Depression im Alter

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WISSEN AKTUELL · KONGRESS
Diagnostik und Therapie
Depression im Alter
Das Auftreten von Depression nimmt mit dem Alter zu. Häufig
kommt es zu Überlagerungen mit Demenzsymptomen, so dass
eine sorgfältige Diagnose und Therapie bei älteren Patienten
essenziell ist.
M
it einer Prävalenz von über 14% leiden Europäerinnen häufiger
an Depression als Männer (8.6 %) informierte Dr. med. Andreas Studer aus Basel. In Alters- und Pflegeheimen tritt Depression
bei 30 bis 45% der Bewohner auf (v.a. dysthyme leichte Depressionen). Chronische körperliche Erkrankungen gehen mit höheren
Depressionsraten einher (Prävalenz bis 50%). Die Depression wiederum beeinflusst die chronische Erkrankung negativ, so dass der
Outcome der Begleiterkrankung bei depressiven Patienten schlechter ist als bei nichtdepressiven.
Depression entsteht aus einem Zusammenspiel vieler Faktoren,
die in der Kindheit zurückliegen können, aus Lebenserfahrungen
und aktuellen Stressoren herrühren, aber auch im Alter mit veränderten Körper- und Hirnfunktionen zusammenhängen können
(siehe Abb. 1).
Ursachen und Risikofaktoren
Körperliche Erkrankung und der damit verbundene Verlust an
Selbstständigkeit, Vereinsamung durch mangelnden sozialen Kontakt bzw. Rückhalt und Entwurzelung nach Rollen- und/oder
Ortswechsel sind häufige Ursachen, die bei älteren Menschen zu
Depression führen. Daneben können finanzielle Sorgen und Konflikte mit Angehörigen andere Auslöser einer Depression sein. Eine
negative Lebensbilanz stürzt häufig alte Menschen in die Depression. Nicht zuletzt fördert eine depressive Persönlichkeitsstruktur
die Depressionsentwicklung.
Besondere Vulnerabilität im Alter
Symptome einer Depression sind depressive Verstimmung, Denkhemmung/Denkverzerrung, psychomotorische Hemmung oder
Erregung und/oder somatische bzw. vegetative Störungen.
Die Diagnostik der Depression im Alter wird dadurch
erschwert, dass vor allem leichte Formen der Depression auftreten
mit hohen Fluktuationsraten, die oft als Alterungsprozess missinterpretiert werden. Gelegentlich ist Depression eine Nebenwirkung
der Medikation (z.B. Steroid-Langzeittherapie). Die oft gleichzeitig vorliegende Demenz erschwert zusätzlich die Diagnosestellung.
Somatische Erkrankungen, wie Schlafstörungen, hypochondrische Befürchtungen (Ängste, Misstrauen, Reizbarkeit), Konzentrationsstörungen, psychomotorische Verlangsamung, Müdigkeit,
Energieverlust und v.a. Schmerzen, die organisch nicht oder nicht
ausreichend erklärbar sind, dominieren die Depressionssymptomatik. Die Geriatric Depression Scale (GDS) ist ein wichtiges Screeninginstrument zur Diagnose der Depression im Alter.
Depression und Demenz überlappen sich oft und sind schwierig
voneinander abzugrenzen (Abb. 2), wobei die Vaskuläre Demenz
häufiger mit Depression verbunden ist als andere Formen der
Demenz. Auch geht fast jeder Demenz eine ca. zweijährige prodromale Phase mit Depression voraus. Aktuell gibt es keine guten Marker, die eine Demenz anzeigen würden. Tabelle 1 gibt einen kurzen
Überblick über klinische Kriterien der Depression bzw. Demenz.
Folgen der Depression im Alter
Der Verlust von Lebensqualität führt oft zu sozialer Isolation und
umgekehrt, kann aber auch zu Selbstmord führen (erhöhte Mortalitätsrate bei depressiven alten Menschen – „passive Suizide“).
Alkohol- und Medikamentenabusus sind eine andere Variante der
ABB. 2
Depression und Demenz
(Abbildungen und Tabellen nach Vortrag von Dr. A. Studer)
ABB. 1
Diagnose
_ 2014 _ der informierte arzt
5209 WISSEN AKTUELL · KONGRESS
Kompensation. Die Vulnerabilität gegenüber somatischen Erkrankungen ist erhöht und die Hospitalisationsdauer in der Regel verlängert. Oft kommt es zu vorzeitigem Eintritt ins Pflegeheim.
