22-25 Delfine

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Sprung in sich
Gewässer
In der nördlichen Adria erforscht und rettet eine kroatische Naturschutzorganisation Delphine. Die gemeinen Delphine sind praktisch
ausgerottet und andere Arten sind akut bedroht. Doch nun zeichnet
sich nach 16 Jahren Arbeit ein Grosserfolg ab: die Gründung des
ersten marinen Schutzgebietes in kroatischem Gewässer.
Text: Urs Fitze
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Fotos: Blue World
Manchmal scheinen die Delphine ihren
Spass daran zu haben, dem Fotografen
etwas Besonderes zu bieten.
meinen Delphine (Delphinus delphis),
die hier einst sehr verbreitet waren. Da
sie vor allem Sardinen frassen und die
Fischer um ihr Einkommen bangten,
wurden sie mit staatlicher Förderung
jahrzehntelang gejagt. Der Raubbau hat
aber letztlich auch dem Menschen geschadet: Die Fischdosenfabriken sind
längst stillgelegt, die gnadenlose Überfischung hat die Sardinenbestände dramatisch einbrechen lassen.
Selten geworden sind auch die gestreiften Delphine (Stenella coeruleoalba). In nennenswerter Zahl überlebt
hat einzig der grosse Tümmler (Tursiops
truncatus). Dieser bis zu 4 Meter lange
und bis zu 500 Kilogramm schwere Delphin erlangte dank der «Flipper»-Serie
in den 60er-Jahren grosse Berühmtheit.
In freier Wildbahn, in der nördlichen
Adria, macht er Jagd auf Fischarten, die
den Menschen bislang industriell nicht
interessiert haben. Grosse Tümmler sind
anpassungsfähiger und nicht so ausschliesslich in der Wahl des Futters wie
eres
Delphine NATUR
andere Delfinarten. «Das hat der Art das
Überleben ermöglicht», sagt die Meeresbiologin Annika Wiemann. «Doch ihre
Zahl ist gering, und ihr langfristiges
Überleben kann dadurch gefährdet sein.»
Rund 120 grosse Tümmler kommen in
einem 1000 Quadratkilometer grossen
Meeresgebiet zwischen den Inseln Cres,
Losinj und Krk vor. Wiemann kennt sie
bis auf einige wenige persönlich. Seit 6
Jahren fährt sie zusammen mit einem
Kollegen vom Frühjahr bis in den Herbst
hinein regelmässig mit dem Schlauchboot
aufs Meer hinaus – immer auf der Suche
nach Delphinen. Wiemann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des «Blue World
Institutes für Meeresforschung und
Schutz» mit Sitz in Veli Losinj, einem
Kurort im Süden der Insel Mali Losinj.
«Ich erkenne die Tiere an ihrer Rückenflosse», erklärt sie. Manchmal sei es die
Form, manchmal auch eine Einkerbung,
die von einer Verletzung aus einem Kampf
herrührt, an der sie die Delphine ausmachen kann. Wenn es auf dem Wasser
Bis zu sechs Meter hoch kann der Grosse Tümmler springen.
W
er das Glück hat, von einem
Fährschiff aus in der nördlichen kroatischen Adria einen Delphin zu sichten, vergisst dieses Erlebnis nicht. Die Meeressäuger folgen dem Schiff eine Weile,
vielleicht, weil sie auf einen Happen Nahrung hoffen, vielleicht, weil es ihnen
Spass macht, durch die Bugwellen zu
reiten. Das Ereignis ist selten. Delphine
haben sich rar gemacht in diesen Gewässern. Praktisch ausgerottet sind die geNatürlich | 3-2004 23
NATUR Delphine
Aus Schlauchbooten heraus
werden die Delphine fotografiert
und gelegentlich auch gefilmt.
nicht gelingt, dann lässt sich das Tier
spätestens im Büro identifizieren, wo es
eine umfangreiche Daten- und Bildersammlung über die Delphine gibt.
Gute Gesundheit –
rückläufiger Bestand
Freiwillige gesucht
Die Arbeit von «Blue World» wäre kaum
machbar ohne die Mitarbeit junger Freiwilliger, die während der Sommermonate auf eigene Kosten nach Veli Losinj reisen, um sich
an der Beobachtung der Delphine zu beteiligen. Sie werden nach einer Einschulung auf
den beiden Booten eingesetzt, mit denen die
Forscher aufs Meer fahren. Gutes Wetter und
ruhige See ist dafür die wichtigste Voraussetzung. Denn sobald Seegang herrscht, sind
die Delphine im blitzenden Wasser nicht
mehr zu erkennen. Über jede Sichtung wird
genau Buch geführt, und die Tiere werden
dazu fotografiert. Interessierte können sich
bei Blue World anmelden. Die Platzzahl ist
beschränkt. Weitere Infos unter www.blueworld.org.
