Dr. Sabine Schenkl, Fachärztin für Kinderund Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Das aktuelle Interview Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Seit Oktober praktiziert Fachärztin Dr. med. Sabine Schenkl in Räumen der Ev. Diakonissenanstalt Frau Dr. Schenkl, was hat Sie bewogen mit Ihrer Praxis ins Diakonissenkrankenhaus zu kommen? Es war für mich aus verschiedenen Gründen sehr interessant, an einem bereits bestehenden medizinischen Zentrum anzufragen: Die Möglichkeit des kollegialen Austauschs, die Möglichkeit zur Entwicklung gemeinsamer Kooperation, der Bekanntheitsgrad und der gute Ruf des Diakonissenkrankenhauses und die gute Auffindbarkeit. Nachdem mein Anliegen offene Ohren beim Vorstand fand und wir einen ersten Besichtigungstermin der möglichen Räumlichkeiten durchgeführt hatten, war ich noch mehr überzeugt, dass dies der richtige Standort für meine zukünftige Praxistätigkeit sein würde: idyllisch gelegen im Krankenhauspark, umgeben von Bäumen und Licht eine sehr anheimelnde Atmosphäre! Die weiteren Verhandlungen, auch die Zustimmung der hier tätigen Chefärztin, Chefärzte und Kollegen waren positiv, die Planungen des Umbaus der Räumlichkeiten gingen zügig voran, so dass sich das Vorhaben gut in die Praxis umsetzen ließ. Bonus: Viele Kinder sind hier geboren Bisher ist es für uns sehr gut angelaufen, die Resonanz bei den Patienten ist gut. Viele haben Erinnerungen an die Geburtsvorbereitung im Seminarraum, und viele Kinder finden es höchst interessant, dass sie hier geboren sind. Da gibt es Bonuspunkte. Sie haben gerade andere Klinikbereiche angesprochen - inwieweit arbeiten Sie mit anderen Fachrichtungen zusammen? Es werden viele Kinder vorgestellt, die auffallen durch Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensprobleme, Konzentrationsund Schulleistungsprobleme oder auch emotionale Störungen. Fachübergreifend: gezielte Untersuchungen Hier ist es zunächst ganz wichtig, körperliche Ursachen und Krankheiten nicht zu übersehen und gezielte Untersuchungen durchzuführen, die andere Fachärzte übernehmen. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt überprüft, ob das Kind überhaupt gut hören kann und die Aufforderungen der Umwelt versteht. Der Augenarzt überprüft, ob das Kind ausreichend gut sieht, der Kinderarzt oder Hausarzt überprüft das EKG und die Laborwerte im Blut. Der Neuropädiater oder Neurologe befundet das EEG. Manchmal muss auch eine Kernspintomographie durchgeführt werden, so dass auch eine Zusammenarbeit mit der Radiologie besteht. Teamsitzung: Dr. Sabine Schenkl und Dagmar Fernschild machen Praxismanagement Wir arbeiten mit Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie oder Psychosomatischen Fachkliniken zusammen, wenn sich ein Problem nicht ambulant beheben lässt. Kooperationen bestehen auch mit Einrichtungen der Jugendhilfe und dem Jugendamt, mit Beratungsstellen, Praxen für Ergotherapie und Logopädie, Kindergärten und Schulen. Was ist der Schwerpunkt Ihrer Arbeit? Meist sitzen mir im Erstgespräch das Kind und seine Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen gegenüber, die oftmals mehrere Probleme schildern, die in der Familie, in der Schule oder im Verhalten gegenüber Gleichaltrigen auftreten. Ich verschaffe mir einen Überblick über die aktuelle Situation und die Vorgeschichte des Kindes und der Familie, über Belastungen und schwierige Erlebnisse. Ich suche aber auch bereits im Erstgespräch nach sogenannten Ressourcen: Dinge, die gut laufen, die ein Kind gut kann, vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien. Wichtig: alle Faktoren berücksichtigen Wir versuchen, Ziele für die Behandlung möglichst konkret festzulegen. In einer diagnostischen Phase werden Untersuchungen durch andere Fachärzte veranlasst, wir holen Befunde und Berichte von Kindergärten, Schulen und Vorbehandlern ein. In der Praxis führen meine Mitarbeiterinnen und ich testpsychologische Untersuchungen durch, um das Leistungsvermögen und eventuelle Entwicklungsstörungen feststellen zu können (Intelligenztests, Entwicklungstest, Konzentrationstests, Fragebogen zur Selbst- und Fremdeinschätzung, projektive Verfahren). Wenn diese Schritte erfolgt sind, verstehen wir das Problem oft besser und finden individuelle Lösungen, um dem Kind und seiner Familie in der Entwicklung weiter zu helfen. Viele Behandlungen führen wir in der Praxis durch. Manche Behandlungen delegieren wir an andere, externe therapeutische Einrichtungen. Die häufigsten Probleme: Kinder und Jugendliche mit Schulleistungsproblemen, Konzentrationsstörungen, Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), Teilleistungsstörungen, Entwicklungsverzögerungen. Bleiben diese 3 Dr. Sabine Schenkl beim Beratungsgespräch mit einer Jugendlichen Das aktuelle Interview längere Zeit unbehandelt oder unerkannt, entwickeln