Grundlagen

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Kapitel 1
Grundlagen
Lernziele 1.
• Formale Definition von Gruppen, Ringen und Körpern,
• Formale Definition von Vektorräumen,
• Formelle Einführung von Polynomen und Polynomringen.
In der Vorlesung “Propädeutikum” haben Sie verschiedene Zahlbereiche und Matrizen über diesen Zahlbereichen kennengelernt. Sie haben
auch Vektoren im R3 kennengelernt. In dieser Vorlesung werden wir
uns mit allgemeinen Vektorräumen beschäftigen. Wir werden sehen,
dass viele der bereits eingeführten Begriffe wie Vektoren, Matrizen
und Abbildungen eng miteinander verknüpft sind. Wir beginnen mit
einer Wiederholung einiger bereits bekannter Begriffe und führen einige neue Begriffe ein.
Wir verwenden die folgende Notation, die Sie zum Teil aus dem
“Propädeutikum” kennen, die aber gelegentlich auch von der Notation
des Propädeutikums abweicht.
Notation 1.1.
1.) R := Menge der reellen Zahlen.
2.) N := {1, 2, 3, . . .}, die Menge der natürlichen Zahlen. (Dann ist
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KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
N ⊆ R, d.h. N ist eine Teilmenge von R.)
3.) Für n ∈ N sei n := {1, 2, . . . , n − 1, n}. (Dann ist n ⊆ N, genauer,
n ist eine endliche Teilmenge von N.)
4.) Ist n ∈ N und X irgendeine Menge, so bezeichnet X n die Menge
aller n-Tupel der Elemente von X auch X-wertige Folgen der Länge
n genannt:
X n := {(x1 , . . . , xn )|xi ∈ X für i = 1, . . . , n}
mit der Gleichheitsdefinition
(x1 , . . . , xn ) = (y1 , . . . , yn ) für x1 , . . . , xn , y1 , . . . , yn ∈ X
genau dann, wenn
xi = yi für alle i = 1, . . . , n.
Weiterhin benötigen wir die folgende Definition:
Definition 1.2. 1.) Sind X, Y Mengen, so bezeichnet
X × Y := {(x, y)|x ∈ X, y ∈ Y }
das Cartesische Produkt von X und Y . Für x, x� ∈ X und y, y � ∈ Y
sind die Elemente (x, y) und (x� , y � ) in X × Y gleich, d.h.
(x, y) = (x� , y � ) genau dann, wenn x = x� und y = y � .
2.) Seien X, Y Mengen.
a) Eine Abbildung oder Funktion f von X nach Y ist eine Teilmenge
f ⊆ X × Y mit folgender Bedingung:
Für jedes x ∈ X gibt es genau ein y ∈ Y mit (x, y) ∈ f . Man nennt y
auch das (bezüglich f ) x zugeordnete Element und schreibt y = f (x)
statt (x, y) ∈ f . Statt f ⊆ X × Y Abbildung schreibt man:
f : X → Y : x �→ f (x).
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b) Ist f : X → Y eine Abbildung, so heißt X der Definitionsbereich
von f , Y der Wertebereich und für T ⊆ X heißt
f (T ) := {f (x) | x ∈ T } ⊆ Y
das Bild von T unter f , im Falle T = X heißt Bild(f ) := f (X) das
Bild von f . Die Menge aller Abbildungen von X nach Y wird mit Y X
bezeichnet.
3.) Ist f : X → Y eine Abbildung der Menge X in die Menge Y und
ist y ∈ Y , so bezeichnet
f −1 ({y}) := {x ∈ X | f (x) = y}
die Faser von f über y (oder das Urbild von y unter f ). Haben alle
Fasern höchstens ein Element, so heißt f injektiv. Ist keine Faser leer,
so heißt f surjektiv. Sind alle Fasern einelementig, so heißt f bijektiv.
4.) Sei X eine Menge. Dann bezeichnet
IdX : X → X : x �→ x
die Identitätsabbildung oder kurz Identität von X.
Die Menge der Abbildungen X n von n in X kann mit der Menge X n
der Menge der X-wertigen Folgen der Länge n identifiziert werden,
indem man für jede Abbildung die Bilder angibt.
