2 Ganzheitsringe in quadratischen Zahlkörpern

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Ganzheitsringe in quadratischen Zahlkörpern
(Stand 22.4.2009)
Zur Illustration der bisher entwickelten Begriffe wollen wir uns näher mit
einigen konkreten Beispielen aus der algebraischen Zahlentheorie befassen, die
auch der historische Ausgangspunkt für die Entwicklung der abstrakten Ringund Idealtheorie waren.
2.1
Der Ganzheitsring
Ein Zahlkörper ist eine endliche Körpererweiterung K/Q. Jedes Element von
K ist algebraisch, d.h. Nullstellen eines Polynoms mit rationalen Koeffizienten.
Um die Arithmetik eines Zahlkörpers K zu untersuchen, benötigt man einen
Ersatz für den Ring der ganzen Zahlen Z.
Definition 2.1.1 Eine komplexe Zahl α ∈ C heißt ganzalgebraisch (oder ganze
algebraische Zahl), wenn sie Nullstelle eines normierten Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten ist,
f (α) = αn + an−1 αn−1 + . . . + a0 = 0,
ai ∈ Z.
Bemerkung 2.1.2 Eine komplexe Zahl α ∈ C ist ganzalgebraisch genau dann,
wenn sie algebraisch ist und wenn das Minimalpolynom von α ganzzahlige Koeffizienten hat.
Zum Beweis betrachten wir eine ganze algebraische Zahl α und wählen uns
ein normiertes, ganzzahliges Polynom f = xn + . . . + a0 ∈ Z[X] mit f (α) = 0.
Sei g := xd + . . . + b0 ∈ Q[X] das Minimalpolynom von α (nach Definition
ist g normiert und dadurch eindeutig bestimmt). Wir müssen zeigen, dass die
Koeffizienten von g ganze Zahlen sind. Wir verwenden das Lemma von Gauß.
Angenommen, g ist nicht ganzzahlig. Dann gibt es eine Primzahl p so, dass
vp (g) < 0. Wegen f (α) = 0 ist g ein Teiler von f im Polynomring Q[X], d.h. es
gibt ein h ∈ Q[X] mit f = g · h. Da f und g nach Annahme normiert sind, zeigt
eine Betrachtung der führenden Koeffizienten, dass h ebenfalls normiert ist. Es
folgt vp (h) ≤ 0. Mit dem Lemma von Gauß folgt nun
vp (f ) = vp (g) + vp (h) < 0.
Dies ist ein Widerspruch zur Annahme, dass die Koeffizienten von f ganze
Zahlen sind, und die Bemerkung ist bewiesen.
Beispiel 2.1.3 (i) Eine rationale Zahl ist genau dann ganzalgebraisch, wenn
sie eine ganze Zahl ist. Dies folgt sofort aus Bemerkung 2.1.2.
(ii) Die dritte Einheitswurzel
√
−1 + −3
ζ3 =
2
ist ganzalgebraisch, da Sie Nullstelle des Polynoms X 2 + X + 1 ist.
18
Definition 2.1.4 Ist K ⊂ C ein Zahlkörper, so heißt die Teilmenge
OK ⊂ K
aller ganzen algebraischen Zahlen in K der Ganzheitsring von K.
Wir werden später zeigen, dass OK tatsächlich ein Unterring von K ist mit
Quotientenkörper K. Der Ring OK spielt dieselbe Rolle im Zahlkörper K wie
Z in Q.
Im folgenden wollen wir die Ganzheitsringe von quadratischen Zahlkörpern
etwas näher studieren. Es sei d ∈ Z eine quadratfreie ganze Zahl (d.h.
√ d =
±p1 . . . pr mit paarweise verschiedenen Primfaktoren pi ) und K := Q[ d]. Ist
d > 0 so gilt K ⊂ R, und wir nennen K reellquadratisch. Im Fall d < 0 wählen
wir eine Einbettung K ⊂ C und nennen K imaginärquadratisch.
Die folgenden
Definitionen werden sich dabei als sehr nützlich erweisen. Sei
√
α := a + b d ∈ K (mit a, b ∈ Q). Das konjugierte Element von α ist
√
α0 := a − b d.
Die Norm von α ist das Produkt
N (α) := α · α0 = a2 − db2 ∈ Q.
Man prüft leicht nach, dass die Norm multiplikativ ist, d.h. es gilt
N (αβ) = N (α)N (β)
und N (α) 6= 0 für alle α 6= 0. Im Fall d < 0 gilt außerdem
N (α) = |α|2 ≥ 0.
Die Spur von α ist definiert als
S(α) := α + α0 = 2a ∈ Q.
Offenbar ist S additiv. Im Fall α 6∈ Q (d.h. b 6= 0) ist
(X − α)(X − α0 ) = X 2 − S(α)X + N (α)
das Minimalpolynom von α. Aus Bemerkung 2.1.2 folgt nun sofort:
√
Bemerkung 2.1.5 (i) Ein Element α = a + b d ∈ K ist ganzalgebraisch
genau dann, wenn
N (α) = a2 − db2 ∈ Z
und S(α) = 2a ∈ Z.
(ii) Ein Element α ∈ OK ist eine Einheit genau dann, wenn N (α) = ±1.
Wir haben jetzt die nötigen Hilfsmittel beisammen, um den Ganzheitsring
von K und seine Einheitengruppe explizit zu bestimmen.
19
Proposition 2.1.6
(i) Es gilt
OK = Z[ω] = {a + b ω | a, b ∈ Z },
wobei
(
ω :=
√
1+ d
,
2
√
d,
d ≡ 1 (mod 4),
d ≡ 2, 3 (mod 4).
(ii) Für d < 0 gilt
×
OK
mit ω :=
√
1+ −3
.
2


d = −1,
 {1, i, −1, −i},
=
{±1, ±ω, ±ω 2 }, d = −3,


{±1},
sonst,
×
Insbesondere ist OK
eine endliche, zyklische Gruppe.
(iii) Für d > 0 gilt
×
OK
= h−1, i,
×
für eine sogenannte Grundeinheit ∈ OK
, die unendliche Ordnung hat.
