Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung – Reflexion der Kaufpreisallokation (Purchase Price Allocation) in der Unternehmenspraxis WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung – Reflexion der Kaufpreisallokation (Purchase Price Allocation) in der Unternehmenspraxis I. Zur Einstimmung II. Reflexion der Regelungen von IFRS 3R Unternehmenszusammenschlüsse III. Reflexion (ausgewählter) Neuerungen von IAS 27R Konzern- und Einzelabschlüsse IV. Implikationen von IFRS 3R und IAS 27R auf den Goodwill-Impairment-Test (IAS 36) V. Abschließende Würdigung und künftige Entwicklungstendenzen © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 2 Zur Einstimmung © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 3 Überblick über das Business Combinations Project des IASB/FASB Business Combinations Projekt des IASB / FASB ab Juli 2001 Ziel: Harmonisierung von IFRS und US-GAAP „BC Phase I“: im März 2004 Verabschiedung/Überarbeitung von IFRS 3 Business Combinations IAS 36 Impairment of Assets IAS 38 Intangible Assets „Meilensteine“ der Business Combinations Phase I: Abschaffung Pooling-of-Interests-Method; zwingende Anwendung der Erwerbsmethode (purchase method) Impairment-Only-Approach hinsichtlich des Goodwills sowie für immaterielle Vermögenswerte mit einer unbestimmbaren Nutzungsdauer Restriktionen hinsichtlich der Bildung von Restrukturierungsrückstellungen © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 4 Exkurs: Impairment-Only-Approach in der Krise ? Bilanz nach 5 Jahren Pflichtanwendung Impairment-Only-Approach DAX30 (Mio. €) Goodwill Abschreibungen / Wertminderungen Prozentuale Abschreibung / Wertminderung Quelle: Leibfried, KoR 9/2010, M1 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 170.71 0 163.388 146.605 147.021 125.236 114.303 118.029 128.699 116.577 76.852 3.676 5.107 582 118 3.893 6.734 8.614 20.871 10.930 5.850 2,15% 3,13% 0,40% 0,08% 3,11% 5,89% 7,30% 16,22% 9,38% 7,61% Höhepunkt Finanzkrise Tiefpunkt „New Economy“ Firmenwerte haben auch nach dem Impairment-Only-Approach keine endlose Nutzungsdauer – lediglich unbestimmbare Nutzungsdauer (es kann nicht Sinn der Sache sein, dass sich Firmenwerte bis in alle Ewigkeit aufkumulieren) die implizite Lebensdauer des Goodwill hat sich durch die neue Normen von rund 11 Jahren (Durchschnitt 2000 bis 2004: 9,3% p.a.) auf 56 Jahre (Durchschnitt 2005 bis 2009: 1,8% p.a.) mehr als verfünffacht haben die nicht näher bestimmbaren Firmenwerte in einer dynamischen Wissens- und Informationsgesellschaft eine derart hohe Lebenserwartung? weder in guten noch in schlechten Zeiten spürbare Korrekturen der Firmenwerte Impairment-Only-Approach: keine nachhaltig anwendbare Rechnungslegung ! © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 5 Überblick über das Business Combinations Project des IASB/FASB „BC Phase II“: am 30. Juni 2005 Veröffentlichung der Exposure Drafts zu IFRS 3 Business Combinations (“IFRS 3R”) IAS 27 Consolidated and Separate Financial Statements (“IAS 27R”) (IAS 37 Non-Financial Liabilities und IAS 19 Employee Benefits) Related Projects: Fair value measurements, Liabilities (IAS 37), Consolidations (IAS 27), Impairment (IAS 36) zeitgleiche Veröffentlichung des ED zu SFAS 141R durch das FASB Juni 2007 - Veröffentlichung der sog. near-final drafts 10. Januar 2008: Veröffentlichung IFRS 3R sowie IAS 27R (SFAS 141R wurde bereits einige Tage zuvor im Dezember 2007 veröffentlicht) 12. Juni 2009: EU-Endorsement (Veröffentlichung im Amtsblatt der EU) Inkrafttreten: grundsätzlich prospektiv ab 1. Juli 2009 (“Moratorium”) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 6 Business Combinations Phase II Darstellung der von Änderungen betroffenen Standards Quelle: Ernst & Young (Hrsg.), IFRS outlook, Deutsche Ausgabe, II. Quartal 2009, S. 3. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 7 Die wesentlichsten Änderungen von IFRS 3R / IAS 27R im Kurzüberblick Erweiterung des Anwendungsbereichs um Unternehmen auf Gegenseitigkeit (mutual entities) sowie berichtende Vertragskonzerne ohne Anteilstausch (business combinations achieved by contract alone) Neu-Definition eines Unternehmenszusammenschlusses Ersatz der „purchase method” durch die sog. „acquisition method” Interessentheorie Einheitstheorie Gesamtunternehmensbewertung zum beizulegenden Zeitwert am Erwerbsstichtag mit Wahlrecht zur Bewertung der nicht beherrschenden Anteile (sog. NCI) zum anteiligen Nettovermögen (Full/Partial Goodwill) (P) Full-Goodwill-Method nicht unumstritten (z. B. SPE, Kontrollaufschlag...) sofortige erfolgswirksame Erfassung von Anschaffungsnebenkosten, z. B. Transaktionskosten (beachte: IAS 32/39 als lex specialis) Bewertungszeitraum („Measurement Period“) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 8 Die wesentlichsten Änderungen von IFRS 3R / IAS 27R im Kurzüberblick Erfassung bedingter Kaufpreiskomponenten zum beizulegenden Zeitwert am