Was ist Biografiearbeit? Quelle: Dr. Mathias Jung (EMU-Verlag), Titel unbekannt Lebenslauf-/ Biografieforschung ist eine transdisziplinäre Grundlagenforschung für andere Disziplinen, wie Soziologie, Ethnologie / Volkskunde, Geschichtswissenschaften, Entwicklungspsychologie. Die Biografiearbeit beschäftigt sich mit der Selbstreflexion eigener Biografie, Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Rekonstruktion der Lebensgeschichte einer Persönlichkeit. Begriffserklärung: Lebenslauf = objektive Ereignisse – „Außenseite“ Biografie = Produkt der Herkunft, des Geschlechtes, der Ethnizität, der historischen Zeit – „Innenseite“ Es existieren mehrere Biografieformen, wie beispielsweise soziale Biografie, die sich mit den Fragen der Herkunftsfamilie, den Freunden, Kollegen, Nachbarn, dem Partner, den Kindern usw. beschäftigen. Die Kulturbiografie erforscht den Alltagsstil einer Persönlichkeit, ihre Gewohnheiten, Kleidung, Essen, Einstellung zu Arbeit, künstlerische oder politische Selbstausdrucke. Die Naturbiografie beschäftigt sich mit physischen Aspekten, wie Körperbau, Geschlecht/Sexualität, Gesundheit, Sport und viele weiteren Biografieformen, die die Daten einer Person, ihrer Geschichte und ihrer physikalischen und psychischen Eigenschaften erheben. Die Biografiearbeit hilft den Menschen sich selbst zu finden und sogar Probleme aus der Vergangenheit, die oft die Gegenwart und die Zukunft beeinflussen können, zu verarbeiten und eine Lösung zu finden. Menschen, die sich mit seiner Biografie beschäftigen, finden endlich die Antworten auf die Fragen, die sie lebenslang beschäftigt haben, in dem sie ihre Vergangenheit analysieren und daraus lernen. Denn wenn man seine Vergangenheit vergisst, besteht die Gefahr sie und die erstmals gemachten Fehler zu wiederholen… Die erworbenen biografischen Kompetenzen können in vielen Bereichen eingesetzt werden. Beispielweise in dem Pflegebereich, in dem man Gedächtnistraining von den alten Menschen fördert, hilft die Probleme der anderen zu reflektieren/verarbeiten. Oder bei der Arbeit mit behinderten Menschen, Zusammenhänge/Sinnsuche/Vorgeschichte klären (vielleicht auch die Ursachen für die Behinderung) – persönliche Entwicklung fördern. Aber auch im Berufsfeld Schule wird Biografiearbeit als Voraussetzung für Professionalität betrachtet. Man beschäftigt sich mit der persönlichen, kulturellen, familiären Vergangenheit (Herkunftsfamilie, Migrationshintergrund usw.) der Schüler. Die Fragen: „Wo komme ich her?“ „Wo gehöre ich hin?“ „Wie sehen mich anderen?“ „Wie werde ich sein?“ „Welchen Beruf werde ich haben?“ „Welche Chancen habe ich?“ werden geklärt. Das steigert das Selbstwertgefühl, die Verbundenheit der Schüler in der Klasse und mit dem Lehrer, hilft die Herkunftsphantasien zu klären und fördert die Herausbildung eines biographischen Gedächtnisses/Erinnerungsvermögen (sehr wichtig in Pflegefamilien!). „Wir können das Leben nicht verlängern, aber vertiefen“ – ein schönes Zitat von Gorch Fock sagt über die Bedeutung und Wichtigkeit der Biografiearbeit für jede Persönlichkeit aus. Literatur: Klingenberger, Hubert 2003: Lebensmutig: Vergangenes erinnern – Gegenwärtiges entdecken – Künftiges entwerfen. München: Don Bosco Flensburger Hefte 2003: Biographiearbeit, Heft 31 Seminar „Biografiearbeit – Theorie und Praxis“ von Rose Merfels, Universität KoblenzLandau, Campus Koblenz