Y = (U x1 × Y ) ∪ · · · ∪ (U xr × Y ) und
U xk × Y ⊂
[
Ui × Vi
i∈I(xk )
für k = 1, . . . , n. Es folgt
X ×Y =
r
[
[
Ui × Vi
k=1 i∈I(xk )
ist endliche Teilüberdeckung von X × Y .
2.4
Zusammenhang
2.24 Bemerkung. Die topologischen Räume R, R2 , S 1 × S 1 , . . . scheinen aus
einem Stück zu bestehen. Es ist nicht schwer, diese Vorstellung zu präzisieren.
Falls X zusammenhängend ist und X = A ∪ B, wobei A 6= ∅ 6= B ist, dann
erwarten wir, daß A und B sich schneiden, oder zumindest aneinander anstoßen.
Wir drücken dies mathematisch dadurch aus, daß Ā ∩ B oder B̄ ∩ A nicht leer
sein soll.
2.25 Beispiel. [0, 1] = [0, 12 ) ∪ [ 12 , 1] und [0, 12 ) ∩ [ 21 , 1] 6= ∅.
2.26 Definition.
Ein topologischer Raum X heißt zusammenhängend, falls
für jede Zerlegung X = A ∪ B in nicht leere Mengen A, B gilt: Ā ∩ B 6= ∅ oder
A ∩ B̄ 6= ∅.
2.27 Satz. R ist zusammenhängend.
17
Beweis: Annahme R = A ∪ B, A 6= ∅ 6= B und A ∩ B = ∅.
Wir werden zeigen, daß ein Punkt aus A Hp. von B ist oder umgekehrt.
Wähle a ∈ A, b ∈ B und o.B.d.A sei a < b.
Sei X := {x ∈ A | x < b} und s := sup(X) ≤ b.
1. Fall s ∈
/ A, d.h. s ∈ B. Da s ∈ Ā wegen der Definition des Supremums folgt
s ∈ Ā ∩ B.
2. Fall s ∈ A ⇒ s < b und alle Punkte zwischen s und b liegen in B (s ist obere
Schranke) ⇒ s ∈ B̄ ⇒ s ∈ A ∩ B̄.
2.28 Definition.
1. Ein Teilraum Y ⊂ X heißt zusammenhängend, falls Y mit der Teilraumtopologie zusammenhängend ist.
2. Eine Teilmenge J ⊂ R heißt Intervall, falls für a, b ∈ J alle x ∈ R mit
a < x < b in J liegen.
2.29 Satz. Eine Teilmenge von R ist genau dann zusammenhängend, wenn sie
ein Intervall ist.
Beweis: Daß jedes Intervall zusammenhängend ist beweist man wie im letzten
Satz.
Sei X ⊂ R kein Intervall ⇒ ∃ a, b ∈ X und p ∈ R − X mit a < p < b. Es
sei A := {x ∈ X | x < p} und B := X − A. Da p 6∈ X, ist jeder Punkt aus dem
Abschluß von A in X kleiner als p und jeder Punkt aus dem Abschluß von B in
X ist größer als p. Es folgt Ā ∩ B = ∅ und A ∩ B̄ = ∅.
2.30 Satz.
valent:
Folgende Bedingungen an einen topologischen Raum X sind äqui-
(i) X ist zusammenhängend (X = A ∪ B, A, B 6= ∅ ⇒ A ∩ B̄ 6= ∅ oder Ā ∩ B 6=
∅).
(ii) Die einzigen gleichzeitig offenen und abgeschlossenen Teilmengen von X
sind ∅ und X.
(iii) X ist nicht disjunkte Vereinigung von offenen nichtleeren Teilmengen.
(iv) Es gibt keine stetige surjektive Funktion ϕ : X → {0, 1} (diskrete Topologie).
18
Beweis:
(i) ⇒ (ii): Sei X zusammenhängend und sei A ⊂ X offen und abgeschlossen.
⇒ B := X − A ist offen und abgeschlossen, insbesondere A = Ā und B = B̄.
⇒ A ∩ B̄ = B ∩ Ā = ∅. Da X zusammenhängend ist, folgt A = ∅ oder B = ∅.
(ii) ⇒ (iii): X = A ∪ B, A, B offen und A ∩ B = ∅ ⇒ A, B sind offen und
abgeschlossen ⇒ A = ∅ oder B = ∅.
(iii) ⇒ (iv): Sei ϕ : X → {0, 1} stetig und surjektiv. Dann ϕ−1 (0), ϕ−1 (1)
sind offen, nichtleer, disjunkt und ϕ−1 (0) ∪ ϕ−1 (1) = X.
