Originalarbeit Psychotherapeut 2015 · 60:310–314 DOI 10.1007/s00278-015-0041-8 Online publiziert: 24. Juni 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion M. Cierpka, Heidelberg B. Strauß, Jena Regina Steil · Astrid Benner · Meike Müller-Engelmann · Kerstin Hadouch Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Goethe-Universität, Frankfurt a.M., Deutschland „Cognitive restructuring and imagery modification“ Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung nach sexueller Gewalterfahrung in der Kindheit Viele Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) nach sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend leiden unter dem Gefühl des Beschmutztseins mit starken sensorischen Wahrnehmungen, belastenden Vorstellungsbildern und Überzeugungen sowie Scham und Ekel. Folgen sind dysfunktionales CopingVerhalten, ein reduziertes Selbstwertgefühl sowie Einschränkungen im Alltag. Aktuelle Behandlungsansätze reduzieren zwar die PTBSSymptome, nicht jedoch das Gefühl des Beschmutztseins. Die „cognitive restructuring and imagery modification“ (CRIM) ist der erste Ansatz zur Behandlung des Gefühls des Beschmutztseins und anderer dysfunktionaler Selbstbilder bei der PTBS. Hintergrund Eine Vielzahl von Erwachsenen, die im Kindes- und Jugendalter Opfer sexualisierter Gewalt wurden, berichtet, unter einem Gefühl des Beschmutztseins zu leiden. Dieses häufige Phänomen äußert sich in der Überzeugung, durch den Übergriff anhaltend befleckt zu sein. Die Patienten geben an, den Eindruck zu haben, dass Sperma oder Schweiß des Täters weiterhin auf ihrem Körper hafte (Fairbrother und Rachmann 2004). Dieses Gefühl geht mit starken sensorischen Wahrnehmungen einher, wie beispielsweise einem klebrigen Empfinden im Genital-, Brust- und Mundbereich, dem wahrgenommenen Geruch des Täters oder einer bildhaften 310 | Psychotherapeut 4 · 2015 Vorstellung von der eigenen Beschmutzung. („Ich sehe mich selbst wie einen Schornsteinfeger von oben bis unten beschmutzt.“) Emotionale Folgen dieses Gefühls sind v. a. ein ausgeprägtes Scham­ erleben, Selbstverachtung, Schuld und Ekel vor dem eigenen Körper. Die Pa­ tientinnen berichten, beschmutzt zu sein, bedeute für sie, nichtliebenswert, „wie Müll“ (Jung und Steil 2012) oder wertlos (Rachmann 2006) zu sein. Dies führt weiterhin bei vielen Betroffenen zu Schwierigkeiten, die entsprechenden Körperteile zu berühren, oder zu einem massiven Waschverhalten mit drastischer Bearbeitung der Haut mithilfe von Essig oder Desinfektionsmitteln, Scheuern der Haut mit Bürsten oder dem Einsatz stark parfümierter Pflegeprodukte (Fairbrother und Rachmann 2004; Hadouch und Steil 2014). Außerdem kann es zu Ablenkung und Vermeidungsverhalten kommen. So berichten Patienten, soziale Situationen zu meiden, in denen ihre Beschmutztheit bemerkt werden könnte, die Konfrontation mit dem eigenen Körper so weit wie möglich einzuschränken, typischerweise durch verringerte Körperpflege, weite Kleidung, Meidung von Spiegeln und Berührung des eigenen Körpers. Häufig werden exzessives Putzen oder Computerspielen, Substanzkonsum oder selbstverletzendes Verhalten berichtet (Hadouch und Steil 2014). Notwendigkeit der Entwicklung einer Intervention Betroffene Patienten berichten, das Gefühl des Beschmutztseins sei immer vorhanden und verstärke sich durch Auslöser wie Erinnerungen an das Trauma (Fairbrother und Rachmann 2004), soziale Kontakte, interpersonelle Nähe, sexuelle Intimität, Leistungssituationen oder die Wahrnehmung des eigenen Körpergeruchs. Das