×
Insbesondere ist OK unendlich (und nicht zyklisch).
√
Beweis: Sei α = a + b d ∈ K mit a, b ∈ Q. Nach Bemerkung 2.1.5 liegt α
in OK genau dann, wenn
2a ∈ Z und a2 − db2 ∈ Z.
(4)
Durch elementare Teilbarkeitsüberlegungen sieht man, dass (4) genau dann
erfüllt ist, wenn entweder a, b ∈ Z oder
a, b ∈
1
Z\Z und d ≡ 1
2
(mod 4).
Es folgt
OK = { x + y ω | x, y ∈ Z },
wobei ω wie oben definiert ist. In beiden Fällen prüft man leicht nach, dass
ω 2 ∈ OK gilt. Es folgt nun auch, dass OK ein Unterring von K ist, und zwar
OK = Z[ω]. Damit ist (i) bewiesen.
Zum Beweis von (ii) nehmen wir an, dass d < 0 und betrachten zunächst den
Fall d ≡ 2, 3 (mod 4). Nach Bemerkung 2.1.5 (ii) und dem schon bewiesenen
√
Teil (i) der Proposition sind die Einheiten von OK von der Form α = a + b d
mit
a2 − db2 = ±1.
(5)
Unter Verwendung von d < 0 sieht man sofort, dass diese Gleichung nur die
trivialen Lösungen a = ±1, b = 0 hat, mit einer Ausnahme: im Fall d =
−1 gibt es noch zwei weitere Lösungen a = 0, b = ±1. Dies entspricht den
Einheitengruppen {±1} bzw. {±1, ±i} im Fall d = −1.
20
Im Fall d ≡ 1 mod 4 müssen wir statt (5) die diophantische Gleichung
a2 + ab + N (ω)b2 = ±1
(6)
lösen (mit N (ω) = (1 − d)/4 ∈ N). Auch hier gibt es nur die trivialen Lösungen
a = ±1, b = 0, mit einer Ausnahme: im Fall d = −3 gibt es vier weitere
√
Lösungen, die den 3ten bzw. den 6ten Einheitswurzeln im Körper Q( −3)
entsprechen. Damit ist (ii) bewiesen.
Die Bestimmung der Einheitengruppe im reellquadratischen Fall ist wesentlich
aufwendiger und soll hier nicht durchgeführt werden. Der Grund ist, dass die
quadratischen Formen auf der linken Seite von (5) und (6) im Fall d > 0 indefinit sind und diese diophantischen Gleichungen entsprechend schwieriger zu
lösen sind. (Die Gleichung (5) nennt man eine Pell’sche Gleichung.) Wir verweisen auf [1], Kapitel 11.11.
2
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 2.1.1 Sei α ∈ Q̄ eine algebraische Zahl. Zeigen Sie, dass es
eine natürliche Zahl n ∈ N gibt so, dass nα ganzalgebraisch ist.
Übungsaufgabe 2.1.2 Sei K ein Zahlkörper und OK ⊂ K der Ganzheitsring.
Zeigen Sie, dass K der Quotientenkörper von OK ist.
Übungsaufgabe 2.1.3 Sei α ∈ C eine ganze algebraische Zahl, K := Q[α],
f = xn + . . . + a0 das Minimalpolynom von α und R := Z[α] der von α über Z
erzeugte Unterring von K.
(i) Jedes Element β ∈ R besitzt eine eindeutige Darstellung der Form
β = b0 + b1 α + . . . + bn−1 αn−1
mit bi ∈ Z.
(ii) Sei p eine Primzahl. Wir bezeichnen mit f¯ ∈ Fp [X] die Reduktion von f
modulo p. Zeigen Sie: ist a ∈ Z eine ganze Zahl mit
f (a) ≡ 0
(mod p),
so ist
p := (p, α − a) R
ein Primideal. (Hinweis: imitieren Sie den Beweis von Lemma 2.2.3.)
21
2.2
Der Ring der ganzen Gauß’schen Zahlen
Wir betrachten nun das Beispiel d = −1, also den Körper K = Q[ i] der
Gauß’schen Zahlen. Nach Proposition 2.1.6 ist
Z[ i] = { a + b i | a, b ∈ Z }
der Ganzheitsring von K und
Z[ i]× = {±1, ± i}
die Einheitengruppe. Als besonders nützlich wird sich die Interpretation der
Elemente von Z[ i] als Gitterpunkte in der komplexen Zahlenebene erweisen. So
erhält man durch eine einfache geometrische Überlegung das folgende
Lemma 2.2.1 Zu jeder komplexen Zahl z ∈ C gibt es ein Element α ∈ Z[ i]
mit
|z − α| < 1.
Proposition 2.2.2 Der Ring Z[ i] ist euklidisch bzgl. der Normfunktion
N : Z[ i] → N0 ,
α 7→ N (α) = |α|2 .
Beweis: Seien α, β ∈ Z[ i] mit β 6= 0. Wir setzen z := α/β ∈ C und wählen
nach Lemma 2.2.1 ein Element q ∈ Z[ i] mit |z − q| < 1. Dann gilt
mit r := (z − q)β
α = zβ = qβ + r,
und nach Wahl von q
|r| = |z − q| · |β| < |β|.
2
Damit ist bereits alles gezeigt.
Korollar 2.2.1 Z[i] ist ein Hauptidealring und insbesondere faktoriell.
Mit diesem Korollar erhalten wir einen eleganten Beweis für den folgenden
klassischen Satz der Zahlentheorie. Die Beweisidee geht auf Gauß zurück.
Satz 2.2.1 (Fermat, Euler) Für eine Primzahl p sind die folgenden Aussagen
äquivalent.
(a) p = 2 oder p ≡ 1 (mod 4).
(b) Die Kongruenzgleichung
x2 ≡ −1
besitzt eine Lösung x ∈ Z.
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(mod p)
(c) p ist eine Summe von zwei Quadraten, d.h. es gibt a, b ∈ Z mit
p = a2 + b2 .