(iv) ⇒ (i): Sei X ein topologischer Raum, der (iv) erfüllt, aber nicht zusammenhängend ist. X = A ∪ B, A, B 6= ∅, Ā ∩ B = ∅ = A ∩ B̄. Es gilt, daß
A, B ⊂ X offen sind, denn B = X − Ā und A = X − B̄.
⇒
(
0 falls x ∈ A
ϕ(x) :=
1 falls x ∈ B
ist stetig und surjektiv.
2.31 Lemma. Das stetige Bild eines zusammenhängenden Raumes ist zusammenhängend.
Beweis: Sei f : X → Y stetig und surjektiv und X sei zusammenängend. Falls
A ⊂ Y offen und abgeschlossen ist, so ist f −1 (A) ⊂ X offen und abgeschlossen ⇒
f −1 (A) = X oder f −1 (A) = ∅ ⇒ A = Y oder A = ∅ ⇒ Y ist zusammenhängend.
2.32 Korollar. Sei h : X → Y ein Homöomorphismus. Dann ist X genau
dann zusammenhängend, wenn Y zusammenhängend ist.
2.33 Definition. Ein Teilraum Z ⊂ X heißt dicht, falls Z̄ = X gilt.
2.34 Lemma. Falls Z ⊂ X dicht und zusammenhängend ist, dann ist auch X
zusammenängend.
Beweis: Sei ∅ 6= A ⊂ X offen und abgeschlossen. Da Z in X dicht ist, muß Z jede
offene Menge in X schneiden ⇒ A∩Z 6= ∅. A∩Z ist offen und abgeschlossen in Z.
Da Z zusammenhängend ist, folgt A ∩ Z = Z, d.h. Z ⊂ A ⇒ X = Z̄ ⊂ Ā = A.
2.35 Korollar. Falls Z ⊂ X zusammenhängend und Z ⊂ Y ⊂ Z̄, so ist Y
zusammenhängend. (Insbesondere ist Z̄ zusammenhängend.)
Beweis: Der Abschluß von Z in Y ist ganz Y . Wende Lemma 2.34 auf das Paar
Z ⊂ Y an.
19
2.36 Definition. Zwei Teilmengen A und B von X heißen getrennt in X, wenn
Ā ∩ B̄ = ∅.
2.37 Satz. Sei F eine Familie von Teilmengen von X, deren Vereinigung X ist.
Falls alle Elemente von F zusammenhängend sind und falls keine zwei Elemente
aus F in X getrennt sind, so ist X zusammenhängend.
Beweis: Sei A ⊂ X offen und abgeschlossen gleichzeitig. Wir werden zeigen,
daß A = ∅ oder A = X.
F ∈ F ist zusammenhängend ⇒ F ∩ A = ∅ oder F ∩ A = F .
Falls F ∩ A = ∅ ist für alle F ∈ F ⇒ A = ∅.
Sonst gibt es ein F0 ∈ F mit F0 ∩ A = F0 ⇔ F0 ⊂ A.
Sei F0 6= F1 ∈ F. Falls F1 ∩ A = ∅ ist, so sind F1 und F0 in X getrennt.
(Denn F1 ∩ A = ∅ ⇒ F̄1 ⊂ X − A = X − A, da X − A abgeschlossen, aber
F̄0 ⊂ Ā = A ⇒ F̄0 ∩ F̄1 = ∅.)
Es sind aber
S keine zwei Elemente aus F getrennt in X ⇒ F ⊂ A für alle
F ∈ F ⇒ A ⊃ F ∈F F = X ⇒ A = X.
2.38 Satz. X und Y sind zusammenhängend ⇔ X × Y ist zusammenhängend.
Beweis: Wegen Lemma 2.31 brauchen wir nur ⇒“ zu zeigen. Für x ∈ X ist
”
{x} × Y ⊂ X × Y zusammenhängend, analog ist X × {y} zusammenhängend.
Dann ist Z(x, y) := {x} × Y ∪ X × {y} ist zusammenhängend, denn (x, y) ∈
{x} × Y ∩ X × {y} 6= ∅. Da
[
X ×Y =
Z(x, y).
x∈X,y∈Y
und je zwei Z(x, y) nicht leeren Durchschnitt haben, folgt X × Y zusammenhängend.
2.39 Beispiel.
1. Rn ist zusammenhängend.
2. S n − {p} ∼
= Rn ist zusammenhängend für n ≥ 1 ⇒ S n − {p} = S n ist
zusammenhängend.
