Grundlegendes

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Kapitel 1
Grundlegendes
Abschnitt 1.5
Der Unterschied zwischen Q und R
Zur Erinnerung
Es bezeichnet Q die Menge / den archimedisch angeordneten
Körper der rationalen Zahlen, also
nm
o
Q=
: m, n ∈ Z, n 6= 0 .
n
Es bezeichnet R die Menge / den archimedisch angeordneten
Körper der reellen Zahlen, also die Menge der (positiven und
negativen) Dezimalbrüche mit unendlich vielen Nachkommastellen.
Dabei lässt sich Q als die Teilmenge von R interpretieren, die aus
denjenigen Dezimalbrüchen besteht, die irgendwann periodisch
werden.
Ein paar Fragen
I
Ist R wirklich „mehr“ als Q?
I
Falls ja, wie viel mehr?
I
Reicht R aus?
I
Geht es auch „eine Nummer kleiner“?
Irrationalität von Quadratwurzeln, 1
Aufgrund der obigen Charakterisierung der rationalen Zahlen
innnerhalb der reellen Zahlen ist klar, dass 0,1101001000100001 . . .
eine reelle Zahl ist, welche nicht rational ist. Allerdings ist dieses
Beispiel recht gekünstelt.
Überzeugender ist folgender
Satz. Für jede Primzahl p ist
√
p keine rationale Zahl.
√
Beweis (durch Widerspruch). Man nimmt an, p sei doch eine
rationale Zahl, also von der Gestalt m
n mit m, n ∈ Z, n 6= 0, also
√
p=
m
.
n
Irrationalität von Quadratwurzeln, 2
Dann darf man ohne Einschränkung annehmen, dass m, n = 0 und
m und n ohne nichttrivialen gemeinsamen Teiler sind, d. h., dass
eine „gekürzte Bruchdarstellung“ vorliegt.
√
Aus p = m
n folgt
m 2 m 2
= 2,
p=
n
n
also
pn2 = m2 .
Mit pn2 wird daher auch m2 durch p geteilt, also auch m. Man
schreibe
m = p`
mit einem ` ∈ N× . Dann gilt
pn2 = m2 = (p`)2 = p 2 `2 .
Irrationalität von Quadratwurzeln, 3
Kürzen durch p auf beiden Seiten führt dann auf
n2 = p`2 .
Mit p`2 ist daher auch n2 durch p teilbar, also auch n.
Damit haben m und n den nichttrivialen Teiler p gemeinsam.Dies
ist aber ein Widerspruch zu der Annahme, dass m
n ein gekürzer
Bruch ist. Dieser Widerspruch kommt von der Annahme her, dass
√
p eine rationale Zahl ist.
√
Also ist p doch keine rationale Zahl.
Ein weiteres wichtiges Beispiel einer irrationalen Zahl ist die
Kreiszahl
π.
Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit, 1
Definition. Eine Menge M heißt abzählbar, wenn sie sich mit
Hilfe der natürlichen Zahlen „aufzählen“ bzw. „abzählen“ läßt, d. h.,
wenn sich M als Menge der Glieder einer Folge schreiben lässt:
M = {a0 , a1 , a2 , . . .},
d. h., wenn es eine surjektive Abbildung von N0 auf M gibt.
Nicht abzählbare Mengen heißen überabzählbar.
Beispiele.
I Natürlich ist N0 abzählbar.
I Auch N× trifft dies zu: Man definiere die Abbildung von N0
nach N× durch n 7→ n + 1.
I Auch jede endliche Menge M = {a1 , a2 , . . . , aN } ist abzählbar:
Man definiere f : N0 → M durch
an+1 für n < N und
f (n) :=
aN für n = N.
Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit, 2
Sogar die Menge der ganzen Zahlen ist abzählbar. Man definiere
f : N0 → Z durch
`,
falls n von der Gestalt 2` ist mit ` ∈ N0 ,
f (n) :=
−` − 1, falls n von der Gestalt 2` + 1 ist mit ` ∈ N0 .
Noch überraschender ist der
Satz 1. Die Menge Q der rationalen Zahlen ist abzählbar.
