Fortgeschrittenenpraktikum 2 Wintersemester 2016 Aufgabe FP2-02: W- und Z-Zerfälle Ort: 8. Stock, Raum 8/11 Betreuer: Emmerich Kneringer, Büro 8/16 home page: http://physik.uibk.ac.at/hephy/fp2 Hierbei handelt es sich in gewissem Sinne um die Weiterführung der FP1-Aufgabe Nr. 117. Dort wurde die Lebensdauer des Myon-Teilchens, das unter der schwachen Wechselwirkung zerfällt, gemessen. Im Rahmen der Theorie erfolgt der Myonzerfall über die Aussendung eines virtuellen W-Bosons, das seinerseits in ein Elektron-Neutrino-Paar zerfällt: µ + W , mit W e + e (vergleiche auch Neutronzerfall ) In dieser Aufgabe stehen nun die Zerfälle von (realen) W- und Z-Teilchen im Mittelpunkt. Frage 1: Wann bezeichnet man ein Teilchen als virtuell? 1. Das Standardmodell der Teilchenphysik Das Standardmodell beschreibt Materieteilchen und deren Wechselwirkungen mittels Austauschteilchen: Starke Wechselwirkung (durch Gluonen vermittelt; wirkt nur zwischen Quarks) Schwache Wechselwirkung (vermittelt durch W- und Z-Teilchen) Elektromagnetische Wechselwirkung (durch Austausch von Photonen) Die Gravitationskraft ist nicht Teil des Standardmodells! } Vereinheitlichung Eine Resonanz, die die Eigenschaften des Higgs-Teilchens hat, wurde 2012 in ppKollisionen am LHCBeschleuniger entdeckt. Die ersten 3 Spalten bilden die 3 Familien. Zwei übereinanderstehende Leptonen oder Quarks bilden ein “schwaches“ Dublett.. 1.1. Die Schwache Wechselwirkung Alle Materieteilchen unterliegen der schwachen Wechselwirkung. Dabei wirkt das Z-Boson wie ein Photon (mit dem Unterschied, dass es nicht masselos ist, sondern eine Masse von 91.2 GeV/c2 besitzt). Dies bedeutet, dass ein Teilchen, das ein Z-Boson emittiert oder absorbiert seine Identität nicht ändert. Zudem sind Paarvernichtung und Paarerzeugung möglich (z.B. e+ + e Z, oder Z + + ). In Analogie zu den elektrischen Ladungen spricht man hier auch von “schwachen Ladungen“ bzw. von schwacher Kopplung. Die folgende Tabelle vergleicht die elektrische Ladung, bzw. das Quadrat davon, mit der schwachen Ladung (in best. Einheiten) für die Kopplung eines Fermions der 1. Familie an das Photon bzw. an das Z-Boson. Für die anderen Familien gelten dieselben Werte. Fermion elektrische Ladung (elektrische Ladung)2 (schwache Ladung)2 e e 0 -1 0 1 2 1 u 2/3 0.44 1.15 d -1/3 0.11 1.48 Es fällt auf, dass die schwache Ladung für geladene Leptonen (e,,) am kleinsten ist. Übung – Z-Zerfallsverhältnisse: Frage 2: Wieviel Prozent von 100 Z-Teilchen zerfallen im Mittel in Quarks beliebigen Typs? Wieviele in Myonen? Dabei ist zu berücksichtigen, dass Quarks in drei Farben vorkommen. Achtung: Quarks sieht man im Experiment nur als Bündel von Teilchen (= Jets). Verwenden Sie, dass der Wirkungsquerschnitt proportional der Ladung zum Quadrat ist. [vgl. Rutherfordstreuung: d/d (ZHee)2 (ZKerne)2 ] Aufgabe Aℓ/Au Streuung Kommen wir nun zu den W-Bosonen. Hier sieht die Sache etwas anders aus. Da diese elektrisch geladen sind, muss sich die Identität eines Teilchens beim Aussenden oder Absorbieren eines W-Bosons ändern. Ein Myon, das ein W aussendet, wird so zum Myon-Neutrino, und ist damit zerfallen (siehe erste Seite). Auch das W-Boson zerfällt, dabei entsteht aber kein neutrales