3. S 1 × S 1 ist zusammenhängend.
2.40 Definition.
a) Ein Weg in einem topologischen Raum X ist eine stetige Abbilding γ :
[0, 1] → X, γ(0) bzw. γ(1) ist der Anfangspunkt bzw. Endpunkt. γ verbindet γ(0) mit γ(1).
20
b) X heißt wegweise zusammenhängend, wenn je zwei Punkte in X durch einen
Weg verbunden werden können.
2.41 Bemerkung.
a) γ : [0, 1] → X, t 7→ γ(1 − t) ist ein Weg in X, der γ(1) mit γ(0) verbindet.
b) Falls f : X → Y stetig ist und γ : [0, 1] → X ein Weg ist folgt: f ◦ γ :
[0, 1] → Y ist ein Weg.
c) Falls h : X → Y ein Homöomorphismus, dann ist X genau dann wegweise
zusammenhängend, wenn Y wegweise zusammenhängend ist.
2.42 Lemma. Jeder wegweise zusammenhängende topologische Raum ist zusammenhängend.
Beweis: Sei ∅ 6= A ⊂ X offen und abgeschlossen. Angenommen A 6= X. Wähle
x ∈ A, y ∈ X − A und verbinde X und Y durch einen Weg γ : [0, 1] → X
⇒ γ −1 (A) ⊂ [0, 1] ist nicht leer, offen und abgeschlossen. Da y ∈ X − A ist, folgt
γ −1 (A) 6= [0, 1], ∅. Dies widerspricht [0, 1] zusammenhängend.
2.43 Satz. Sei X ein zusammenhängender topologischer Raum. Besitzt jeder
Punkt x ∈ X eine Umgebung N ∈ U(x) die wegweise zusammenhängend ist,
dann ist auch X wegweise zusammenhängend.
Beweis: Sei x ∈ X und A ⊂ X sei die Menge der Punkte, die sich mit x durch
einen Weg in X verbinden lassen. x ∈ A 6= ∅. A ist offen, denn jeder Punkt
y ∈ X besitzt eine Umgebung, die wegweise zusammenhängend ist (vgl. auch
Beispiel 3.31). X − A ist offen, denn sei y ∈ X − A und N ∈ U(y) eine wegweise
zusammenhängende Umgebung. Es folgt N ∩ A = ∅, denn sonst ist y ∈ A. Also,
∅ 6= A ⊂ X ist offen und abgeschlossen ⇒ A = X.
2.44 Beispiel.
1. Offene und zusammenhängende Teilmengen (sogenannte Gebiete) vom Rn
sind wegweise zusammenhängend. Kε (x) ist wegweise zusammenhängend
für alle x ∈ Rn und alle ε > 0.
2. Es gibt topologische Räume, die zusammenhängend, aber nicht wegweise
zusammenhängend sind:
Y := {(0, y) ∈ R2 | −1 ≤ y ≤ 1}
1
Z := {(x, sin ) ∈ R2 | 0 < x ≤ 1}
x
X := Y ∪ Z ⊂ R2
Z ist als stetiges Bild einer zusammenhängenden Menge zusammenhängend.
Z̄ = X in R2 ⇒ Z ⊂ X ⊂ Z̄ ⇒ X ist zusammenhängend.
Aber X ist nicht wegweise zusammenhängend (Übung!).
21
Kapitel 3
Quotiententopologie
Wir wollen aus einfachen topologischen Räumen kompliziertere Räume konstruieren, z.B. das Möbiusband aus dem Rechteck R = [0, 3]×[−1, 1] ⊂ R2 durch identifizieren von zwei gegenüberliegenden Seiten. Das Möbiusband trägt natürlich die
Topologie als Teilraum des R3 . Wir sind jedoch daran interessiert diese Topologie
durch die einfachere des Rechtecks zu beschreiben.
π
3.1 Definition. Sei X eine Menge. SEine Partition P auf X ist eine Familie
von disjunkten Teilmengen von X mit P ∈P P = X.
3.2 Definition. Sei X ein topologischer Raum und P eine Partition auf X.
Es sei π = πP : X → P die natürliche Abbildung π(x) = P , wenn x ∈ P ∈ P
(dies ist wohldefiniert, da P disjunkt). Dann wird eine Topologie auf P definiert
durch
U ⊂ P ist offen ⇔ π −1 (U ) ist offen in X.
Diese Topologie auf P heißt Quotiententopologie.
3.3 Bemerkung.
1. Sei ∼ eine Äquivalenzrelation auf X. Durch ∼ ist eine Partition auf X
gegeben. P∼ = {[x] | x ∈ X} wobei [x] = {y ∈ X | x ∼ y}. Umgekehrt
liefert auch jede Partition P von X eine Äquivalenzrelation ∼P auf X durch:
x ∼P y ⇔ x, y liegen in derselben Menge von P.
