Spieltheorie - Andreas Diekmann

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Spieltheorie
Überblick, Beispiele,
Anwendungen
Andreas Diekmann
ETH Zürich
Einführung mit Beispielen
I.
I.
II.
1. Anwendungen
2. Was ist ein Spiel?
3. Entscheidungen unter Sicherheit/Risiko/Unsicherheit
Nullsummenspiele: Der unberechenbare Torwart beim
Elfmeter
Nicht-Nullsummenspiele
1. Vertrauensspiel
2. Münzspiel
3. Mechanismus-Design: Der weise Salomo
4. Kooperation: TV-Show „Friend or Foe“
Wer befasst sich mit Spieltheorie?
► Spieltheorie bildet heute die Grundlage der Ökonomie
(Kartelle, Auktionsregeln, Regelung von Märkten usw.).
► Anwendungen finden sich generell in den
Sozialwissenschaften (Soziologie, Sozialpsychologie,
Politikwiss., Recht, Management),
► in der Informatik (Rechnernetze),
► in der Biologie (evolutionäre Spieltheorie), z.B. reziproker
Altruismus unter nicht-verwandten Organismen
► und selbst in der medizinischen Forschung (z.B. Infektion
durch Salmonellen, Diard et al., 2013, Nature 494;
Entstehung von Tumoren, Basabta et al., 2008, Cell
Proliferation 41
► Für alle Studiengänge: Entscheidungssituationen
analysieren. Entscheidungen unter Berücksichtigung der
Interessen anderer treffen. Situationen so verändern, dass
paradoxe Folgen verhindert werden!
Roulette: Ist das ein Spiel?
Was ist ein „Spiel“ im Sinne der
Spieltheorie? Im Sinne der Spieltheorie:
• Bei einer Auktion mitbieten?
• Roulette spielen?
• Eine Entscheidung für einen Zug
im Schach oder bei „Stein, Schere,
Papier“ treffen?
• Ein Menü auf der Speisekarte auswählen?
• Ein Arzt schlägt einem Privatpatienten eine
einträgliche, aber womöglich
wenig nützliche Therapie vor,
die dieser ablehnen oder akzeptieren kann?
Was ist ein „Spiel“ im Sinne der
Spieltheorie? Im Sinne der Spieltheorie:
• Bei einer Auktion mitbieten?
Ein Spiel
• Roulette spielen?
Kein Spiel
• Eine Entscheidung für einen Zug
im Schach oder bei „Stein, Schere,
Papier“ treffen?
Ein Spiel
• Ein Menü auf der Speisekarte auswählen?
Kein Spiel
• Ein Arzt schlägt einem Privatpatienten eine
einträgliche, aber womöglich
wenig nützliche Therapie vor,
die dieser ablehnen oder akzeptieren kann?
Ein Spiel
Entscheidungstheorie
A. Ein Akteur entscheidet
1. Entscheidungen unter Sicherheit (z.B. „Travelling
Salesman‐Problem“)
2. Entscheidungen unter Risiko (z.B. Roulette, Wahrscheinlichkeiten der Konsequenzen sind bekannt).
3. Entscheidungen unter Unsicherheit (die Wahrscheinlichkeiten der Konsequenzen sind nicht bekannt).
B. Mehrere Akteure (N ≥ 2) entscheiden
und das Ergebnis hängt von der Kombination ihrer Strategien ab. Damit befasst sich die
Spieltheorie!
Kooperative und nicht-kooperative
Spieltheorie
• Kooperative Spieltheorie. Es können bindende Verträge
abgeschlossen werden, z.B. über die Aufteilung von
Gewinnen in Koalitionen.
• Nicht-kooperative Spieltheorie. Es gibt keine Möglichkeit,
bindende Verträge abzuschliessen. (Nicht verwechseln:
Kooperative Entscheidungen und kooperative
Spieltheorie sind verschiedene Dinge. Auch und
besonders die nicht-kooperative Theorie befasst sich mit
„kooperativen“ Handlungen und der Entstehung von
Kooperation.)
►In dieser Vorlesung geht es um nicht-kooperative
Spieltheorie.
Spieltheorie: Zwei oder mehr
Akteure entscheiden
• Die Akteure haben Präferenzen. Zielorientierte Handlungen
• Ergebnisse einer Entscheidung
(Auszahlungen, Nutzen) hängen von den
Entscheidungen anderer Spieler ab.