sich häufig zusätzliche seelische Probleme (Ängste, Aggressivität, Depression, Schulverweigerung). Oft haben Kinder oder Jugendliche Schwierigkeiten, sich nach Trennung der Eltern oder anderen problematischen Erlebnissen wieder sicher zu fühlen und entwickeln unterschiedlich ausgeprägte Symptome. Häufig behandle ich Mädchen mit Essstörungen unterschiedlicher Art (Magersucht, EssBrech-Sucht, Binge-Eating-Disorder). Es gibt aber auch jede Menge anderer Symptome und Möglichkeiten, wie Kinder und Jugendliche auf Belastungen reagieren und ihren Hilferuf zum Ausdruck bringen. Symptome abhängig von Veranlagung und Vorbild Welches Symptom zum Ausdruck kommt, ist von einer gewissen genetischen Veranlagung des Kindes und seiner Störanfälligkeit abhängig. Ein Kind reagiert mit Bauchweh, das andere mit Kopfweh, eines mit Rückzug und Depression, ein anderes entwickelt Ängste oder zeigt aggressives Verhalten. Die Reaktion kann auch abhängig davon sein, was die Familie als Modell dem Kind täglich vorlebt und was für Störungen in der Familie vorhanden sind. Es gibt viele Kinder mit Störungen und Problemen, so dass wir Kinder- und Jugendpsychiater momentan in der Versorgung noch unterbesetzt sind. Wir haben einen sehr großen Andrang und teilweise zu lange Wartezeiten, bis ein Kind vorgestellt werden kann. Wie alt sind die Kinder, die Sie behandeln? Wir behandeln die Kinder bis zum 18. Lebensjahr, am häufigsten werden sie vorgestellt im Alter zwischen 5 und 15 Jahren. Mein jüngster Patient ist ein knapp Einjähriger mit einer Fütterstörung, meine älteste Patientin ist gerade 18 Jahre alt geworden. Mit welchen Methoden arbeiten Sie? Ich bin in verschiedenen Verfahren ausgebildet, meine Hauptmethode ist die Verhaltenstherapie. Hierbei wird viel Wert auf konkret beobachtbares Verhalten gelegt, Veränderungen sollen über verändertes Verhalten, Denken und Fühlen ermöglicht werden. Daneben berücksichtige ich viele Aspekte aus der systemischen Familientherapie, der Hypnotherapie und verwende eine Vielfalt von kreativen und praktischen Übungen, damit die Therapie spannend wird und auch Spaß macht. Diese Frage kann ich nicht verallgemeinernd beantworten. Die Art und Weise, wie eine christliche Familie mit Problemen umgeht, halte ich dabei für wesentlich entscheidender. Ist genügend Offenheit und Toleranz vorhanden, Probleme anzusprechen? Ist die Bereitschaft und Fähigkeit vorhanden, sich von anderen weiterhelfen zu lassen? Wie wichtig ist Ihnen bei Ihrer Arbeit der christliche Aspekt, der unser Haus prägt? Die Atmosphäre im Haus empfinde ich als angenehm, respektvoll und freundlich im Umgang miteinander. Auch werden gemachte Zusagen eingehalten, christliche Normen zeigen sich im Reden und Handeln. Dies sind Aspekte, die mir in meiner Arbeit mit meinen Patienten und deren Familien ebenfalls sehr wichtig sind. Ich versuche, mit Schwächen und Problemen wertschätzend und tolerant umzugehen, aber auch klar auf Fehler hinzuweisen und hilfreiche Lösungen zu entwickeln. Es finden sich dazu viele prägnante Textstellen in der Bibel oder in der Philosophie, die sich zitieren lassen. Hilfreich: ein intaktes Gottesbild Wenn es ein intaktes Gottesbild gibt, kann das sehr hilfreich sein. Der Glaube an einen guten, hilfreichen Gott hat mich persönlich als Kind immer sehr unterstützt und beflügelt, eine schwierige Situation zu meisten. Wenn Kinder das nicht haben, haben sie es schwerer, sind einsamer und hilfloser. Werteverfall: einer der Gründe für viel Leid Ich finde, dass eine christliche oder andere religiöse Wertehaltung in der heutigen Zeit wichtig ist. Leider ist diese in vielen Familien verloren gegangen. Ich denke, dass viel Leid in Familien oder auch Leid unserer Kinder mit diesem Werteverfall zu tun hat. Haben Sie Erfahren gemacht, ob Kinder aus christlichen Familien beispielsweise weniger oder mehr Probleme haben als andere? Das Praxis-Team, bestehend aus zwei Arzthelferinnen, Dagmar Fernschild und Rebecca Weber sowie Christa Sieber (Diplom-Psychologin), Carolin Raabe (Ergotherapeutin) und Hedwig Kohler (Motopädin) wird unterstützt von Lisa und Paul, die Dr. Sabine Schenkl assistieren. Welche Wünsche haben Sie für Ihre Praxis? Ich hoffe, dass es uns gelingt, für die Patienten eine gute Anlaufstelle für ihre Probleme und Lösungen zu werden. Wir möchten in einem attraktiven äußeren Rahmen mit ansprechenden Räumlichkeiten ein erstes Aufatmen ermöglichen. Wir stehen dann mit unserer multiprofessionellen Fachkompetenz und viel Engagement für eine gründliche Diagnostik und individuelle Beratung und Therapie zur Verfügung. Wir werden aktuelle Themen und Anliegen aufgreifen und auch Informationsveranstaltungen durchführen. Ich wünsche uns allen eine gute Kooperation innerhalb und außerhalb des Hauses und eine gute Entwicklung auf dem Gesundheitsmarkt. Und viel Spaß bei der Arbeit!