22
2. Wir schreiben X/∼ := P, wenn ∼=∼P .
3.4 Beispiel. Sei X = R und ∼ die Äquivalenzrelation: x ∼ y :⇔ x − y ∈ Z.
Die zugehörige Partition ist P∼ = {{x + k | k ∈ Z} | 0 ≤ x < 1}, ist also bijektiv
zu [0,1) oder S 1 (vgl. Beispiel 1.32). Wir werden in Beispiel 3.14 sehen, daß die
Quotiententopologie die Topologie von S 1 ⊂ R2 ist.
3.5 Definition. X, Y seien topologische Räume. Eine surjektive Abbildung f :
X → Y heißt Quotientenabbildung oder Identifikation (kurz: f ist identifizierend)
wenn gilt:
U ⊂ Y ist offen ⇔ f −1 (U ) ⊂ X ist offen.
3.6 Bemerkung.
1. Identifizierende Abbildungen sind stetig.
2. Die Komposition identifizierender Abbildungen ist identifizierend.
3. πP : X → P ist identifizierend für jede Partition P auf X und der Quotiententopologie auf P.
4. Falls f : X → Y identifizierend, so ist die Topologie auf Y die feinste, für
die f : X → Y stetig ist.
3.7 Satz. Es sei p : X → Y identifizierend und Z ein beliebiger topologischer
Raum. Weiter sei f : Y → Z eine Abbildung. Dann gilt: f : Y → Z ist stetig
⇔ f ◦ p ist stetig.
Beweis: Sei U ⊂ Z offen. Wenn p ◦ f stetig, so ist p−1 (f −1 (U )) ⊂ X ist offen,
also f −1 (U ) ⊂ Y offen, da p identifizierend
3.8 Korollar. Sei f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen topologischen
Räumen verträglich mit Äquivalenzrelationen R auf X und S auf Y (d.h. f ([x]) ⊂
[f (x)] für alle x ∈ X. Dann induziert f eine stetige Abbildung f¯ : X/R → Y /S.
Beweis: Es ist q ◦ f : X → Y /S stetige Abbildung, p : X → X/R identifizierend
und f¯ ◦ p = q ◦ f .
3.9 Bemerkung. Ist f : X → Y ein Homöomorphismus und sind f, f −1 mit
Relationen R, S verträglich, so ist f¯ ein Homöomorphismus.
3.10 Definition. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y stetig und
surjektiv. Dann ist
Pf := {f −1 (y) | y ∈ Y }
eine Partition auf X. Es sei X/f der Quotientenraum zu dieser Partition und
pf : X → X/f, x → f −1 (f (x)) die Projektion. Es sei f¯ : X/f → Y definiert
durch f¯(f −1 (y)) = y.
23
3.11 Satz. Es ist f : X → Y identifizierend ⇔ f¯ ist ein Homöomorphismus.
Beweis: ” ⇐ ” folgt unmittelbar aus p = pf identifizierend. Sei f : X → Y
identifizierend. Sei U ⊂ X/f offen. Dann ist p−1 (U ) = f −1 (f¯(U )) ⊂ X offen.
Da f identifizierend ist, muß f¯(U ) offen sein. Also ist f¯ offen und daher ein
Homöomorphismus.
3.12 Lemma. Ist p : X → Y eine stetige, offene (oder abgeschlossene) Surjektion, so ist p identifizierend.
Beweis: Zu zeigen: Für eine Menge U ⊂ Y gilt: p−1 (U ) ⊂ X ist offen ⇒ U ⊂ Y
ist offen.
1. Wenn p offen ist: p−1 (U ) ist offen ⇒ p(p−1 (U )) = U ist offen.
2. Wenn p abgeschlossen ist: X − p−1 (U ) = p−1 (Y − U ) ⊂ X ist abgeschlossen
⇒ p(p−1 (Y − U )) = Y − U ist abgeschlossen ⇒ U ⊂ Y offen.
3.13 Korollar.
Sei X kompakt und Y Hausdorffsch. Dann ist jede stetige
Surjektion p : X → Y identifizierend.
Beweis: klar, da p abgeschlossen ist.
3.14 Beispiel. Betrachte f : R → S 1 definiert durch f (t) = e2πit und die Partition P = P∼ , aus Beispeil 3.4, auf R. Da Pf = P induziert f eine stetige bijektive
Abbildung R/ ∼→ S 1 . Da R/ ∼ kompakt (warum?) und S 1 Hausdorffsch, ist f¯
ein Homöomorphismus.