Beweis: Ist p = 2, so sind die Aussagen (b) und (c) offensichtlich wahr.
Wir dürfen deshalb annehmen, dass p ungerade ist. Die Implikation ‘(c)⇒(a)’
sei dem Leser als Übungsaufgabe überlassen.
Wir zeigen zuerst ‘(a)⇒(b)’. Der Beweis beruht auf der Tatsache, dass F×
p
eine zyklische Gruppe der Ordnung p − 1 ist. Aus p ≡ 1 (mod 4) folgt also, dass
F×
p ein Element der Ordnung 4 besitzt. Ist x ein Vertreter dieser Restklasse, so
hat x2 die Ordnung 2 in F×
p . Das einzige Element der Ordnung 2 ist aber die
Restklasse von −1, d.h. es gilt x2 ≡ −1 (mod p).
Es bleibt die Implikation ‘(b)⇒(c)’ zu zeigen. Sei x ∈ Z mit x2 ≡ −1
(mod p). Wir setzen
p := (p, x − i) Z[i].
Lemma 2.2.3
(i) Es gilt
p∩Z=Z·p
und insbesondere p 6= Z[i].
(ii) Das Ideal p ist ein Primideal.
Beweis: Die Inklusion ‘⊃’ in (i) ist trivial. Zum Beweis von ‘⊂’ sei a ∈ p ∩ Z
gegeben. Dann gibt es α, β ∈ Z[i] mit
a = αp + β(x − i).
(7)
x2 + 1 = kp
(8)
Nach Voraussetzung an x gilt
für ein k ∈ Z. Multiplizieren wir beide Seiten von (7) mit x + i und verwenden
(8), so erhalten wir
ax + a i = (x + i)αp + β(x − i)(x + i) = (x + i)α + βk p.
Daraus folgt sofort a ∈ Z · p, wie gewünscht.
Nun zum Beweis von (ii). Es folgt aus (i), dass der kanonische Ringhomomorphismus Z → Z[i] einen injektiven Ringhomomorphismus
Fp ,→ Z[i]/p,
a mod p 7→ a
mod p
(9)
induziert. Für ein beliebiges Element α = c + d i ∈ Z[i] gilt aber
α = c + dx − d(x − i) ≡ c + dx (mod p),
d.h. (9) ist auch surjektiv, also ein Körperisomorphismus. Insbesondere ist
Z[i]/p nullteilerfrei und p deshalb ein Primideal (siehe Proposition 1.4.3 (i)). 2
23
Zurück zum Beweis von Satz 2.2.1. Nach Korollar 2.2.1 ist p ein Hauptideal,
d.h.
p = (π),
mit π = a + b i ∈ Z[i].
Da p nach Lemma 2.2.1 ein Primideal ist, ist π ein Primelement von Z[i] (siehe
Proposition 1.4.3 (iii)). Wegen p ∈ p gilt p = πλ für ein λ ∈ Z[i]. Wegen
x − i ∈ p\(p) kann π nicht zu p assoziiert sein. Deshalb ist λ keine Einheit.
Durch Anwenden der Norm erhalten wir die folgende Gleichung in Z:
N (π) · N (λ) = N (p) = p2 .
Da weder π noch λ Einheiten von Z[i] sind, gilt N (π), N (λ) > 1. Da p eine
Primzahl ist, folgt daraus
N (π) = a2 + b2 = p.
2
Nun ist alles bewiesen.
Satz 2.2.2 Die folgenden Elemente von Z[i] sind Primelemente, und jedes Primelement von Z[i] ist assoziiert zu genau einem dieser Elemente:
(i) 1 + i,
(ii) π = a + b i, wobei p := N (π) = a2 + b2 eine ungerade Primzahl ≡ 1
(mod 4) ist und zusätzlich gilt: a > 0 und 2 | b.
(iii) alle ungeraden Primzahlen p ≡ 3 (mod 4).
Beweis: Wir beginnen mit einer Vorüberlegung. Sei p eine Primzahl, die
wir als Element von Z[i] auffassen. Da Z[i] faktoriell ist, gibt es einen Primteiler
π | p. Schreibe p = πα, α ∈ Z[i]. Es folgt
p2 = N (p) = N (π)N (α)
in Z. Da π keine Einheit ist, gilt N (π) 6= 1. Es bleiben nur zwei Möglichkeiten:
entweder ist N (π) = p oder N (π) = p2 . Im ersten Fall ist p eine Summe von zwei
Quadraten, und deshalb p = 2 oder p ≡ 1 (mod 4) nach Satz 2.2.2. Im zweiten
Fall gilt N (α) = 1, also π ∼ p. Insbesondere ist p ein Primelement von Z[i].
Man beachte auch, dass der zweite Fall nur auftreten kann, wenn p ≡ 3 (mod 4).
Denn andernfalls wäre p von der Form p = λλ0 für ein Primelement λ ∈ Z[i]
nach Satz 2.2.2; dies widerspricht aber der Annahme, dass p ein Primelement
ist.
Nun sei λ ein beliebiges Primelement von Z[i]. Sei p ein Primteiler in Z von
N (λ) = λ · λ0 .
Wir unterscheiden drei Fälle.
Ist p = 2, so gilt p = (1 + i)(1 − i), also
(1 + i)(1 − i) | λλ0 .
24
Da 1 + i ∼ 1 − i keine Einheit ist und Z[i] faktoriell ist, folgt daraus λ ∼ 1 + i.
Dies entspricht dem Fall (i).
Ist p ≡ 1 (mod 4), so gilt p = ππ 0 für ein Primelement π (Satz 2.2.1). Mit
dem gleichen Argument wie im ersten Fall folgt λ ∼ π oder λ ∼ π 0 . Ohne
Einschränkung dürfen wir annehmen, dass λ ∼ π = a + b i. Wegen Z[i]× =
{±1, ± i} sind die vier zu π assoziierten Elemente genau
a + b i, −b + a i, −a − b i, b + a i.
Genau eines dieser vier Elemente ist von der Form c + d i, mit c > 0 und 2 | d.
