AKTUELL Parteien: Mehr Transparenz würde Korruption erschweren Tobias Brändli Rechtsanwalt, Landquart Korruption lässt sich am besten mit Transparenz bekämpfen. Es wäre ­daher zu begrüssen, wenn auch im Bereich der Parteienfinanzierung Transparenzregeln ­eingeführt würden. plädoyer 4/16 1. Korruption Korrupt sein bedeutet, bestechlich, käuflich oder auf andere Weise moralisch verdorben und deshalb nicht vertrauenswürdig zu sein. Korrupt bedeutet auch, ­aufgrund von Abhängigkeiten, Vetternwirtschaft, Bestechung, Erpressung oder Ähnlichem so beschaffen zu sein, dass bestimmte gesellschaftliche Normen oder moralische Grundsätze nicht mehr wirksam sind.1 Die Korruption umschreibt also Verhältnisse, in denen korrupte Machenschaften das gesellschaftliche Leben bestimmen. Sie bewirken damit einen moralischen Verfall.2 Korruption beschreibt mit anderen Worten ausgedrückt den Missbrauch einer Vertrauensstellung in einer beliebigen Funktion in der Justiz, Wirtschaft, Verwaltung, Politik oder auch in privaten Organisationen, wie zum Beispiel Stiftungen. Ziel der Korruption ist es, für sich selbst oder für eine Drittperson einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtmässiger Anspruch besteht. Der durch Korruption verursachte Schaden beschränkt sich nicht auf allenfalls direkt eintretende materielle Folgen. Viel schlimmer ist die Beschädigung des Vertrauens in ein gut funktionierendes und von moralischen Grundsätzen getragenes Polit- und Rechtssystem. Die Korruption untergräbt die Grundfesten ­einer Gesellschaft. Je stärker sie sich breitmacht, desto stärker zerfällt das Vertrauen in den Staat mit seinen politischen und rechtlichen Grundsätzen und moralischen Werten. Die Ausbreitung von Kor- ruption bedeutet letztlich den Zerfall einer Gesellschaft an sich selbst. ruption direkt Beteiligten (zum Beispiel der Bestecher und der Bestochene) ein starkes Interesse daran, ihr Handeln zu verheim­ 1.1 Korruptionsbekämpfung lichen beziehungsweise gar zu 1.1.1 Strafrechtliche Normen ­vertuschen. Deshalb bleiben die Die Bekämpfung der Korruption meisten Korruptionshandlungen erfolgt in einem Rechtsstaat mit- ungestraft. tels strafrechtlicher Normen. Im Damit wird klar, dass KorruptiSchweizerischen Strafgesetzbuch on nur dann effektiv bekämpft finden sich verschiedene Straftat- werden kann, wenn präventiv dabestände. Strafbar ist das Beste- für gesorgt wird, dass sie gar nicht chen (Art. 322ter StGB), Sich-­ erst entstehen kann. Ein schlagenbestechen-Lassen (Art. 322quater des Stichwort dafür ist «TranspaStGB), die Vorteilsgewährung renz». Überall dort, wo gegebene (Art. 322quinquies StGB), die Vor- Strukturen in Verwaltung, Orgateilsannahme (Art. 322sexies StGB) nisationen etc. korruptives Verund die Bestechung fremder halten zulassen könnten, schafft Amtsträger (Art. 322septies StGB). ein transparentes System der ÖfPrivate, die öffentliche Aufga- fentlichkeit die Möglichkeit, das ben erfüllen, sind Amtsträgern Verhalten der beteiligten Persogleichgestellt (Art. 322octies Abs. 3 nen zu überprüfen und damit der StGB). Für geringfügige, sozial üb- Korruption vorzubeugen.3 liche Vorteile kennt das Strafrecht zudem Ausnahmen von der Bestra­ 1.1.3 Internationale fung (Art. 322octies Abs. 2 StGB). ­Korruptionsbekämpfung Weiter findet sich im Bundes- Die Schweiz hat am 24. Septemgesetz über den unlauteren Wett- ber 2009 das Übereinkommen der bewerb (UWG) in Art. 4a eine Be- Vereinten Nationen gegen Korstimmung, die das Bestechen und ruption ratifiziert. Sie ist e­ iner von Sich-bestechen-Lassen in der frei- über 170 Vertragsstaaten. Das Aben Marktwirtschaft als unlauteren kommen enthält ImplementieWettbewerb umfasst. Nach Art. 23 rungspflichten in den Bereichen Abs. 1 UWG macht sich strafbar, Korruptionsverhütung, Krimi­ wer nach Art. 4a UWG vorsätz- nalisierung und Strafverfolgung, lich unlauteren Wettbewerb be- internationale