Erwerbsstichtag bei Schuldinstrumenten (ohne spätere retrospektive Korrektur, sondern grundsätzlich erfolgswirksame Erfassung bei Bedingungseintritt) Abgrenzung von zuvor bestehenden Beziehungen zwischen dem Erwerber und dem erworbenen Unternehmen (kein Bestandteil des Unternehmenszusammenschusses) sukzessiver U-Zusammenschluss („business combination achieved in stages“) Verlust der Beherrschung Erwerb/Veräußerung von nicht beherrschenden Anteilen ohne Beherrschungserlangung bzw. -verlust (Behandlung als Eigenkapitaltransaktionen) Struktur des IFRS 3R wurde signifikant verändert ( Verlagerung zahlreicher Detailregelungen in Anhang A bzw. Anhang B als integrale Bestandteile des Standards; (P) Standard weist nur scheinbar eine „schlanke Struktur“ auf; (P) IFRS 3.IE für EU-Bilanzierer) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 9 Die wesentlichsten Änderungen von IFRS 3R / IAS 27R im Kurzüberblick Gesonderte Ansatzregeln Neueinstufung aus Erwerbersicht zum Erwerbszeitpunkt (z. B. Klassifikation von Financial Instruments gem. IAS 39 sowie Beurteilung sog. „eingebetteter Derivate“) mit Ausnahme für die Klassifikation von Leasingverhältnissen und Versicherungsverträgen Spezifische Ansatznormen für Mietleasing aus Sicht des erworbenen Unternehmens als Leasingnehmer (Stichworte: „favorable/unfavorable operating leases“); und immaterielle Vermögenswerte (inkl. sog. „reaquired rights“) Gesonderte Bewertungsregeln Vermögenswerte mit ungewissen Zahlungsströmen (z.B. „receivables“) Mietleasing (aus Sicht des erworbenen Unternehmens als Leasinggeber) Vermögenswerte, die der Erwerber auf eine andere Weise zu nutzen beabsichtigt als normalerweise Marktteilnehmer sie nutzen würden nicht beherrschende Anteile an einem erworbenen Unternehmen („NCI“) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 10 Die wesentlichsten Änderungen von IFRS 3R / IAS 27R im Kurzüberblick Ausnahmen vom allgemeinen Ansatz- und/oder Bewertungsgrundsatz Ausnahmen vom Ansatzgrundsatz Eventualverbindlichkeiten Ausnahmen vom Bewertungsgrundsatz zurückerworbene Rechte anteilsbasierte Vergütungsprämien zur Veräußerung gehaltene Vermögenswerte Ausnahmen von Ansatz- und Bewertungsgrundsatz Ertragsteuern, z. B. steuerliche Verlustvorträge Leistungen an Arbeitnehmer Vermögenswerte für Entschädigungsleistungen, z. B. „indemnification for uncertain tax position“ © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 11 Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung – Reflexion der Kaufpreisallokation (Purchase Price Allocation) in der Unternehmenspraxis I. Zur Einstimmung II. Reflexion der Regelungen von IFRS 3R Unternehmenszusammenschlüsse III. Reflexion (ausgewählter) Neuerungen von IAS 27R Konzern- und Einzelabschlüsse IV. Implikationen von IFRS 3R und IAS 27R auf den Goodwill-Impairment-Test (IAS 36) V. Abschließende Würdigung und künftige Entwicklungstendenzen © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 12 Reflexion der Regelungen von IFRS 3 Unternehmenszusammenschlüsse Anwendungsbereich Identifizierung eines Erwerbers Bestimmung des Erwerbszeitpunktes Ermittlung der Anschaffungskosten des Unternehmenszusammenschlusses Die Purchase Price Allocation im Kurzüberblick Geschäfts- oder Firmenwert als Residualgröße Sukzessiver Unternehmenszusammenschluss Provisorische Feststellung der erstmaligen Bilanzierung / Bewertungszeitraum Anpassungen nach der Fertigstellung der erstmaligen Bilanzierung Anhangangaben © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 13 Zeitlicher Anwendungsbereich Inkrafttreten des neuen überarbeiten Standards zu Unternehmenszusammenschlüssen (IFRS 3R) sowie der Änderungen in IAS 27 am 1. Juli 2009 verpflichtende prospektive Anwendung auf Unternehmenszusammenschlüsse, bei denen der Erwerbszeitpunkt zu Beginn der ersten Berichtsperiode des Geschäftsjahres liegt, das am oder nach dem 1. Juli 2009 beginnt, oder danach liegt (IFRS 3.64) (begrenzte) freiwillige Vorabanwendung möglich. Voraussetzungen: (a) Erwerbszeitpunkt liegt zeitlich nach dem Beginn der Berichtsperiode des am oder nach dem 30. Juni 2007 beginnenden Geschäftsjahres; (b) gleichzeitige Vorabanwendung von IAS 27R Übergangsvorschriften: „Vermögenswerte und Schulden, die aus Unternehmenszusammenschlüssen stammen, deren Erwerbszeitpunkte vor der Anwendung dieses IFRS lagen, sind nicht aufgrund der Anwendung dieses IFRS anzupassen.“ (IFRS 3.65) (P) z.B. bedingte Gegenleistung eines nach IFRS 3 bilanzierten Unternehmenszusammenschlusses konkretisiert sich nach Inkrafttreten von IFRS 3R (P) Realisierung ertragsteuerlicher Vorteile nach dem Erwerb (IAS 12.68) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 14 Zeitlicher Anwendungsbereich Problematik einer (freiwilligen) vorzeitigen Anwendung Quelle: Ernst & Young (Hrsg.), IFRS outlook, Deutsche Ausgabe, II. Quartal 2009, S. 6. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 15 Sachlicher Anwendungsbereich Definition „Unternehmenszusammenschluss“ „Eine Transaktion oder ein anderes Ereignis, durch die/das ein Erwerber die Beherrschung über einen Geschäftsbetrieb oder mehrere Geschäftsbetriebe erlangt. Transaktionen, die manchmal als „wahre Fusionen“ oder „Fusionen unter Gleichen“ bezeichnet werden, stellen auch Unternehmenszusammenschlüsse im Sinne dieses in diesem IFRS verwendeten Begriffs dar.“ (IFRS 3.Anhang A) Erwerb von Vermögenswerten (ggf. inkl. Schulden), die einen Geschäftsbetrieb („Business“) konstituieren (sog. „asset deal“) Erstkonsolidierung erworbener Vermögenswerte und übernommener Schulden (sog. „share deal“) Verschmelzung (P) Definition „Geschäftsbetrieb“ siehe IFRS 3.Anhang A © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 16 Sachlicher Anwendungsbereich Definition „Geschäftsbetrieb“ Definition Geschäftsbetrieb: „Eine integrierte Gruppe von Tätigkeiten und Vermögenswerten, die mit dem Ziel geführt und geleitet werden kann, Erträge zu erwirtschaften, die in Form von Dividenden, niedrigeren Kosten oder sonstigem wirtschaftlichen Nutzen direkt den Anteilseignern oder anderen Eigentümer, Gesellschaftern oder Teilnehmern zugehen.“ (IFRS 3.Anhang A) Input von Produktionsfaktoren Kombinationsprozess dieser Faktoren Output der Leistungen, der letztlich zu Erträgen in irgendeiner Form führt Praxisprobleme: „Das Unternehmen ist mehr als nur eine Ansammlung von Grundstücken, Maschinen und Ausstattungen.“ ADS, 6. Auflage, §255, Tz. 260 (P) Asset Deals (P) Erwerb von Start-up-Companies (P) Erwerb von F&E-Companies (P) Erwerb von Real Estate - Unternehmen © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 17 Sachlicher Anwendungsbereich Scope Exceptions gem. IFRS 3.2 IFRS 3 ist anwendbar auf Transaktionen oder andere Ereignisse, die die Definition eines Unternehmenszusammenschlusses erfüllen. Nicht anwendbar ist IFRS 3 auf: a) die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens (IFRS 3.2a); b) den Erwerb eines Vermögenswerts oder einer Gruppe von Vermögenswerten, die keinen Geschäftsbetrieb bilden (IFRS 3.2b) *; und c) einen Zusammenschluss von Unternehmen oder Geschäftsbetrieben unter gemeinsamer Beherrschung (IFRS 3.2c). * IFRS 3.2b gibt gleichwohl Hinweise zur buchhalterischen Abbildung in derartigen Fällen: de facto (relative) Fair Value Allokation; „eine solche Transaktion oder ein solches Ereignis führt nicht zu einem Geschäfts- oder Firmenwert“ © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 18 Sonderthematik: Unternehmenszusammenschlüsse von Unternehmen unter gemeinsamer Beherrschung Definition (IFRS 3.B1): „Ein Unternehmenszusammenschluss von Unternehmen oder Geschäftsbetrieben unter gemeinsamer Beherrschung ist ein Zusammenschluss, in dem letztendlich alle sich zusammenschließenden Unternehmen oder Geschäftsbetriebe von derselben Partei oder denselben Parteien sowohl vor als auch nach dem Unternehmenszusammenschluss beherrscht werden, und diese Beherrschung nicht vorübergehender Natur ist.“ Klassische Regelungslücke i. S. d. IAS 8.10 ff. einschlägig: GAAP Hierarchy gem. IAS 8.10 - .12 sofern der Unternehmenserwerb aus Sicht des berichterstattenden Unternehmens wirtschaftliche Substanz (z.B. Neustrukturierung des Segments eines Konzerns mit eigener Finanzierung) entfaltet, können nach h. M. die Regelungen von IFRS 3 analog angewendet werden (so stellvertretend auch IDW RS HFA 2, Tz. 32 ff.) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 19 Sachlicher Anwendungsbereich Exkurs: Erwerb von nicht beherrschenden Anteilen Erwerb von nicht beherrschenden Anteilen fällt per se nicht in den Anwendungsbereich von IFRS 3, da eine Voraussetzung eines Vorliegens eines Unternehmenszusammenschlusses ist, dass Beherrschung erlangt wird (IFRS 3.Anhang A) „Beherrschung ist die Möglichkeit, die Finanz- und Geschäftspolitik eines Unternehmens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen.“ (IFRS 3.Anhang A) maßgebend sind Regelungen i. S. v. IAS 27 (IFRS 3.7) Unter den Begriff „sukzessiver Unternehmenszusammenschluss“ (IFRS 3.42 f.) sind daher nur solche Transaktionen zu subsumieren, in denen in mehreren Stufen die Beherrschung erlangt wird Bsp.: 1.Tranche: 25%Erwerb; 2.Tranche: 20%Erwerb; 3.Tranche: 6%Erwerb IFRS 3 a.F.: klassische Regelungslücke i. S. v. IAS 8.10 ff. (de facto Wahlrecht zwischen einer einheitstheoretischen bzw. interessentheoretischen Auslegung mit entsprechender Offenlegung) Klarstellung durch IAS 27R (BC Phase II): einheitstheoretische Auslegung (prospektive Anwendung aber auch auf „Altfälle“ ohne Bewertungsoption!) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 20 Exkurs: Konzerntheorien Einheitstheorie (Entity Concept): • Gestaltung des Konzernabschlusses aus dem Blickwinkel aller Anteilseigner der Konzernunternehmen • Minderheitsgesellschafter stellen quasi den Mehrheitsgesellschaftern gleichgestellte Eigenkapitalgeber der wirtschaftlichen Einheit Konzern dar Interessentheorie (Parent Company Concept): • Gestaltung des Konzernabschlusses aus dem Blickwinkel der Anteilseigner des Mutterunternehmens • Minderheitsgesellschafter stellen quasi Fremdkapitalgeber dar Ein Unterschied liegt demnach in der Charakterisierung der Minderheitsanteile. Diese sind je nach der zugrunde liegenden Konzerntheorie eher dem Fremdkapital (Interessentheorie) oder eher dem Eigenkapital (Einheitstheorie) zuzuordnen. Nach der Einheitstheorie sollen außerdem das Vermögen und die Schulden in voller Höhe (d. h. inklusive rechnerischer Minderheitsanteile) ausgewiesen werden, was mit einem entsprechend hohen Minderheiten(eigen)kapital einhergeht. Dagegen sollen nach der Interessentheorie die rechnerischen Anteile der Minderheiten an den Vermögenswerten und Schulden (je nach Auslegung mehr oder weniger) bilanziell unberücksichtigt bleiben. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 21 Exkurs: Konzerntheorien und Konsolidierungsmethoden Interessentheorie Einheitstheorie „klassische“ Neubewertungsmethode Quotenkonsolidierung Buchwertmethode PartialGoodwill Method FullGoodwill Method Fresh Start Method Neubewertungsmethode i. w. S. Quelle: in Anlehnung an PELLENS/BASCHE/SELLHORN, Full Goodwill Method, in: Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (KoR) 2003, S. 1. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 22 Exkurs: Was bedeutet Erwerbsmethode? dargestellt am Beispiel eines „share deal“ „Purchase Method“ (IFRS 3 a. F.) „Acquisition Method“ (IFRS 3R) cost-based approach (full) fair value approach Fiktion: Muttergesellschaft erwirbt nicht Anteile am Kapital („share deal“), sondern alle Vermögenswerte und Schulden der Tochtergesellschaft („asset deal“) Folge: in den Konzernabschluss werden nicht die historisch fortgeführten Buchwerte aus den Einzelbilanzen der Tochtergesellschaften übernommen (sog. „HB IIWerte“), sondern die (fiktiven) Anschaffungskosten aus Konzernsicht, d.h. die Zeitwerte der Vermögenswerte und Schulden im Erwerbszeitpunkt (Zeitpunkt der Erstkonsolidierung) die Vermögenswerte und Schulden müssen somit im Rahmen der Erstkonsolidierung neu bewertet werden: dabei werden stille Reserven (und stille Lasten) aufgedeckt (inkl. bspw. der Identifikation ggf. vorhandener selbstgeschaffener immaterieller Vermögenswerte, für die im Einzelabschluss ein Ansatz unterblieben ist) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 23 Erwerbsmethode Prozess Kaufpreisallokation (Purchase Price Allocation) stille Reserven abzüglich stiller Lasten sowie nicht im Einzelabschluss bilanzierte Vermögenswerte und ggf. Eventualverbindlichkeiten Beteiligungsbuchwert = Anschaffungskosten der Beteiligung Summe der Vermögenswerte und Schulden (=Eigenkapital) aus Einzelabschluss des übernommenen Unternehmens zu Buchwerten (sog. net assets) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer latente Steuerabgrenzungen auf Fair-ValueAnpassungen neubewertetes Eigenkapital des übernommenen Unternehmens Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Substanzwert des TU Unternehmenswert des TU nach Ertragswert- / DCF-Methode Goodwill Folie 24 Anwendung der Erwerbsmethode Die Anwendung der Erwerbsmethode (acquisition method) erfordert (IFRS 3.5): a) b) c) d) die Identifizierung des Erwerbers; die Bestimmung des Erwerbszeitpunkts; den Ansatz und die Bewertung der erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte, der übernommenen Schulden und aller nicht beherrschenden Anteile an dem erworbenen Unternehmen (sog. Kaufpreisallokation bzw. Purchase Price Allocation im eigentlichen Sinne); sowie die Bilanzierung und Bestimmung des Geschäfts- oder Firmenwerts oder eines Gewinns aus einem Erwerb zu einem Preis unter Marktwert (inkl. Ermittlung der Anschaffungskosten). © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 25 Prozesses der Purchase Price Allocation (PPA) – Kaufpreisallokation im Kurzüberblick (1) Bestimmung der „übertragenen Gegenleistung“ zzgl. dem Wert aller nicht beherrschenden Anteile (bewertet zum Marktwert oder zum entsprechenden Anteil des identifizierbaren Nettovermögens je nach Ausübung der in IFRS 3.19 manifestierten Option) [ggf. zzgl. dem Zeitwert der bereits zuvor vom Erwerber gehaltenen Eigenkapitalanteile bei einem sukzessiven Anteilserwerb] (2) Identifizierung der materiellen und immateriellen Vermögenswerte sowie der Schulden (inkl. Eventualverbindlichkeiten) des erworbenen Unternehmens Ansatzgebot sämtlicher erworbener Vermögenswerte, Schulden und sämtlicher nicht beherrschender Anteile (IFRS 3.10) (3) Schätzung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauern der erworbenen Vermögenswerte (4) Bewertung der erworbenen Vermögenswerte und Schulden zu ihrem beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt (IFRS 3.18) (5) Ermittlung der latenten Steuern (6) Ermittlung des Goodwill (ggf. Badwill) als Residualgröße © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 26 Reflexion der Regelungen von IFRS 3 Unternehmenszusammenschlüsse Anwendungsbereich Identifizierung eines Erwerbers Bestimmung des Erwerbszeitpunktes Ermittlung der Anschaffungskosten des Unternehmenszusammenschlusses Die Purchase Price Allocation im Kurzüberblick Geschäfts- oder Firmenwert als Residualgröße Sukzessiver Unternehmenszusammenschluss Provisorische Feststellung der erstmaligen Bilanzierung / Bewertungszeitraum Anpassungen nach der Fertigstellung der erstmaligen Bilanzierung Anhangangaben © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 27 Identifizierung eines Erwerbers Grundsatz (IFRS 3.6): „Bei jedem Unternehmenszusammenschluss ist eines der beteiligten Unternehmen als der Erwerber zu identifizieren.