Das Primelement λ ist also assoziiert zu einem eindeutigen Element der in (ii)
angegebenen Form.
Sei schließlich p ≡ 3 (mod 4). Nach unserer Vorüberlegung ist dann p ein
Primelement von Z[i]. Aus p | λλ0 folgt p ∼ λ oder p ∼ λ0 . Wegen p0 = p gilt
dann in beiden Fällen λ ∼ p. Nun ist alles gezeigt.
2
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 2.2.1 Zerlegen Sie die Elemente
5 + 7 i, 12 + 11 i ∈ Z[i]
in Primfaktoren.
Übungsaufgabe 2.2.2 Zeigen Sie: eine positive rationale Zahl c ∈ Q>0 ist
Summe von zwei Quadraten, d.h. von der Form c = a2 + b2 mit a, b ∈ Q genau
dann, wenn für alle Primzahlen p der Form p ≡ 3 (mod 4) gilt:
vp (c) ≡ 0
(mod 2).
(Hinweis: benutzen Sie Satz 2.2.1 und die Multiplikativität der Normabbildung
N : Q[i]× → Q× .)
2.3
Primideale in OK
Wir kehren zurück zum allgemeinen
Fall des Ganzheitsringes OK eines quadrat√
ischen Zahlkörpers K = Q( d) für eine quadratfreie ganze Zahl d. Wir wollen
uns einen Überblick verschaffen über die Menge aller Primideale von OK .
Lemma 2.3.1 Seien α, β ∈ OK und a := (α, β) OK . Wir bezeichnen mit
a0 := (α0 , β 0 ) das zu a konjugierte Ideal. Dann gibt es ein (eindeutig bestimmtes)
n ∈ N so, dass
a · a0 = (n).
Beweis: Aus der Darstellung
a · a0 = (α, β) · (α0 , β 0 ) = (αα0 , αβ 0 , α0 β, ββ 0 )
25
(10)
erhalten wir ein Erzeugendensystem von a · a0 mit vier Elementen. Insbesondere
enthält a · a0 die drei ganzen Zahlen
N (α) = αα0 , N (β) = ββ 0 , S(αβ 0 ) = αβ 0 + α0 β ∈ Z.
Sei
n := ggT N (α), N (β), S(αβ 0 ) .
Da Z ein Hauptidealring ist, ist n darstellbar als Z-Linearkombination von
N (α), N (β), S(αβ 0 ). Es folgt n ∈ a · a0 , also
(n) ⊂ a · a0 .
Nach Definition ist n ein Teiler von N (α), N (β) und S(αβ 0 ). Wir setzen γ :=
αβ 0 /n ∈ K. Dann gilt γ 0 = α0 β/n, und
(X − γ)(X − γ 0 ) = X 2 −
S(αβ 0 )
N (α)N (β)
X+
n
n
ist ein normiertes Polynom mit ganzen Koeffizienten und Nullstellen γ, γ 0 . Dies
zeigt, dass γ, γ 0 ∈ OK und dass alle vier Erzeuger von a · a0 in (10) Vielfache
von n sind. Wir schließen daraus, dass
a · a0 = (n).
2
Bemerkung 2.3.2 Das Lemma erlaubt es, die Norm eines Ideals a OK zu
definieren als N (a) := n ∈ N0 , wobei a · a0 = (n). Man zeigt, dass die Norm die
folgenden Eigenschaften hat:
(i) N (a · b) = N (a) · N (b).
(ii) N ((α)) = |N (α)|, für α ∈ OK .
(iii) Falls a 6= (0), so gilt
N (a) = (OK : a) = |OK /a|.
Eigenschaften (i) und (ii) folgen sofort aus der Definition. Eigenschaft (iii)
werden wir später beweisen.
Ist p OK ein Primideal von OK , so ist p ∩ Z ein Primideal von Z. Es
gibt also eine eindeutig bestimmte Primzahl p mit p ∩ Z = Z · p. Um sämtliche
Primideale von OK zu bestimmen, reicht es daher, für jede gegebene Primzahl
p alle Primideale anzugeben, die p als Element enthalten. Der folgende Satz
2.3.1 gibt uns eine vollständige Auskunft über diese Frage.
√
Nach Proposition
2.1.6 ist OK = Z[ω], wobei ω := d für d ≡ 2, 3 (mod 4)
√
bzw. ω := (1 + d)/2 für d ≡ 1 (mod 4). Sei f ∈ Z[X] das Minimalpolynom
von ω; es gilt
1−d
f = X 2 − d bzw. f = X 2 − X +
.
4
26
Satz 2.3.1 Sei p eine Primzahl. Wir bezeichnen mit f¯ ∈ Fp [X] die Reduktion
von f modulo p. Dann gilt:
(i) Das Ideal (p) OK ist genau dann ein Primideal, wenn f¯ irreduzibel ist.
(ii) Sei f¯ reduzibel und a ∈ Z so gewählt, dass f¯(ā) = 0. Dann ist
p := (p, a − ω) OK
ein Primideal mit N (p) = p · p0 = (p).
(iii) Ist q OK ein beliebiges Primideal, welches p enthält, so gilt entweder
q = (p), q = p oder q = p0 (wobei p wie in (ii) definiert ist).
Beweis: Wir nehmen zuerst an, dass f¯ irreduzibel in Fp [X] ist. Wir behaupten, dass dann (p) ein maximales Ideal (und somit insbesondere ein Primideal) von OK ist.
Zum Beweis dieser Behauptung genügt es zu zeigen, dass für alle α = a + b ·
ω 6∈ (p) gilt: (p, α) = (1) = OK . Die Voraussetzung impliziert, dass das lineare
Polynom ā + b̄X ∈ Fp [X] nicht verschwindet und deshalb teilerfremd zu f¯ ist.
Es gibt also Polynome A, B, C ∈ Z[X] mit
Af + B(a + bX) = 1 + Cp.
Durch die Substitution X := ω erhält man daraus die Gleichung
B(ω)α = 1 + C(ω)p.