Zusammenarbeit, treibt. Ver­­mögensrückführung sowie technische Unterstützung von 1.1.2 Grundlegendes ­Entwicklungs- und Schwellen­ ­Problem der ­Bekämpfung ländern.4 Da bei der Korruption aber meisDie Schweiz hat sich durch tens die Gesellschaft zum «Opfer» ­Unterzeichnung dieses Überein­einer Straftat wird und am Delikt kommens verpflichtet, einzelne ansonsten in der Regel nur die Tä- Bestimmungen, zum Beispiel verter beteiligt sind, fehlt naturge- schiedene Formen der Bestechung mäss ein Interesse eines direkt Be- von Amtsträgern ins innerstaat­ teiligten, das Delikt aufzudecken. liche Recht zu implementieVielmehr haben die an der Kor- ren. Dieses Übereinkommen ist 27 AKTUELL i­ nsofern völkerrechtlich bindend. Die Souveränität der einzelnen Vertragsstaaten wird in Art. 4 des Übereinkommens indes ausdrücklich geschützt, was bedeutet, dass kein Staat berechtigt ist, im Hoheitsgebiet eines ­anderen Staates Gerichtsbarkeit auszuüben oder Aufgaben wahrzunehmen, die den innerstaat­lichen Behörden vorbehalten sind. Zudem ist die Schweiz im Jahr 2000 der OECD-Konvention über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger beigetreten. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe zu stellen. Weiter ist die Schweiz 2006 der Strafrechtskonvention des Europarats über Korruption beigetreten. Auch dieses Übereinkommen verpflichtet die Vertragsparteien dazu, zahl­ reiche korrupte Praktiken in das innerstaatliche Recht zu implementieren. Im Rahmen dieser Übereinkommen hat der Europarat ein besonderes Gremium, die Groupe d’Etats contre la Corruption (­Greco), eingesetzt. Darin ist auch die Schweiz vertreten. Die Greco führt wechselseitige Länderexamen durch und überprüft so die Fortschritte bei der Umsetzung der Abkommen und der Korruptionsbekämpfung. Im letzten Bericht der Greco über die Schweiz vom 19. Juni 2015 (veröffentlicht am 17. August 2015) nimmt die Greco mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Schweizer Regierung beschlossen hat, zurzeit im Bereich der Transparenz der Finanzierung der politischen Parteien und der Wahlkampagnen nicht gesetzgeberisch tätig zu werden. Damit steigt der internationale Druck auf die Schweiz, auch im Bereich der Finanzierung politischer Parteien und Wahlkampagnen geeignete Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung zu ergreifen. Ein eigentlicher Umsetzungszwang besteht 28 jedoch nicht. Die Schweiz kann von der Greco nicht dazu gezwungen werden, innerstaatliche Regeln einzuführen. Indes ist zu erwarten, dass die Greco den politisch-diplomatischen Druck erhöhen wird. Nachdem Schweden im Jahr 2014 eine Gesetzgebung in diesem Bereich verabschiedet hat, ist die Schweiz folglich noch der ­einzige von 49 Mitgliedsstaaten der Greco, der gegenwärtig über keine Gesetzgebung zur Transparenz der Parteienfinanzierung verfügt. In Schweden müssen neu Spenden sowie die Identität der Spender über 20 000 Kronen (rund 2300 Franken) offengelegt werden. Werden die Vorschriften nicht eingehalten, so können den Parteien öffentliche Mittel gekürzt werden.5 Die Gesetzgebung zur Transparenz der Parteienfinanzierung im Kanton Neuenburg zeige, so die Greco, dass zwischen den Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz und den Forderungen nach einer transparenten Finanzierung der politischen Parteien und Wahlkampagnen ein Weg gefunden werden könne.6 Im Kanton Neuenburg sind Spenden ab 5000 Franken mit Namen der Spender an die Staatskanzlei zu melden. Zudem haben die im Grossen Rat vertretenen Parteien ihre Bilanz und Erfolgsrechnung im Amtsblatt des Kantons zu veröffentlichen.7 1.1.4 Schweiz unter Druck In der Schweiz findet sich derzeit keine politische Mehrheit, um im Bereich der Finanzierung der Parteien Transparenz zu schaffen. ­Einem zuletzt eingereichten parlamentarischen Vorstoss der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats zur Offenlegung von Zuwendungen