3.15 Beispiel. Sei X := [0, 1] × [0, 1] ⊂ R2 mit der Teilraumtopologie und
den Partitionsmengen {(0, 0), (1, 0), (0, 1), (1, 1)}, {(x, 1), (x, 0)} für 0 < x < 1,
{(1, y), (0, y)} für 0 < y < 1 und {(x, y)} für 0 < x < 1, 0 < y < 1. Die zugehörige
Partition ist gerade Pf für f : [0, 1] × [0, 1] → S 1 × S 1 , (t, s) 7→ (e2πit , e2πis ). Also
induziert f die stetige Bijektion
X/f → S 1 × S 1 .
Da [0, 1] × [0, 1] kompakt und S 1 × S 1 Hausdorffsch ist f¯ ein Homöomorphismus.
f
24
3.16 Beispiel. Sei X topologischer Raum.
Betrachte X × I und P := {{X × {1}}, {x, t} | x ∈ X, 0 ≤ t < 1}
Der Quotientenraum zu dieser Partition heißt Kegel CX über X.
3.17 Beispiel. Zusammenschlagen eines Teilraums. Sei A ⊂ X und
x ∼A y ⇔ x = y oder x, y ∈ A,
P = {A, {x} | x ∈ X − A}
Der Quotientenraum zu dieser Äquivalenzrelation heißt Quotient von X nach
A: X/A. Z.B. : CX = X × I/X × {1} und X/{x0 } = X für x0 ∈ X ein Punkt.
3.18 Beispiel. Dn := {x ∈ Rn | kxk ≤ 1} ⊃ S n−1 = {x ∈ Rn | kxk = 1}
Dann gilt:
Dn /S n−1 ∼
= S n.
Konstruiere f : Dn → S n , welche bijektiv auf Dn − S n−1 ist und S n−1 auf
einen Punkt abbildet. Wegen Definition 3.8 induziert f eine stetige Bijektion
f¯ : Dn /S n−1 → S n , die ein Homömorphismus ist wegen Dn /S n−1 kompakt und
S n Hausdorff. Hier ist eine explizite Beschreibung von f :
h1 : Dn − S n−1 ∼
= Rn , x 7→
x
x
, h−1
1 : x 7→
1 − kxk
1 + kxk
h2 : Rn → S n \{N } Stereographische Projektion.
f (x) :=
½
h2 h1 (x) für x ∈ Dn \S n−1
N
für x ∈ S n−1
Dann gilt: f ist stetig. (Übung)
3.19 Definition.
SeiSXα , α ∈ J, eine Familie topologischer Räume und
X = ∐α∈J Xα die Menge α∈J Xα × {α}. Es seien iα : Xα → X die Abbildungen
x 7→ (x, α). Die disjunkte Vereinigung oder Summe ist die Menge X versehen
mit der folgenden Topologie: Es sei U ⊂ X offen ⇔ i−1
α (U ) ⊂ Xα ist offen für
alle α ∈ J.
3.20 Beispiel. Sind X, Y topologische Räume, so ist X ∐ Y die Menge X ×
{0} ∪ Y × {1} und mit offenen Mengen U × {0} ∪ V × {1} für offene Mengen
U ⊂ X und V ⊂ Y .
3.21 Satz. Sei X = ∐α∈J Xα eine Summe und f : X → Z eine Abbildung in
einen topologischen Raum Z. Dann ist f stetig ⇔ f ◦ iα : Xα → Z sind stetig
für alle α ∈ J.
Beweis: folgt unmittelbar aus der Definition.
25
3.22 Bemerkung.
letzten Satz).
Die Inklusionen iα : Xα → X sind stetig (wähle f = id im
3.23 Beispiel. Nimm zwei Kopien desselben Raumes X. Dann ist X ∪ X = X,
aber X ∐ X 6∼
= X, wenn X 6= ∅.
3.24 Beispiel. Ankleberäume : Seien X, Y topologische Räume und A ⊂ Y ein
Teilraum. f : A → X sei eine stetige Abbildung.
X ∪f Y := X ∐ Y / ∼
mit x ∼ y :⇔ x = y oder x ∈ A und y = f (x).
f heißt Klebeabbildung, wie kleben Y mit f entlang A an X.
3.25 Beispiel. Betrachte c : S n−1 → {∗} = einpunktiger Raum.
Dann gilt: Dn ∪c {∗} ≃ S n . Beweis Übung.