Teilchen-Antiteilchen Paar (wie beim Z), sondern ein Leptonoder Quarkpaar. Im Fall von Leptonen muss das Paar aus derselben Familie stammen, im Fall von Quarks aber nur in erster Näherung (bei Quarks sind Kombinationen aus verschiedenen Familien möglich, jedoch sind diese Zerfälle dann unterdrückt). Obwohl die beiden Zerfallsteilchen verschieden sind, ist eines immer vom Typ Teilchen und das andere entsprechend vom Typ Antiteilchen. Die verfügbare Energie bestimmt zudem, ob ein Zerfall auch tatsächlich stattfinden kann. Die schwache Kopplung des W-Bosons an ein Dublett von Fermionen oder Quarks einer beliebigen Familie ist immer gleich groß. Beispiele für schwache Dubletts: (e,e), (u,d). 2 Nur für Spezialisten: so sieht die Lagrangedichte aus, die der elektroschwachen Theorie zugrunde liegt und aus der man alles ableiten kann: = Higgsfeld … kovariante Ableitung … Feldtensor (für W±,Z,) 1.2. W- und Z-Teilchen Das W-Boson wurde 1983 und das Z-Boson im Frühjahr 1984 am CERN entdeckt. Carlo Rubbia und Simon van der Meer bekamen dafür noch im selben Jahr den Nobelpreis. 1989 ging der LEP Beschleuniger am CERN in Betrieb. Bis 1995 lief er bei 91.2 GeV und produzierte so insgesamt 20 Millionen Z-Teilchen. Dann wurde die Schwerpunktsenergie auf mehr als 160 GeV erhöht. Somit konnten auch W+W Paare erzeugt werden. Während im Zusammenhang mit der Radioaktivität nur virtuelle W-Teilchen auftreten, waren die mit LEP erzeugten W- und Z-Teilchen reell, d.h. sie hatten ihre nominelle Masse. Teilchen Z W Masse [GeV/c2] 91.2 80.4 Massenunschärfe [GeV/c2] 2.5 (nat.), ~6 (ATLAS Exp.) 2.4 (natürlich) Lebensdauer [s] 2.51025 2.61025 Massenunschärfe = Halbwertsbreite der Massenverteilung (siehe auch Grafiken auf nächster Seite: ALEPH-Experiment bei LEP und ATLAS-Experiment bei LHC) Frage 3: Wie hängt die Lebensdauer mit der Halbwertsbreite zusammen? Eines der ersten und wichtigsten Resultate der LEP-Experimente war die Bestimmung der Anzahl von Neutrino-Familien aus der sogenannten “Z line shape“ Messung: N = 2.92 ± 0.07 (siehe Grafik nächste Seite), also gut kompatibel mit dem Wert 3. Der direkte Nachweis von Neutrinos war bei LEP nicht möglich. Rund 20% der Z-Teilchen zerfallen jedoch in Neutrinos. Wenn dies der Fall ist, dann sieht man im Detektor rein gar nichts – schwer zu unterscheiden von dem Fall, dass tatsächlich nichts passiert ist. 3 Vor dieser Messung war nicht ausgeschlossen, dass es noch einen vierten Neutrino-Typ (und damit wohl auch eine 4. Familie von Quarks und Leptonen) geben könnte. Bild links: “Z line shape“ gemessen mit dem ALEPH Experiment bei LEP Bild rechts: Verteilung der rekonstruierten Z-Masse im ATLAS-Experiment in Z + (für Aufg. 3 ist die Halbwertsbreite der rechten Verteilung relevant) [ATL-COM-MUON-006] Systematik der Z-Zerfälle Allgemein gilt: Z f f, wobei f irgendein Fermion (Quark oder Lepton) ist. Wir wollen die Zerfallsmöglichkeiten folgendermaßen zusammenfassen: Z , wobei für einen der drei Neutrinotypen steht: … nicht nachweisbar Z l l, wobei l für eines der drei Leptonen e,, steht: … gut unterscheidbar Z qq, wobei q für eines der 5 Quarks u,d,s,c,b steht: … schwer unterscheidbar In dieser Aufgabe werden uns nur die zwei Z-Zerfallstopologien Z → e+ e und Z → μ+ μ interessieren. Die anderen sind mit dem ATLAS Detektor schwer nachzuweisen. Analog betrachten wir nur die Fälle W → e e und W → μ μ (Ladung und TeilchenAntiteilchen-Typ muss man sich korrekt dazudenken). 