an politische Akteure durch Unternehmen und Institute der öffentlichen Hand leisteten weder die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats noch der Nationalrat Folge (parlamentarische Initiative 14.400). Derzeit ist eine Motion des grünen Nationalrats Balthasar Glättli pendent, die Transparenz über die Parteienfinanzierung fordert. Sie verlangt, dass Zuwendungen natürlicher oder juristischer Personen an Parteien ab einem bestimmten Schwellenwert öffentlich gemacht werden müssen (Motion 15.3715, eingereicht am 19. Juni 2015, der Bundesrat beantragt Ablehnung). Da sich die politischen Parteien in der Schweiz vorwiegend über Spenden finanzieren, ist wohl die Befürchtung zentral, dass eine Offenlegungspflicht zu einem Spendenrückgang führen würde. Die Schweiz steht jedoch international zunehmend unter Druck. Zwar kann ein Gremium wie die Greco die Schweiz zu nichts zwingen. Doch der Ruf der Schweiz leidet unter den negativen Berichten über die mangelnde Bereitschaft, die geforderten Korruptionsbekämpfungsmassnahmen umzusetzen. 2. Parteienfinanzierung 2.1 Kantonale Regelungen In der Schweiz gibt es auf nationaler Ebene keine gesetzlichen ­Regeln. Parteien können von beliebigen Organisationen, Privatpersonen oder Unternehmen Spenden entgegennehmen. Weder Geldgeber noch Beträge müssen offengelegt werden. Auf kantonaler Ebene regeln nur drei Kantone die Parteienfinanzierung. Im Kanton Tessin sind Spenden über 10 000 Franken sowie bei kantonalen Urnengängen alle Ausgaben über 5000 Franken offenzulegen. Der Kanton Genf verpflichtet die Parteien, ihre Konten jedes Jahr offenzulegen und ihre Spender zu nennen. Der gespenplädoyer 4/16 AKTUELL dete Betrag muss nicht angegeben werden. Die schärfsten Regeln kennt der Kanton Neuenburg (siehe Ziffer 1.1.3). Anders als in anderen Ländern erhalten die Parteien in der Schweiz – mit Ausnahme der Fraktionsbeiträge – keine direkten Gelder vom Staat. Damit steigt die Abhängigkeit von Spenden von Unternehmen, Organisationen und Privaten.8 2.2 Intransparente Situation Nachdem sich der Bundesrat Ende 2014 gegen eine gesetzliche Regelung ausgesprochen hatte, bleibt die Situation intransparent. Auf nationaler Ebene ist indes eine Transparenzinitiative in den Startlöchern. Am 26. April 2016 wurde der Initiativtext im Bundesblatt publiziert. Die Frist für die Unterschriftensammlung läuft bis 26. Oktober 2017. Die Initiative verlangt im Wesentlichen die Publikation der Parteirechnungen, ein Verbot anonymer Spenden und eine Offenlegung aller Spenden von über 10 000 Franken pro Spender und Jahr an Parteien und Komitees.9 Zwar finden sich im Initiativkomitee nicht nur Exponenten der SP Schweiz, diese ist aber mit einem Beitrag von 180 000 Franken für die Sammelphase die treibende (finanzielle) Kraft hinter der Initiative.10 Im Sinn der eigenen Initiative wurden die finanziellen Aufwendungen transparent dargelegt. 3. Korruption in der Parteienfinanzierung 3.1 Risiken Das Modell der Parteienfinanzierung, wie es die Schweiz kennt, birgt insbesondere im Bereich der Korruption erhebliche Risiken und schwächt die Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung auf breiter Ebene. Beispielsweise ein Wahlkampf – insbesondere auf plädoyer 4/16 nationaler Ebene – erfordert heute den Einsatz erheblicher finanzieller Mittel. Ein Kandidat, der sich von einem Privaten oder ­einem Unternehmen den Wahlkampf bezahlen lässt, den er ­aufgrund eigener Mittel nicht finanzieren könnte, büsst zwangsläufig ein Stück seiner Unabhängigkeit ein. Dies muss nicht bedeuten, dass er gleich korrupt ist. Doch könnte es sein, dass er, einmal in seinem Amt, seinen privaten Geldgeber – ohne den er allenfalls gar nicht gewählt worden wäre – bei einer Vergabe eines Auftrags bevorzugt. Damit steht die Parteienfinanzierung in der Schweiz zwangsläufig in einem Konflikt mit der Unabhängigkeit einzelner Mandatsträger. 