Es folgt 1 = B(ω)α − C(ω)p ∈ (α, p). Damit ist die Behauptung bewiesen.
Nehmen wir nun an, dass f¯ reduzibel ist, und sei ā ∈ Fp (die Restklasse von
a ∈ Z) eine Nullstelle von f¯. Setze
p := (p, a − ω) OK .
Wir zeigen zuerst, dass p · p0 = (p).
Aus der Identität
f (a) = (a − ω)(a − ω 0 )
folgt
p · p0 = p2 , f (a), p(a − ω), p(a − ω 0 ) .
0
(11)
2
0
Nach Lemma 2.3.1 gilt p · p = (n) für ein n ∈ N. Wegen p ∈ p · p = (n)
gilt n | p2 . Unsere Annahme besagt aber, dass p | f (a). Daraus folgt p | n.
Es können daher nur die zwei Fälle n = p und n = p2 auftreten. Aber wegen
p(a − ω) ∈ (p)\(p2 ) ist n = p2 unmöglich. Damit ist gezeigt, dass p · p0 = (p).
Wir können insbesondere schließen, dass p 6= (1). Wegen p ∈ p folgt daraus
p ∩ Z = Z · p. Wie im Beweis von Lemma 2.2.1 zeigt man, dass die Einbettung
Z ,→ OK einen Isomorphismus
∼
Fp = Z/p · Z → OK /p
27
induziert. Es folgt, dass p ein maximales Ideal und insbesondere ein Primideal
ist. Damit sind Teil (i) und (ii) des Satzes bewiesen.
Nun sei q OK ein Primideal mit p ∈ q. Es gilt also q ⊂ (p). Im Beweis von
(i) und (ii) haben wir gesehen, dass entweder (p) bereits ein maximales Ideal
ist und deshalb q = (p) gilt, oder dass (p) = p · p0 gilt für das maximales Ideal
p := (p, a − ω). Da q ein Primideal ist, folgt aus
(a − ω)(a − ω 0 ) = f (a) ∈ (p) ⊂ q,
dass a − ω ∈ q oder a − ω 0 ∈ q. Wir schließen daraus p ⊂ q oder p0 ⊂ q. Da
aber p und p0 maximale Ideale sind, folgt sogar q = p oder q = p0 . Nun ist auch
(iii) bewiesen.
2
Bemerkung 2.3.3 Der Beweis von Satz 2.3.1 zeigt, dass in OK alle Primideale
maximal sind. Genauer: ist p OK ein Primideal, so ist der Restklassenring
k := OK /p ein Körper mit p2 Elementen (im Fall (i)) oder p Elementen (im Fall
(ii)).
Definition 2.3.4 Eine Primzahl p heißt
(a) verzweigt in K, wenn (p) = p2 für ein Primideal p OK ,
(b) zerlegt in K, wenn (p) = p · p0 für ein Primideal p OK mit p 6= p0 ,
(c) träge in K, wenn (p) OK ein Primideal ist.
√
Zu jedem quadratischen Zahlkörper K = Q( d) gibt es also eine Einteilung
aller Primzahlen in drei Klassen, entsprechend den Fällen (a), (b) und (c) der
Definition. Eine explizite Beschreibung dieser Einteilung liefert das quadratische
Reziprozitätsgesetz, ein klassischer Satz der Zahlentheorie. Wir begnügen uns
hier mit der Formulierung des Resultates im Beispiel d = −5.
Beispiel 2.3.5 Sei d = −5, also K = Q[ω) und OK = Z[ω] mit ω 2 = −5. Dann
gilt:
• Nur die Primzahlen p = 2, 5 sind verzweigt in K; es gilt
(2) = p22 ,
mit p2 = (2, 1 − ω)
und
(5) = (ω)2 .
• Eine Primzahl p 6= 2, 5 ist zerlegt in K genau dann, wenn
p ≡ 1, 3, 7, 9
28
(mod 20).
Sei p eine in K zerlegte Primzahl, (p) = p · p0 . Wenn das Primideal p ein
Hauptideal ist, so gilt p = (π) für ein Primelement π = a + bω mit
N (π) = a2 + 5b2 = p.
Ist p kein Hautpideal, so gibt es kein solches Primelement, und die Primzahl p
läßt sich nicht darstellen in der Form p = a2 + 5b2 , mit a, b ∈ Z. Im kommenden
Abschnitt werden wir sehen, für welche p dies der Fall ist.
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 2.3.1 Zerlegen Sie die Hauptideale
√ √ √
2 + 3 −5 , 3 + 2 −5 Z[ −5]
in ein Produkt von Primidealen.
Hauptideale?
Welche der auftretenden Primideale sind
Übungsaufgabe
2.3.2 Sei d < 0 quadratfrei und d ≡ 1 (mod 4). Setze K :=
√
Q[ d] und m := (1 − d)/4. Zeigen Sie:
(i) Für alle α ∈ OK \Z gilt
N (α) ≥ m.
(ii) Sei α ∈ OK und p eine Primzahl mit p - α, p | N (α). Dann gibt es ein
Primideal p OK mit N (p) = p (d.h. p ist nicht träge in K/Q).
(iii) Angenommen, OK ist ein Hauptidealring (nach Bemerkung 2.4.5 (v) gilt
dies genau für d = −3, −7, −11, −19, −43, −67, −163). Dann sind alle
Primzahlen p < m träge in K/Q.
(iv) Für m = 2, 3, 5, 11, 17, 41 und für alle x ∈ {1, . . . , m − 1} ist
x2 − x + m
eine Primzahl.
2.4
Gitter und Idealklassen
Ganzheitsringe von Zahlkörpern und ihre Ideale können als Gitter in einem
geeigneten euklidischen Vektorraum realisiert und dann mit geometrischen Methoden untersucht werden. Diese sogenannte Geometrie der Zahlen spielt eine
wichtige Rolle in der algebraischen Zahlentheorie. Wir wollen die Nützlichkeit
dieser Methode an einem sehr speziellen Beispiel demonstrieren und bei dieser
Gelegenheit den Begriff des Gitters in einem reellen Vektorraum (ohne fest
gewählte euklidische Metrik) einführen.