Beweis. Konstruiert wird zunächst – unter Verwendung des
„1. Cantorschen Diagonalverfahrens“ – eine surjektive Abbildung
von N0 auf die Menge der Brüche (nicht einmal Bruchzahlen!) mit
positiven Nennern und Zählern:
Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit, 3
0 7→ 11 , 1 7→ 21 , 2 7→ 12 , 3 7→ 31 , 4 7→ 22 , 5 7→ 13 , 6 7→ 41 ,
7 7→ 32 , 8 7→ 23 , 9 7→ 14 , 10 7→ 51 , 11 7→ 24 , 12 7→ 33 ,
...
bzw., um den Namen „Diagonalverfahren“ deutlicher zu machen:
..
.
..
.
..
.
..
.
..
.
1
5
2
5
3
5
4
5
5
5
...
5
4
...
5
3
...
5
2
...
5
1
...
1
4
2
4
1
3
-
-
-
-
4
3
3
2
2
1
4
4
3
3
2
2
1
1
3
4
2
3
1
2
-
4
2
3
1
4
1
Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit, 4
Man kann die Umkehrung dieser Abbildung sogar formelmäßig
angeben: Der Bruch ba tritt auf als Bild der natürlichen Zahl
1
(a + b − 2)(a + b − 1) + b − 1.
2
Aus der surjektiven Abbildung von N auf die Menge der Brüche mit
positiven Zählern und Nennern erhält man durch Übergang zu den
Bruchzahlen eine surjetive Abbildung von N0 auf die Menge der
positiven rationalen Zahlen.
Daraus wiederum kann man eine surjetive Abbildung auf ganz Q
mit dem gleichen Verfahren erzeugen, mit dem man die surjektive
Abbildung von N0 auf Z erzeugt hat.
Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit, 5
Hingegen gilt:
Satz 2. Die Menge R der reellen Zahlen ist nicht abzählbar.
Beweis durch Widerspruch. Sei R abzählbar. Dann trifft dies auch
auf das rechts halboffene Intervall [0, 1[ zu. Sei f : N → [0, 1[ eine
surjektive Abbildung. Die reelle Zahl f (n) habe die
Dezimalbruchentwicklung
0,an1 an2 an3 an4 an5 . . . .
Unter Verwendung des „2. Cantorschen Diagonalverfahrens“
definiere man einen Dezimalbruch
0,b1 b2 b3 b4 b5 . . .
Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit, 6
durch
bn :=
1, falls ann 6= 1 ist,
2, falls ann = 1 ist.
Dann definiert dies eine reelle Zahl b, da nur die Nachkommaziffern
1 und 2 auftreten, also garantiert kein „Neuner-Ende“ vorkommen
kann. Diese Zahl b ist aber von jedem f (n) verschieden, da ihre
n-te Nachkommastelle von der von f (n) verschieden ist:
Ist ann 6= 1, so ist bn = 1 6= ann ;
ist ann = 1, so ist bn = 2 6= 1 = ann .
Also ist f doch nicht surjektiv und daher R in der Tat nicht
abzählbar.
Das Supremums- und das Infimumsprinzip
Es wird sich herausstellen, dass die folgenden beiden Eigenschaften
von R grundlegend für die Infinitesimalrechnung sind:
Das Supremumsprinzip. Jede nach oben beschränkte nichtleere
Teilmenge von R besitzt in R ein Supremum (also eine kleinste
obere Schranke).
Das Infimumsprinzip. Jede nach unten beschränkte nichtleere
Teilmenge von R besitzt in R ein Infimum (also eine größte untere
Schranke).
Bemerkung. Ist M eine nichtleere und nach oben beschränkte
Teilmenge von R, so ist {−x : x ∈ M} eine nichtleere und nach
unten beschränkte Teilmenge von M.
Falls diese ein Infimum s besitzt, so ist −s ein Supremum von M.
Daher braucht man nur nachzuweisen, dass R das Infimumsprinzip
erfüllt.
Beweis des Infimumsprinzips für R, 1
Sei M eine nichtleere und nach unten beschränkte Teilmenge von R.
Aufgrund der archimedischen Axioms für R gibt es eine untere
Schranke n von M, die eine ganze Zahl ist.
