Scheinklausur zur Topologie

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Prof. M. Eisermann
Topologie
11. Januar 2014
Scheinklausur zur Topologie
Aufgabe 1. Bitte füllen Sie folgendes aus! (2 Punkte)
Name: Musterlösung
Matrikelnummer: Musterlösung
Vorname: Musterlösung
Name des Tutors: Musterlösung
Es gelten die üblichen Klausurbedingungen. Bitte beachten Sie folgende Hinweise:
• Bearbeitungszeit: 120 Minuten
• Erlaubte Hilfsmittel: 6 Seiten DIN A4 eigenhandgeschrieben
• Bearbeitungen mit Bleistift oder Rotstift sind nicht zulässig.
• Bei Multiple-Choice-Fragen gibt es Punkte für jede richtige Antwort, keine Punkte bei
fehlender Antwort, und negative Punkte für jede falsche Antwort (im Mittel jeweils 0).
Eine negative Gesamtpunktzahl der Aufgabe wird als Null gewertet.
Viel Erfolg!
Den unteren Teil dieses Deckblattes bitte für Korrekturvermerke freilassen.
Aufgabe
Punkte
1
2
/2
3
/16
4
/12
5
/16
6
/12
Gesamt
/10
/68
Vorwort zur Musterlösung: Manche Teilnehmer wollen nicht nur ihre Antworten vergleichen,
sondern in der Nachbereitung auch etwas lernen. (Nach der Klausur ist vor der Klausur. ;-)
Da wir neuerdings einen Großteil unserer Lehrzeit auf Prüfungen ausrichten, kann man hoffen
und versuchen, dem Notwendigen etwas Nützliches abzuringen. Daher habe ich Antworten
ausführlicher formuliert, als normalerweise in einer Prüfungssituation nötig und möglich ist.
Zudem versuche ich Ziel und Form der Fragen zu erläutern. Die eine oder der andere wird
lernen wollen, selbst Fragen zu stellen und gut zu formulieren.
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11. Januar 2014
Aufgabe 2. Wahrheit oder Pflicht (16 Punkte)
Beantworten Sie folgende Fragen (bzw. Aussagen) mit ja (= wahr) oder nein (= unwahr). Jede
richtige Antwort gibt einen Punkt, für jede falsche wird ein Punkt abgezogen (Mittelwert 0).
2A. Konvergiert fn (x) =
Pn
in jedem Punkt x ∈ R?
2B. Konvergiert fn (x) =
Pn
gleichmäßig auf ganz R?
k 2k
k=0 (−1) x /(2k)!
k 2k
k=0 (−1) x /(2k)!
2C. Erfüllt jeder metrische Raum das erste Abzählbarkeitsaxiom?
2D. Erfüllt jeder metrische Raum das zweite Abzählbarkeitsaxiom?
2E. Jeder Unterraum eines Hausdorff–Raums ist hausdorffsch.
X Ja
Nein
Ja X Nein
X Ja
Nein
Ja X Nein
X Ja
Nein
2F. Jeder Quotientenraum eines Hausdorff–Raums ist hausdorffsch.
Ja X Nein
2G. Jeder Unterraum eines kompakten Raumes ist kompakt.
Ja X Nein
2H. Jeder Quotientenraum eines kompakten Raumes ist kompakt.
X Ja
Nein
2I. In jedem kompakten Raum ist jede abgeschlossene Teilmenge kompakt.
X Ja
Nein
2J. In jedem Hausdorff–Raum ist jede kompakte Teilmenge abgeschlossen.
X Ja
Nein
2K. Jeder wegzusammenhängende Raum ist zusammenhängend.
X Ja
Nein
2L. Jeder zusammenhängende Raum ist wegzusammenhängend.
Ja X Nein
2M. Die Produkttopologie auf X × Y besteht genau aus
den Produkten U × V mit U ⊂ X offen und V ⊂ Y offen.