Gefühl, beschmutzt zu sein, sowie die daraus resultierenden Konsequenzen und Coping-Strategien führen zu einer massiven und anhaltenden Beeinträchtigung der Patienten in ihrem Alltag. Die Patienten leiden unter einem schwachen Selbstwertgefühl sowie Problemen im interpersonellen und speziell im sexuellen Kontakt (Hadouch und Steil 2014; Jung et al. 2011). Erfahrungen aus der klinischen Praxis und Untersuchungen zur Behandlung von Waschzwängen (De Silva und Marks 1999; Gershuny et al. 2003) machen deutlich, dass sogar nach einer sonst erfolgreichen Behandlung der PTBS das Gefühl des Beschmutztseins häufig weiterbestehen bleibt (Fairbrother und Rachmann 2004). Trotz dieser Erfahrungen und des hohen Leidensdrucks der Betroffenen gibt es bisher noch keine Behandlungsansätze, die explizit das Gefühl des Beschmutztseins fokussieren. Die Entwicklung einer solchen Intervention erschien somit dringend notwendig. Beschreibung der Kurzintervention Die Cognitive restructuring and imagery modification (CRIM) besteht aus einer einzigen Therapie- und einer Booster-Sitzung. In der ca. 90-minütigen Therapiesitzung erfolgt zunächst eine klassische kognitive Umstrukturierung auf der Basis aktiv erworbenen Wissens. Individuelle Überzeugungen des Patienten, beschmutzt zu sein, werden auf der Grundlage von Informationen zu Hautund Zellerneuerung diskutiert. Anschließend folgt eine imaginative Intervention zur Hauterneuerung, da Patientinnen oft angeben, rational zu wissen, dass es keine Missbrauchsspuren mehr an ihrem Körper geben kann (rationale Überzeugtheit), es sich dennoch so anfühle (emotionale Überzeugtheit; Wells 2000). Zur Veränderung dieser emotionalen Überzeugtheit haben sich Ansätze als hilfreich erwiesen, die effizient Gefühle auslösen und modifizieren, z. B. durch Vorstellungsbilder, die neben der visuellen auch andere Sinnesmodalitäten ansprechen (Holmes und Mathews 2010). Der Erfolg von Vorstellungsbildern zur Veränderung von Gefühlen wurde bereits bei verschiedenen Störungen belegt (z. B. Holmes et al. 2007; Arntz 2012). Da die beschriebene Kurzintervention bisher nur bei weiblichen Opfern sexualisierter Gewalt angewendet wurde, wird im Folgenden der Begriff „Patientinnen“ verwendet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch männliche Betroffene profitieren. Therapiesitzung Kognitive Umstrukturierung Zunächst erfolgt eine sorgfältige Exploration des Gefühls des Beschmutztseins hinsichtlich seiner Eigenschaften, der Bedeutung für die Patientin, der Auslöser bzw. begünstigende Faktoren und Konsequenzen. Hierbei sollen insbesondere die individuellen Überzeugungen der Patientin herausgearbeitet werden. Dann wird die Patientin gebeten, eine ca. 10-minütige Internetrecherche durchzuführen und die Frage zu beantworten, wie häufig sich menschliche Epidermiszellen in verschiedenen Köperbereichen erneuern. Auch hier wird die genaue Fragestellung an die Überzeugungen der Patientin angepasst. Sie erfährt beispielsweise, dass sich Epidermiszellen innerhalb von 4 bis 6 Wochen, Schleimhautzellen teilweise innerhalb weniger Tage erneuern (Braun-Falco et al. 2005). Mithilfe eines Taschenrechners berechnet die Patientin, wie häufig sich die vom Missbrauch betroffenen Hautzellen bereits erneuert haben. Anschließend erfolgt eine Disputation, in der die Bedeutung dieser Informationen für die Patientin sowie deren Auswirkung auf die individuellen Überzeugungen zum Beschmutztsein hinterfragt werden. Der Therapeut übernimmt die Rolle des Advocatus Diaboli und konfrontiert die Patientin