Elektromagnetische Wellen Kapitel 16 Elektromagnetische Wellen + + + + + + + + + + Das radiale elektrische Feld, das von einem unendlich langen, geraden, positiv geladenen Draht erzeugt wird. Figur 1. Wir nehmen nun an, dass die positiven Ladungen zur Zeit t=0 anfangen, sich mit einer Geschwindigkeit VD zu bewegen. Zur Zeit t=t1 hält der Draht wieder an. D.h. der Draht bewegt sich während des Zeitintervalls zwischen t=0 und t=t1 in Richtung des Drahts. 16.1 Felder eines bewegten geladenen Drahtes Wir haben in Kap. 15.5.1 das elektrische Feld berechnet, das von einem unendlich langen, geladenen Stab erzeugt wird. Das Feld ist radial und hängt umgekehrt proportional vom Abstand r des Stabes ab: r 2l 1 ( unendlicher Stab) E ª 4pe 0 r Wie wird die räumliche Verteilung des elektrischen Feldes sein? Die elektrischen Feldlinien müssen den Ladungen folgen. Sie müssen immer bei den positiven Ladungen beginnen. Aber das Feld kann sich nicht gleichzeitig und spontan in allen Punkten des Raumes ändern! Die Relativitätstheorie sagt voraus, dass die Information über die Bewegung des Drahtes sich nicht schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. wobei l die Linienladungsdichte ist. Wir betrachten einen positiv geladenen Stab. Das erzeugte elektrische Feld ist in Abb. 1 gezeigt. Physik 991 Wir nehmen deshalb an, dass die Änderung des Feldes sich mit einer Geschwindigkeit v durch den Raum ausbreitet, wobei die Geschwindigkeit v später bestimmt wird. 992 Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich) Felder eines bewegten geladenen Drahtes Elektromagnetische Wellen Es folgt daraus, dass das Verhalten des elektrischen Feldes wie in Abb. 2 gezeigt ist. E+ und E– der Drähte werden sich kompensieren und das resultierende elektrostatische Feld verschwindet in jedem Punkt des Raumes. Die Ausbreitung der Änderung des Feldes verhält sich wie ein Puls, der sich mit einer Geschwindigkeit v bewegt: Der positiv geladene Draht bewegt sich nun mit der Geschwindigkeit VD zwischen den Zeiten t=0 und t=t1. Der negativ geladene Draht ruht. 1. 2. 3. In den Punkten mit Abständen grösser als vt entsprechen die elektrischen Feldlinien noch dem Draht, bevor er sich bewegte. Zwischen den Abständen vt und v(t-t1) ändern sich die Feldlinien. Die elektrischen Felder der einzelnen Drähte sind in Abb. 3 gezeigt. Ein Puls, der von der Bewegung der positiven Ladungen erzeugt wird, wird sich ausbreiten. Für Abstände kleiner als v(t-t1) entsprechen die Feldlinien der neuen Position des Drahtes. + + + + + + t>0 + + + + vt VD t > t1 + + + + + + + + + + – – – – – – – – – – v(t–t1) vt Der positiv geladene Draht bewegt sich zwischen der Zeit t=0 und t=t1 in Richtung des Drahts. Ein Puls, der sich mit einer Geschwindigkeit v ausbreitet, wird erzeugt. Figur 2. Die elektrischen Felder zweier geladener, paralleler Drähte. Der positiv geladene Draht bewegt sich während des Zeitintervalls t=0 und t=t1. Figur 3. Wir nehmen nun eine Anordnung an, in der zwei Drähte sich nebeneinander befinden. Einer ist positiv geladen und der andere ist mit derselben Ladung, aber negativ geladen. Die elektrostatischen Felder Physik 993 + + + + + + + + + + 994 Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich) Felder eines bewegten geladenen Drahtes