Ja X Nein
2N. Die Produkttopologie auf X × Y hat als eine Basis
die Produkte U × V mit U ⊂ X offen und V ⊂ Y offen.
2O. Ist F ein Filter und A ∪ B ∈ F , so folgt A ∈ F oder B ∈ F .
2P. Ist F ein Ultrafilter und A ∪ B ∈ F , so folgt A ∈ F oder B ∈ F .
X Ja
Nein
Ja X Nein
X Ja
Nein
Erläuterung: Diese Fragen dienen zur Wiederholung der Grundbegriffe. Zugehörige Beispiele
und Sätze wurden in Vorlesung und Übung ausgeführt. Sie können und sollen solche Fragen zur
Diagnose nutzen, auch ähnliche selbst entwickeln, um Grundbegriffe gezielt zu wiederholen.
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11. Januar 2014
Aufgabe 3. Ja, nein warum? (3+3+3+3=12 Punkte)
Beantworten Sie folgende Fragen und begründen Sie kurz (womöglich einzeilig, etwa durch
Nennung eines Ergebnisses oder eines Beispiels aus Vorlesung oder Übung).
3A. Sind die Räume R und R2 homöomorph?
II R2 r {q} ist zusammenhängend, aber R r {p} nicht.
Ja X Nein, denn (Anders gesagt: Jeder Punkt trennt R, aber kein Punkt trennt R2 .
Anschaulich ist dies klar, und der Nachweis ist eine leichte Übung.)
3B. Ist der Produktraum [0, 1]N metrisierbar?
X Ja
P
−k
II eine geeignete Metrik ist d(x, y) = ∞
k=0 2 |xk − yk |.
Nein, denn (Jedes abzählbare Produkt metrisierbarer Räume ist so metrisierbar.
Der Hilbert–Würfel [0, 1]N ist Grundlage des Metrisierungssatzes.)
3C. Ist der Produktraum [0, 1]R metrisierbar?
II er erfüllt nicht das erste Abzählbarkeitsaxiom, vgl. 2C.
Ja X Nein, denn (Dieses konkrete Beispiel wurde in der Vorlesung ausgeführt.
Allgemein: Überabzählbare Produkte sind nicht metrisierbar.)
3D. Ist der Produktraum [0, 1]R kompakt?
X Ja
Nein, denn I [0, 1] ist kompakt, und es gilt der I Satz von Tychonoff.
Erläuterung: Diese Fragen dienen zur Wiederholung grundlegender Ergebnisse. Gefragt ist,
ein einfaches Beispiel richtig einzuordnen und das passende Werkzeug zu nennen. Leichter aber
langweiliger wäre die Rezitation: Für welche n ist Rn r {0} zusammenhängend? Wann heißt
eine Topologie metrisierbar? Wie lautet das erste Abzählbarkeitsaxiom? Was besagt der Satz
von Tychonoff? (Siehe Aufgabe 5 und 6.) Der obige Fragentyp fordert die Kenntnis dieser
grundlegenden Ergebnisse und erfragt sie vom Ausgangspunkt typischer Anwendungsbeispiele.
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Aufgabe 4. Kennst Du das Land, wo die Quotienten blühen? (4+4+4+4=16 Punkte)
Identifizieren Sie folgende Quotientenräume. Jede richtige Antwort gibt 4 Punkte, jede falsche
einen Punkt Abzug (Mittelwert 0). Genau eine der fünf Antwortmöglichkeiten ist richtig.
p
Wie für x ∈ Rn üblich sei |x| = x21 + · · · + x2n die euklidische Norm, Dn = x ∈ Rn |x| ≤ 1
der abgeschlossene Einheitsball und Sn−1 = x ∈ Rn |x| = 1 die Einheitssphäre.