Die Suizidrate nimmt mit dem Alter zu, bei Männern sogar
stark überproportional. Selbstmordgedanken und -versuche sind
bei älteren Menschen lebensbedrohlicher als bei jüngeren Menschen. 80% der älteren Selbstmörder litten an einer Depression.
Eine erfolgreiche Therapie ist daher nach einem Selbstmordversuch
aufgrund des hohen Wiederholungsrisikos besonders wichtig.
Therapie und Prognose der Depression im Alter
Die Chancen auf Heilung bzw. Besserung unterscheiden sich nicht
von denen jüngerer Patienten. „State of the art“ der Depressionstherapie im Alter ist eine Kombinationstherapie aus Pharmakotherapie
(Tab. 2), körperlicher Aktivität, Psycho- und Soziotherapie. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass je schwerer die Depression ist, desto
besser helfen Antidepressiva.
Tab. 1
Klinische Unterscheidung von Depression und Demenz
Eher Depression – „Pseudodemenz“
Eher Demenz
Subakuter Beginn
schleichender Beginn
Aggravation
Bagatellisierung
Orientierung gut
Orientierung gestört
Denkhemmung
umständlich
Depressiv stabil
affektlabil
Tab. 2
Pharmakotherapie – Antidepressiva (AD)
Substanzklasse
Wirkstoff
Präparatenamen
Escitalopram
Cipralex®
Citalopram
Seropram®
Sertralin
Zoloft®
Fluoxetin
Fluctine®
Paroxetin
Deroxat®
SARI
Trazodon
Trittico®
SNRI
Venlafaxin
Efexor®
Duloxetin
Cymbalta®
NaSSA
Mirtazapin
Remeron®
SNDRI
Bupropion
Wellbutrin®
MT-Agonist
Agomelatin
Valdoxan®
MAO-A-Hemmer
Moclobemid
Aurorix®
Phytotherapeutikum
Johanniskraut 3
Jarsin®, Rebalance®
TZA 1, 2
Imipramin
Tofranil®
Nortryptilin
Nortrilen®
Amitryptilin
Saroten®
Trimipramin
Surmontil®
Maprotilin
Ludiomil®
Grundsätze zur Pharmakotherapie
bei Depression im Alter
llDie Aufdosierung sollte einschleichend erfolgen
llDie Zieldosis ist bei älteren Patienten i.d.R. niedriger als bei
jüngeren Patienten
llDosisänderungen sollten nicht abrupt erfolgen und das Absetzen der AD ausschleichend erfolgen (bes. SSRI).
llBei Schlafstörungen und Angst ist ein sedierend-anxiolytisches
AD zu wählen.
llPsychopharmaka-Kombinationspräparate (z.B. Deanxit =
AD+Neuroleptikum) sollten bei alten Depressionspatienten
nicht verwendet werden.
llSpricht der Patient nicht oder ungenügend innerhalb von 6–8
Wochen an, so ist er an einen Alterspsychiater zu überweisen.
llWechseln (AD1->AD2)
Kombinieren (AD1+AD2)
Augmentieren (AD+Li/atypisches Neuroleptikum)
llKombination mit spezifischer Psychotherapie
llnur bei schweren Fällen von Depression: Schlafentzug, Licht­
therapie, Elektrokrampfbehandlung
Fazit:
llDemenz und Depression sind die häufigsten psychiatrischen
Störungen im Alter (> 80 Jahre)
llBesonders im hohen Alter (> 80 Jahre) kommen sie oft gemeinsam vor
llEine exakte Diagnose ist wichtig, da Prognose, Therapie und
Betreuung für beide Erkrankungen unterschiedlich sind
llDurch eine gute und erfolgreiche Behandlung lässt sich die
Lebensqualität der Patienten und ihrer betreuenden Angehörigen
verbessern
SSRI
wwDr. Heidrun Ding
Quelle: Forum für Medizinische Fortbildung: Allgemeine Innere Medizin Update
Refresher, 7. 5. 2014, Zürich
der informierte arzt _ 09 _ 2014
a ufgrund der erhöhten Nebenwirkungsrate bei >60/70-Jährigen, sollten
die Trizyklischen Antidepressiva in dieser Altersgruppe nicht angewendet werden.
2
Nicht bei Dementen und Multimorbiden anwenden
3
Nur als Monotherapie, nicht bei Polymedikation verwenden
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