1.3. Erzeugung der W- und Z-Teilchen bei LHC Während beim Elektron-Positronbeschleuniger LEP die W- und Z-Bosonen durch Kollision und Vernichtung besagter Teilchen erzeugt wurden, sind beim LHC Quarks und Antiquarks involviert. Antiquarks im Anfangszustand sind notwendig um die Baryonzahlerhaltung zu garantieren. Man sollte sich nun fragen, wo denn die Antiquarks herkommen, nachdem im 4 LHC nur Protonen mit Protonen kollidieren. Die Antwort: für kurze Zeit bilden sich in den Protonen Quark-Antiquark Paare, wie folgende Grafik anschaulich zeigt: Eines dieser Antiquarks reagiert mit einem Valenzquark des anderen Protons und bildet ein Z-Boson (falls es sich um denselben Quarktyp handelt:u+u,d+d) oder ein W-Boson (falls es sich um verschiedene Typen handelt:u+d,d+u ): Bild: Feynman-Diagramme zur Erzeugung eines Z- bzw. W-Teilchens, mit anschließendem Zerfall in ein t-Quark-Paar bzw. “single t(op)“ (geht nur, falls genügend Energie vorhanden ist, da mt = 174 GeV/c2 – bei LEP war z.B. die Erzeugung des t-Quarks nicht möglich). Bild: W-Erzeugung bei einempp-Beschleuniger 5 W + Jets 2. LHC – der Große Hadronenbeschleuniger am CERN Die folgende Grafik zeigt den unterirdisch angelegten 27 km langen Kreisbeschleuniger mit seinen vier Experimenten. Im Gegensatz zu anderen Hadronenbeschleunigern kollidieren hier Protonen mit Protonen, und nicht Protonen mit Antiprotonen. Im Beschleunigertunnel sind mehr als 8000 supraleitende Magnete installiert. Das supraleitende Magnetsystem wird bei einer Temperatur von 1.9 Kelvin betrieben. Bei den Proton-Proton-Kollisionen herrschen Bedingungen, die die Erzeugung von neuen (ev. unerwarteten) Teilchen ermöglichen. Vier große Detektoren sind in riesigen unterirdischen Kavernen gebaut worden. Jeweils im Zentrum eines dieser verschiedenen Detektoren werden die Protonen zur Kollision gebracht. Ein Detektor hat den Zweck, alle entstehenden neuen Teilchen (bzw. deren Zerfallsprodukte) sehr genau zu messen, sodass man dann den Kollisionsprozess studieren kann. Im Beschleunigerring laufen 2 Strahlen in entgegengesetzten Richtungen um. Jeder Strahl besteht aus bis zu 2808 Paketen von Protonen, wobei jedes Paket zu Beginn der Kollisionen aus ~ 1.51011 Protonen besteht. Ein typischer run dauert 10 Stunden, dann wird neu gefüllt. 6 Übung - Berechnung der Geschwindigkeit der Protonen: Im LHC werden derzeit Protonen auf eine Energie von 6.5 TeV = 6.51012 eV beschleunigt. Frage 4: Wie groß ist daher ihre Geschwindigkeit (in Einheiten von c)? Berechnen Sie dazu zuerst den relativistischen Gammafaktor. Wieviel sind Protonen bei einem Umlauf im LHC im Vergleich zu Photonen langsamer? Welcher Strecke entspricht dies? Übung - Berechnung der Feldstärke der Ablenkmagneten: Frage 5: Welche Magnetfeldstärke müssen die supraleitenden Spulen aufbringen, damit die Protonen auf der Bahn gehalten werden können? Berücksichtigen Sie dabei, dass der Radius in den gekrümmten Bereichen des Tunnels (wo sich die Ablenkmagneten