Im Folgenden sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über dem Körper
R der reellen Zahlen.
29
Definition 2.4.1 Ein Gitter in V ist eine Untergruppe Γ ⊂ (V, +) der additiven
Gruppe von V , die von einer R-Basis (γ1 , . . . , γn ) von V erzeugt wird:
Γ = hγ1 , . . . , γn iZ .
Ein Erzeugendensystem von Γ, welches eine R-Basis von V ist, nennt man eine
Gitterbasis von Γ.
Ist (γ1 , . . . , γn ) eine Gitterbasis eines Gitters Γ ⊂ V , so besitzt jedes Element
γ ∈ Γ eine eindeutige Darstellung
γ = a1 γ1 + . . . + an γn
mit a1 , . . . , an ∈ Z. Wir nennen die Teilmenge
F := { γ = t1 γ1 + . . . + tn γn | 0 ≤ t1 , . . . , tn < 1 } ⊂ V
die Grundmasche der Gitterbasis (γi ). Es ist leicht einzusehen, dass
V =
·
[
F + γ.
(12)
γ∈Γ
Mit anderen Worten: F ist eine Vertretersystem der Restklassen in V /Γ,
V /Γ ∼
= F.
(13)
Wir erhalten das folgende nützliche Lemma:
Lemma 2.4.2 Sei Γ ⊂ V eine Untergruppe und (γ1 , . . . , γn ) eine R-Basis von
V , bestehend aus Elementen von Γ. Sei Γ0 ⊂ Γ das von der Basis (γi ) erzeugte
Gitter und F ⊂ V die Grundmasche der Gitterbasis. Dann sind die folgenden
beiden Aussagen äquivalent:
(i) Γ ∩ F = {0}.
(ii) Γ = Γ0 .
Beweis: Folgt unmittelbar aus (12) bzw. (13).
2
Satz 2.4.1 Sei V ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum. Eine Untergruppe Γ ⊂ V ist ein Gitter genau dann, wenn die folgenden zwei Bedingungen
beide erfüllt sind.
(a) V ist das R-lineare Erzeugnis von Γ, d.h.
V = hΓiR .
(b) Γ ist eine diskrete Teilmenge von V .
30
Beweis: Ist Γ ein Gitter und (γ1 , . . . , γn ) eine Gitterbasis, so ist die Bedingung (a) offensichtlich. Wir zeigen, dass (b) auch gilt. Dazu sei γ =
a1 γ1 + . . . + an γn ∈ Γ. Dann ist für jede reelle Zahl 0 < < 1 die Teilmenge
U := U (γ, ) := {
n
X
ti γi | |ti − ai | < }
i=1
eine offene Umgebung von γ in V mit
Γ ∩ U = {γ}.
Dies zeigt, dass Γ eine diskrete Teilmenge von V ist.
Sei umgekehrt Γ eine Untergruppe von (V, +), die den Bedingungen (a) und
(b) genügt. Wir werden zeigen, dass Γ ein Gitter in V ist; dazu werden wir
Induktion über n = dimR V benutzen. Da der Fall n = 0 trivial ist, dürfen wir
n > 0 annehmen.
Aus (a) schließen wir (Basisauswahlsatz!), dass es eine R-Basis (γ1 , . . . , γn )
von V gibt, die aus Elementen von Γ besteht. Das Z-Erzeugnis
Γ0 := hγ1 , . . . , γn iZ ⊂ Γ ⊂ V
ist ein Gitter in V und eine Untergruppe von Γ. Sei
U := hγ1 , . . . , γn−1 iR ⊂ V
der von den ersten n − 1 Basisvektoren aufgespannte Untervektorraum und
ΓU := Γ ∩ U.
Wegen γ1 , . . . , γn−1 ∈ ΓU wird U von den Elementen aus ΓU aufgespannt. Als
Teilmenge von Γ ist ΓU zudem eine diskrete Teilmenge von U . Aus der Induktionsannahme folgt, dass ΓU ein Gitter von U ist. Deshalb dürfen wir die
Elemente γ1 , . . . , γn−1 durch eine Gitterbasis von ΓU ersetzen. Insbesondere gilt
nun
ΓU = hγ1 , . . . , γn−1 iZ .
Falls Γ0 = Γ, so sind wir fertig. Wir dürfen daher Γ0 6= Γ annehmen. Betrachte
die Grundmasche der Gitterbasis (γ1 , . . . , γn ):
F := {
n
X
ti γi | 0 ≤ ti < 1 } ⊂ V.
i=1
Aus der Annahme Γ0 6= Γ folgt mit Lemma 2.4.2, dass F ∩ Γ nichtleer ist. Da
F eine beschränkte und Γ eine diskrete Teilmenge von V ist, ist F ∩ Γ endlich.
Wir können daher ein nichttriviales Element
γ = t1 γ1 + . . . + tn γn ∈ F ∩ Γ, γ 6= 0,
(14)
wählen, für welches der Koeffizient tn minimal ist. Ist tn = 0, so liegt γ in
ΓU = hγ1 , . . . , γn−1 iZ . Es folgt t1 = . . . = tn = 0, also γ = 0, im Widerspruch
31
zur Wahl von γ. Wir schließen daraus tn > 0. Insbesondere ist γ 6∈ U und
(γ1 , . . . , γn−1 , γ) eine R-Basis von V .
Wir behaupten, dass (γ1 , . . . , γn−1 , γ) eine Gitterbasis von Γ bildet. Zum
Beweis benutzen wir Lemma 2.4.2. Sei F 0 ⊂ V die Grundmasche der Basis
(γ1 , . . . , γn−1 , γ). Sei
γ 0 = s1 γ1 + . . . + sn−1 γn−1 + sn γ ∈ F 0 ∩ Γ.