► Entscheidungen sind interdependent
► Strategische Interaktion
► Modelle der Spieltheorie
Der unberechenbare Torwart
beim Elfmeter
• Elfmeterschütze entscheidet: Soll ich den Ball in
die linke oder in die rechte Ecke schiessen?
• Torwart entscheidet: Soll ich mich nach links
oder rechts werfen?
Simultane
Entscheidung
bei hoher Ballgeschwindigkeit
und menschlicher
Reaktionszeit!
Nullsummenspiel
• Elfmeterschütze und Torwart sind Akteure
in einer strategischen
Entscheidungssituation.
• Ihre Interessen sind völlig
entgegengesetzt, d.h. es handelt sich um
ein Nullsummenspiel.
• Welche ist die rationale Entscheidung des
Torwarts? Welche die des
Elfmeterschützen?
Torwart und Elfmeterschütze: Links oder rechts?
►Spiel in Normalform
►2 x 2 -Matrixspiel
►Nullsummenspiel
►Optimale Strategie?
Torwart
Elfmeterschütze
Links
Rechts
Links
1, -1
-1, 1
Rechts
-1, 1
1, -1
z.B. „links, links“: Auszahlung an den Torwart
beträgt 1, Auszahlung an den Elfmeterschützen -1
Torwart und Elfmeterschütze: Links oder rechts?
►Spiel in Normalform
►2 x 2 -Matrixspiel
►Nullsummenspiel
►Optimale Strategie?
Torwart
Elfmeterschütze
Links
Rechts
Links
1, -1
-1, 1
Rechts
-1, 1
1, -1
z.B. „links, links“: Auszahlung an den Torwart
beträgt 1, Auszahlung an den Elfmeterschützen -1
Antwort: Beide werden “links” bzw. “rechts” mit
Wahrscheinlichkeit ½ wählen.
Elfmeter in der dt. Bundesliga
Elfmeterschütze
Torwart
Links
Rechts
Links
202 (23%)
220 (25%)
Rechts
225 (26%)
231 (26%)
878 Elfmeter aus der Spielsaison 92/93 bis 03/04. Nach Berger und Hammer (2007).
Jens Lehmanns Zettel
Lehmanns Zettel
(Deutschland gegen Argentinien 2006)
1. Riquelme links hoch/
2. Crespo langer Anlauf/rechts, kurzer
Anlauf/links
3. Heinze 6 links flach
4. Ayala 2 lange warten, langer Anl. rechts*
5. Messi links
6. Aimar 16 lange warten links
Schussrichtung aus
7. Rodríguez 18 links**.
Sicht des Torwarts
Spiegel Online, 25.9.2006
*Lehmann rechts und hält
**Lehmann links, aber Tor
Nullsummenspiele?
https://www.youtube.com/watch?v=DnLosZVG54k&feature=related
Gesellschaftsspiele sind meistens
Nullsummenspiele. In der realen Welt
sind die meisten und interessanteren
strategischen Situationen keine
Nullsummenspiele.
Z.B. wirtschaftliche Transaktionen,
„Vertrauensspiel“
Beispiel: Vertrauensspiel
Kein Nullsummenspiel, kein Koordinationsspiel
Martina bietet Martin ein Geschäft an.
“Gib’ mir 50 Franken und ich werde die
Investition verdoppeln. Den Gewinn von
50 Fr. teilen wir uns. Ich werde Dir also 75
Fr. zurückgeben und wir beide haben je 25
Fr. verdient”. Würden Sie Martinas
Angebot akzeptieren? Würden Sie es
akzeptieren, wenn Martina Ihnen fremd
ist? Würden Sie das Angebot annehmen,
wenn die Investition 100’000 Fr. beträgt?
Vertrauensspiel
Spiel in Extensivform,
Als „Entscheidungsbaum“
Treugeber, Martin
C = Cooperation
D = Defektion
Treuhänder, Martina
0,0
-50,100
25,25
T RPS
Vertrauensspiel
Spiel in Extensivform,
Als „Entscheidungsbaum“
Treugeber, Martin
C = Cooperation
D = Defektion
Treuhänder, Martina
Rationales Verhalten
(im Sinne der Spieltheorie)
Im Vertrauensspiel?
0,0
-50,100
25,25
T RPS
Vertrauensspiel
Spiel in Extensivform,
Als „Entscheidungsbaum“
Treugeber, Martin
C = Cooperation
D = Defektion
Treuhänder, Martina
Rationales Verhalten
(im Sinne der Spieltheorie)
Im Vertrauensspiel?