mit den zuvor benannten Überzeugungen. Imagery modification In einer Psychoedukation wird der Patientin vermittelt, dass viele Betroffene sich durch diese Information erleichtert fühlen und rational verstehen können, dass sie heute nicht mehr beschmutzt sind, dass allerdings viele Patientinnen berichten, weiterhin das Gefühl zu haben, beschmutzt zu sein. Dies sei typisch, da das Gefühl dem Verstand oft „nachhinke“ und es eines Hilfsmittels bedürfe, das die Informationen vom Kopf zum Gefühl transportiere. Dieses Hilfsmittel seien Vorstellungsbilder. Die Patientin wird nun angeleitet, selbst ein individuelles Bild zu entwickeln, das den Prozess des Abstreifens der alten Haut symbolisiert. Es erfolgen keine Vorgaben seitens des Therapeuten, es wird jedoch betont, dass das Bild auch unrealistisch sein darf. Dieses generierte Bild wird bezüglich seiner sensorischen Qualitäten detailliert ausgearbeitet, um die Lebhaftigkeit der Imagination zu stärken (Kirn et al. 2009). Danach wird das Gefühl des Beschmutztseins in einem Ausmaß, wie es typischerweise im Alltag der Patientin auftritt, für kurze Zeit aktiviert. Es erfolgt eine Überleitung zur Imagination der Hauterneuerung. Es ist wichtig, der Patientin zu vermitteln, dass sie während der gesamten Zeit die Kontrolle hat. Die Dauer der angeleiteten Imagination beträgt ca. 15 min. Die Patientin soll, wenn möglich, die Feld-/Ich-Perspektive einnehmen, d. h., die Situation mit ihren eigenen Augen sehen. Im Anschluss werden die Auswirkungen der Imagination auf das Befinden erfragt und die Patientin ggf. bei der Regulation belastender Gefühle unterstützt. Abschließend werden gemeinsam mit der Patientin die Hausaufgaben besprochen: Sie soll für die Dauer von einer Woche einmal täglich die Tonbandaufnahme dieser Imagination anhören und üben sowie Protokollbogen ausfüllen. Es werden gemeinsam die Rahmenbedingungen für diese Übungen besprochen. Booster-Sitzung In der etwa 50-minütigen Nachbereitungssitzung werden die Auswirkungen der Imagination zur Hauterneuerung, Schwierigkeiten beim Üben und Möglichkeiten der Integration der Imagination in den Alltag besprochen sowie ggf. weitere Zweifel der Patientin, dennoch beschmutzt zu sein, diskutiert. Diese beiden Sitzungen zielen insbesondere auf die Veränderung des Gefühls des Beschmutztseins ab, haben sich aber auch als wirksam erwiesen, um die gesamte PTBS-Symptomatik zu reduzieren (s. Abschn. „Bisherige empirische Ergebnisse zur Wirksamkeit der neuen Intervention“). Sie können durchaus wie bei dem unten aufgeführten Fallbeispiel als alleinige Behandlung angewendet werden. Eine solche wirksame Kurzintervention kann z. B. Hoffnung und Motivation zur Aufnahme einer umfassenderen Psychotherapie schaffen. Stationäre Behandlungen im Bereich von Krisenintervention oder Rehabilitation bieten oft zeitlich nur sehr begrenzte Möglichkeiten zur Psychotherapie; hier kann eine solche Kurzintervention sehr hilfreich sein. Cognitive restructuring and imagery modification kann aber auch in eine umfassendere Behandlung der PTBS und begleitender Symptome mit etablierten Traumatherapieansätzen (z. B. Ehlers et al. 2005; Resick et al. 2007) integriert werden. Die Kurzintervention kann als Behandlungsmodul mit allen gängigen State-of-theArt-Psychotherapien der PTBS wie z. B. einer kognitiven Verhaltenstherapie (vgl. Steil et al. 2013) kombiniert werden. In der Psychotherapeut 4 · 2015 | 311 Zusammenfassung · Abstract Dialektisch-Behavioralen Therapie der PTBS (DBT-PTSD) ist sie bereits als optionales