befinden) gleich r = 2.8 km ist. Mehr über Magnete am LHC: http://lhc.web.cern.ch/lhc/general/magnets.htm Bild: Tunnel mit LHC Beschleuniger – Verbindungen zwischen 2 Magneten 7 Bild: Querschnitt durch einen LHC-Dipolmagneten; links: Kräfte auf die Stromleiter Bilder: Magnetfeldrichtung in den Strahlrohren und Kräfte auf die Protonen 3. Das ATLAS Experiment ATLAS (stand ursprünglich für A Toroidal LHC ApparatuS, wird aber aktuell nur noch als Eigenname benutzt) ist ein moderner Allzweck-Teilchendetektor am Large Hadron Collider des CERN. Ein wesentliches Ziel war es mit ATLAS das Higgs-Boson (essentiell für die Erklärung der Masse von elementaren Fermionen) entdecken zu können. Weiters sollen die derzeit kleinsten und als elementar geltende Bausteine der Materie, Leptonen und Quarks, auf eine etwaige Substruktur hin untersucht werden. Zur besseren Überprüfbarkeit der physikalischen Resultate wird ATLAS mit CMS 8 (= Compact Muon Solenoid) ein weiterer Detektor zur Seite gestellt, der einen physikalisch anderen Ansatz zum Nachweis derselben Fragestellungen verfolgt. Am ATLAS-Experiment sind derzeit etwa 3000 Forscher aus 170 Instituten weltweit beteiligt. Der Bau des LHC wurde im Februar 2008 abgeschlossen. Am 10. September 2008 wurde der erste Protonenstrahl durch den LHC geschickt und der ATLAS-Detektor hat mit der Datennahme begonnen. Die geplante Betriebszeit von ATLAS ist auf 20 Jahre angesetzt. Simulierter Fluss kosmischer Strahlung in der Umgebung von ATLAS während einer Zeitdauer von 10 ms. Zur Erinnerung: beim Myonlebensdauerexperiment hatten wir ~100 Myonen s1m2. ATLAS ist ein 44 m langer, zylindrischer, 7000 Tonnen schwerer Koloss mit einem Durchmesser von 22 m. Das Experiment besteht aus vier Teilsystemen. Diese sind, wie bei Teilchendetektoren für Colliding-Beam-Experimente (im Gegensatz zu Fixed-TargetExperimenten) üblich, in einer Zwiebelschalenstruktur angeordnet, wobei jede Schicht andere Teilchen und andere Eigenschaften der Teilchen misst. 3.1. Innerer Detektor Der Innere Detektor besteht aus drei Subdetektoren, die sich in einem solenoiden Magnetfeld von 2 Tesla befinden. Der Übergangsstrahlungsspurdetektor (engl. TRT, Transition Radiation Tracker) ist der äußerste dieser Gruppe und registriert etwa 30 Spurpunkte pro durchgehendem ionisierenden Teilchen. Durch die Krümmung der Flugbahn des geladenen Teilchens können die Ladung und der Transversalimpuls pT 9 bestimmt werden. Zusätzlich kann durch den Nachweis von Übergangsstrahlung zwischen Elektronen und Hadronen unterschieden werden. Die nächste Lage bildet ein Silizium-Streifendetektor (SCT). Dieser liefert weitere drei bis neun Spurpunkte für ein durchgehendes ionisierendes Teilchen. Die höchste Auflösung der Bestimmung der Stoßparameter erreicht der ATLAS-Pixeldetektor (drei Lagen; ebenfalls Silizium als Sensormaterial) als innerster der Detektoren mit dem kleinsten Abstand von 5 cm zum Wechselwirkungspunkt. 