Universität Regensburg Fabian Hutzler, Sonja Predin, Dr. Enno E. Scholz, Hendrik Stüwe, Dr. Juan Diego Urbina, Christian Zimmermann Sommersemester 2016 Übungen zu “Theoretische Physik Ia—Klassische Mechanik” (Studiengang B.Sc. (Physik/Nanoscience/Computational Science) und LA Gym) Blatt 4 (für die Übungen in der Woche 9.–15.5.2016) Aufgabe 1 Rotierendes Bezugssystem Ein kartesisches Bezugssystem BS0 rotiere mit der Winkelgeschwindigkeit ω0 = const. relativ zu einem kartesischen Inertialsystem mit den Achsen êx,y,z um die gemeinsame z-Achse, ω ~ 0 = ω0 êz . Im rotierenden Bezugssystem bewege sich ein Körper entlang der Bahn (mit Konstanten v, ω1 , g) 1 x0 (t) = vt cos ω1 t , y 0 (t) = −vt sin ω1 t , z 0 (t) = − gt2 . 2 a) Geben Sie die Lage der Koordinatenachsen ê0i (t) von BS0 im Inertialsystem an, wobei zum Zeitpunkt t = 0: gelte ê0x (0) = êx und ê0y (0) = êy . b) Geben Sie die Bahnkurve im Inertialsystem an. c) Bestimmen Sie die Geschwindigkeit ~r˙ 0 und Beschleunigung ~r¨ 0 beobachtet im rotierenden Bezugssystem. d) Bestimmen Sie die Geschwindigkeit ~r˙ und Beschleunigung ~r¨ beobachtet im Inertialsystem. Was ergibt sich für ω0 = ω1 ? Aufgabe 2 Krabbelnder Käfer Auf einer Scheibe, die mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω um die Vertikale rotiert, krabbelt ein Käfer mit konstanter Geschwindigkeit v relativ zur Scheibe. Nehmen Sie an, der Käfer starte zum Zeitpunkt t = 0 im Mittelpunkt der Scheibe, und krabbele nach außen entlang der (mitbewegten) x0 -Achse, welche in radialer Richtung verläuft. Es sei ω ~ = ωêz sowie êz = ê0z . Damit der Käfer nicht auf der Scheibe ins Rutschen kommt, dürfen die Trägheitskräfte durch die Drehung der Scheibe nicht die maximale Haftreibung FH,max = αmKäfer g überschreiten (α: Haftreibungskoeffizient). Ab welcher Entfernung vom Mittelpunkt kommt der krabbelnde Käfer ins Rutschen? 1 Aufgabe 3 Freier Fall vom hohen Turm Ein Fensterputzer am Berliner Fernsehturm (53◦ N, 13◦ O) wird von einem Physikstudenten gebeten ausnahmsweise eine Münze von der Höhe des Telecafes (H = 207, 53 m) fallen zu lassen. Berechnen Sie die Ostabweichung des Aufschlagspunkt der Münze von der Lotrechten. Idealisieren Sie dabei die Münze zu einem Punktteilchen und vernachlässigen Sie jegliche äußeren Einflüße (Wind, Luftreibung, etc.). Die Münze habe im lokalen Koordinatensystem die Anfangsgeschwindigkeit v00 = 0. Hinweis: Betrachten sie ein lokales Koordinatensystem (KS0 ), dass aufgrund der Erddrehung rotiert (Winkelgeschwindigkeit ω). Der Platz um den Turm stelle dabei die x0 y 0 -Ebene (ê0x -Achse: Richtung Süden, ê0y -Achse: Richtung Osten) dar und der Turm zeige in die Richtung der (lokalen) ê0z -Achse (senkrecht zum Erdboden). Die Winkelgeschwindigkeit in diesem (lokalen) KS0 lautet: − sin ϑ 0 ω ~ = ω cos ϑ Stellen sie unter Vernachlässigung der Zentrifugalkraft aber unter Berücksichtung der Corioliskraft die Bewegungsgleichungen