Behandlungsmodul für das Gefühl der Beschmutztheit verankert (Steil et al. 2015). Fallbericht Frau M., eine 52-jährige verheiratete Beamtin, kommt mit einer PTBS infolge sexualisierter Gewalt im Alter von 15 Jahren, einer rezidivierenden depressiven Störung und einer atypischen Bulimia nervosa in Behandlung. Nach dem Gefühl des Beschmutztseins befragt, gibt sie an, sich dreckig und besudelt zu fühlen. Das Gefühl des Beschmutztseins sei permanent vorhanden. Zu einem Anstieg in der Intensität komme es durch Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch, fremde Körpergerüche, aber auch durch Fischgeruch, der sie an Sperma erinnere, und in sozialen Situationen mit körperlicher, aber auch zwischenmenschlicher Nähe. Wenn das Gefühl besonders stark sei, habe sie den Eindruck, dass ihr Körper nach dem Sperma des Täters rieche und dass andere aus ihrem Körpergeruch auf den Missbrauch schließen könnten. Das führe dazu, dass sie auf Distanz gehe oder soziale Situationen sogar verlasse. Weiterhin habe sie dann den starken Impuls, diesen Geruch loswerden zu wollen. Durch Waschen lasse sich das Gefühl des Beschmutztseins jedoch in keinster Weise reduzieren. Mithilfe der kognitiven Umstrukturierung wird zunächst die Überzeugung der Patientin disputiert, dass nach wie vor Körperflüssigkeiten des Täters in ihrem Körper kursieren. Es gelingt der Patientin rasch, sich rational von dieser Überzeugung zu distanzieren, aber sie gibt an, dass es sich weiterhin so „anfühle“, als sei sie beschmutzt. Um diese emotionale Überzeugung zu modifizieren, wird ein individuelles Vorstellungsbild erarbeitet, in dem die Patientin die Haut wie einen Gummianzug auszieht, indem sie diese am Scheitel öffnet und Stück für Stück über den Körper abrollt. Schließlich liegt die gräuliche alte Haut vor ihr auf dem Boden, und darunter hervor kommt neue, rosige, frische, unberührte Haut. Die alte Haut trägt die Patientin in eine Wüstenlandschaft, in 312 | Psychotherapeut 4 · 2015 Psychotherapeut 2015 · 60:310–314 DOI 10.1007/s00278-015-0041-8 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 R. Steil · A. Benner · M. Müller-Engelmann · K. Hadouch „Cognitive restructuring and imagery modification“. Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung nach sexueller Gewalterfahrung in der Kindheit Zusammenfassung Hintergrund. Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) nach sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter leiden häufig auch später noch unter einem stark ausgeprägten Gefühl des Beschmutztseins. Dies geht mit massiven Einschränkungen im Alltag, interpersonellen Problemen und ungünstigen Coping-Strategien einher. Ziel der Arbeit. Als erste Methode, die das Gefühl des Beschmutztseins direkt fokussiert, wird die „cognitive restructuring and imagery modification“ (CRIM) vorgestellt. Material und Methoden. Die Entwicklung der CRIM wird dargestellt. Aktuelle Forschungsergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie mit 30 Patientinnen werden beschrieben. Das angeführte Fallbeispiel einer behandelten Patientin verdeutlicht Symptomatik und Leidensdruck der Betroffenen sowie die erfreulichen Effekte der Kurzintervention. Ergebnisse. Mithilfe der vorgestellten CRIM konnte bereits eine vielversprechende signifikante Reduktion des Gefühls des Beschmutztseins, aber auch der übrigen PTBSSymptomatik erreicht werden. Schlussfolgerung. Cognitive restructuring and imagery modification ist zur Veränderung des Gefühls des Beschmutztseins bei PTBS nach sexueller Gewalterfahrung in der Kindheit geeignet. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse kann eine Erweiterung von CRIM auf andere belastende Selbstbilder bei PTBS-Patienten nach unterschiedlichen Arten von Traumatisierung vorgenommen werden. Schlüsselwörter Sexueller Missbrauch · Gefühl des Beschmutztseins · Imagination · Selbstwert · Psychotherapie, Kurzzeit Cognitive restructuring and imagery modification. Treatment of posttraumatic stress disorder after experiencing sexual violence in childhood Abstract Background. Patients with posttraumatic stress disorder (PTSD) as a result of sexual abuse in childhood and adolescence often also suffer later from the feeling of being contaminated. This is accompanied by massive consequences and severe restraints in everyday life, interpersonal problems and unfavorable coping behavior. Aim. This article presents the method of cognitive restructuring and imagery modification (CRIM), which is the first method that directly focuses on the feeling of being contaminated. Material and methods. The development of CRIM is presented. Current research results of a randomized controlled trial with 30 patients are described. This is exemplified by the case study of a treated female patient illustrating the symptoms and the distress related to the feeling of being contaminated as der die gleißende Sonne dazu beiträgt, dass die Haut rasch zu Sand wird. Die Intervention führt dazu, dass die Belastung durch das Gefühl des Beschmutztseins von einem Wert von 54 auf well as the pleasing effects of the short intervention with CRIM. Results. Using the CRIM method presented here a very promising significant reduction in the feeling of being contaminated could be achieved and also of the PTSD symptoms in general. Conclusion. The CRIM is a suitable approach for altering the feeling of being contaminated in PTSD after experiencing sexual violence in childhood. Due to the very promising results an extension of CRIM to other distressful self-images of PTSD patients after various forms of trauma can be undertaken. Keywords Sexual abuse · Feeling of being contaminated · Imagination · Self esteem · Psychotherapy, short-term einer visuellen Analogskala (0–100) in der Woche vor der Behandlung auf 19 in der Woche nach der Behandlung und schließlich sogar auf 9 sechs Wochen nach der Behandlung sinkt. Bisherige empirische Ergebnisse zur Wirksamkeit der neuen Intervention Die Wirksamkeit von CRIM wurde bisher in einer Prä-post-Pilotstudie (Steil et al. 2011) mit 9 Patientinnen sowie einer randomisierten kontrollierten Studie (Jung und Steil 2013) mit 30 Patientinnen untersucht. Die Teilnehmerinnen waren erwachsene Opfer sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend, in deren Folge sie unter einer PTBS und dem Gefühl des Beschmutztseins litten. Die Intervention wurde, wie oben beschrieben, in einer 90-minütigen Behandlungssitzung und einer 50-minütigen Nachbereitungssitzung (eine Woche nach Behandlungsende) durchgeführt. Die Teilnehmerinnen der Pilotstudie waren 28 bis 57 Jahre alt [Mittelwert (M) = 43,78 Jahre; Standardabweichung (SD) ± 8,98 Jahre]. Der Zeitraum zwischen dem Ende der sexualisierten Gewalt in Kindheit und Jugend und der Behandlung betrug 18 bis 50 Jahre (M = 33,78 Jahre; SD ± 10,56 Jahre), und das Gefühl des Beschmutztseins dauerte bereits 17 bis 41 Jahre an (M = 29,56 Jahre; SD ± 8,00 Jahre). Es gab während der Kurzintervention keine Drop-outs. Die Messzeitpunkte waren vor der Behandlung (t0), nach der Behandlung (t1) und 6 Wochen nach