Die Notation f −1 ({y}) bezeichnet die Faser der Funktion f über y.
Diese Notation drückt aber nicht aus, dass f −1 auch eine Abbildung
ist.
Zur Erinnerung definieren wir noch einmal die Komposition von
Abbildungen.
Definition 1.3. Sind f : S → T und g : T → U Abbildungen, so
heißt die Abbildung
g ◦ f := gf : S → U : s �→ g(f (s))
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KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
die Komposition oder Hintereinanderausführung von f mit g. (Gesprochen: g nach f ).
Eine wichtige Eigenschaft der Komposition von Abbildungen ist,
dass sie assoziativ ist, d.h. für Abbildungen f : S → T , g : T → U
und h : U → V gilt
(h ◦ g) ◦ f = h ◦ (g ◦ f ).
1.1
(1.1)
Gruppen, Ringe und Körper
Im Propädeutikum und in der Analysis I haben Sie schon Gruppen,
Ringe und Körper kennengelernt, an deren Definition wir noch einmal erinnern möchten. Hier definieren wir die algebraische Strukturen
Gruppen, Ringe und Körper sehr allgemein, indem wir Mengen mit
Verknüpfungen betrachten, die gewissen Regeln gehorchen. Die Regeln, die gelten sollen sind an bekannte Rechenregeln in R angelehnt
und wir nennen solche Regeln Axiome. Der Vorteil dieses Zugangs ist,
dass wir nun Eigenschaften von allen algebraischen Strukturen, die
diese Axiome erfüllen, gleichzeitig studieren können. In späteren Vorlesungen werden wir sehen, dass diese Strukturen viele Anwendungen
haben.
Definition 1.4. Eine nicht-leere Menge G mit einer binären Verknüpfung ∗ auf G heißt Gruppe, falls:
(G1) (Assoziativgesetz) Für alle a, b, c ∈ G gilt (a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c).
(G2) (Neutrales Element) Es existiert ein e ∈ G so dass a∗e = e∗a = a
für alle a ∈ G. Das Element e heißt neutrales Element von G.
(G3) (Inverses) Für jedes a ∈ G existiert ein b ∈ G mit a ∗ b = b ∗ a = e.
Das Element b heißt inverses Element von a.
Gilt zusätzlich noch, das folgende Axiom
(G4) (Kommutativgesetz) Für alle a, b ∈ G gilt a ∗ b = b ∗ a,
1.1. GRUPPEN, RINGE UND KÖRPER
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so heißt die Gruppe abelsch oder kommutativ. Erfüllt (G, ∗) nur die
Axiome (G1) und (G2), so heißt (G, ∗) eine Halbgruppe mit 1 oder
Monoid.
Bemerkung 1.5. Sehr oft schreiben wir die binäre Verknüpfung einer
Gruppe G als Multiplikation, d.h. für a, b ∈ G schreiben wir a · b oder
auch nur ab anstatt a ∗ b. In diesem Falle bezeichnen wir das neutrale
Element auch mit 1G oder einfach nur mit 1.
In machen Fällen, insbesondere wenn G abelsch ist, kommt es auch
oft vor, dass wir die Verknüpfung als + schreiben, d.h. für a, b ∈ G
schreiben wir a + b anstatt a ∗ b. In diesem Falle bezeichnen wir das
neutrale Element auch mit 0G oder einfach nur mit 0.
Übung:
• Man zeige, dass jede Gruppe ein eindeutiges neutrales Element
hat.
• Man zeige, dass jedes Element einer Gruppe ein eindeutiges inverses Element besitzt.
Beispiel 1.6.
1.) Für (N, +) gilt nur das Assoziativgesetz und das Kommutativgesetz.
2.) Für a ∈ Z sei Z≥a := {r ∈ Z | r ≥ a}. Dann sind für (Z≥0 , +)
das Assoziativgesetz, die Existenz des neutralen Elementes, nämlich
0, und das Kommutativgesetz erfüllt.
3.) Für Z≥−1 ist nicht einmal + als Verknüpfung definiert.
4.) (Z, ·) ist keine Gruppe, denn 0a = 0 für alle a ∈ Z.
5.) Q∗ := (Q − {0}, ·) ist eine kommutative Gruppe. Ebenso R∗ :=
(R − {0}, ·).