Indem man zu allen Elementen von M die Zahl n addiert, kann man
man annehmen, dass n = 0 ist und damit auch m > 0 für alle
m ∈ M. (Dies dient nur der besseren Beschreibbarkeit im
Folgenden.)
Da M nichtleer ist, gibt es ein m0 ∈ M.
Sei n0 die größte natürliche Zahl zwischen n und m0 , die eine
untere Schranke von M ist.
Dann ist
1. n0 eine untere Schranke von M und
2. liegen in dem halboffenen Intervall
[n0 ; n0 + 1[
Elemente von M.
Beweis des Infimumsprinzips für R, 2
Somit kann das Infimum von M nur in dem Intervall [n0 , n0 + 1[
liegen. Die natürliche Zahl n0 gibt bereits seine Vorkommastellen
an.
Die erste Nachkommastelle des gesuchten Infimums ergibt sich wie
folgt:
Sei n1 die größte Zahl aus {0, 1, 2, . . . , 7, 8, 9}, so dass
n0 ,n1
(Dezimalburchschreibweise!)
eine untere Schranke von M ist. (Man beachte, dass n0 nach Wahl
eine untere Schranke von M ist, n0 + 1 hingegen nicht.)
Dann ist
1. n0 ,n1 eine untere Schranke von M und
2. liegen in dem halboffenen Intervall
n0 ,n1 ; n0 ,n1 +
Elemente von M.
1
10
Beweis des Infimumsprinzips für R, 3
Rekursiv definiert man nun die weiteren Nachkommastellen nj+1 wie
folgt: Es sei nj+1 die größte Zahl aus {0, 1, 2, . . . , 7, 8, 9}, so dass
n0 ,n1 . . . nj nj+1
(Dezimalburchschreibweise!)
eine untere Schranke von M ist.
Dann ist
1. n0 ,n1 . . . nj nj+1 eine untere Schranke von M und
2. liegen in dem halboffenen Intervall
n0 ,n1 . . . nj nj+1 ; n0 ,n1 . . . nj nj+1 +
Elemente von M.
1
10j+1
Beweis des Infimumsprinzips für R, 4
Behauptung. Die reelle Zahl
t := n0 ,n1 . . . nj nj+1 . . .
ist das Infimum von M, denn:
1) Diese Zahl ist eine untere Schranke von M.
Annahme 1: Es gilt ein m ∈ M mit m < t, also t − m > 0.
Dann gibt es aufgrund des archimedischen Axioms ein j ∈ N× mit
t − m = 101 j , also
m 5
<
t−
1
10j
= n0 ,n1 . . . nj nj+1 . . . −
n0 ,n1 . . . nj +
1
10j
−
1
10j
1
10j
= n0 ,n1 . . . nj .
Dies aber steht im Widerspruch dazu, dass n0 ,n1 . . . nj eine untere
Schranke von M ist.
Also ist die Annahme 1 falsch und t doch eine untere Schranke von
M.
Beweis des Infimumsprinzips für R, 5
2) Diese Zahl ist die größte untere Schranke von M.
Annahme 2: Es gibt eine untere Schranke u von M mit u > t, also
u − t > 0.
Dann gibt es wieder aufgrund des archimedischen Axioms ein
j ∈ N× mit u − t = 101 j . Für alle m ∈ M gilt dann
m=u>t+
1
= n0 ,n1 . . . nj nj+1 . . . +
10j
1
10j
= n0 ,n1 . . . nj +
1
,
10j
was im Widerspruch dazu steht, dass in dem halboffenen Intervall
n0 ,n1 . . . nj ; n0 ,n1 . . . nj + 101 j
Elemente von M liegen.
Also ist die Annahme 2) falsch und t doch die größte untere
Schranke von M.
Also ist t in der Tat das Infimum von M.
Anwendung des Supremumsprinzips, 1
Achtung! In R gilt zwar das Supremums- und das Infimumsprinzip,
aber das Supremum bzw. Infimum einer Menge rationaler Zahlen
braucht nicht wieder eine rationale Zahl zu sein.