Behandlungsende (t2). Für den Zeitraum von einer Woche direkt nach der Behandlung füllten die Patienten tägliche Ratings bezüglich Intensität, Lebhaftigkeit und Unkontrollierbarkeit des Gefühls des Beschmutztseins sowie der daraus resultierenden Belastung anhand einer visuellen Analogskala von 0 (gar nicht) bis 100 (extrem) aus. Außerdem wurde die Belastung durch und das Ausmaß der PTBS mithilfe der Posttraumatischen Diagnoseskala (PDS, Griesel et al. 2006) erhoben. In den Ergebnissen zeigte sich eine signifikante Verbesserung der erhobenen Werte von t0 zu t2. Bezüglich des Gefühls des Beschmutztseins ergaben sich große Effektstärken für die verschiedenen Aspekte: Intensität (d = 2,23), Lebhaftigkeit (d = 1,83), Unkontrollierbarkeit (d = 2,79), resultierende Belastung (d = 2,45). Auch hinsichtlich der Reduktion der übrigen PTBS-Symptomatik fand sich eine große Effektstärke (d = 0,99), obwohl die Verbesserung anderer PTBSSymptome kein Kernziel der Kurzintervention darstellte. Die positiven Ergebnisse dieser Pilotstudie waren durch das Fehlen einer Kontrollgruppe limitiert. Im Anschluss an diese vielversprechenden Ergebnisse wurde eine randomisierte kontrollierte Studie mit 30 Patientinnen (Jung und Steil 2013) durchgeführt. Die Einschlusskriterien waren weibliches Geschlecht, 17 bis 65 Jahre, Gefühl des Beschmutztseins infolge sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter und eine darauf bezogene DSM-IV1-Diagnose einer PTBS. Bezüglich des Gefühls des Beschmutztseins musste eines der 3 definierten Kriterien erfüllt sein: das Gefühl, aufgrund der sexualisierten Gewalt „beschmutzt“ zu sein, Ekel vor dem eigenen Körper oder die Überzeugung, dass Körperflüssigkeiten oder Zellen des Täters noch am oder im Körper sind. Ausschlusskriterien waren die Lebenszeitdiagnose einer psychotischen oder bipolaren Störung, aktuelle Drogenabhängigkeit, Body-Mass-Index < 16,5 kg/m2, Intelligenzminderung und akute Suizidalität mit Suizidplänen. Andere laufende Psychotherapien mussten für den Zeitraum der Studie unterbrochen werden. Die Teilnehmerinnen waren 19 bis 61 Jahre alt (M = 37,18 Jahre; SD ± 10,85 Jahre). Der Zeitraum zwischen dem Ende der sexualisierten Gewalt in Kindheit und Jugend und der Behandlung betrug 3 bis 50 Jahre (M = 22,34 Jahre; SD ± 11,67 Jahre), und das Gefühl des Beschmutztseins dauerte bereits 2 bis 46 Jahre an (M = 20,29 Jahre; SD ± 13,80 Jahre). Auch hier gab es keine Drop-outs. Die Teilnehmerinnen wurden randomisiert im Verhältnis 1:1 auf die beiden Bedingungen CRIM und Warteliste (WL) verteilt. Die Patientinnen in der CRIM-Bedingung erhielten nach erfolgter Randomisierung die oben beschriebene Kurzbehandlung. Für die Patientinnen in der WL-Bedingung begann die Behandlung 5 Wochen nach Studienaufnahme. Vor der Randomisierung wurden das Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV, Achse 1 (SKID-I, Wittchen, Zaudig und Fydrich 1997) zur Diagnosestellung sowie die Borderline-Sektion der In1 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Aufl. ternational Personality Disorder Examination (IPDE, von Mombour et al. 1996) und die Clinician Administered PTSD Scale (CAPS, Schnyder und Moergeli 2002) durchgeführt. Die PTBS-Symptomatik wurde auch zum Follow-up-Zeitpunkt (t2) erneut mit der CAPS gemessen. Zu allen 3 Zeitpunkten wurden zudem das Gefühl des Beschmutztseins erhoben. Hierbei schätzten die Patientinnen mithilfe einer visuellen Analogskala (0 : gar nicht bis 100: extrem) Intensität, Lebhaftigkeit, Unkontrollierbarkeit und resultierende