3.1
Stückweise Definition von Abbildungen
Wir untersuchen wann sich stetige Abbildungen auf Unterräumen eines topologischen Raumes zu stetigen Abbildungen auf dem Gesamtraum zusammensetzen.
3.26 Definition. Eine Familie Vα von Teilmengen eines topologischen Raumes
X heißt lokal endlich, wenn es zu jedem Punkt x ∈ X eine Umgebung U gibt,
die nur endlich viele Vα schneidet.
3.27 Lemma. Die Vereinigung einer lokal endlichen Familie abgeschlossener
Menge ist abgeschlossen.
Beweis: Sei V die Vereinigung der abgeschlossenen Mengen Vα und x ein Hp. von
V . Sei U eine OBdA offene Umgebung von x, die nur endlich viele Vα schneidet.
Dann ist x auch Hp. von U ∩ V in U (Warum?). Es ist U ∩ V abgeschlossen in U ,
denn jede Menge U ∩ Vα ⊂ U ist abgeschlossen in U und U ∩ V ist Vereinigung
endlich vieler solcher Mengen. Also x ∈ V und V enthält alle Hp. von V , ist also
abgeschlossen.
3.28 Satz. Sei
S Xα , α ∈ J, eine Familie von Unterräumen eines topologischen
Raumes X mit α∈J Xα = X und
a) alle Xα sind offen, oder
b) alle Xα sind abgeschlossen und die Familie der Xα ist lokal endlich.
Dann ist die Abbildung j : ∐α Xα → X definiert durch j(x, α) = x für
x ∈ Xα , α ∈ J identifizierend.
26
Beweis:
a): Sei U ⊂ X und j −1 (U ) ⊂ ∐Xα sei offen, d.h. U ∩ XαS⊂ Xα ist offen für
alle α. Dann ist U ∩ Xα ⊂ X offen (da Xα offen) und U = α U ∩ Xα ist offen
in X.
b): Sei V ⊂ X und j −1 (V ) ⊂ ∐Xα sei abgeschlossen für alle α. Dann ist
V ∩X
Sα wiederum zunächst abgeschlossen in Xα , dann in X abgeschlossen und
V = V ∩ Xα ist abgeschlossen, da die Familie V ∩ Xα lokal endlich ist.
3.29 Bemerkung. Allgemein gilt: Angenommen, j : ∐α Xα → X ist identifizierend für eine Überdeckung von X durch Mengen Xα . Es seien iα : Xα → ∐α Xα
die Inklusionen. Da f ◦ j ◦ iα (x) = f |Xα folgt aus der Definition der Topologie
auf der Summe und j identifizierend, daß f : X → Y stetig ist genau dann wenn
f |Xα stetig ist für alle α.
3.30 Korollar.
Sei Xα eine offene oder abgeschlossene lokal endliche
Überdeckung. Dann ist f : X → Y stetig genau dann wenn f |Xα ist stetig
für alle α.
3.31 Beispiel. Zwei Wege α : [0, 1] → X und β : [0, 1] → X setzen sich zu
einem stetigen Weg αβ : [0, 1] → X zusammen, wenn α(1) = β(0) gilt.
(
α(2t)
falls 0 ≤ t ≤ 12 ,
αβ(t) :=
β(2t − 1) falls 12 ≤ t ≤ 1.
3.2
Quotiententopologie und Produkttopologie
3.32 Definition. Ein lokalkompakter Hausdorffraum ist ein Hausdorffraum X,
in dem jede Umgebung U eines Punktes x ∈ X eine kompakte Umgebung K
enthält.
3.33 Beispiel.
Offene oder abgeschlossene Teilmengen Euklidischer Räume
sind lokal kompakte Hausdorffräume. Insbesondere ist I := [0, 1] lokalkompakter
Hausdorffraum.
3.34 Satz. Sei p : X → Y identifizierend und C ein lokal kompakter Hausdorffraum. Dann ist
π = p × idC : X × C → Y × C
identifizierend.
Beweis: Sei A ⊂ Y × C und π −1 (A) ⊂ X × C offen. Wir zeigen: A ist offen in
Y × C, indem wir zu (y0 , c0 ) ∈ A eine offene Umgebung in A finden.
27
11 (x , c )
00
00
11
00
11
00
11
00
11
00U
11
C
0
0
{x} × V
π −1 (A)
i+1
Ui
x
X
p−1 ◦ p(Ui )
Wähle x0 ∈ X mit p(x0 ) = y0 , also π(x0 , c0 ) = (y0 , c0 ). Sei U1 ⊂ X offene
Umgebung von x0 und W ⊂ C Umgebung von c0 mit U1 × W ⊂ π −1 (A). Da C
lokal kompakter Hausdorffraum finden wir Umgebung V von c0 , V̄ kompakt und
V̄ ⊂ W , also U1 × V̄ ⊂ π −1 (A).