in diesem lokalen Koordinatensystem auf und lösen sie diese. Vernachlässigen sie in den Bewegungsgleichungen Terme der Ordnung O(ω 2 ). Aufgabe 4 Foucaultsches Pendel In der Vorlesung wurde gezeigt, dass im (rotierenden) Bezugssystem BS0 (“Labor auf Erdboden”) für eine Bewegung eines Massenpunktes nahe des Erdbodens (z 0 ≈ 0) die folgenden Bewegungsgleichungen gelten, falls in Richtung ê0x , ê0y die Kräfte Fx0 bzw. Fy0 wirken: mẍ0 = Fx0 + 2mω ẏ 0 cos ϑ , mÿ 0 = Fy0 − 2mω ẋ0 cos ϑ . Hierbei ist ω die Erdrotation und ϑ der Polarwinkel. (Letzterer ist nicht zu verwechseln mit der geographischen Breite φgeogr = 90◦ − ϑ.) Ein Foucaultsches Pendel besteht aus einer langen Pendelstange oder einem langen Pendelfaden der Länge ` mit zu vernachlässigender Masse an dessen Ende die Pendelmasse m angebracht ist. Bei einer (kleinen) Auslenkung des Pendels aus der Ruheposition wirkt aufgrund der Gravitationskraft F~g0 = −mgê0z mit der effektiven Erdbeschleunigung g eine Rückstellkraft auf die Pendelmasse. a) Zeigen Sie, dass für kleine Auslenkungen x0 in Richtung ê0x bzw. y 0 in Richtung ê0y aus der Ruhelage die Rückstellkräfte in Richtung ê0x bzw. ê0y als g 0 x ` g = −m y 0 ` Fx0 = −m Fy0 geschrieben werden können. 2 Zerlegen Sie hierzu z.B. die Gravitationskraft F~g0 , welche auf die Pendelmasse wirkt, in einen Anteil Fk0 parallel zum Erdboden und einen Anteil in Richtung des Pendelfadens. In welche Richtung zeigt Fk0 stets? Betrachten Sie nun ebenfalls die seitliche Auslenkung `0k (gemessen parallel zum Erdboden) und überlegen Sie, wie Sie Fx0 /Fk0 und Fy0 /Fk angeben können. Alternativ können Sie auch versuchen, die Rückstellkräfte aus dem Gravitationspotential Ug (ϕ) bzw. Ug (x0 , y 0 ) für kleine Winkelauslenkungen ϕ herzuleiten. b) Mit den Resultaten aus Teil a) ergeben sich für kleine Auslenkungen x0 , y 0 die Bewegungsgleichungen mẍ0 = −mω02 x0 + 2mω ẏ 0 cos ϑ , mÿ 0 = −mω02 y 0 − 2mω ẋ0 cos ϑ , p wobei ω0 = g/`. Zeigen Sie, dass die gekoppelten Differentialgleichungen äquivalent zur komplexen Differentialgleichung ü + 2iωeff u̇ + ω02 u = 0 sind mit u = x0 + iy 0 und ωeff = ω cos ϑ. c) Lösen Sie die komplexe DGL mit dem Ansatz u = exp(iλt) und bestimmen Sie die möglichen Lösungen λ1,2 . Die allgemeine Lösung lautet dann u(t) = c1 exp(iλ1 t) + c2 exp(iλ2 t) mit komplexen Koeffizienten c1,2 . d) Bestimmen Sie c1,2 so, dass die Anfangsbedingungen u(0) = a , u̇(0) = 0 erfüllt sind mit reellem a > 0. e) Geben Sie nun die Lösungen x0 (t) und y 0 (t) an. Begründen Sie die folgende Interpretation dieser Lösung: das Foucaultsche q Pendel schwingt bei kleinen Auslenkungen a aus der Ru2 + ω 2 ≈ ω in der Schwingungsebene, welche sich in der helage mit der Frequenz Ω = ωeff 0 0 0 0 x y -Ebene mit der Frequenz ωeff dreht. (Letzteres kann zum Beispiel durch eine Koordinatentransformation x0 = x00 cos ωeff t + y 00 sin ωeff t, y 0 = −x00 sin ωeff t + y 00 cos ωeff t gezeigt werden.) 3