Belastung ein. Außerdem erfolgte eine Selbstbeurteilung mit der PDS. Als weitere Messinstrumente wurden das Becks Depressions-Inventar II (BDI II, Hautzinger, Bailer, Worall und Keller 1995) zur Erhebung depressiver Symptomatik und die Rosenberg-Selbstwertskala (RSES, Roth et al. 2008) zur Erhebung des Selbstwerts eingesetzt. Die Messzeitpunkte waren eine Woche nach Behandlungsaufnahme [Behandlungsbeginn (t0), 2 Wochen (t1) und 5 Wochen nach Aufnahme (t2)]. Wie in der Pilotstudie zeigten sich zum Katamnesezeitpunkt signifikante Verbesserungen in Intensität (d = 1,93), Lebhaftigkeit (d = 1,73), Unkontrollierbarkeit (d = 2,04) und resultierender Belastung (d = 1,99) des Gefühls des Beschmutztseins über die Zeit in der CRIM-Bedingung. Auch in der CAPS (d = 0,90) fand sich eine signifikante Verbesserung der PTBS-Symptomatik. Obwohl inhaltlich nicht Kernziel der Behandlung wurde auch in der RSES eine signifikante Verbesserung in der Behandlungsbedingung über die Zeit (d = 0,35) festgestellt. Lediglich das BDI II wies keine statistisch signifikante Verbesserung in der Behandlungsbedingung auf. Fazit für die Praxis Cognitive restructuring and imagery modification zeigt gute Effekte auf die Veränderung des Gefühls des Beschmutztseins und auf die PTBS-Symptome. Aufgrund dessen wurde, hieran angelehnt, eine Intervention entwickelt, die für Patienten mit PTBS nach verschiedenen Traumatisierungen geeignet und deren Ziel es ist, das jeweils am stärksten belastende zentrale negative Selbstbild zu veränPsychotherapeut 4 · 2015 | 313 Fachnachrichten dern. Bei der Behandlung der ersten Patienten mit diesem Verfahren fanden sich sowohl eine Verbesserung des Selbstbilds als auch eine starke Reduktion der PTBS- sowie depressiver Symptome. Korrespondenzadresse Dr. R. Steil Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie Goethe-Universität, Varrentrappstr. 40–42 60486 Frankfurt a.M. [email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. Regina Steil gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligen Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor. Literatur Arntz A (2012) Imagery rescripting as a therapeutic technique: review of clinical trials, basic studies, and research agenda. 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Ein Mechanismus, der bei der Entstehung von Depressions- und Angsterkrankungen eine Rolle spielt. Psilocybin scheint in diese Wirkungskette einzugreifen. Der Stoff stimuliert Serotonin-Rezeptoren im Gehirn. Die Forscher haben deshalb angenommen, dass Psilocybin seine stimmungsaufhellende Wirkung über eine Veränderung des Serotoninsystems in limbischen Hirnregionen entfaltet. Dies konnte nun mithilfe von funktioneller Magnetresonanz-Tomographie an gesunden Probanden gezeigt werden. Bereits eine moderate Dosis reicht aus, um die Verarbeitung von negativen Umweltreizen zu schwächen. In weiterführenden Studien wollen die Neuropharmakologen prüfen, ob Psilocybin bei depressiven Patienten die überhöhte Verarbeitung negativer Reize im Gehirn normalisiert und so stimmungsaufhellend wirkt. Literatur: Kraehenmann R, Preller KH, Scheidegger M et al (2014) Psilocybin-Induced Decrease in Amygdala Reactivity Correlates with Enhanced Positive Mood in Healthy Volunteers. Biological Psychiatry. doi. org/10.1016/j.biopsych.2014.04.010 Quelle: Universität Zürich, www.uzh.ch 本文献由“学霸图书馆-文献云下载”收集自网络,仅供学习交流使用。 学霸图书馆(www.xuebalib.com)是一个“整合众多图书馆数据库资源, 提供一站式文献检索和下载服务”的24 小时在线不限IP 图书馆。 图书馆致力于便利、促进学习与科研,提供最强文献下载服务。 图书馆导航: 图书馆首页 文献云下载 图书馆入口 外文数据库大全 疑难文献辅助工具