Es gilt also 0 ≤ si < 0 und sn > 0. Durch Einsetzen von (14) erhalten wir
n−1
X
γ0 =
(si + sn ti )γi + sn tn γ.
i=1
Durch Addition zu γ 0 einer geeigneten ganzzahligen Linearkombination von
γ1 , . . . , γn−1 erhalten wir ein Element
γ 00 =
n−1
X
s0i γi + sn tn γ ∈ F ∩ Γ.
i=1
Wegen 0 < sn tn < tn steht die Existenz eines solchen Elementes aber in Widerspruch zur Wahl von γ. Wir schließen daraus, dass F 0 ∩Γ = {0} gilt. Aus Lemma
2.4.2 folgt nun, dass Γ ein Gitter in V ist, mit Gitterbasis (γ1 , . . . , γn−1 , γ). 2
Korollar 2.4.1 Seien Γ ⊂ V ein Gitter eines reellen R-Vektorraumes V . Sei
Γ0 ⊂ Γ eine Untergruppe. Dann ist Γ0 ein Gitter genau dann, wenn
(Γ : Γ0 ) = |Γ/Γ0 | < ∞.
Beweis: Wir nehmen an, dass der Index (Γ : Γ0 ) endlich ist, und wollen
zeigen, dass dann Γ0 ein Gitter ist. Dazu prüfen wir die Bedingungen (a) und (b)
aus Satz 2.4.1 nach. Sei (γ1 , . . . , γn ) eine Gitterbasis von Γ und m := (Γ : Γ0 ).
Die Faktorgruppe Γ/Γ0 ist also eine endliche Gruppe der Ordnung m. Die
Ordnung eines jeden Elementes von Γ/Γ0 ist daher ein Teiler von m. Es folgt
mγi ∈ Γ0 für alle Γ0 . Da (mγ1 , . . . , mγn ) wieder eine R-Basis von V ist, ist die
Bedingung (a) für Γ0 erfüllt. Als Untergruppe der diskreten Untergruppe Γ ⊂ V
ist Γ0 sicher diskret, also ist auch (b) erfüllt. Mit Satz 2.4.1 schließen wir, dass
Γ0 ein Gitter ist.
Der Beweis der Umkehrung überlassen wir dem Leser als Übungsaufgabe.
2
Idealklassen
Wir kehren nun zu der Situation des vorhergehenden Abschnittes zurück
und konzentrieren uns dabei
√ auf den imaginärquadratischen Fall. Sei also d < 0
den Zahlkörper
K in den Körper der
quadratfrei und K := Q[ d]. Wir betten
p
√
komplexen Zahlen C ein,√indem wir d ∈ K mit |d| i ∈ C identifizieren.
Wir
√
setzen wie üblich ω := d falls d ≡ 2, 3 (mod 4) bzw. ω := (1 + d)/2 falls
d ≡ 1 (mod 4).
32
Bemerkung 2.4.3 (i) OK ⊂ C ist ein Gitter mit Gitterbasis (1, ω) (wobei
wir C als R-Vektorraum der Dimension 2 auffassen). Dies ist eine direkte
Folge von Proposition 2.1.6
(ii) Eine Untergruppe a ⊂ (OK , +) ist eine Ideal genau dann, wenn gilt:
ω·a⊂a
(15)
Denn aus (15) und der Annahme, dass a eine Untergruppe ist, folgt sofort
α · a ⊂ a für alle α = a + bω ∈ OK .
(iii) Jedes von (0) verschiedene Ideal a OK ist ein Gitter in C. Insbesondere
wird jedes Ideal von zwei Elementen erzeugt. Beweis: ist α ∈ a\{0}, so
sind α, αω ∈ a zwei R-linear unabhängige Elemente von a. Es gilt also
haiR = C. Als Untergruppe des Gitters OK ⊂ C ist a aber auch eine
diskrete Teilmenge von C. Aus Satz 2.4.1 folgt nun, dass a ⊂ C ein Gitter
ist.
Definition 2.4.4 Zwei vom Nullideal verschiedene Ideale a, b OK heißen
äquivalent, in Zeichen a ∼ b, wenn es eine komplexe Zahl λ ∈ C gibt mit
λ · a = b.
(16)
Die Menge aller Äquivalenzklassen von Idealen a 6= (0),
C(K) := { [a] | a OK , a 6= (0) },
heißt die Idealklassengruppe von K.
Bemerkung 2.4.5 (i) Die komplexe Zahl λ mit λ · a = b ist von Null verschieden, eindeutig bestimmt und ein Element von K.
(ii) Ein Ideal a 6= (0) ist ein Hauptideal genau dann, wenn a ∼ (1).
(iii) Die Idealmultiplikation (a, b) 7→ a · b induziert auf C(K) eine kommutative und assoziative Verknüpfung. Mit dieser Verknüpfung ist C(K) eine
abelsche Gruppe. Das neutrale Element besteht aus der Klasse der Hauptideale, das inverse Element der Idealklasse von a ist die Idealklasse von a0
(siehe Lemma 2.3.1).
(iv) Die Gruppe C(K) ist endlich. Ihre Ordnung hK := |C(K)| heißt die
Klassenzahl von K. Siehe z.B. [1], Kapitel 11.10.
(v) Offenbar ist OK ein Hauptidealring genau dann, wenn hK = 1. Allerdings
gibt es nur endlich viele imaginärquadratische Zahlkörper mit Klassenzahl
1, und zwar genau für die Werte
d = −1, −3, −7, −11, −19, −43, −67, −163.
Dies wurde bereits von Gauß vermutet, ein vollständiger Beweis wurde
aber erst 1966 von Baker und Stark veröffentlicht.
33
(siehe [1], Kapitel 11.7, Figure (7.13))
Figure 1:
Wir wollen die Idealklassengruppe nur in einem nichttrivialen
Fall bestim√
men. Wir setzen d := −5. Dann gilt OK = Z[ω] mit ω = −5.
Proposition 2.4.6 Sei a 6= (0) ein von Null verschiedenes Ideal von OK . Sei
α ∈ a\{0} ein kürzester Vektor von a (d.h. für alle β ∈ a\{0} gilt |β| ≥ |α|).
Dann gilt entweder
a = (α)
oder
a = α,
α + αω .