“ Definition „Erwerber“ (IFRS 3.Anhang A): „Das Unternehmen, das die Beherrschung über das erworbene Unternehmen erlangt.“ „Beherrschung ist die Möglichkeit, die Finanz- und Geschäftspolitik eines Unternehmens oder eines Geschäftsbetriebs zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeiten Nutzen zu ziehen.“ (IFRS 3.Anhang A) Verweis auf IAS 27 (SIC-12) sowie bei Zweifelsfragen auf IFRS 3.B14 - .B18 IFRS 3.B14 ff. liefert Anhaltspunkte, die im Zweifel (vor allem bei Austausch von Eigenkapitalanteilen) heranzuziehen sind (z. B. größerer beizulegender Zeitwert, Managementdominanz etc.) IFRS 3: Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise („substance over form“) gem. F.35 inhärent © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 28 Sonderthematik: Unternehmensgründung zur Durchführung des Unternehmenserwerbs 1. A 2. B NewCo. emittiert Eigenkapitalanteile, um die Anteile von A und B zu erwerben und somit den Unternehmenszusammenschluss von A und B durchzuführen NewCo A B IFRS 3.B18: „Wird zur Durchführung eines Unternehmenszusammenschlusses ein neues Unternehmen gegründet, um Eigenkapitalanteile auszugeben, ist eines der sich zusammenschließenden Unternehmen, das vor dem Zusammenschluss bestand, unter Anwendung der Leitlinien in den Paragraphen B13 – B17 als der Erwerber zu identifizieren.“ Konsequenz: nur für das erworbene Unternehmen ist eine Kaufpreisallokation vorzunehmen © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 29 Sonderthematik: umgekehrter Unternehmenserwerb (sog. reverse acquisition) Organigramm vor dem Unternehmenszusammenschluss A Shareholders B Shareholders A B Organigramm nach dem Unternehmenszusammenschluss Ehemalige B Shareholders Ehemalige A Shareholders rechtlicher Erwerber A wirtschaftlich Erworbener rechtlich Erworbener B wirtschaftlicher Erwerber © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Tausch von Eigenkapitalanteilen: A emittiert Aktien und erhält dafür im Gegenzug alle Anteile an B Bei einem Unternehmenszusammenschluss, der durch einen Tausch von Eigenkapitalanteilen zustande kommt, ist in der Regel das Unternehmen der Erwerber, das Eigenkapitalinstrumente emittiert. Es sind jedoch alle sachdienlichen Tatsachen und Umstände für die Entscheidung in Betracht zu ziehen, welches der sich zusammenschließenden Unternehmen die Möglichkeit hat, die Finanzund Geschäftspolitik des anderen Unternehmens so zu bestimmen, um aus dessen Geschäftstätigkeit Nutzen zu ziehen. Bei einem umgekehrten Unternehmenserwerb ist der Erwerber das Unternehmen, dessen Eigenkapitalinstrumente erworben wurden, und das emittierende Unternehmen ist das erworbene Unternehmen (z. B. sog. back-door listing). IFRS 3.B19 – .B27 Konsequenz: Kaufpreisallokation (nur) für A Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 30 Sonderthematik: umgekehrter Unternehmenserwerb (sog. reverse acquisition) Definition „umgekehrter Unternehmenszusammenschluss“: der rechtliche Erwerber ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wirtschaftlich Erworbene – der rechtlich Erworbene ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wirtschaftliche Erwerber buchhalterische Auswirkungen (IFRS 3.B19 ff.): die Anschaffungskosten bestimmen sich nicht am Wert der vom rechtlichen Erwerber ausgegebenen Anteile, sondern am Wert, der sich ergeben hätte, wenn der wirtschaftliche Erwerber auch rechtlicher Erwerber gewesen wäre und Anteile ausgegeben hätte im Rahmen der Erstkonsolidierung werden die stillen Reserven und Lasten des rechtlichen Erwerbers aufgedeckt, wohingegen die Buchwerte des rechtlich erworbenen Unternehmens fortgeführt werden die F/S müssen indes unter dem Namen des rechtlichen Erwerbers erstellt und veröffentlicht werden (mit umfassenden Erläuterungen im Anhang) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 31 Sonderthematik: umgekehrter Unternehmenserwerb (sog. reverse acquisition) Auswirkungen auf die EKVR (IFRS 3.B19 ff.): das auszuweisende ausgegebene Kapital ergibt sich als Summe von buchmäßigem Altkapital des wirtschaftlichen Erwerbers einerseits und Anschaffungskosten des wirtschaftlich erworbenen Unternehmen andererseits der Ausweis des Eigenkapitals in der