4A. Auf D2 definieren wir die Äquivalenzrelation x ∼ y durch die Bedingung |x| = |y|. Der
Quotientenraum D2 /∼ ist homöomorph zu:
X D1
D2
S1
S2
keinem der vier genannten Räume
4B. Auf D2 definieren wir die Äquivalenzrelation x ∼ y durch die Bedingung x = y oder
|x| = |y| = 1. Der Quotientenraum D2 /∼ ist homöomorph zu:
D1
D2
S1
X S2
keinem der vier genannten Räume
4C. Auf D2 definieren wir die Äquivalenzrelation x ∼ y durch die Bedingung x = y oder
max{|x|, |y|} ≤ 1/2. Der Quotientenraum D2 /∼ ist homöomorph zu:
D1
X D2
S1
S2
keinem der vier genannten Räume
4D. Auf D2 definieren wir die Äquivalenzrelation (x1 , x2 ) ∼ (y1 , y2 ) durch die Bedingung x1 = y1
oder |x1 | = |y1 | = 1. Der Quotientenraum D2 /∼ ist homöomorph zu:
D1
D2
X S1
S2
keinem der vier genannten Räume
Erläuterung: Dies ist die einzige Aufgabe dieser Klausur, die nicht gänzlich reproduktiv ist.
Die Quotienten kann man durch Anschauung finden und durch eine Skizze plausibel begründen.
(Versuchen Sie es!) Das Format eins aus fünf“ scheint mir hier geeignet, da es vereinfacht aber
”
wenig verzerrt. Realistischer aber auch anspruchsvoller ist es, explizite Homöomorphismen zu
finden. (Versuchen Sie auch dies!) Da D2 kompakt ist und Dn , Sn hausdorffsch, genügt es, eine
stetige Surjektion mit der gewünschten Identifizierung anzugeben:
f1 : D2 → D1 mit f1 (x) = 2|x| − 1.
f2 : D2 → S2 mit f2 (rs) = (cos(πr), sin(πr)s) für r ∈ [0, 1] und s ∈ S1 .
f3 : D2 → D2 mit f3 (rs) = 0 für 0 ≤ r ≤ 1/2 und f3 (rs) = (2r − 1)s sonst.
f4 : D2 → S1 mit f4 (x1 , x2 ) = eπix1 . (Es bleibt jeweils die Identifizierung nachzuprüfen.)
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Aufgabe 5. Homotopie, jetzt oder nie! (2+3+2+5=12 Punkte)
5A. Definieren Sie: Zwei stetige Abbildungen f, g : X → Y sind homotop, geschrieben f ' g,
wenn. . .
I eine stetige Abbildung H : [0, 1] × X → Y existiert
I mit H(0, x) = f (x) und H(1, x) = g(x) für alle x ∈ X.
(Eine solche Abbildung H nennt man Homotopie von f nach g.)
5B. Sei X ein topologischer Raum und Y ⊂ Rn sternförmig bezüglich a ∈ Y .
Sind je zwei stetige Abbildungen f, g : X → Y homotop?
Antwort & Beweis: I Ja, diese Aussage ist wahr. Zwei Grundkonstruktionen sind wesentlich:
I Die Abbildung H : [0, 1] × X → Y mit H(t, x) = (1 − t)a + tf (x) ist stetig und verläuft in
Y , da diese Menge sternförmig bezüglich a ist. Das zeigt constaX ' f . Ebenso gilt constaX ' g.
I Da Homotopie eine Äquivalenzrelation ist, folgt f ' g. Ausführlicher:
Zusammengesetzt erhält man die Homotopie K : [0, 1] × X → Y mit

2ta + (1 − 2t)f (x)
für 0 ≤ t ≤ 1/2,
K(x, t) =
(2 − 2t)a + (2t − 1)g(x) für 1/2 ≤ t ≤ 1.
5C. Definieren Sie: Zwei Räume X, Y sind homotopie-äquivalent, geschrieben X ' Y , wenn. . .
I es stetige Abbildungen f : X → Y und g : Y → X gibt
I mit g ◦ f ' idX und f ◦ g ' idY .
5D. Sind die Räume X = Rn r {0} und Y = Sn−1 homotopie-äquivalent?