Sei allgemein Ui offene Umgebung von x0 mit Ui × V̄ ⊂ π −1 (A). Es ist
−1
p (p(Ui )) ⊃ Ui nicht notwendig offen. Wir konstruieren daher Ui+1 ⊂ X mit
p−1 (p(Ui )) × V̄ ⊂ Ui+1 × V̄ ⊂ π −1 (A)
wie folgt: Für x ∈ p−1 (p(Ui )) ist {x} × V̄ ⊂ π −1 (A). Wegen V̄ kompakt gibt es
eine
x mit Wx × V̄ ⊂ π −1 (A) (Übung!). Dann sei Ui+1 :=
S Umgebung Wx von
−1
Wx . Es gilt Ui ⊂ p (p(Ui )) ⊂ Ui+1 .
Sei U = ∪Ui = U1 ∪ U2 ∪ . . . . Dann ist U × V Umgebung von (x0 , c0 ) mit
U × V̄ ⊂ π −1 (A) und
−1
U ⊂ p (p(U )) =
∞
[
−1
p (p(Ui )) ⊂
1
∞
[
Ui+1 = U,
1
also U = p−1 (p(U )) ⇒ p(U ) ⊂ Y ist offen ⇒ p(U × V ) = π(U × V ) ⊂ A ist offene
Umgebung von (y0 , c0 ) in A.
3.35 Korollar. Seien p : A → B und q : C → D identifizierend mit A, D (oder
B, C) lokalkompakte Hausdorffräume. Dann ist
p×q :A×B →C ×D
identifizierend.
Beweis: p × q = (p × idD ) ◦ (idA × q) und Kompositionen von identifizierenden
Abbildungen sind identifizierend.
28
3.36 Korollar.
Seien R, S Äquivalenzrelationen auf topologischen Räumen
X, Y und es sei R × S die Äquivalenzrelation auf X × Y gegeben durch (x, y) ∼
(x′ , y ′ ) ⇔ x ∼ x′ und y ∼ y ′ . Wenn X und Y /S (oder Y und X/R) lokalkompakte
Hausdorffräume sind, so induziert die Identität auf X ×Y einen Homömorphismus
(X × Y )/(R × S) ∼
= (X/R) × (Y /S).
Beweis: Sind p : X → X/R und q : Y → Y /S die Projektionen, so ist p × q
identifizierend. Es ist Pp×q die Partition zu R × S. Die Behauptung folgt aus
Satz 3.11.
3.37 Satz. Sei F : X × I → Y eine stetige Abbildung (Homotopie) und für
t ∈ I sei Ft (x) = F (x, t). Sei R eine Äquivalenzrelation auf X und Ft verträglich
mit R, d.h. Ft ([x]) = Ft (x) für x ∈ X und t ∈ I. Dann induziert F eine stetige
Abbildung (X/R) × I → Y .
Beweis: Sei S die triviale Äquivalenzrelation t ∼ t′ ⇔ t = t′ auf I. Dann
induziert F eine stetige Abbildung
(X × I)/(R × S) → Y.
Die Identität induziert aber den Homöomorphismus (ebenfalls die Identität)
(X/R) × (I/S) = (X/R) × I ∼
= (X × I)/(R × S),
so daß die induzierte Abbildung (X/R) × I → Y stetig ist.
3.38 Beispiel. Sei F : I × I → X stetig mit Ft (0) = Ft (1) für alle t ∈ I. Dann
induziert F eine stetige Abbildung
F̄ : S 1 × I → X
durch F̄ (e2πis , t) = F (s, t).
3.39 Satz.
Seien X, Y topologische Räume mit Unterräumen A, B und sei
F : X × I → Y mit Ft (A) ⊂ B für alle t ∈ I. Dann induziert F eine stetige
Abbildung
F̄ : X/A × I → Y /B.
Beweis: Dies ist nur Satz 3.37 angewendet auf die stetige Abbildung X × I →
Y → Y /B und die durch A definierte Relation (siehe Beispiel 3.17).
29
Kapitel 4
Übungsaufgaben
(1) Sei X eine Menge und T bestehe aus allen Teilmengen von X mit endlichem
Komplement, und ∅ ∈ T . Zeigen Sie:
(a) T definiert eine Topologie auf X. Welche Topologie ist durch T gegeben,
wenn X endlich ist?