Dies wird durch die folgende Überlegung bewiesen, die gleichzeitig
belegt, dass das Supremums- bzw. Infimumsprinzip ausreicht, um
die Existenz von Quadratwurzeln sicherzustellen. Der Einfachheit
halber wird dies für die Quadratwurzel aus 2 durchgeführt; der Fall
der Quadratwurzel aus einem beliebigen a ∈ R mit a = 0 läuft
entsprechend:
Beispiel. Sei
M := {q ∈ Q : q 2 5 2} ⊂ Q.
Dann ist M durch 2 nach oben beschränkt und wegen 0 ∈ M nicht
leer.
Behauptung. Für das Supremum s von M gilt
s 2 = 2.
Anwendung des Supremumsprinzips, 2
Beweis. Es wird gezeigt, dass sowohl die Annahme s 2 < 2 als auch
die Annahme s 2 > 2 zum Widerspruch führt.
Annahme. Es sei s 2 < 2, also 2 − s 2 > 0.
Aufgrund des archimedischen Axioms gibt es ein N ∈ N× mit
1
6
6
2
2
2
N 5 (2 − s )/6, also 2 − s = N und daher 2 = s + N und ein
1
1
2
2
q ∈ Q mit 0 5 s − q < N , also s = q und q + N > s. Wegen
2 > s 2 = q 2 ist dabei q 5 2.
Dann gilt q + N1 ∈ Q und
1 2
q+
=
N
5
2q
1
1
1
+ 2 5 s2 +
2q +
N
N
N
N
1
5
6
s2 +
2 · 2 + 1 = s2 +
< s 2 + 5 2.
N
N
N
q2 +
Also ist q + N1 ∈ M und somit wegen q + N1 > s die Zahl s keine
obere Schranke von M und daher keinesfalls das Supremum dieser
Menge.
Anwendung des Supremumsprinzips, 3
Annahme. Es sei s 2 > 2, also s 2 − 2 > 0.
Aufgrund der archimedischen Axioms gibt es dann ein L ∈ N mit
s 2 − 2 > L4 , also s 2 − L4 > 2.
Wegen 22 > 2, also s 5 2, folgt damit
1 2
2s
1
2s
2·2
s−
= s2 −
+ 2 > s2 −
> s2 −
> 2.
L
L
L
L
L
Aufgrund der Monotonie der Funktion x 7→ x 2 ist daher bereits
s − L1 eine obere Schranke von M, also s nicht das Supremum von
M.
Anwendung des Supremumsprinzips, 4
Analog zu dieser Behauptung kann man zeigen:
I
Für n eine gerade natürliche und a eine (rationale) positive
Zahl erfüllt
s := sup{q ∈ Q : q n 5 a}
die Eigenschaft s n = a.
I
Für n eine ungerade natürliche und m eine (rationale) Zahl
erfüllt
s := sup{q ∈ Q : q n 5 a}
die Eigenschaft s n = a.
Dichtheit von Q in R
Jeder positive Dezimalbruch
c0 , c1 c2 c3 c4 c5 . . .
ist das Supremum der – nichtleeren und nach oben beschränkten –
Menge
{c0 ;
c0 , c1 ;
c0 , c1 c2 ;
c0 , c1 c2 c3 ;
c0 , c1 c2 c3 c4 ;
. . .}
seiner endlichen Dezimalbrüche, also von rationalen Zahlen.
Analoges gilt für negative Dezimalbrüche.
Die reellen Zahlen entstehen also aus den rationalen Zahlen gerade
dadurch, dass man alle Suprema bzw. Infima von nichtleeren und
nach oben bzw. nach unten beschränkten Mengen von rationalen
Zahlen hinzunimmt.
Einzigkeit von R, 1
Man kann die reellen Zahlen auch anders definieren als als
unendliche Dezimalbrüche, nämlich – alternativ –
I
als Dedekindsche Schnitte,
I
vermittels Intervallschachtelungen,
I
als Restklassen von Fundamentalfolgen,
I
....
Allerdings gilt:
Theorem. Ist K ein archimedisch angeordneter Körper, in dem das
Supremums- bzw. das Infimumsprinzip gilt.
