Professor Dr. Rainer Schröder Sommersemester 2006 Universitätsrepetitorium Rechtsgeschäftslehre Fall 9: Die B-GmbH renoviert ihr Verwaltungsgebäude. Unter anderem soll eine neue Heizungsanlage eingebaut werden. Sie forderte deshalb von den Heizungsbauunternehmen U1 und U2 detaillierte Angebote an. Nach vorheriger Prüfung der räumlichen Gegebenheiten unterbreiteten sowohl U1 als auch U2 unter demselben Datum ein spezifisches Angebot mit Festpreis. Nach eingehender Beratung mit ihrer „rechten Hand“, dem Angestellten A, entschied sich Geschäftsführerin B für das Angebot des U2 und beauftragte A, das Auftragserteilungsschreiben unterschriftsreif vorzubereiten. Beim Diktat desselben reichte A indes der Sekretärin versehentlich mit dem Hinweis, die Anschrift dem entsprechenden Briefkopf zu entnehmen, das Angebot des U1. Der Brief, in dem der Auftrag über die Erstellung der Heizungsanlage unter Bezugnahme auf das „Angebot vom 1.4.“ erteilt wurde, wurde deshalb an U1 adressiert. B unterschrieb das ihr von A mit dem Hinweis „die Auftragserteilung für die Heizungsanlage“ überreichte Schreiben ungelesen. Als anderntags bei Ablage der Bestellschreibensdurchschrift der Fehler aufgedeckt wurde, machte B sofort per Fernschreiben an U1 geltend, dass das Annahmeschreiben versehentlich falsch adressiert und für U2 bestimmt gewesen sei; sie werde deshalb eine Leistung des U1 keinesfalls akzeptieren. Das Fernschreiben erreicht U1 eine Stunde nach Eingang der Morgenpost. Er hatte seinerseits den Brief unmittelbar nach Posteingang bereits gelesen und zwecks zügiger Durchführung des Großauftrages unverzüglich mit dem Herstellerwerk H per Telefon einen Vertrag auf Lieferung diverser Einbauteile perfekt gemacht. Ansprüche des U1? Abwandlung: U1 gibt versehentlich ein Angebot ab, bei dessen Kalkulation er die Transportund Montagekosten vergessen hat. Das Angebot enthält zwar eine ausführliche Beschreibung des Leistungsumfangs (inklusive Transport und Montage), aber keine Postenpreise, sondern nur die Angebots-Gesamtsumme. Diese liegt bei nur 50 % der Angebotssumme von U2. B ist sich angesichts dieser Preisdifferenz sicher, dass bei U1 mit dem Angebot etwas schiefgelaufen ist, nimmt es aber ohne Kommentar an und besteht auch nach Aufdeckung des Irrtums durch U1, erklärter Anfechtung und vorsorglich erklärtem Rücktritt auf Vertragsdurchführung zu den Bedingungen des Angebots. Zu Recht? Fall 10: K kauft im Antiquariat des Kaufmanns V ein Buch. Er erkennt, dass es sich dabei um eine seltene Erstausgabe handelt, die ausweislich der ausliegenden Preisliste € 1.000,- kosten soll. Die im Laden des V angestellte A hält das Buch jedoch irrtümlich für einen ebenfalls vorrätigen Nachdruck. Sie verkauft es namens des V dem K, der die Preisliste nicht gesehen hat und sich noch über das „Schnäppchen“ wundert, für den Listenpreis des Nachdrucks von € 300,-. Als V den Irrtum bemerkt, verlangt er sogleich von K die Rückgabe des Buches. Zu Recht? Abwandlung: Wie wäre es, wenn A zwar erkennt, dass es sich um die Erstausgabe handelt, sie aber in der Preisliste in der Zeile verrutscht und deshalb den falschen Preis nennt?