Elektromagnetische Wellen Das resultierende elektrische Feld ist die Vektorsumme der elektrischen Felder der positiv, respektive negativ geladenen Drähte: r r r E = E+ + E- Nach den Maxwellschen Gleichungen gilt r r r ∂ ∂ ∂E = e 0m 0 ( E x , E y , E z ) = e 0m 0 (0, 0, E z ) — ¥ B = e 0m 0 ∂t ∂t ∂t Es verschwindet in jedem Punkt des Raumes ausserhalb des Pulses. wobei wir die z-Koordinate entlang des Drahtes angenommen haben. Siehe Abb. 4. Es folgt, r r Ê ∂B ∂By ˆ r Ê ∂Bz ∂B ˆ r Ê ∂By ∂B ˆ r - x ˜ ey + Á - x ˜ ez —¥ B = Á z ˜e - Á ∂z ¯ Ë ∂x ∂y ¯ Ë ∂y ∂z ¯ x Ë ∂x – + = e 0m 0 E– E+ E– ∂ (0, 0, E z ) ∂t v E E+ E+ Wir bemerken, dass die x- und y-Komponenten der Rotation des Feldes verschwinden. Wir nehmen an, dass die x- und y-Komponenten des Feldes unabhängig von der z-Koordinate sind, weil wir den Draht entlang der z-Koordinate angenommen haben. Das Problem ist deshalb entlang der z-Koordinate symmetrisch: E E– ∂Bx ∂By = =0 ∂z ∂z Das resultierende Feld. Die elektrischen Felder, die von den positiven und negativen Ladungen erzeugt werden, kompensieren einander in jedem Punkt des Raumes ausserhalb des Pulses, der sich mit der Geschwindigkeit v bewegt. Figur 4. fi x und y - Komponente unabhängig von z - Koordinate Daraus folgt: Es folgt daraus, dass ∂Bz ∂Bz = =0 ∂x ∂y ein Strom, der während einem Zeitintervall nach oben gerichtet fliesst, ein nach unten gerichtetes elektrisches Feld erzeugt. Das elektrische Feld verhält sich wie ein “Puls”, der sich mit einer Geschwindigkeit v radial ausbreitet. fi z - Komponente unabhängig von x, y - Koordinaten Natürlich wissen wir aus der Elektrodynamik, dass ein sich veränderndes elektrisches Feld ein magnetisches Feld erzeugt. Wie muss sich in diesem Fall das magnetische Feld verhalten? Physik 995 996 Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich) Felder eines bewegten geladenen Drahtes Elektromagnetische Wellen Die z-Komponente des Feldes ist unabhängig von x und y, d.h. vom Abstand r. Weil wir erwarten, dass sie nach Null geht, wenn r nach unendlich geht, muss sie überall verschwinden: B Bz = 0 Eine Lösung, die diese Bedingungen erfüllt, hat die Feldlinien des magnetischen Feldes in konzentrischen Kreisen um den Draht: r Ê y x ˆ B( x, y, z, t) = B0 ( x, y, t)Á - , , 0˜ Ë r r ¯ v v wobei B0 eine Funktion ist, die bestimmt werden muss. v v Siehe Abb. 5. Wir haben mit dieser Herleitung das folgende erhalten: Ein elektromagnetischer Puls, der einen elektrischen und einen magnetischen Teil enthält, wird erzeugt, wenn ein Strom während eines kurzen Zeitintervalls durch einen geraden Leiter fliesst. Der elektromagnetische Puls breitet sich mit einer Geschwindigkeit v radial aus. E Elektromagnetischer Puls, der erzeugt wird, wenn ein Strom während eines kurzen Zeitintervalls durch den geraden Leiter fliesst. Der Puls breitet sich mit der Geschwindigkeit v radial aus. Figur 5. Die elektrischen und magnetischen Felder zeigen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Pulses . Um die Beziehung zwischen den Feldern zu bestimmen, betrachten wir ein Linienintegral des magnetischen Feldes für einen Puls. Es gilt, r r r ∂E — ¥ B = e 0m 0 ∂t Siehe Abb. 6. Physik 997 E 998 fi r r r r r ÚÚ (— ¥ B) ◊ dA = Ú B.dr = e m 0 A C Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich) 0 r