3.2. Kalorimeter Das Kalorimetersystem besteht aus einem elektromagnetischen Kalorimeter (FlüssigArgon) und einem hadronischen Kalorimeter (“Tile“). Das elektromagnetische Kalorimeter bestimmt Position und Energie von elektromagnetisch wechselwirkenden Teilchen. Allerdings werden hierbei keine Teilchen erfasst, die sehr viel schwerer als ein Elektron sind (wie zum Beispiel das Myon), da der Energieverlust eines Teilchens innerhalb von Materie indirekt proportional zur Masse des Teilchens ist. Das sich daran anschließende hadronische Kalorimeter bestimmt die Position und Energie der hadronischen Materie. 3.3. Myon-Detektoren Es werden zwei verschiedene Myon-Systeme eingesetzt, die einen dienen primär der Bestimmung des Trajektorienverlaufs (mit einer hohen Ortsauflösung) und - in der Folge - des Impulses der Myonen (Präzisionskammern), und die anderen werden 10 hauptsächlich zur Triggerung von Ereignissen mit Myonen benutzt (= schnelle Markierung von physikalisch interessanten Ereignissen und Start der Datenaufzeichnung). Die Myonen können also nochmal getrennt gemessen werden, da sie aufgrund ihrer großen Masse das elektromagnetische Kalorimeter ungestört durchqueren. 3.4. Magnetsystem Das Magnetsystem erzeugt das magnetische Feld, welches geladene Teilchen ablenkt. Es besteht aus dem Endkappen-Toroiden und dem Barrel-Toroiden. Toroide sind Magnete in Form eines Torus, welche im Inneren ein sehr homogenes Magnetfeld erzeugen. Bild: Der ATLAS Detektor als Gesamtsystem (Quelle: CERN) 4. Messung von pp-Kollisionen mit dem ATLAS Detektor Studieren Sie dazu folgende Webseite: http://hypatia.phys.uoa.gr/Simplified_Basics/ Dieser link ist auch auf der home page zu diesem Versuch angegeben. 11 5. Aufgaben Hier finden Sie eine Übersicht. Weitere Details werden am Praktikumsnachmittag bekanntgegeben. Zur Vorbereitung genügt es, dieses Skriptum sowie die in Kapitel 4 angegebene Webseite zu studieren. Wie gut Ihr Vorwissen ist, können Sie anhand der im Text vorkommenden Fragen überprüfen. Bevor die Aufgaben beschrieben werden, noch eine letzte Frage 6: Wieviele verschiedene Zerfallsmöglichkeiten gibt es für die Z- bzw. W-Teilchen? Aufgabe 1a) Analyse von 20 mittels ATLAS simulierten Ereignissen Klassifikation der Ereignisse anhand der verschiedenen Charakteristiken (siehe Anleitung auf der home page). Jedes Ereignis soll einer der folgenden 6 Gruppen zugeordnet werden: W± → e± ν W± → μ± ν Z → e+ e Z → μ+ μ Higgs → 4 Leptonen Hintergrund Die Teilnehmer bekommen am Praktikumsnachmittag individuelle Listen mit jeweils 20 zu analysierenden Ereignissen. Aufgabe 1b) Berechnung der invarianten Masse des Z-Bosons Für einen der gefundenen Z-Zerfälle (Ereignis-Nr. = ? ) soll die invariante Masse des Systems der zwei Zerfallsprodukte mittels der Software Hypatia bestimmt werden. Wie groß sollte diese Masse im Idealfall sein? Zuhause: Kontrolle des Massenwertes durch explizite Rechnung (ohne Fehlerabschätzung). Bitte im Protokoll zusätzlich die Viererimpulse der Zerfallsprodukte angeben. Ein event display wäre auch passend. Gemeinschaftsaufgabe 1c) W/Z-Verhältnis In dieser Aufgabe wird untersucht, welches Boson häufiger erzeugt wird. Dazu soll unter Verwendung der Ergebnisse der vorhergehenden Gruppen (download von der home page) das Verhältnis v = NW/NZ (mit Fehler) gebildet werden. Hier sind NW (NZ) die Anzahl der W-Zerfälle (Z-Zerfälle), und zwar jeweils in die zwei betrachteten Endzustände. Gibt es eine theoretische Vorhersage für v? (Siehe z.B. FAQ auf der home page.) Aufgabe 2) Struktur des Protons Hier soll gezeigt werden, wie aus den Daten von Proton-Proton Kollisionen Information über das Verhältnis von u- zu d-Quarks im Proton erhält. Diese Aufgabe wurde für die sogenannten Internationalen Masterclasses entwickelt, und wir verwenden das entsprechende Material. 