Antwort & Beweis: I Ja, diese Aussage ist wahr. Zum Beweis betrachten wir
I die Inklusion g : Sn−1 ,→ Rn r {0} mit g(x) = x und
I die Retraktion f : Rn r {0} → Sn−1 mit f (x) = x/|x|.
I Es gilt f ◦ g = idSn−1 und andererseits g ◦ f (x) = x/|x|.
I Wir zeigen g ◦ f ' idX vermöge H : [0, 1] × X → X mit H(t, x) = tx + (1 − t)x/|x|.
Diese Abbildung ist stetig und verläuft in X, ist somit eine Homotopie von g ◦ f nach idX .
Erläuterung: Aufgaben 5 und 6 sind rezitativ und damit eher leicht und eigentlich langweilig.
Es geht mir bei diesen bescheidenen Fragen darum, wie in der Vorlesung auch, zwei wichtige
Grundbegriffe hervorzuheben: Homotopie und Kompaktheit.
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Aufgabe 6. Kompaktheit, mon amour! (2+4+4=10 Punkte)
6A. Definieren Sie: Ein topologischer Raum X heißt kompakt, wenn. . .
S
II jede offene Überdeckung X = i∈I Ui eine endliche Teilüberdeckung enthält.
Ausführlich bedeutet das: Es existieren Indizes i1 , . . . , in ∈ I sodass X = Ui1 ∪ · · · ∪ Uin .
6B. Zeigen oder widerlegen Sie: Ist f : X → Y stetig und X kompakt, so auch das Bild f (X).
Beweis oder Gegenbeispiel: I Ja, diese Aussage ist wahr.
S
S
I Ist f (X) ⊂ i∈I Vi eine offene Überdeckung, so auch X = i∈I Ui mit Ui = f −1 (Vi ).
I Da X kompakt ist, existieren Indizes i1 , . . . , in ∈ I sodass X = Ui1 ∪ · · · ∪ Uin .
I Hieraus folgt f (X) ⊂ Vi1 ∪ · · · ∪ Vin . Demnach ist f (X) kompakt.
6C. Zeigen oder widerlegen Sie: Ist X kompakt und Y hausdorffsch, so ist jede stetige Abbildung
f : X → Y abgeschlossen. (Sie dürfen alle vorherigen Aufgaben nutzen, auch Aufgabe 2.)
Beweis oder Gegenbeispiel: I Ja, diese Aussage ist wahr.
I 2I: Ist A ⊂ X abgeschlossen und X kompakt, so ist A kompakt.
I 6B: Das stetige Bild f (A) in Y ist dann ebenfalls kompakt.
I 2J: Da Y hausdorffsch ist, ist f (A) abgeschlossen.
Schlusswort: Alle Fragen (außer Aufgabe 4) sind ausschließlich reproduktiv. Unter diesem
Aspekt ist diese Scheinklausur leicht, und 120 Minuten scheinen mir großzügig bemessen. Es
geht hier darum, die grundlegenden Definition und Beispiele, Sätze und Beweise zu kennen.
Diesen unspektakulären aber doch nützlichen Fragentyp können Sie zur Wiederholung selbst
nutzen. Ich empfehle sogar, ihn als Grundlage zur eigenen Vorbereitung zu kultivieren:
Zum Verständnis eines Satzes sollten Sie sich fragen: Was besagt der Satz? Wie sehen interessante Beispiele aus? Wozu braucht man die Voraussetzungen? Wie sehen Gegenbeispiele aus?
Wo kann man den Satz anwenden, wo nicht? Wie kann man ihn beweisen? verallgemeinern?
Zum Verständnis einer Anwendung sollten Sie sich fragen: Welche Teile sind klar, welche nicht,
wo liegt die Schwierigkeit? Wie sehen interessante Spezialfälle oder Verallgemeinerungen aus?
Welche Werkzeuge (Sätze, Tricks) braucht man? Wie kann man das Problem damit lösen?
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