Bilanz und Eigenkapitalveränderungsrechnung sowie Anhang muss jedoch die rechtlichen Verhältnisse des rechtlichen Erwerbers darstellen (z. B. hinsichtlich Aktienzahl und Aktientyp) die rechtlichen Verhältnisse des Erwerbers sind auch für die Berechnung des Gewinns je Aktie maßgeblich die ggf. vorhandenen nicht beherrschenden Anteile beim wirtschaftlichen Erwerber (rechtlich erworbenen Unternehmens) bemessen sich systemimmanent nach dem Buchvermögen, da eine Aufdeckung der stillen Reserven und stillen Lasten beim rechtlich erwerbenden Unternehmen erfolgt (FV-Option greift de facto nicht) Literaturempfehlung: Küting/Müller/Pilhofer : ‚Reverse Acquisitions’ als Anwendungsfall einer ‚Reverse Consolidation’ bei der Erstellung von Konzernabschlüssen nach US-GAAP und IAS – ein Leitbild für die deutsche Rechnungslegung?, Die Wirtschaftsprüfung 2000 (53. Jahrgang), S. 257 – 269. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 32 Reflexion der Regelungen von IFRS 3 Unternehmenszusammenschlüsse Anwendungsbereich Identifizierung eines Erwerbers Bestimmung des Erwerbszeitpunktes Ermittlung der Anschaffungskosten des Unternehmenszusammenschlusses Die Purchase Price Allocation im Kurzüberblick Geschäfts- oder Firmenwert als Residualgröße Sukzessiver Unternehmenszusammenschluss Provisorische Feststellung der erstmaligen Bilanzierung / Bewertungszeitraum Anpassungen nach der Fertigstellung der erstmaligen Bilanzierung Anhangangaben © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 33 Bestimmung des Erwerbszeitpunkts Definition „Erwerbszeitpunkt“ (IFRS 3.8 i. V. m. IFRS 3.Anhang A): „Der Zeitpunkt an dem der Erwerber die Beherrschung über das erworbene Unternehmen erlangt.“ „Der Zeitpunkt, an dem der Erwerber die Beherrschung über das erworbene Unternehmen erlangt, ist im Allgemeinen der Tag, an dem er die Gegenleistung rechtsgültig transferiert, die Vermögenswerte erhält und die Schulden des erworbenen Unternehmens übernimmt – der Tag des Abschlusses.“ (IFRS 3.9) „Der Erwerber kann indes die Beherrschung zu einem Zeitpunkt erlangen, der entweder vor oder nach dem Tag des Abschlusses liegt. Der Erwerbszeitpunkt liegt beispielsweise vor dem Tag des Abschlusses, wenn in einer schriftlichen Vereinbarung vorgesehen ist, dass der Erwerber die Beherrschung über das erworbene Unternehmen zu einem Zeitpunkt vor dem Tag des Abschlusses erlangt. Ein Erwerber hat alle einschlägigen Tatsachen und Umstände bei der Ermittlung des Erwerbszeitpunkts zu berücksichtigen.“ (IFRS 3.9) (P) Genehmigungsvorbehalte (Bsp.: Kartellbehörden), vertragliche Rückwirkungen, aufschiebende Bedingungen etc. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 34 Bestimmung des Erwerbszeitpunkts Fallstudie – Sachverhalt und Aufgabe Sachverhalt: Unternehmen A erwirbt im Rahmen eines „share deal“sämtliche Anteile an Unternehmen B. Die Kauftransaktion gestaltet sich aus rechtlicher Sicht wie folgt: 30.06.t1 31.08.t1 30.09.t1 31.10.t1 30.11.t1 31.12.t1 Übertragungszeitpunkt der Anteile gemäß Vertrag; sog. „Verfügungsgeschäft“ Vertragsunterzeichnung (vorbehaltlich einer behördlichen Genehmigung); sog. „Verpflichtungsgeschäft“ Zahlung des Kaufpreises auf ein Treuhandkonto Erteilung der behördliche Genehmigung Freigabe Treuhandkonto, Anteilsübertragung Austausch Management durch Neuwahl Vorstand Aufgabe: Bestimmen Sie den Erwerbszeitpunkt nach IFRS 3! © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 35 Bestimmung des Erwerbszeitpunkts Fallstudie – Lösung Lösung: handelt es sich bei der behördlichen Genehmigung um eine „reine Formalie“ (hat die Behörde beispielsweise keine andere Möglichkeit als die Eintragung vorzunehmen – d. h. kein Vetorecht – oder bestehen hinsichtlich der Genehmigung keine ernsthaften Zweifel), spricht einiges für den 31.08.t1 als Erwerbszeitpunkt im Sinne von IFRS 3 kann behördliche Genehmigung indes nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden und kann die Behörde (z. B. Kartellbehörde) den Erwerb entweder untersagen oder dem Unternehmen den Verkauf bestimmter Geschäftsbereiche auferlegen so erscheint der 31.10.t1 als adäquater Erwerbszeitpunkt im Sinne von IFRS 3 Hinweis: Freigabe des Treuhandkontos ist als bloßer Zahlungsmitteltransfer in jedem Fall irrelevant, weil Zahlungszeitpunkte für die Rechnungslegung grundsätzlich nicht maßgebend sind; ebenso ist eine vertragliche Rückwirkung bei Anwendung von IFRS 3 irrelevant © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 36 Reflexion der Regelungen von IFRS 3 Unternehmenszusammenschlüsse Anwendungsbereich Identifizierung eines Erwerbers Bestimmung des Erwerbszeitpunktes Ermittlung der Anschaffungskosten des Unternehmenszusammenschlusses Die Purchase Price Allocation im Kurzüberblick Geschäfts- oder Firmenwert als Residualgröße Sukzessiver Unternehmenszusammenschluss Provisorische Feststellung der erstmaligen Bilanzierung / Bewertungszeitraum Anpassungen nach der Fertigstellung der