12 2a) Die Daten, die Software und die Auswertung Es werden Daten des ATLAS-Experimentes aus den Jahren 2011 und 2012 analysiert, um einerseits Schlüsse über die Zusammensetzung des Protons zu ziehen und andererseits zu verstehen, wie sich in den Daten das Higgs-Teilchen bemerkbar machen würde. Die Daten von insgesamt 6000 Ereignissen wurden in kleinere Pakete zu jeweils 50 Ereignissen aufgeteilt. Die Software und das jeweilige Datenpaket müssen von der home page heruntergeladen werden. Sodann klassifiziert man die Ereignisse und trägt sie in die zur Verfügung gestellte Word-Datei ein. Im Gegensatz zu Aufgabe 1a), bei der die Klassifikation im Praktikum kontrolliert wird, ist diese Liste mit dem Protokoll abzugeben. Für die weitere Auswertung und die Kombination der Ergebnisse aller Gruppen verwenden wir der Einfachheit halber eine Excel Tabelle (leere Tabelle und Zwischenergebnis von der home page runterladen, Tabelle aktualisieren, schließlich per email an den Betreuer schicken). 2b) Die Messung: Zusammensetzung des Protons Im LHC werden Protonen zur Kollision gebracht. Bei genügend hohen Kollisionsenergien reagieren nicht die Protonen als Ganzes miteinander, sondern ihre Bestandteile. Dies gibt die Möglichkeit, über die Zerfallsprodukte der Kollisionen auf die innere Zusammensetzung von Protonen zu schließen. Bei der Messaufgabe soll man alle Ereignisse finden und zählen, in denen bei der Kollision ein W-Teilchen entstanden ist. Die W-Teilchen zerfallen noch im Proton in ein Lepton (hier: Elektron oder Positron bzw. Myon oder Antimyon) und das zugehörige Neutrino. Diese Ereignisse nennt man Signalereignisse. Daneben gibt es viele Untergrund-Prozesse zu beobachten. Man bestimmt im Datenpaket alle Signalereignisse und berechnet dann das Verhältnis der Anzahl elektrisch positiv geladener W-Teilchen zur Anzahl elektrisch negativ geladener WTeilchen. Dieses soll mit N± bezeichnet werden: N± = NW+/NW Einen Überblick über die in Frage kommenden Signal- und Untergrundereignissen sowie die Logik zur Klassifikation der Ereignisse geben folgende zwei Diagramme: 13 load event and go through every step of the following flowchart in order to find out what kind of event it is no MET ≥ 20 GeV yes no track(s) with transverse momentum pT ≥ 10 GeV yes no matching entries in the electromagnetic calorimeter (e+, e-) or muon chambers (µ+, µ-) yes number of those tracks originating from one vertex (zoom in) is: exactly 2 exactly 1 yes yes no no pT ≥ 20 GeV yes no >2 pT (l1) ≥ 20 GeV pT (l2) ≥ 10 GeV yes no isolated? both isolated? yes yes opposite electric charge yes determine electric charge: +1 W+ candidate Wcandidate -1 determine type of lepton: e+ µ+ e- no for leptons originating from the same family: MET ≥ 40 GeV yes measure angle between leptons in transverse plane µWW candidate background no Zusammenfassung des auf der vorhergehenden