Dann gibt es eine bijektive Abbildung von K in die Menge der
unendlichen Dezimalbrüche, die sowohl alle Grundrechenarten als
auch die Anordnung respektiert („Isomorphismus angeordneter
Körper“).
Einzigkeit von R, 2
Die Grundidee des Beweises dieser Aussage ist relativ einfach: Da
der Körper K angeordnet ist, enthält er eine Kopie des Körpers Q,
die mit Q identifiziert wird.
Aufgrund der Voraussetzungen an K besteht dieser Körper genau
aus allen Zahlen s, die Supremum einer nach oben beschränkten
nichtleeren Menge rationaler Zahlen sind. Solch eine Menge besitzt
aber auch in R ein Supremum, etwa r . Man definiere das Bild von s
als r . Für diese Abbildung ist jetzt – technisch etwas mühselig –
nachzuweisen, dass sie unabhängig von der Auswahl der Menge von
rationalen Zahlen, bijektiv und mit den Grundrechenarten und der
Anordnung verträglich ist.
Intervallschachtelungen, 1
Man kann den Körper der reellen Zahlen aber auch dadurch
charakterisieren, dass (er das archimedische Axiom erfüllt und) in
ihm jede Intervallschachtelung mit rationalen Endpunkten ein
Körperelement bestimmt.
Dabei bilden Intervalle [a1 , b1 ], [a2 , b2 ], [a3 , b3 ], . . . eine
Intervallschachtelung, wenn gilt
a1 5 a2 5 a3 5 . . . ,
b1 = b2 = b3 = . . .
und
bn − an unterschreitet jede vorgegebene Grenze, wenn nur
n hinreichend groß ist.
Intervallschachtelungen lassen sich geometrisch besonders gut
veranschaulichen und durch die Vorstellung des Messens von
Längen mit immer feineren Meßinstrumenten motivieren.
Intervallschachtelungen, 2
Ein Dezimalbruch läßt sich übrigens als Spezialfall einer
Intervallschachtelung auffassen: Man braucht nur die
Zusatzbedingungen zu stellen, dass a1 , a2 , a3 , . . . und b1 , b2 , b3 , . . .
endliche Dezimalbrüche sind und b1 − a1 = 10−1 , b2 − a2 = 10−2 ,
b3 − a3 = 10−3 , . . . ist.
Dedekindsche Schnitte, 1
Ein großes Problem bei der Definition reeller Zahlen durch
Intervallschachtelungen ist, dass verschiedene
Intervallschachtelungen ein- und dieselbe reelle Zahl definieren
können.
„Punkte auf der Zahlengeraden“ kann man aber auch anders
festlegen, nämlich, indem man sagt, welche rationale Zahlen links
und welche rechts davon liegen. Abstrakter formuliert, zerlegt man
die Menge Q der rationalen Zahlen (die wieder als gegeben
vorausgesetzt wird), in zwei Teilmengen A und B, für die gilt
I
A ∪ B = Q,
I
Für alle a ∈ A und b ∈ B gilt a < b. (Insbesondere ist dann
A ∩ B = ∅.)
I
B besitzt kein Minimum.
Dedekindsche Schnitte, 2
Solch ein Paar (A, B) nennt man einen „Dedekindschen Schnitt“.
Um solch einen Schnitt festzulegen, reicht wegen A ∪ B = Q und
A ∩ B = ∅ die Angabe einer der beiden Mengen A oder B aus; wir
verwenden im folgenden die „Untermengen“ A.
Zwei solche Mengen A1 und A2 kann man vermittels
A1 + A2 := {a1 + a2 : a1 ∈ A1 , a2 ∈ A2 }
addieren und auch der Größe nach miteinander vergleichen, indem
man setzt
A1 5 A2 :⇔ A1 ⊂ A2 .
Bei der Definition der anderen Rechenoperationen muß man
zugegebenermaßen etwas aufpassen, aber letztlich kann man mit
diesen Mengen von Zahlen rechnen, und sie bilden einen
angeordneten Körper, der das Supremumsaxiom erfüllt. (Man stelle
sich die Konstruktion so vor, dass man für die „Untermenge“ A das
Supremum „irgendwo her nimmt“ und dann mit A bezeichnet.)
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