3.2 Stellenwert von ­Transparenz Eingeschränkte Unabhängigkeit bedeutet aber auch eine höhere Anfälligkeit, sich im Bereich der Korruption fehlbar zu verhalten. Aufgrund der intransparenten Parteienfinanzierung bleibt es dem Staat nun praktisch verwehrt, allfällige, auf die Parteienfinanzierung zurückzuführende Machenschaften aufzudecken. Abhilfe schaffen kann auch hier wiederum nur eine konsequente transparente Offenlegung grösserer Beiträge, sodass präventiv von vornherein klar wird, welche Abhängigkeiten und Verbindungen zwischen einem politischen Mandatsträger und seinen privaten Geldgebern bestehen. 3.3 Geldwäscherei Die zurzeit geltende intransparente Parteienfinanzierung wirkt sich auch auf die Bekämpfung der Geldwäscherei aus. Die fehlende Kontrolle über die Herkunft der Gelder, welche Parteien von «anonymen Dritten» erhalten, kann sich begünstigend auf die Geldwäscherei auswirken. Der Geldwäscherei macht sich strafbar, wer eine Handlung vornimmt, die ­geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögens­werten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren (Art. 305bis StGB). Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass auch Parteien Gelder von Leuten erhalten, von denen sie wissen oder annehmen müssen, dass diese aus einem Verbrechen herrühren. Heute ist es aufgrund der intransparenten Regelung nahezu unmöglich, solche Einnahmen einer Partei aufzu­ decken. 4. Fazit Das Beispiel einzelner Kantone (Tessin, Genf, Neuenburg) zeigt, dass es – entgegen der Ansicht des Bundesrats – mit dem beson­deren politischen System der Schweiz durchaus vereinbar ist, im Bereich der Parteienfinanzierung Transparenz zu schaffen. Mit einer Schwelle bei 5000 bis 10 000 Franken haben private Sympathisanten und Mitglieder von Parteien keinen Einschnitt in ihre Privatsphäre zu befürchten. Andererseits würden Verbindungen zwischen namhaften Geldgebern und politischen Amtsträgern offengelegt, sodass hier Prävention im Bereich der Korruptionsbekämpfung stattfinden würde. Unter dem Aspekt des Vertrauens in die Politik und das Rechtssystem wäre es zu begrüssen, wenn im Bereich der Parteienfinan­ zierung Transparenzregeln ein­ geführt würden. Hier liegt heute ein erhebliches Risiko im Bereich der Korruption in unserem politischen System. Das ist Gift für das Funktionieren einer von ­moralischen und rechtsstaatlichen Prinzipien getragenen Demokratie. 1www.duden.de/rechtschreibung/ korrupt. 2www.duden.de/rechtschreibung/ korruption. 3Interessante und weiterführende ­Informationen rund um die ­Korruptionsbekämpfung bietet transparency international unter www.transparency.ch/de/ index.php?navid=1. 4Vgl. weiterführende Informationen dazu unter www.eda.admin.ch/ eda/de/home/aussenpolitik/finanz platz-und-wirtschaft/korruption/ un-konvention-gegenkorruption. html. 5www.riksdagen.se/sv/dokumentlagar/dokument/svenskforfattningssamling/lag-2014105om-insyn-i-finansiering-av-partier_ sfs-2014 - 105. 6Dritte Evaluationsrunde, Zweiter Zwischenbericht über die Konformität der Schweiz, «Strafbestimmungen (SEV 173 und 191, GPC 2)», «Transparenz der Parteien­finanzierung», verabschiedet durch die Greco an ihrer 68. Vollversammlung in Strassburg vom 15.–19.6.2015. Zu finden unter: www.bj.admin.ch/dam/data/bj/ sicherheit/kriminalitaet/korruption/ grecoberichte/ber-iii-2015-6f-d.pdf. 7Weiterführende Informationen unter www.ne.ch/autorites/CHAN/ dpol/Pages/Transparence.aspx. 8Einen guten Überblick zur ­Parteienfinanzierung in der Schweiz mit ­geschätzten Zahlen aus der ­Vergangenheit findet sich auch in einem Artikel von Deya Frey, «Die Parteienfinanzierung in der Schweiz» unter www.vimentis.ch/d/ publikation/463/Die+Parteien finanzierung+in+der+Schweiz.html. 9www.admin.ch/opc/de/federalgazette/2016/3611.pdf. 10Vgl. hierzu www.sp-ps.ch/de/ publikationen/medienmitteilungen/ transparenz-initiative-unterschriften sammlung-hat-begonnen. 29