Seite abgebildeten Flussdiagramms: Um ein Ereignis als Signalereignis zu identifizieren, müssen folgende Auswahlregeln beachtet werden. Es handelt sich um ein Signalereignis, falls sich im Ereignis GENAU EIN LEPTON (entweder ein Elektron, ein Positron, ein Myon oder ein Antimyon) befindet, das isoliert ist (also NICHT in einem JET auftritt: isolation < 0.2), und zudem einen transversalen Impuls (PT) von mindestens 20 GeV besitzt. Außerdem muss im Ereignis ein fehlender transversaler Impuls (bzw. fehlende Energie MET = Missing Energy Transverse) von mindestens 20 GeV vorliegen. Nur wenn alle diese Kriterien für ein Ereignis zutreffen handelt es sich um ein Ereignis, in dem sehr wahrscheinlich ein W-Teilchen erzeugt wurde. Zusatzaufgabe: Higgs-Suche in Ereignissen mit W-Teilchen (H W+W) Der LHC wurde unter anderem gebaut, weil die Forscher mit ihm das langgesuchte HiggsBoson, und damit das zugrundeliegende Higgs-Feld nachweisen wollten. Auch zur Identifikation eines möglichen Higgs-Kandidaten müssen Auswahlregeln beachtet werden. Ein Higgs-Ereignis sollte: genau zwei elektrisch unterschiedlich geladene Leptonen enthalten, welche zum einen isoliert sind (d.h. nicht zu Jets gehören) und zum anderen jeweils einen transversalen Impuls von mindestens 20 bzw. 10 GeV besitzen. Außerdem muss für Leptonen derselben Familie im Ereignis ein fehlender transversaler Impuls (MET) von mindestens 40 GeV vorkommen. Erst wenn alle diese Auswahlregeln für ein Ereignis zutreffen handelt es sich um einen Kandidaten für ein “Higgs-Ereignis“. Gemeinschaftsaufgabe 2c) Anleitung zur Auswertung der Messergebnisse Die Theorie sagt vorher, dass die verschiedenen Prozesse folgende Anteile an der Produktion von W-Teilchen haben: 15 Mit Hilfe dieses theoretischen Inputs und dem Messwert N soll nun folgende Frage beantwortet werden: Um welchen Faktor R± wird ein W+ häufiger als ein W Teilchen in der Quark-Gluon-Wechselwirkung erzeugt! Leiten Sie im Protokoll die Formel für R± als Funktion von N (oder N+ und N) kurz her. Hinweis 1: W-Teilchen werden zu 66% durch Quark-Gluon-Wechselwirkung und zu 34% durch Gluon-Gluon-Wechselwirkung erzeugt. Hinweis 2: Durch Gluon-Gluon-Wechselwirkung werden W+- und W-Teilchen gleich häufig erzeugt. Bei der Auswertung und der Kombination der Ergebnisse aller Gruppen hilft Ihnen die Excel Datei auf der home page. Was kann man aus dem Ergebnis für R± über die Struktur des Protons schließen? Die folgenden zwei Aufgaben können Sie bei der Vorbereitung ignorieren! Aufgabe 3) Bestimmung der Z-Masse und Suche nach Higgs-Bosonen Hier soll die Masse der praktisch sofort zerfallenden Z-Teilchen unter Verwendung der Software HYPATIA bestimmt werden. Wenn möglich soll auch die Masse des Higgs-Bosons bestimmt werden. Die detaillierte Vorgangsweise zur Auswertung finden Sie auf der home page! Bemerkung: In den Daten zu Aufgabe 3 sind simulierte Z-Bosonen (1 TeV) sowie Gravitonen (1.5 TeV) enthalten, die ebenfalls in Leptonpaare zerfallen. Ein Z ist eine (hypothetische und schwerere) zusätzliche Version des Z-Teilchens! Gravitonen sind die vermuteten Austauschteilchen der Gravitationskraft (genauer: die Eichbosonen in einer Quantentheorie der Gravitation). Aufgabe 