0,0
-50,100
25,25
T RPS
„Rückwärtsinduktion“:
Treuhänder wählt D, Treugeber
antizipiert das Verhalten und
wählt D. Ergebnis: (0,0).
Vertrauensspiel
Rationales Verhalten
(im Sinne der Spieltheorie)
Im Vertrauensspiel?
C = Cooperation
D = Defektion
Treugeber, Martin
„Rückwärtsinduktion“: Wenn Treugeber C wählt, wählt Treuhänder
D. Treugeber antizipiert das Verhalten
und wählt D. Ergebnis: (0,0).
Treuhänder, Martina
0,0
-50,100
25,25
T RPS
Trustor
D
C
P, P
0, 0
S, T
-50, 100
Rationalen Tauschpartnern entgeht
Der Kooperationsgewinn. Lösung?
Spiele und Institutionen
► Institutionen = dauerhafte, berechenbare
Anreizstrukturen
(z.B. Patentrecht, Eigentumsrechte,
Produkthaftung usw.)
►Effiziente Institutionen: “Spiele” so zu
arrangieren, dass ein optimales Ergebnis
erzielt wird (“Mechanismus Design”)
Lösung für Vertrauensspiel?
Spiele und Institutionen
► Institutionen = dauerhafte, berechenbare
Anreizstrukturen
(z.B. Patentrecht, Eigentumsrechte,
Produkthaftung usw.)
►Effiziente Institutionen: “Spiele” so zu
arrangieren, dass ein optimales Ergebnis
erzielt wird (“Mechanismus Design”)
z.B. Kaution, Hinterlegung eines Pfands
im Wert von mindestens 75 Fr.
Vertrauensspiel
Treugeber, Martin
C = Cooperation
D = Defektion
Treuhänder, Martina
0,0
-50,100
25,25
T RPS
Für die Höhe der Kaution
ist nicht der Schaden S und
auch nicht der Gewinn des
Treuhänders bei Vertragsbruch
T, sondern nur die Differenz
T – R = 75 ausschlaggebend!
Auch bei hohem Schadenspotential
kann ein geringes Pfand genügen, wenn
T relativ gering ist. (Z.B. die Überlassung
eines Geräts, das von hohem Wert |S| für
den Treugeber, aber von relativ
geringem Wert T für den
Treuhänder ist.)
Vertrauensspiel
Treugeber, Martin
C = Cooperation
D = Defektion
Treuhänder, Martina
0,0
-100,30
25,25
T RPS
Für die Höhe der Kaution
ist nicht der Schaden S und
auch nicht der Gewinn des
Treuhänders bei Vertragsbruch
T, sondern nur die Differenz
T – R = 5 ausschlaggebend!
Es genügt eine Kaution in Höhe
von K > 5.
Auch eine Institution zur Erzielung von Kooperation im Vertrauensspiel:
Kleines Pfand, grosse Wirkung
„Münzspiel“ (Variante des „Tausendfüsslerspiels“)
finanzen.de
Auf dem Tisch liegen 50 Goldmünzen. Zwei Spieler können
abwechselnd, wenn sie an der Reihe sind, entweder eine oder
zwei Münzen wegnehmen (und behalten). Wenn ein Spieler
zwei Münzen wegnimmt, ist das Spiel zu Ende.
Allgemein mit G Münzen (G gerade Zahl)
„Lösung“ mittels Rückwärtsinduktion?
Dieses Spiel wird von dem Spieltheoretiker und griechischem
Finanzminister Yanis Varoufakis analysiert. Ob er seine Kenntnisse
auch bei den Verhandlungen mit der EU einsetzen kann?
“Soziale Fallen”
• Vertrauensspiel und Münzspiel sind Beispiele für “soziale Fallen” oder “soziale Dilemmas”.
• Viele soziale Situationen haben den Charakter
sozialer Fallen. Jeder handelt im eigenen Interesse, im Ergebnis kommt aber etwas heraus, das keiner
gewollt hat und den Interessen aller widerspricht.
• Zahlreiche Beispiele im Bereich von Politik, Wirtschaft, Umwelt und Verkehr.
►Spieltheorie kann die Struktur sozialer Fallen
präzise beschreiben
Beispiel für ein Mechanismus-Design: Wie kann
man eine Institution einrichten, die Lügen
verhindert und wahre Aussagen fördert?
Salomos Urteil
Im alten Testament (Erstes Buch der Könige, 3, 16-28)
werden als Beweis für die Weisheit König Salomos
„salomonischen Urteile“ angeführt.