erstmaligen Bilanzierung Anhangangaben © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 37 Ermittlung der Anschaffungskosten des Unternehmenszusammenschlusses – Kurzüberblick I Zeitwert der sog. „übertragenen Gegenleistung“ am Erwerbsstichtag II Wert aller nicht beherrschenden Anteile Option zur Bewertung entweder zum beizulegenden Zeitwert oder zum entsprechenden Anteil des identifizierbaren Nettovermögens des erworbenen Unternehmens (IFRS 3.19) Option unterliegt nicht dem sachlichen Stetigkeitsgrundsatz [maW: Wahlrecht kann bei jedem Unternehmenserwerb neu ausgeübt werden] III [bei sukzessivem Anteilserwerb] Zeitwert des zuvor vom Erwerber gehaltenen Eigenkapitalanteils an dem erworbenen Unternehmens Gewinnrealisierung des zuvor gehaltenen Eigenkapitalanteils © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 38 Prozesses der Purchase Price Allocation (PPA) – Kaufpreisallokation im Kurzüberblick (1) Bestimmung der „übertragenen Gegenleistung“ zzgl. dem Wert aller nicht beherrschenden Anteile (bewertet zum Marktwert oder zum entsprechenden Anteil des identifizierbaren Nettovermögens je nach Ausübung der in IFRS 3.19 manifestierten Option) [ggf. zzgl. dem Zeitwert der bereits zuvor vom Erwerber gehaltenen Eigenkapitalanteile bei einem sukzessiven Anteilserwerb] (2) Identifizierung der materiellen und immateriellen Vermögenswerte sowie der Schulden (inkl. Eventualverbindlichkeiten) des erworbenen Unternehmens Ansatzgebot sämtlicher erworbener Vermögenswerte, Schulden und sämtlicher nicht beherrschender Anteile (IFRS 3.10) (3) Schätzung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauern der erworbenen Vermögenswerte (4) Bewertung der erworbenen Vermögenswerte und Schulden zu ihrem beizulegenden Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt (IFRS 3.18) (5) Ermittlung der latenten Steuern (6) Ermittlung des Goodwill (ggf. Badwill) als Residualgröße © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 39 Beispiel Target Co. Kaufpreisbestimmung (mittels Unternehmensbewertung) 1 Umsatzerlöse 2 3 4 ff Bilanz Target Co. 21.000 22.000 23.000 23.345 4.200 4.400 4.600 4.669 -2.100 -2.200 -2.300 -2.335 2.100 2.200 2.300 2.335 -840 -880 -920 -934 1.260 1.320 1.380 1.401 Veränderung Working Capital -120 -80 -80 0 Investitionen -100 -150 -140 -150 Abschreibungen 100 110 140 150 Free Cash Flow 1.140 1.200 1.300 1.401 0,91 0,83 0,75 8,84 1.036 992 977 12.381 Bruttoergebnis vom Umsatz Allgemeine Verwaltungskosten EBIT Steuern EBI Diskontierungsfaktor Barwert Unternehmensgesamtwert Schulden Wert Eigenkapital © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer 15.386 -3000 12.386 Immaterielle Vermögenswerte - Sonstige immaterielle Vermögenswerte 1.000 Sachanlagen 4.000 Umlaufvermögen 3.000 Summe Aktiva 8.000 Eigenkapital 2.000 Rückstellungen - Pensionsrückstellungen 1.000 - Sonstige Rückstellungen 1.000 Verbindlichkeiten - Anleihen 2.000 - Verbindlichkeiten aus LuL 1.000 Latente Steuern 1.000 Summe Passiva 8.000 Unternehmensbewertung als Basis der Kaufpreisbestimmung Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 40 Ermittlung der Anschaffungskosten eines Unternehmenszusammenschlusses (Zur Einstimmung) „cost-based approach“ © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer „fair value approach“ Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 41 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R Bewertung der nicht beherrschenden Anteile zum … vollen Zeitwert anteiligen Nettovermögen • identischer Bewertungsmaßstab für alle Anteile • Full Goodwill • entspricht dem Grundsatz der vollen Neubewertungsmethode • Partial Goodwill • IFRS/US-GAAP-Differenz “Bei jedem Unternehmenszusammenschluss hat der Erwerber alle nicht beherrschenden Anteile an dem erworbenen Unternehmen entweder zum beizulegenden Zeitwert oder zum entsprechenden Anteil des identifizierbaren Nettovermögens des erworbenen Unternehmens zu bewerten.” (IFRS 3.19) (P) Vergleichbarkeit ?! © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 42 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R Klarstellung im Rahmen des AIP 2010 • Mai 2010: IASB veröffentlicht im Rahmen des dritten jährlichen Änderungsverfahrens (sog. Annual-Improvements-Projects; AIP) den dritten Standard mit Änderungen bestehender IFRSs („Omnibus-Standard“) EU-Endorsement: 18. Februar 2011 (Veröffentlichung im Amtsblatt der EU) verpflichtende Anwendung für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Juli 2010 beginnen • Einschränkung des in IFRS 3.19 normierten Wahlrechts des Erwerbers, bei jedem Unternehmenszusammenschluss alle nicht-beherrschenden Anteile an dem erworbenen Unternehmen entweder zum beizulegenden Zeitwert oder zum entsprechenden Anteil am identifizierbaren Nettovermögen zu bewerten • Bewertungswahlrecht darf künftig nur noch auf solche Instrumente oder deren Komponenten angewendet werden, die den Eigentümern gegenwärtig das Recht auf einen proportionalen Anteil am Nettovermögen des Tochterunternehmens im Liquidationsfall einräumen (IFRS 3.19 n. F.) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 43 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R • andere Bestandteile oder Ausprägungen nicht-beherrschender Anteile sind zum fair value oder nach den für diese Instrumente einschlägigen IFRS zu bewerten anteilsbasierte Vergütungen (Aktienoptionen): IFRS 2 Wandelanleihen: IAS 32 • Begründung: Bewertung der nicht-beherrschenden Anteile zu deren Anteil am identifizierbaren Nettovermögen könnte sonst für bestimmte Instrumente zu einem Wertansatz von Null führen (Verstoß gegen fair presentation) © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 44 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R (Beispiel zur Einstimmung) • A erwirbt 80% der Anteile an B Anschaffungskosten des Anteils von A an B (in bar) 1.500 Vermögenswerte von B zu Zeitwerten 3.000 Verbindlichkeiten von B zu Zeitwerten 1.750 Gesamtunternehmenswert von B (Gutachten durch externen Unternehmensbewerter) Zeitwert der nicht-beherrschenden Anteile 1.800 © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung 300 Folie 45 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R (Beispiel zur Einstimmung) Bewertung der nicht beherrschenden Anteile zum vollen Zeitwert: ► ► Bestimmung des vollen Goodwill Gesamtunternehmenswert abzgl. Nettovermögen zu Zeitwerten = voller Goodwill Allokation auf den beherrschenden Anteil Kaufpreis abzgl. anteiliges Nettovermögen zu Zeitwerten = auf den beherrschenden Anteil entfallender Goodwill © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer 1.800 1.250 550 1.500 1.000 Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung 500 Folie 46 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R (Beispiel zur Einstimmung) Bewertung der nicht beherrschenden Anteile zum vollen Zeitwert: Erworbene Vermögenswerte Goodwill 3.000 550 Übernommene Verpflichtungen Nicht-beherrschende Anteile Kasse 1.750 300 1.500 • keine Anpassung des Goodwill bei Erwerb weiterer Anteile bzw. Verkauf von Anteilen ohne Beherrschungsverlust © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 47 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R (Beispiel zur Einstimmung) Bewertung der nicht beherrschenden Anteile zum anteiligen Nettovermögen: Erworbene Vermögenswerte Goodwill 3.000 500 Übernommene Verpflichtungen Nicht-beherrschende Anteile Kasse 1.750 250 1.500 • keine Anpassung des Goodwill bei Erwerb weiterer Anteile bzw. Verkauf von Anteilen ohne Beherrschungsverlust © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 48 Exkurs: Bewertungsoption der nicht beherrschenden Anteile gem. IFRS 3R (Full-Goodwill Methode im Detail) 1. 2. Erstellung eines konzerneinheitlichen Einzelabschlusses für MU (HB II) Neubewertung von Vermögenswerten und Schulden des TU zu Zeitwerten (HB III); Aufdeckung der vollen stillen Reserven und stillen Lasten 3. Erstellung einer Summenbilanz (horizontale Queraddition aller Jahresabschlusspositionen aus HB II von MU und HB III des TU) Ermittlung des Full Goodwill gemäß IFRS 3.32: [Kaufpreis + Fair Value des Minderheitenanteils] – vollständiges HB III-EK Aufrechnung des Beteiligungsbuchwerts des MU gegen anteiliges EK des TU Unterschiedsbetrag entspricht dem auf MU entfallenden Goodwill Bewertung der nicht beherrschenden Anteile gemäß HB III (inkl. anteiliger stiller Reserven und Lasten) zuzüglich Anteil der nicht beherrschenden Anteile am Goodwill; Ermittlung des auf die nicht beherrschenden Anteile entfallenden Goodwill als Differenz zwischen dem beizulegenden Zeitwert der nicht beherrschenden Anteile und ihrem Anteil am neubewerteten Nettovermögen des TU (HB III); Ausweis der nicht beherrschenden Anteile innerhalb des Eigenkapitals, aber separat vom Eigenkapital des Mutterunternehmens 4. 5. 6. 7. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 49 Ermittlung der Anschaffungskosten eines Unternehmenszusammenschlusses Bestimmung der sog. „übertragenen Gegenleistung“ (IFRS 3.32a i. V. m. IFRS 3.37 f.) : Grundsatz: Bewertung der übertragenen Gegenleistung mit dem beizulegenden Zeitwert Summe aus (IFRS 3.37): (a) vom Erwerber übertragene Vermögenswerte; (b) von den früheren Eigentümern des erworbenen Unternehmens (vom Erwerber) übernommene Schulden; und (c) vom Erwerber ausgegebene Eigenkapitalanteile zum Erwerbszeitpunkt (bewertet mit den zu diesem Zeitpunkt maßgebenden beizulegenden Zeitwerten) (P) Börsenkursschwankungen zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (P) Abzinsung langfristiger Komponenten mit fristkongruentem Marktzinssatz (P) bedingte Gegenleistungen, mit der Transaktion verbundene Kosten etc. (P) Abgrenzungsfragen bei Zahlungen an weiterbeschäftigte Altgesellschafter weitergehende Regelungen siehe IFRS 3.B54 ff. © 2011 WP StB CPA Prof. Dr. Jochen Pilhofer Unternehmenszusammenschlüsse in der IFRS-Rechnungslegung Folie 50