(b) Ist A eine unendliche Teilmenge von X, so ist jeder Punkt in X
Häufungspunkt von A. Ist A eine endliche Teilmenge von X, so hat A keine
Häufungspunkte in X.
(2) Bestimmen Sie A◦ , A und Rd(A) für jede der folgenden Teilmengen A ⊂ R2 .
(a) {(x, y)|1 < x2 + y 2 ≤ 2},
(b) R2 − {(x, y)|x = 0 oder y = 0},
(c) R2 − {(x, sin( x1 )|x > 0}.
(3) Zeigen Sie für A, B ⊂ X:
(a) X − A◦ = X − A,
(b) A ∪ B = A ∪ B, A ∩ B ⊂ A ∩ B, A = A,
(c) (A ∪ B)◦ ⊃ A◦ ∪ B ◦ , (A ∩ B)◦ = A◦ ∩ B ◦ .
Gelten in (b),(c) immer Gleichheit?
(4) Welche Topologie muß ein topologischer Raum X haben, damit jede Funktion
X → R stetig ist?
(5) Zeigen Sie: Die Funktion
h(x) =
ex
1 + ex
ist ein Homöomorphismus R → (0, 1)
(6) Zeigen Sie: Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
(a) f : X → Y ist stetig.
(b) Ist B die Basis einer Topologie von Y , so ist f −1 (U ) offen für alle U ∈ B.
30
(c) f (A) ⊂ f (A) für alle A ⊂ X.
(d) f −1 (B) ⊂ f −1 (B) für alle B ⊂ Y .
(e) Das Urbild von abgeschlossenen Mengen in Y ist abgeschlossen in X.
Hinweis: Zeigen Sie (a)⇒(b)⇒(c)⇒(d)⇒(e)⇒(a).
(7) Zeigen Sie: Je zwei disjunkte kompakte Teilmengen A, B eines Hausdorffraumes besitzen disjunkte Umgebungen (d.h. es gibt U, V offen mit U ∩ V = ∅ und
U ⊃ A, V ⊃ B).
(8) Zeigen Sie, dass die Diagonalabbildung ∆ : X → X × X definiert durch
∆(x) = (x, x) stetig ist und es gilt: X ist Hausdorffsch ⇔ ∆(X) ⊂ X × X ist
abgeschlossen.
(9) Zeigen Sie: X und Y sind Hausdorffsch ⇔ X × Y ist Hausdorffsch.
(10) Zeigen Sie:
Es trage X × Y die Produkttopologie und es seien A ⊂ X und B ⊂ Y
Teilmengen. Dann gilt: A × B = Ā × B̄, (A × B)◦ = A◦ × B ◦ und
Rd(A × B) = Rd(A) × B̄ ∪ Ā × Rd(B).
(11) Zeigen Sie:
(a) Jede konvexe Teilmenge des Rn ist zusammenhängend.
(b) Ist X unendliche Menge mit der Topologie endlicher Komplemente, so ist
X zusammenhängend.
(c) S 1 ∼
6= R, R 6∼
= Rn für n > 1.
(12) Zeigen Sie:
◦
(a) Dn ∼
= Rn .
◦
◦
◦
(b) Zu je zwei Punkten x, y ∈ Dn gibt es einen Homöomorphismus f : Dn →
Dn mit f (x) = y.
(13) Sei 0 < r < R und f : [0, 2π] × [0, 2π] → R3 definiert durch:
f (x, y) = ((R + rcos(x))cos(y), (R + rcos(x))sin(y), rsin(x)).
Zeigen Sie: f induziert einen Homöomorphismus von S 1 × S 1 auf X = Bild(f ) ⊂
R3 (Teilraumtopologie). Wie sieht X aus?
31
Literaturverzeichnis
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Armstrong: Basic Topology. London, McGraw–Hill (1979).
[Du]
Dugundij: Topology. Boston, Allyn and Bacon Inc. (1966).
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Jänich: Topologie. Springer, UNI–Text.
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Massey: Algebraic Topology: An Introduction. Springer (1977).
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[Schu]
Schubert: Topologie. Stuttgart, Teubner (1964).
Weiterführende Literatur:
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Bredon: Topology and Geometry. Springer, GTM 139.
[tDie]
tom Dieck: Topologie. Berlin: de Gruyter (1991).
[GH]
Greenberg, Harper: Algebraic Topology – A first course. London (1981).
[Spa]
Spanier: Algebraic Topology. New York, McGraw–Hill (1966).
[ST]
Seifert, Threlfall: Lehrbuch der Topologie. Leipzig, Teubner (1934).
[SZ]
Stöcker, Zieschang: Algebraische Topologie. Stuttgart, Teubner (1988).
32
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