2
Beweis: Es gilt sicher (α) ⊂ a. Im Fall a = (α) sind wir fertig, deshalb
nehmen wir im Folgenden an, dass (α) 6= a. Nach Bemerkung 2.4.3 (iii) sind die
Ideale (α) und a Gitter in C. Von dem Gitter (α) können wir eine Gitterbasis
explizit angeben, nämlich (α, αω). Sei F ⊂ C die Grundmasche der Gitterbasis
(α, αω) (siehe Abbildung 1). Nach Lemma 2.4.2 und der Annahme (α) 6= a gibt
es ein β ∈ F ∩ a, β 6= 0.
Das folgenden Lemma folgt direkt aus der Wahlt von α.
Lemma 2.4.7 Sei r := |α|, γ ∈ a und n ∈ N. Sei D := D(γ/n, r/n) ⊂ C eine
offene Kreisscheibe um den Punkt γ/n mit dem Radius r/n. Dann enthält der
Durchschnitt D ∩ a höchstens den Mittelpunkt γ/n.
Wir wenden dieses Lemma für die folgenden Werte von γ und n an:
γ := 0, α, ωα, α + ωα,
n := 1,
und
γ := αω/2, α + αω/2, (α + αω)/2,
n := 2.
Wir erhalten sieben offene Kreisscheiben, die die Grundmasche F vollständig
überdecken (wie man an der Abbildung 1 sieht). Das Element β ∈ F ∩ a
muss also in einer dieser Kreisscheiben liegen. Lemma 2.4.7 zeigt, dass β der
Mittelpunkt dieser Kreisscheibe sein muss. Von den sieben Mittelpunkten liegen
nur zwei in F ; es folgt also
β∈{
αω α + αω
,
}.
2
2
Angenommen, β = αω/2 ∈ a. Da a ein Ideal ist, würde
α
= 3α + βω ∈ a
2
34
folgen. Dies widerspricht aber der Wahl von α als einem kürzesten Vektor in a.
Wir schließen daraus
α + αω
β=
, a = (α, β).
2
Nun ist alles gezeigt.
2
Korollar 2.4.2 Die Idealklassengruppe C(K) hat genau zwei Elemente und
wird von der Klasse des Primideals
p2 := (2, 1 + ω)
erzeugt.
Beweis: Ist a 6= (0) ein Ideal, so gilt nach Proposition 2.4.6 entweder
a = (α) ∼ (1)
oder
α
a = α, (α + αω)/2 = · p2 ∼ p2 .
2
2
Satz 2.4.2 Sei p eine Primzahl 6= 2, 5.
(i) Es gibt x, y ∈ Z mit
p = x2 + 5y 2
genau dann, wenn p ≡ 1, 9 (mod 20).
(ii) Es gibt x, y ∈ Z mit
2p = x2 + 5y 2
genau dann, wenn p ≡ 3, 7 (mod 20).
Beweis:
√ In Beispiel 2.3.5 haben wir gesehen: die Primzahl p ist zerlegt in
K = Q[ −5] genau dann, wenn p ≡ 1, 3, 7, 9 (mod 20). In diesem Fall gilt
(p) = p · p0 , wobei p ein Primideal mit Norm p ist, der Form
p = (p, x − ω)
für eine Lösung x ∈ Z der Kongruenz x2 ≡ −5 (mod p).
Angenommen, p = (π) ist ein Hauptideal mit Erzeuger π = x + yω. Dann
gilt
p = N (p) = N (π) = x2 + 5y 2 .
Ist p kein Hauptideal, so folgt aus Korollar 2.4.2, dass p·p2 = (α) ein Hautpideal
ist. In diesem Fall gilt
2p = N (p · p2 ) = N (α) = x2 + 5y 2 ,
mit gewissen x, y ∈ Z.
35
Wir haben gezeigt: für alle Primzahlen p 6= 2, 5 mit p ≡ 1, 3, 7, 9 (mod 20)
ist entweder p oder 2p von der Form x2 + 5y 2 . Durch einfache Kongruenzüberlegungen modulo 8 und modulo 5 zeigt man umgekehrt: für ein Primzahl 6= 2, 5
der Form p = x2 +5y 2 gilt p ≡ 1, 9 (mod 20), und für eine Primzahl p 6= 2, 5 mit
2p = x2 + 5y 2 gilt p ≡ 3, 7 (mod 20). Der Satz ist damit vollständig bewiesen.
2
Übungsaufgaben
Übungsaufgabe 2.4.1 Sei V ein reller Vektorraum der Dimension n, Γ ⊂
(V, +) eine Untergruppe von V und Γ0 ⊂ Γ eine Untergruppe von Γ. Zeigen Sie:
(i) Falls Γ und Γ0 Gitter in V sind, so gilt
(Γ : Γ0 ) < ∞
(vgl. Korollar 2.4.1).
(ii) Sei Γ0 ein Gitter. Dann ist Γ ein Gitter genau dann, wenn (Γ : Γ0 ) < ∞.
√
Übungsaufgabe 2.4.2 Sei d 6= −1 quadratfrei, d ≡ 3 (mod 4), K := Q[ d].
Zeigen Sie: das Ideal
√
p2 := (2, 1 + d) OK
ist ein Primideal und kein Hauptideal. Insbesondere ist OK kein Hauptidealring.
Bestimmen Sie die Ordnung von p2 in der Idealklassengruppe C(K).
36
References
[1] M. Artin, Algebra, Birkhäuser.
[2] S. Lang, Algebra, Springer-Verlag
[3] J.C. Jantzen, J. Schwermer, Algebra, Springer-Verlag.
[4] R. Remmert, P. Ulrich, Elementare Zahlentheorie, Birkhäuser
[5] S. Wewers, Skript zur Vorlesung Lineare Algebra I im WS 07/08.
www.iazd.uni-hannover.de/~wewers/la1/vorlesung/gesamt.pdf
[6] S. Wewers,
Skript zur Vorlesung Lineare Algebra II im SS 08.
www.iazd.uni-hannover.de/~wewers/ss08/la2
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