4) Beantworten Sie rückblickend noch ein paar knifflige Fragen – siehe home page 16 Anhang (gehört auch zur Vorbereitung): Fehlerrechnung Überlegen wir uns zuerst nochmals das Gauß’sche Fehlerfortpflanzungsgesetz. Die Fehlerfortpflanzung basiert auf der Taylorentwicklung. Eine zu berechnende Größe G sei eine Funktion der unabhängigen Messgrößen x, y und z: G = f (x,y,z), allgemein: G = f (xi), i = 1,n Wenn die Messgrößen um die Werte x, y bzw. z streuen, dann ändert sich G in erster Näherung folgendermaßen: f f f x y z x y z G f ( x x, y y, z z ) f ( x, y, z ) Dies ist eine Gleichung für konkrete Werte von x, y, z. Man kann zeigen (z.B. mittels Faltungsintegral): falls die zufälligen Messungenauigkeiten x, y, z unabhängig und alle für sich gaußverteilt sind (man denke an viele Messungen), dann ist auch G gaußverteilt mit der Streuung (= Standardabweichung = “Fehler“) 2 f f f G G x y z x y z 2 2 Dies ist das Gauß’sche Fehlerfortpflanzungsgesetz! Für den Spezialfall, dass G ein Produkt von Potenzen ist, d.h. f (x,y,z) = x y z, , , beliebig reell, erhält man folgende einprägsame Formel: 2 G x y z G x y z 2 2 Anwendung auf ein Zählexperiment: NX und NY seien unabhängige ganzzahlige Zufallsvariablen. Man bilde den Quotienten G = f(NX,NY) = NX/NY, also = 1 und = 1. Mit den Ersetzungen x X und y Y (siehe Bemerkung # ganz am Ende) folgt: (G/G)2 = (X/NX)2 + (Y/NY)2. Merksatz: Der relative Fehler eines Quotienten (bzw. eines Produktes) ergibt sich aus der quadratischen Summe der relativen Einzelfehler. Neben der Annahme: 1. NX und NY seien unabhängig, treffen wir noch folgende Annahme: 2. Es gelte die Poissonstatistik, d.h. die Streuung ist gegeben durch die Wurzel aus der Anzahl der gezählten Ereignisse, d.h. X = NX und Y = NY. Damit ergibt sich: (G/G)2 = (NX/NX)2 + (NY/NY)2 = 1/NX + 1/NY. 17 WICHTIG: Im Protokoll sollen Sie die analoge Rechnung für den in der Aufgabe 1 c) benötigten Fall machen, nämlich dass NX und NY Zufallsvariablen einer Multinomialverteilung*) und daher korreliert (also nicht unabhängig!) sind. Geben Sie nur die wichtigsten Schritte der Rechnung an. Interessanterweise erhalten Sie dasselbe Ergebnis. Lässt sich das verallgemeinern? Details zur Fehlerfortpflanzung für abhängige Größen (und die dafür benötigte Kovarianz) finden Sie z.B. im FAQ Teil auf der home page. *) Die Einträge Ni (i = 1,n) eines beliebigen Histogramms können immer durch eine Multinomialverteilung beschrieben werden. Die Gesamtanzahl der Einträge ist gegeben durch N = Ni . Da N fest ist (hier z.B. N = 40) sind die Ni aufgrund dieser Gleichung voneinander abhängig. Ein Schätzwert für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis im Kanal i landet ist gegeben durch pi = Ni/N. Die Anzahl der Ereignisse in jedem Kanal i ist jeweils für sich binomialverteilt, mit den Parametern pi und N. Häufigkeit Ni Histogrammkanäle 1,...,n #) Zum Zusammenhang zwischen der Zufallsvariable x und der Streuung x: konkrete Realisierung x x 0 Manchmal wird zwischen diesen beiden Größen nicht unterschieden und x auch als Streuung bezeichnet (wie z.B. im Skriptum zur Fehlerrechnung des Grundpraktikums). Korrekterweise sollte im Fehlerfortpflanzungsgesetz jedoch die Streuung X stehen. 18