6.) Da die Komposition von Abbildungen assoziativ ist, ist (M M , ◦)
eine Halbgruppe mit 1 = IdM für jede Menge M . Diese ist nicht kommutativ, sobald M mehr als ein Element enthält.
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KAPITEL 1. GRUNDLAGEN
7.) Ist M �= ∅ eine Menge, so ist RM eine kommutative Gruppe mit
der werteweisen Addition: Für f, g ∈ RM definiert man:
(f + g)(m) := f (m) + g(m) für alle m ∈ M
Übung: Verifiziere alle Gruppenaxiome für 7), siehe Blatt 1.
Definition 1.7. Sei R eine Menge mit zwei binären Verknüpfungen
+ : R × R → R : (r, s) �→ r + s und · : R × R → R : (r, s) �→ r · s ,
die wir in der Regel Addition und Multiplikation in R nennen. Dann
heißt (R, +, ·) ein Ring, falls gilt:
(R1) (R, +) ist eine abelsche Gruppe.
(R2) (Assoziativgesetz) Für alle r, s, t ∈ R gilt (r · s) · t = r · (s · t).
(R3) (Distributivgesetze) Für alle r, s, t ∈ R gilt (r + s) · t = rt + st
und t · (r + s) = tr + ts.
(R, +, ·) heißt Ring mit 1 wenn zusätzlich gilt:
(R4) Es gibt ein Element 1 ∈ R mit 1 · r = r · 1 = r für alle r ∈ R.
Weiterhin heißt der Ring (R, +, ·) kommutativ, wenn (R1)-(R3) gelten
und zusätzlich gilt:
(R5) Für alle r, s ∈ R ist r · s = s · r.
Von jetzt an, nehmen wir immer an, dass ein Ring auch das Axiom
(R4) erfüllt, also ein Ring mit 1 ist.
Per Definition ist (R, +) eine Gruppe. Allerdings gibt es viele Beispiele von Ringen, für die (R\{0}, ·) keine Gruppe ist, z.B. für den
Ring (Z, +, ·). Wir können aber die folgende Teilmenge von R betrachten: R∗ = {r ∈ R | ∃s ∈ R : r · s = s · r = 1}. Dann ist (R∗ , ·) eine
Gruppe und jedes Element r ∈ R∗ heißt Einheit oder invertierbar.
1.1. GRUPPEN, RINGE UND KÖRPER
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Definition 1.8. Sei (K, +, ·) ein Ring (mit 1). Dann heißt K ein
Körper, wenn
(K1) 0 �= 1.
(K2) Für alle a, b ∈ K ist a · b = b · a.
(K3) K ∗ = K − {0}.
Verzichtet man auf (K2), so spricht man von einem Schiefkörper.
Bemerkung 1.9. Sei K ein Körper. Dann gilt:
1) 0a = 0 für alle a ∈ K.
2) Statt a · b−1 schreibt man auch ab für alle a ∈ K, b ∈ K ∗ . Man hat
für a, c ∈ K, b, d ∈ K ∗ :
ad + cb
a c
+ =
.
b d
bd
Beispiel 1.10.
1) (R, +, ·), kurz R, ist ein Körper.
2) Q ist ein Körper (Teilkörper von R).
3) Z ist kein Körper, sondern nur ein kommutativer Ring mit 1. Der
Körper Q der rationalen Zahlen geht aus dem Ring Z durch Bereichsvergrößerung hervor.
1.1.1
Der Restklassenring modulo n
Für i, n ∈ Z sei i + nZ = {i + na | a ∈ Z} und
Zn = Z/nZ = {0 := nZ, 1 := 1+nZ, 2 := 2+nZ, . . . , n − 1 := n−1+nZ}.
Dies ist die Menge der Äquivalenzklassen auf Z bezüglich der Äquivalenzrelation k ∼ � ⇔ n | (k − �). Dies bedeutet, dass zwei Zahlen
k und � genau dann äquivalent sind, wenn sie nach Division mit n
den selben Rest haben. Wir definieren die Verknüpfungen + und · auf
Z/nZ anhand von “Vertretern” durch
(a+nZ) + (b+nZ) := (a+b) + nZ,
(a+nZ)(b+nZ) := ab + nZ
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