Salomos Urteil
Im alten Testament (Erstes Buch der Könige, 3, 16-28) wird als
Beispiel für die Weisheit König Salomos das folgende
„salomonische Urteil“ angeführt:
Zwei Frauen streiten sich um ein neugeborenes Kind.
Jede behauptet, sie sei die Mutter des Kindes. König
Salomo schlägt vor, das Kind mit dem Schwert zu
halbieren, wobei die wahre Mutter verzweifelt
Einspruch erhebt und bittet, das Kind ihrer
Kontrahentin zu geben. Salomo erkennt dadurch die
Mutter und spricht ihr das Kind zu. Etwas weniger
dramatisch finden wir die gleiche Institution der
Rechtsfindung in Berthold Brechts „Kaukasischer
Kreidekreis“.
Das salomonische Urteil. Deckengemälde
Wallfahrtskirche Frauenberg
Wikipedia
►Doch was passiert, wenn beide Frauen
verzichten? Wenn die Betrügerin Salomos Trick
durchschaut oder solche Verhandlungen
wiederholt stattfinden? Dann ist eine
Entscheidungsfindung nicht möglich und Salomo
wäre mit seiner Weisheit am Ende!
► Leider kannte Salomo keine Spieltheorie.
► Der Vorschlag kam erst rund 3000 Jahre später
von J. Glazer und C.-T. A. Ma, 1989. Sie
entwickelten eine einfache spieltheoretische
Lösung des Problems!
Mechanismus Design wirkt als
„Wahrheitsserum“
Echte Mutter
ja
nein
Falsche Mutter
ja
(‐s, Wf ‐ S)
Hier nur Fall a):
Echte Mutter
Wird zuerst befragt.
nein
0 < s < Wf < S < We
(0, Wf)
(We, 0)
Fall 1: Die wahre Mutter wird zuerst befragt.
S = grosse Strafe, s = kleine Strafe, We = Wert des Kindes für die
wahre Mutter, Wf = Wert des Kindes für die falsche Mutter
Nach Alexander Mehlmann, 1997. Wer gewinnt das Spiel. Spieltheorie in Fabeln und Paradoxa.
Wiesbaden: Vieweg. Entwickelt von J. Glazer und C.‐T. A. Ma, 1989. Efficient Allocation of a Prize:
King Solomon‘s Dilemma. Games and Economic Behavior 1: 222‐233.
• Mechanismus Design: Regeln (Anreize)
werden so festgelegt, dass ein gewünschtes
Ergebnis erzielt wird.
• Design von Institutionen (Beispiel
Auktionsregeln, Patentrechte, Kartellrecht,
Verkehrsregeln usw.)
• Einfaches weiteres Beispiel: Aufteilung einer
Ressource. Regel: A teilt auf, B wählt aus!
• Steven Brams, „Fair Divisions“: Faire
Aufteilung nach Ehescheidung, Erbe usw.
Wichtige Begriffe
• Eine Person entscheidet: Entscheidungen unter
Sicherheit/Risiko/Unsicherheit
• Spieltheorie: Mehrere Personen entscheiden und das
Ergebnis ist von den Entscheidungen anderer Personen
abhängig („strategische Inderdependenz“)
• Kooperative/nicht-kooperative Spieltheorie
• Spiel in Normalform (Matrixspiel)
• Spiel in Extensivform (Entscheidungsbaum)
• Nullsummenspiel/Nicht-Nullsummenspiel
• Vertrauensspiel
• Rückwärtsinduktion
• Mechanismus-Design (Design von Institutionen)
“Golden Balls”
TV-Sendung in England
Split
Steal
Split
500, 500
0, 1000
Steal
1000, 0
0, 0
“Friend or Foe” (“Golden Balls” im US-TV)
List 2006 hat 39 Sendungen ausgewertet.
• 39 Sendungen in Kalifornien mit je 6 Personen = 234 Spieler
• Spieler verdienen Geld durch Quiz, Maximum hier 16400 $
• Die Spieler bilden Paare, die im Quiz verdiente Summe X
wird in einem nachfolgenden Spiel aufgeteilt:
• Wählen beide “friend” erhält jeder X/2. Wählt ein Spieler “foe”,
der andere “friend”, erhält “foe” X, der andere erhält nichts.
Wählen beide “foe”, gehen beide leer aus.
► Kooperation 50 %, Männer 45 %, Frauen 56 %
Golden Balls
https://www.youtube.com/watch?v=p3Uos2fzIJ0
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