r d E ◊ dA ÚÚ dt A Felder eines bewegten geladenen Drahtes Elektromagnetische Wellen Wir bemerken, dass r r r r ∂ Ú B.dr = Bh = e 0m0 ∂t ÚÚ E .dA = C A B = e 0m 0 v wobei v die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Pulses ist. Es folgt, dass die Beträge der Felder nur von der Feldkonstanten und der Ausbreitungsgeschwindigkeit abhängen: Integrationskurve h ∂ dr ( Ehr) = e 0m 0 Eh = e 0m 0 Ehv ∂t dt r r Ê 1 ˆ r Êvˆ r B = (e 0m 0v ) E = Áe 0 2 v˜ E = Á 2 ˜ E Ëc ¯ e Ë ¯ 0c r Wir bemerken, dass der Betrag des magnetischen Feldes um den Faktor v/c2 kleiner ist, als der Betrag des elektrischen Feldes. E geht in die v Blattebene hinein 16.2 Die elektromagnetischen Wellen Die Maxwellschen Gleichungen sagen die Existenz der elektromagnetischen Wellen voraus. Maxwell hat im Jahr 1865 diese Existenz vorhergesagt. Hertz1 hat erst 20 Jahre später einen experimentellen Nachweis der elektromagnetischen Wellen erbracht. Integrationskurve für die Bestimmung des magnetischen Feldes. Das elektrische Feld geht in die Blattebene hinein. Der elektromagnetische Puls breitet sich mit der Geschwindigkeit v aus. Figur 6. Im Allgemeinen werden elektromagnetische Wellen erzeugt, wenn geladene Teilchen beschleunigt werden. 1. H. Hertz (1857-1894). Physik 999 1000 Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich) Elektromagnetische Wellen Die elektromagnetischen Wellen 16.2.1 Die Wellengleichung und die Ausbreitungsgeschwindigkeit r r Ï r Ê r rˆ Ê r r ˆ r ∂2 E ∂ r r ∂Ê ∂E ˆ — ¥ = — — ◊ E — ◊ — E = B = e m e m Ô Á {˜ Á { 0 0 ˜ ∂t 2 ∂t ∂t ÁË 0 0 ∂t ˜¯ Ô Ë = 0 ¯ Ë —r 2 ¯ r Ì ∂2B ∂ r r Ô r Ê r rˆ Ê r r ˆ — — ◊ — ◊ — = E — ¥ e m = e m B B Á ˜ { { 0 0 0 0 Á r ˜ Ô Ë ∂t 2 ∂t Ë —2 ¯ =0 ¯ Ó ( Wir beginnen mit den Maxwellschen Gleichungen im Vakuum (d.h. die Ladungsdichte r=0 und die Stromdichte j=0) r Ïr r ∂B Ô— ¥ E = Ô ∂t r Ì ∂E Ôr r — ¥ B = e m 0 0 ÔÓ ∂t Wir bilden die Rotation der beiden Gleichungen: r r ∂B Ïr r r ∂ r r = - —¥ B Ô— ¥ — ¥ E = -— ¥ Ô ∂t ∂t r Ì r ∂E ∂ r r Ôr r r ÔÓ— ¥ — ¥ B = e 0m 0— ¥ ∂t = e 0m 0 ∂t — ¥ E ( ( Diese vektoriellen Gleichungen entsprechen einem System von 6 Gleichungen, eine für jede Komponente der Felder r ∂ 2x 1 ∂ 2x ∂ 2x ∂ 2x ∂ 2x — 2x = 2 + 2 + 2 = e 0m 0 2 ∫ 2 2 ∂t ∂z ∂y ∂x v ∂t ) wobei x(x,y,z,t)=Ex, Ey, Ez, Bx, By, und Bz. Nun benutzen wir eine mathematische Beziehung für ein beliebiges Vektorfeld F: r r r r r r r r r — ¥ — ¥ F = — —◊ F - —◊— F ( ) ( ) ( ) oder die Wellengleichungen der elektromagnetischen Wellen r r r2 r r2r ∂2B ∂2 E — B = e 0m 0 2 und — E = e 0m 0 2 ∂t ∂t ) ( ) Im Kap. 15.1.2 haben wir die magnetische Feldkonstante so definiert: ) m0 ∫ 1 e 0c 2 wobei der Laplace-Operator (eine Skalargrösse) gegeben ist durch r r r ∂2 ∂2 ∂2 — ◊ — = —2 = 2 + 2 + 2 ∂z ∂y ∂x Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen, die der Wellengleichung folgt, ist daher gleich Laplace - Operator v2 = Es folgt, 1 = c 2 !!! e 0m 0 Wir haben bewiesen, dass sich die elektromagnetischen Wellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Physik 1001 1002 Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich) Die elektromagnetischen Wellen Die Beziehung zwischen den Beträgen der Felder ist die folgende: r Êvˆ r 1 r B = Á 2˜ E = E Ëc ¯ c oder r r E =cB für elektromagnetische Wellen Physik 1003