Zu den am meisten gesichteten zählt
«Monk», ein stattliches Männchen, das
schon vor 12 Jahren erstmals registriert
wurde. Monk ist oft zusammen mit Phil zu
sehen, einem Delphin, der sich zuweilen
einen Spass daraus macht, die Wissenschaftler mit einem frisch gefangenen
Fisch zu beeindrucken. Beobachtet werden die grossen Tümmler schon seit 1987,
als ein italienischer Wissenschaftler sich
zum Ziel gesetzt hatte, die Delphine in seinem Lieblingssegelrevier genauer zu erforschen und zu schützen. Das anfänglich vor
allem von italienischen Naturschützern
getragene Projekt entwickelte sich nach
und nach und konnte schliesslich zur
Jahrtausendwende in kroatische Hände
übergeben werden. Heute arbeiten die
Projektverantwortlichen in Veli Losinj eng
mit dem kroatischen Naturmuseum in
Zagreb zusammen und beziehen Fördergelder sowohl vom kroatischen Staat als
auch der Europäischen Union. Das sei
auch eine Anerkennung der jahrelangen
Mit ihren Schwanzflossen können die Delphine gewaltige Schläge ausführen.
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Forschungsarbeit, die meist unentgeltlich
von Freiwilligen geleistet worden sei, sagt
Annika Wiemann. Dabei betreiben die
jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die freiwilligen Helferinnen und Helfer Grundlagenforschung.
Von den grossen Tümmlern in der Adria
war bis auf die Tatsache von deren Existenz bis vor wenigen Jahren praktisch
nichts bekannt. Heute kennt Annika
Wiemann nicht nur die einzelnen Individuen in dem Forschungsgebiet, sondern weiss auch einiges über die Bestandesentwicklung und die Gefahren. «Ihre
Gesundheit ist mehrheitlich gut, trotzdem ist der Bestand leicht rückläufig.»
Die Ursache dürfte in einem ganzen Bündel von Belastungen liegen, denen die
Delphine ausgesetzt sind. Auch wenn die
Gewässer der kroatischen Adria im Vergleich zur italienischen Seite noch relativ
sauber sind, so fliessen die Abwässer an
vielen Stellen noch immer ungeklärt ins
Meer. Ein unterirdisches Gebirge, das
sich längs durch die Adria zieht, wirkt
immerhin als natürliches Hindernis für
die mit dem Po ins Meer geleiteten Schadstoffe aus norditalienischen Industriebetrieben und Tierfabriken. Doch vor allem im Sommer, wenn Hunderttausende
Touristen die kroatischen Strände bevölkern, steigt die Gewässerbelastung stark
Delphine NATUR
an. Zu schaffen machen den Delphinen
aber auch die vielen Motorboote, die von
Freizeitkapitänen gesteuert werden. Sie
fahren nicht nur zu nah an die Tiere
heran, sondern stören sie mit dem Lärm
der Schiffsmotoren empfindlich. Delphine haben ein ausgezeichnetes Gehör,
und sie können sich, wie die grossen
Wale auch, über erhebliche Distanzen
untereinander verständigen. Ein Muster
des Gesangs der Delphine kann von der
Webseite des Projekts heruntergeladen
werden: www.blue-world.org.
1000 km2 grosses
Schutzgebiet
Delphins. Auch die Behörden haben ihr
anfängliches Misstrauen abgelegt und erkannt, dass der Schutz der letzten Delphine in der nördlichen Adria auch ihre
Sache ist. So hat die Gemeinde der Organisation in Veli Losinj ein Gebäude zur
Verfügung gestellt, in dem sich jetzt ein
Bildungs- und Informationszentrum befindet. Der nächste Schritt könnte für die
Erhaltung der Delphine entscheidend
sein. Auf Anregung von «Blue World»
soll ein rund 1000 Quadratkilometer
grosses regionales Schutzgebiet – das erste in kroatischen Gewässern – begründet
werden, in dem Einschränkungen für
Bootfahrer und Fischer gelten sollen:
zum Schutz der Delphine, aber auch der
gesamten marinen Fauna und Flora. «Wo
es grosse Tümmler gibt, ist ein marines
Ökosystem noch zu weiten Teilen intakt», erklärt Wiemann. «Wenn diese
Tiere nicht überleben, sollte uns das stutzig machen. Ihre Zukunft betrifft auch die
unsrige.»
■
Rivalenkämpfe zwischen Delphinen sind durchaus alltäglich. Für die Wissenschaftler
sind die vernarbten Wunden in den Rückenflossen ein wichtiges Erkennungsmerkmal.
Unmittelbar lebensbedrohlich für die Delphine sind die Dynamitfischer, von denen
trotz eines Verbotes noch immer einige in
den Gewässern rund um die Insel Mali
Losinj unterwegs sind. Im vergangenen
März fiel «Blow», ein seit Anfang der
1990er-Jahre beobachteter männlicher
Delphin, einem Dynamitfischer zum Opfer. Blow war oft in einer grösseren
Gruppe zu sehen, zu denen neben mehreren Weibchen und ihrer Jungtiere auch
Phil und Monk gehörten. Es sei deshalb
nicht auszuschliessen, dass noch andere
Delphine betroffen sein könnten, sagt
Wiemann. Sie stellt den Einheimischen
aber insgesamt kein schlechtes Zeugnis
aus. Anfangs seien sie zwar noch misstrauisch beäugt worden, doch nun klingle
immer öfter das Telefon, und ein einheimischer Fischer melde die Sichtung eines
Monk, ein seit 1991 beobachtetes Männchen.
Der Grosse Tümmler ist in der nördlichen Adria gefährdet.
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